Bis ans Ende der Welt von Flordelis (Das Schwert folgt stets dem Herzen) ================================================================================ Kapitel 19: Drachenpferde ------------------------- Auf der freien Ebene, die sich vor Tengaars Augen erstreckte, konnte sie zwei Wesen entdecken, die sie an Gul-Pferde, wie sie in Toran heimisch waren, denken ließ – jedenfalls in gewisser Weise. Diese Tiere vor ihr trugen keinerlei Rüstung, dafür waren wallende Mähnen sichtbar, die sie an Pferde erinnerten, sofern diese gelernt hätten, auf zwei Beinen zu laufen, wie diese. Die kaum ausgebildeten Hörner auf den Köpfen, überzeugten sie endgültig davon, dass sie keine Ahnung hatte, worum es sich hier handelte. Zwei Personen, gerade mal Jugendliche, wenn sie diese genauer betrachtete, liefen neben den Tieren her. Ein braunhaariger Junge ging neben dem schneeweißen Tier mit großen, schwarzen Augen. Neben dem blau geschuppten Wesen lief ein Mädchen mit langem schwarzem Haar. Und was Tengaar auch auffiel, war die Tatsache, dass sie beide gerade in einen Streit vertieft schienen. „Das ist nur deine Schuld“, beklagte das Mädchen sich. „Wenn du nicht immer verschlafen würdest, müsstest du nicht andauernd eine Strafarbeit erledigen.“ Er verzog das Gesicht und kratzte sich nachdenklich dreinblickend die Wange. „Es ist doch meine Strafarbeit, niemand zwingt dich, mitzumachen.“ Auch wenn sie es von ihrem Versteck aus nicht wirklich sehen konnte, war Tengaar davon überzeugt, dass das Mädchen mit den Augen rollte. „Du verstehst es einfach nicht.“ „Wie soll ich auch, wenn du es mir nicht erklärst?“ Seine Stimme verriet, dass er nahe vor dem Verzweifeln war – und Tengaar bekam sogar ein wenig Mitleid. Eigentlich wollte sie sich auch gar nicht in diese Unterhaltung einmischen, aber sie musste immer noch herausfinden, wie sie in die nächste Stadt kommen könnte und zwei Einheimische wären am besten als Quelle zu befragen. Als Tengaar aus ihrem Versteck trat und auf die beiden zulief, hielten sie augenblicklich inne, um sie anzusehen. Beide lächelten verhalten, wie man es tat, wenn man jemanden nicht einschätzen konnte, aber das Misstrauen in den Augen der beiden entging ihr nicht. „Entschuldigt, dass ich euch störe.“ Tengaar verbeugte sich knapp. „Ich bin eine Touristin aus Toran und habe mich... ein wenig verlaufen.“ Der Junge runzelte die Stirn, als müsste er überlegen, wo sich dieses Toran eigentlich befand, aber das Mädchen fragte bereits weiter: „Wohin wollen Sie denn?“ Mit immer noch gerunzelter Stirn blickte der Junge hinter Tengaar und starrte in den Wald, aus dem sie gekommen war. Sie glaubte regelrecht auf seinem Gesicht lesen zu können, dass er sich fragte, wie sie sich dort hatte verlaufen können. „Die nächste Stadt wäre mir erst einmal recht.“ Das Mädchen fuhr herum und deutete vage in die Richtung, aus der sie und der Junge gekommen waren. „Das wäre dann Sauronix.“ Tengaar erinnerte sich undeutlich daran, dass Faolan ihr bereits einmal von der Stadt erzählt hatte, es war jene, die man vom Balkon in Dougals Versteck sehen konnte. Also war sie immerhin in die korrekte Richtung gelaufen. „Sie müssen einfach nur geradeaus laufen“, erklärte das Mädchen, „dann kommen Sie dorthin. Das können Sie gar nicht verfehlen.“ Tengaar bedankte sich lächelnd bei ihr. Sie wollte sich gerade abwenden, als der Junge plötzlich die Stimme erhob: „Warum sind Sie eigentlich durch den Wald gelaufen? Wenn Sie von Doraat kommen, hätten Sie doch auch einfach das Schiff nehmen können.“ Das Mädchen warf ihm einen bösen Blick zu. „Stell doch nicht so eine blöde Frage, Landis! Es ist immerhin ihre Sache, wie sie sich durch das Land bewegt!“ Während Tengaar ein wenig zurückwich, schien der Junge diesen Umgangston bereits gewohnt zu sein, denn er erwiderte ihren Blick bereits und auch ihren Ton: „Ich bin nur neugierig! Warum ist das überhaupt dein Problem, Rina?!“ Der Gesichtsausdruck des Mädchens änderte sich kaum merklich, aber Tengaar war überzeugt, Eifersucht darin zu sehen, was ihr auch sofort erklärte, weswegen die beiden sich andauernd stritten. Sie fühlte sich ein wenig an sich selbst und Hix erinnert und hätte beide am Liebsten für einen kurzen Moment in die Arme geschlossen. Da sie allerdings keinen der beiden kannte, ließ sie es bleiben. Um den Streit der beiden zu zerstreuen, richtete Tengaar den Blick auf die fremdartigen Tiere, die alles mit geneigten Köpfen neugierig betrachteten. „Was sind das eigentlich für Wesen?“ Tatsächlich hörten beide auf zu streiten und wandten sich ihr zu. „Das sind Drachenpferde“, erklärte Rina, noch ehe Landis etwas sagen konnte, das wohl eine weitere respektlose Frage hätte sein sollen. „Wir sind Auszubildende der Drachenkavallerie von Falena.“ Unüberhörbarer Stolz schwang in ihrer Stimme mit. Da Tengaar noch nie zuvor von so etwas wie Drachenpferden oder gar einer dazugehörigen Kavallerie gehört hatte, musste es etwas sehr Einmaliges in Falena sein und damit war es gleichzeitig eine große Ehre, ein Teil von eben dieser zu sein – und mit Ehre kannte eine Tochter des Dorfs der Krieger sich immerhin aus. „Ich gratuliere euch. Dieses Privileg habt ihr euch sicher schwer verdient.“ „Sogar noch härter als andere Lehrlinge“, stimmte Landis zu, erklärte aber nicht, was er damit meinte, sondern wandte sich wieder Rina zu: „Sollen wir sie vielleicht begleiten?“ „Du suchst doch nur eine Ausrede, dich vor deiner Strafarbeit zu drücken“, tadelte sie ihn, lächelte dabei aber. „Ausnahmsweise bin ich jedoch deiner Ansicht, wir sollten sie begleiten, die Monster hier sind ein wenig härter als woanders.“ „Das wäre wirklich sehr nett“, sagte Tengaar lächelnd und schloss sich den beiden direkt an, als sie losliefen, was sie direkt zur nächsten Frage brachte: „Warum reitet ihr eigentlich nicht auf den Drachenpferden, wenn ihr sie schon mitnehmt?“ „Sie sind noch jung“, antwortete Landis. „Um Haltungsschäden zu vermeiden, ist es besser, wenig auf ihnen zu reiten. Aber herumlaufen sollten sie schon. Normalerweise geht einer der Stallburschen oder einer deren Lehrlinge.“ „Aber Landis hat mal wieder verschlafen und deswegen mussten wir das machen“, fügte Rina hinzu. Ihr Drachenpferd neigte den Kopf und stieß einen klagenden Laut aus, dessen Bedeutung sogar Tengaar verstehen konnte. Das Mädchen zuckte zusammen und tätschelte dem Tier den Hals. „Nicht, dass es mich stören würde, Zeit mit Tail zu verbringen.“ Landis rollte mit den Augen. „Ja, denn Zeit mit mir zu verbringen ist ja geradezu abartig.“ Rina sagte nichts, aber der Blick, den sie ihm zuwarf, sprach Bände. Tengaar musste ein amüsiertes Kichern unterdrücken, denn je mehr Zeit sie mit den beiden verbrachte, desto weniger Parallelen sah sie zwischen sich und Hix, denn dieser hätte ihr gegenüber niemals derartige Widerworte angebracht. Während die Jugendlichen zu überlegen schienen, was sie noch sagen oder fragen könnten, ohne allzu neugierig zu erscheinen, hielten beide Drachenpferde plötzlich inne und wandten ihre Köpfe in Richtung des Waldes. Automatisch hielten sie ebenfalls an und fuhren herum – nur damit Tengaar direkt erstarrte. Mit entschlossenen, schnellen Schritten, näherte sich ihnen jemand, der ebenfalls aus dem Wald gekommen war. Im ersten Moment glaubte sie, dass es sich dabei um Fion handelte, der sie wie versprochen einzuholen gedachte, aber während er näherkam, erkannte sie, dass es sich dabei um Dougal handelte. Er hatte sie schneller wiedergefunden, als zu hoffen gewesen war. „Ein Begleiter von Ihnen?“, fragte Landis interessiert. Tengaar sagte nichts, was beiden Antwort genug schien. Schützend stellten sie sich gemeinsam mit ihren Drachenpferden zwischen Tengaar und Dougal und zogen sogar direkt ihre Schwerter. Einige Schritte von ihnen entfernt, blieb er wieder stehen. Sein Blick ging angewidert zwischen den beiden Tieren hin und her, er schien sich nicht näher zu trauen – und da verstand Tengaar, weswegen Fion sie nach Sauronix geschickt hatte. Wenn es dort noch mehr Drachenpferde gab, war sie in Sicherheit, solange nur Dougal sie jagen würde. „Geht zur Seite!“, knurrte er. „Das hier geht euch absolut nichts an!“ Rina schnaubte als Erwiderung. „Wir werden nicht zulassen, dass Sie diese Frau gegen ihren Willen mit sich nehmen!“ „Als Auszubildende der Drachenkavallerie ist es unsere Pflicht, Menschen in Not zu verteidigen!“, stimmte Landis zu. Plötzlich schienen die beiden sich einig wie nie zuvor, immerhin konnten sie ihre Konflikte also beilegen, wenn es sein musste, was für ein außerordentlich gutes Team sprach. Kaum merkbare Funken sprühten von Dougals Fingerspitzen, als er sich über diesen Starrsinn aufregte, aber vorerst rührte er sich nicht. Lediglich seine Augen wanderten immer wieder zwischen allen Anwesenden hin und her, als suchte er nach einer Lücke, die er nutzen könnte, um anzugreifen. Aber er fand keine, was seinen Ärger nur ansteigen und die Funken stärker sprühen ließ. „Ich sagte, ihr sollt mir aus dem Weg gehen!“ „Ich wäre eher dafür, dass Sie endlich verschwinden!“, erwiderte Rina. „Ich weiß nicht, was Sie mit ihr zu tun haben, aber da sie nicht mit Ihnen gehen will, werden wir dafür sorgen, dass Sie das auch nicht mit Gewalt schaffen!“ Dougal knurrte und schleuderte ihnen einen Funkenbogen entgegen – aber Rina schwang ihr Schwert durch und schaffte es damit, den Zauber in den Himmel zu befördern, wo er explodierte, ohne Schaden zu hinterlassen. „Wow“, kommentierte Landis mit leuchtenden Augen. Rina dagegen warf ihr Haar zurück. „Pff, Kleinigkeit.“ Doch Dougal ließ sich davon nicht irritieren. „Das war nur ein Glückstreffer, das schaffst du nicht noch-“ Tail sprang mit einem entschlossenen Kreischen auf ihn zu und riss ihn zu Boden, so dass er den Satz nicht beenden konnte. Genausowenig schaffte er es offenbar, einen neuen Zauber zu wirken, was Tengaar nur recht sein konnte. Sie wollte den beiden Lehrlingen sagen, dass sie gemeinsam mit ihr wegrennen sollten, da wandte Landis sich ihr bereits zu und nickte zu seinem Drachenpferd hinüber. „Lil wird Sie in die Stadt bringen, dort sind Sie sicher. Wir halten ihn hier besser auf.“ „Seid ihr sicher?“ Die beiden Lehrlinge nickten entschieden. Tail hielt Dougal immer noch auf dem Boden fest, aber sie war nicht sicher, wie lange das noch gehen würde, weswegen sie ebenfalls beschloss, dass es angebracht wäre, schnell zu fliehen. Also bedankte sie sich hastig und stieg so gut wie möglich auf das weiße Drachenpferd auf, das sich daran nicht im Mindesten störte. Kaum saß sie auf dem Rücken des Tiers, rannte es bereits los, in einer Geschwindigkeit, die ihr den Wind ins Gesicht peitschte und ihr das Atmen erschwerte. Instinktiv senkte sie den Oberkörper tiefer, um dem Wind nicht so viel Widerstand zu bilden und hoffte, dass sie nicht nur bald ankommen würde, sondern auch dass den beiden Lehrlingen nichts geschehen würde. Mit einem wütenden Aufschrei schaffte Dougal es schließlich, Tail von sich zu schleudern. Das Drachenpferd gab ein empörtes Kreischen von sich, als es auf dem Boden aufkam, wo Rina sofort hineilte, um sicherzugehen, dass es ihm gutging. Landis dagegen blieb stehen, das Schwert noch immer erhoben, den Blick auf Dougal gerichtet, der es nur langsam wieder schaffte, aufzustehen. Sein Körper zitterte, aber Landis konnte nicht sagen, ob es Furcht oder Zorn war. „Was mischt ihr Gören euch überhaupt in diese Sache ein?“, grollte Dougal. „Was, wenn sie die Böse wäre und ihr einer Verbrecherin damit zur Flucht verholfen hättet?“ „Das wäre nicht passiert“, erwiderte Landis selbstsicher. „Drachenpferde haben eine gute Menschenkenntnis. Sie, zum Beispiel, mögen sie nicht. Also können Sie kein guter Mensch sein.“ „Verdammte Drachenkavallerie!“ Zum wiederholten Mal schleuderte er einen Lichtbogen, aber Landis machte sich nicht einmal die Mühe, ihn zurückzubefordern, sondern wich einfach einige Schritte zur Seite aus. „Ich weiß ja nicht, wie Sie das machen“, sagte er dabei, „aber diese Tricks sind nicht unbedingt sehr furchteinflößend.“ „Es liegt nicht in meinem Interesse, euch zu töten“, erklärte Dougal gelangweilt. „Also warum sollte ich mein gesamtes Potential an euch verschwenden?“ Rina stellte sich gemeinsam mit dem unverletzten Tail hinter den Magier. „Sie sollten uns besser nicht unterschätzen!“ Er wandte ihr nicht einmal den Kopf zu, sein Blick ging unablässig in die Richtung, in die Tengaar verschwunden war. „Wenn ich euch mit vollem Potential bekämpfen würde, würdet ihr keine drei Sekunden durchhalten.“ Ohne jede Vorwarnung zog er einen Degen hervor und griff mit diesem Landis in einer fließenden Bewegung an. Der Junge wich erschrocken zurück und riss gleichzeitig sein Schwert hoch, um die fremde Klinge abzuwehren. Im selben Moment griff Rina den Mann von hinten an. Er wirbelte zur Seite und ließ ein glühendes Schild an seinem Arm entstehen, mit dem er ihr Schwert abfing. Die beiden Lehrlinge blinzelten überrascht und betrachteten das Schild genauer, aber egal wie lange sie es ansahen, es blieb bei einem Gegenstand aus Licht. Dougal nutzte die Gelegenheit, um beide von sich zu stoßen, herumzuwirbeln und nun Rina mit dem Degen anzugreifen, während er Landis' Schwert mit dem Schild abfing – ohne dabei zu bemerken, dass er noch weitere Waffen bei sich trug. Landis zog den Dolch aus seinem Gürtel und rammte Dougal diesen in die Seite, wobei er darauf achtete, keinerlei wichtige Organe zu verletzen, sondern ihn nur kampfunfähig zu machen, so weit hatte er im Unterricht zumindest aufgepasst. Der Verletzte schrie auf. Der Degen verschwand aus seiner Hand, dafür warf er einen blau glühenden Energieball auf Rina, die getroffen zurücktaumelte und zu Boden fiel. „Rina!“ Landis wollte das Schwert fallenlassen, um zu ihr zu rennen, genau wie Tail, doch ehe er das konnte, packte Dougal ihn unsanft am Kinn und auf einmal verlor er sämtliches Gefühl in seinem Körper. Er schaffte es nicht, sich zu befreien, konnte sich nicht einmal einen Millimeter rühren, auch nicht als Dougal ihm den Kopf zuwandte und ihm direkt in die Augen sah. Landis erwiderte den Blick gezwungenermaßen und stellte erschrocken fest, dass er keinerlei Gefühl, kein Leben in den blauen Augen entdecken konnte. Dieser Mann hatte einmal etwas gesehen, das ihn innerlich tötete oder einen derartigen Verlust erlitten und das erklärte, weswegen er nun so erpicht darauf war, die Reisende zu finden, selbst wenn er dafür gegen zwei Jugendliche kämpfen musste. Und für einen kurzen, furchtbaren Moment, war Landis davon überzeugt, dass er die Begegnung mit diesem Mann nicht überleben würde. Doch unvermittelt ließ Dougal ihn wieder los, so dass er zurückstolperte. „Eines Tages“, erklärte der Mann, „wird dein Leben unschätzbar viel wert sein – dann werde ich wiederkommen, um es dir zu nehmen und dafür den Ruhm einzustreichen, der mir zusteht.“ Ohne noch etwas zu sagen, fuhr er herum und ging davon, nur um sich nach wenigen Schritten in Luft aufzulösen, so als wäre er nie dagewesen. Lediglich das Gefühl, das die Hand des Mannes an seinem Kinn hinterlassen hatte, verriet ihm, dass er sich nichts hiervon eingebildet hatte. Doch statt dem weiter nachzuhängen, ließ er schließlich das Schwert fallen, um zu Rina hinüberzueilen und sich neben sie zu knien. „Rina! Alles in Ordnung?“ Sie blinzelte und hielt sich den Kopf. „Owww, es tut so weh...“ Er atmete erleichtert auf, immerhin war sie bei Bewusstsein. „Lass uns nach Hause gehen, langsam wird es Zeit, oder?“ Als sie ihn direkt ansah, tat sie das mit dem süßesten Blick, den sich bei ihr nur vorstellen konnte und mit dem sie in einigen Jahren sicher die gesamte Männerwelt verrückt machen würde. Sie deutete ein Nicken an und ließ sich von ihm aufhelfen, ehe sie gemeinsam den Weg in die Stadt antraten, um nicht nur sie zu einem Arzt zu bringen, sondern sich auch der Fremden anzunehmen, die hoffentlich wohlbehalten angekommen war. Dabei ahnte keiner der beiden im Mindesten, in welche Sache sie damit zumindest kurzzeitig hineingeraten waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)