Eiskalte Prinzessin von emhumphrey ================================================================================ Nur noch ein Glas ----------------- Der drückende Bass, die pressende Musik. Die Lautstärke der ausgesuchten Rockmusik durchbrach die Grenzen normalen Gehörs. Der ganze Raum zitterte, die riesigen Boxen bebten. Um mich herum erreichte die bombastische Stimmung ihren Höhepunkt, alles tobte und kreischte. Sasukes Punk-Rock-Geburtstagsparty und ich stand mittendrin, völlig schief an seinen Körper gelehnt, der Flüssigkeitspegel in meinem schmalen Cocktailglas war schon verdächtig tief gesunken. Sasukes kühle, zärtliche Hand strich mir ab und zu vorsichtig das zerzauste pinke Haar aus dem verschwitzten Gesicht, dann erhob er sich leicht schwankend, gab mir einen süßen, prickelnden, leicht alkoholisch-angehauchten Kuss auf den Mund, wand mir vorsichtig das abstürzende Glas aus meiner Hand und arbeitete sich einen Weg durch die lachenden, tanzenden Partygäste zur recht belebten Bar und wieder zurück. Mit einer leicht übertriebenen, wackligen, aber dennoch schmeichelhaften Verbeugung überreichte er mir ein neues, bis obenhin gefülltes schmales Glas mit kleinem glitzernden Wedel und Schirmchen drin und einem blau-orange gestreiften Strohhalm zum trinken. Wir stießen an, die Gläser klirrten leise, mit einem bunten Cocktail, quietschsüßes Zeug mit viel zu viel Alkohol. Selbst gemixt. Ich genehmigte mir einen kleinen Schluck, der Zucker auf dem Rand des Glases machte den Mix noch viel süßer und vor allem krümeliger. Ich musste urplötzlich einfach so lachen, bekleckerte aus Versehen mein hautenges rotes Top mit giftgrünem Cocktail und das erste Mal in meinem Leben interessierte es mich nicht, dass auf meinem scheißteuren Designertop ein riesengroßer Cocktailfleck war. Sasuke küsste mich. Er schmeckte deutlich nach Sangria und nach Lakritze-Zuckergemisch. Nach Rauch. Er ergriff vorsichtig meine kalte Hand, zog mich lachend in die Mitte der Tanzfläche, zwischen all die anderen tanzenden, vor sich hin qualmenden Partygäste und musste sich einen Augenblick lang fangen, bevor er mit mir über die Tanzfläche wirbelte und dem ein oder anderen aus Versehen auf die Füße tappte und einen halbherzigen Fluch abkassierte. Um mich herum blitzten die verschiedenfarbigen Stroboskoplichter, während ich eine Vierteldrehung auf dem Parkett hinlegte und einen kurzen Moment lang mit meinem abhanden gekommenen Gleichgewicht kämpfte. Grün und gelb, rot und blau, alle Farben wirbelten in einem bunten Wirrwarr um mich herum. Die aufgehängte silberne Diskokugel produzierte viele kleine flimmernde Lichteffekte, die hier und dort herumhuschten. Es machte mich schwindelig. Alles war so leicht, so flüssig. Jeder Schritt machte mich unglaublich glücklich. Ein breites Lächeln zauberte sich auf mein Gesicht. Ich schaute mich um, während des Tanzens. Hinter der Bar, auf dem ramponierten blauen Sofa saßen Naruto und Hinata. Er küsste sie, wild und leidenschaftlich. Sie ließ es einfach geschehen, gab keinerlei Widerstand, und keiner von beiden kümmerte sich darum, was andere sagten oder sagen könnten und was sie definitiv auch sagten. Ich bekam es aus dem Augenwinkel mit. Hinata schien betrunken zu sein. Keine Spur mehr war von ihrer früheren Schüchternheit zu merken. Sasuke zog mich ganz nah an sich heran heran, wippte ausgelassen im Takt der lauten Musik hin und her und ich drückte mich laut kichernd an ihn. „Lass uns gehen, Sakura.“, flüsterte er mir stockend ins Ohr und hauchte mir Alkoholgeruch in die Nase. Ich nickte. Wollte loslaufen. Und taumelte. Plötzlich drehte sich alles. Ein Karussell in meinem Kopf, der auf einmal zu platzen schien. Ein bisschen zu viel Cocktail, ein bisschen zu viel Alkohol, ein bisschen zu viel Tanz hatte ich wohl erwischt. Ein bisschen zuviel von zuviel. „Mir ist schlecht…“, flüsterte ich ihm unbeholfen ins Ohr zurück. Dann, nach dem nächsten Schluck Cocktail, half nichts mehr, gar nichts, ich musste zur Toilette und lief wankend los, mit steigender Geschwindigkeit. Ich rannte mehrere angetrunkene Leute mit riesengroßer Klappe und einen voll bepackten Couchtisch mitsamt gefüllter Chipsschale über den Haufen, deren Inhalt sich bröckelig über dem gesamten Linoleumboden verteilte. Ich zitterte und zitterte und meine Finger waren irgendwie schwitzig. Verdammt noch mal, wieso ging bloß diese dämliche Tür nicht auf?! Schließlich riss ich sie panisch auf und brachte es fast nicht mehr, die hinter mir auch wieder zu schließen und meine Haare aus der Kloschüssel rauszuhalten. Irgendwer half mir schließlich. Als ich mich letztendlich beruhigt hatte und Atem schöpfte, schöpfen konnte, und nicht mehr Chipsbrei und Alkoholgemansche brechen musste, realisierte ich erst so richtig, wer genau mir geholfen und mich in einem Moment emotionaler Schwäche erwischt hatte. Ich drehte langsam und vorsichtig meinen schweren Kopf. Er fiel dabei fast ab. Es war Kakashi. Mein ehemaliger Sensei, mein Lehrer, eine Person, die es fertig brachte, immer dann aufzutauchen, wenn ich es überhaupt nicht erwartete. Er war angetrunken, genau wie ich. Und er war freiheitsliebend, genau wie ich. Wenn ich mir heute, im nüchternen Zustand und mit verdammt klarem Kopf so ansehe, was damals alles passiert war, umso mehr kommt mir der leise Verdacht, dass genau diese Freiheitsliebe mich dazu gebracht hatte, mich auf ihn einzulassen. Ich war mit Sasuke gerade erst zusammen gekommen, vor fast genau einem halben Jahr. Wir waren glücklich. Es war keine Wochenendbeziehung zwischen uns, er übernachtete jeden zweiten Tag in meiner Wohnung und überschüttete mich mit wundervollen Zärtlichkeiten. Unsere Küsse waren sinnlich, der Sex war befriedigend bis bombastisch. Und schon schob ich einem anderen meine Zunge in den Hals. Ohne das geringste Reuegefühl, nur im dringenden, süßen Genuss des Augenblicks. Der Alkohol ließ jedes schlechte Gewissen verpuffen, löste es auf in nebligen Dunst. Zurück blieb nur Verlangen… --- Am nächsten Morgen sprengte es mir fast die Schädeldecke vom Kopf, alles schmerzte mich, mir war wahnsinnig schlecht, als ich vollkommen verkatert und verdreht in meinem Bett aufwachte und keine Ahnung mehr hatte, was nach meinem Toilettenbesuch passiert und ich nach Hause gekommen war. Es war schlichtweg zuviel Alkohol gewesen. Das hatte mich einfach ausgeknockt. Sasuke, der die nachfolgende Nacht wohl bei mir verbracht haben musste, lag nicht mehr neben mir, aber sein Gästebett war zerwühlt und auf meinem alten Mahagoniküchentisch lag ein kleiner, handgeschriebener Zettel: „Morgen Schatz, wie geht es dir? Ich bin heute den ganzen Tag unterwegs, warte nicht mit dem Essen auf mich :) Mach dir einen schönen Tag und nimm eine Kopfschmerztablette :) Kuss, S. Sasuke. Ein Zettel von ihm. Ich nahm ihn vorsichtig in die Hand, als könnte ich nicht begreifen was es war, wenn ich es nicht sofort berühren würde. Es war fast wie eine kleine Botschaft des Glücks, ein feiner Wink, das meinem sensiblen Gewissen und Herzen sagte, dass ich den fantastisch-prickelnden Kuss zwischen Sensei und mir vergessen musste. Ich musste unwillkürlich lächeln. Ein bitteres Lächeln. Sasuke… er sorgte sich sogar noch nach einer durchzechten Nacht mit viel zu viel Alkohol um meine Gesundheit und nicht um die seine. Und ich hatte fremdgeknutscht. An seinem Geburtstag... Nach zwei, drei nervösen Sekunden lief ich los. Eine Kopfschmerztablette wäre jetzt tatsächlich genau das Richtige. Während ich sie mit einem Glas eiskaltem Wasser herunterspülte und verzweifelt versuchte, den verdammten Brechreiz zu unterdrücken, damit die dämliche Tablette auch eine klitzekleine Chance hatte, überhaupt zu wirken, läutete es an meiner Wohnungstür. Mir war schlecht, sogar kotzübel, aber dennoch zwang ich mich dazu, auf wackligen Beinen in Richtung Tür zu laufen, obwohl ich nur ein kurzes lila Satinnachthemd mit vielen sanften Knautschfalten trug und gerade erst aufgestanden war. Außerdem war meine Frisur unglaublich unvorteilhaft für überraschenden Besuch. Es klingelte noch einmal, laut und fordernd. Die scharfe Klingel knallte gegen meine Ohren. Es schwirrte. Ich hatte Angst. Aber das kam vielleicht von dem Rest Alkohol in meinem Blut. Ich riss die Tür auf. Und vor lauter Überraschung konnte ich nicht einmal etwas sagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)