Bis ans Ende der Welt von Flordelis (Das Schwert folgt stets dem Herzen) ================================================================================ Kapitel 6: Die Ritterschaft von Zexen ------------------------------------- Hix' Blick blieb auf Tengaar gerichtet. Er bemerkte die blaue Kugel, die auf ihn zusteuerte zu spät und wurde dadurch mit ihrer vollen Wucht nach hinten geschleudert. Mit dem Rücken auf dem Boden aufgekommen rutschte er weiter nach hinten. Es war als würde seine Haut, die mit dem Boden in Kontakt kam, in Flammen stehen. Die Menschen, aus ihrem ereignislosen Alltag gerissen, sahen ihn erschrocken an. Doch schon bald gingen die Blicke zu dem Angreifer weiter. Seine Hand glühte inzwischen nicht mehr, doch der Rauch, der unverkennbar von ihr aufstieg, sagte deutlich, dass die Kugel von ihm gekommen war. Sofort teilten sich die unbeteiligten Zuschauer in drei verschiedene Lager: Die einen betrachteten den Angreifer interessiert, als ob sie versuchen wollten zu ergründen, welche Rune er wohl benutzt hatte und wo diese zu kaufen wäre. Die anderen begannen panisch zu kreischen und kopflos herumzurennen, als ob sie fürchteten, die nächsten Opfer zu werden. Die anwesenden Ritter dagegen fühlten sich verpflichtet, ihre Schwerter zu ziehen und sich auf den Angreifer zuzubewegen. Niemand kam auf die Idee, Hix zu helfen, der sich inzwischen selbst wieder stöhnend aufrichtete. Unter anderen Umständen wäre er einfach liegengeblieben, bis Tengaar gekommen wäre, um ihm eine Standpauke zu halten. Doch darauf konnte er sich dieses Mal nicht verlassen. Während die Ritter nur den Angreifer betrachteten, war Hix' Blick auf Tengaar gerichtet. Ihre Kleidung war vollkommen neu, aber er konnte nicht verleugnen, dass sie ihr stand. Ihr Kopf war ihm leicht zugewandt, so dass er in ihr Gesicht sehen konnte. Doch er sah darin keinerlei Mitgefühl, keine Menschlichkeit, alle Muskeln waren vollkommen neutral. Am Furchtbarsten fand er allerdings ihre Augen: Sie waren vollkommen leer, kein Glanz zeigte sich darin. Bislang hatte er so etwas nur bei den gefallenen Soldaten auf dem Schlachtfeld gesehen – doch von denen war keiner mehr auf den Beinen gestanden. Schauer fuhren über seinen Rücken und überdeckten das Brennen seiner Wunden, nur um es umso schlimmer wieder auflodern zu lassen. Die Ritter hatten sich dem Angreifer inzwischen respektvoll genähert, doch dieser schien sie gar nicht wahrzunehmen. „Wir gehen, Mädchen.“ Er fuhr auf dem Absatz herum und zog Tengaar mit sich. Gerade als die Ritter sich auf ihn stürzen wollten, brachen Felsen aus dem Boden. Ihre scharfen Kanten zerbeulten die Rüstungen der Aggressoren, die durch ihren eigenen Schwung wieder zurückgeworfen wurden. In Hix' Ohren hörte es sich an als würden Töpfe und Pfannen auf den Boden fallen – das hatte er bereits oft genug gehört, um sich dessen Klang sicher zu sein. Die Felsnadeln zogen sich wieder zurück und wäre das Straßenpflaster an den entsprechenden Stellen nicht aufgeplatzt, hätte man meinen können, dass sie nie existiert hätten. Tengaar und der Fremde hatten sich inzwischen weiter entfernt, sie bewegten sich absolut sicher durch die aufgescheuchte Menge und kamen rasch voran. „Tengaar!“ Die Schmerzen ausblendend, lief Hix los, um ihnen zu folgen. So leicht die Fortbewegung bei den beiden aussah, so schwer war sie jedoch für ihn. Immer wieder stieß er mit jemandem zusammen, der ihm geradezu blind in den Weg lief. Er hielt sich nicht lange damit auf, sondern schob jeden vorsichtig beiseite und rannte unbeirrt weiter. Trotz der Hindernisse schaffte er es, die Distanz zwischen ihnen zu verringern, was nicht weiter verwunderte, immerhin liefen sie im normalen Schritttempo, während Hix immer noch rannte. Als sie nur noch wenige Meter voneinander trennten, hob er seine Hand. Die Wasserrune leuchtete auf, zum zweiten Mal an diesem Tag spürte er einen frostigen Hauch – doch bevor der Zauber wirken konnte, blieben die Verfolgten abrupt stehen. Tengaar fuhr ruckartig herum, die Augen auf die Rune gerichtet. Schmerzen ließen Hix aufschreien. Er blieb ebenfalls stehen und hielt sich die Hand. Die Rune leuchtete nicht mehr, stattdessen trat um sie herum Blut aus ohne dass eine Wunde zu sehen war. Der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen, es fühlte sich an als ob seine Hand innerlich zerfetzt worden wäre und das Blut durch die Haut hindurch austrat, auch wenn das lächerlich war. Verschwommen konnte er sehen, wie der Fremde Tengaars Kopf tätschelte, bevor er gemeinsam mit ihr weiterlief. Hix wollte wieder aufstehen, doch seine Knie zitterten zu stark als dass sie ihn tragen könnten. Er verfluchte seine Unfähigkeit, während er sich fragte, was Tengaar getan hatte – und was er nun tun sollte. Er konnte die beiden doch nicht einfach davonkommen lassen. Doch wie so oft in seinem Leben kam auch diesmal eine fremde Person, die zufällig seinen Weg kreuzte, Hix zu Hilfe – diesmal allerdings unwissentlich. Galahad war noch nicht lange Kapitän der Ritterschaft von Zexen, doch er genoss jeden Augenblick davon. Im Gegensatz zu seiner Annahme und dem einzigen Grund, ihn zögern zu lassen, dass es zu zermürbend sein könnte, war es bislang recht entspannt. Es gab zwar kleinere Scharmützel mit den Grasländern, doch dies war nichts, was weiter erwähnenswert wäre, es war schon Alltag bei der Ritterschaft und nie weiter anstrengend. Noch dazu gab es nie ernsthaft Verletzte. Nach so vielen Jahren mit den immer selben Feinden, kannte man diese inzwischen in- und auswendig und konnte sie bereits im Schlaf bekämpfen. Galahad war durchaus stolz, zu sehen, was seine Ritter bewerkstelligen konnten, doch war es auch sein Anliegen, sie noch weiter anzutreiben und ihre starren Strategien aufzubrechen, um ihnen zu noch mehr Erfolg zu verhelfen. Er wusste, er könnte das schaffen, wenn er sich die erforderliche Mühe gab. Vorrangig ging es ihm aber noch darum, seinen neuen Posten zu genießen, solange es keinen Ärger gab, sehr zum Unwillen zweier junger Ritter in deren Gegenwart er sich im Moment befand. „Sollten wir nicht langsam mal wieder etwas machen?“, fragte der braunhaarige, kräftig gebaute Leo, der es nicht gewohnt war, so viel Zeit untätig herumzusitzen. Galahad beneidete diesen Mann um seine Jugend und den daraus resultierenden Elan, den er stets an den Tag legte. Das war einer der Gründe, weswegen er gern Zeit mit ihm verbrachte. Ein weiterer war sein vielversprechendes Talent im Umgang mit der Axt. Galahad wünschte sich mehr solcher furchteinflößender Kämpfer auf dem Schlachtfeld – sie könnten mit den Echsen konkurrieren. „Du solltest froh sein, wenn es nichts zu tun gibt“, wies der Dritte im Bunde ihn zurecht. Salome war ganze fünf Jahre jünger als Leo, in Galahads Augen fast noch ein Kind, aber ein erstaunlich cleveres. Zwar war er nicht der beste Kämpfer mit seiner Keule, doch war sich der Führer der Ritterschaft sicher, dass er einmal ein außerordentlich guter Berater sein würde, sobald er die erforderliche praktische Erfahrung gesammelt hatte. Auch wenn so mancher junger Taktiker es glaubte, aber Galahad wusste, dass Strategie aus mehr als nur auswendig Gelerntem bestand und nur lebensechte Kenntnisse einen im Krieg überleben ließen. Immerhin lernte man das Kämpfen auch nicht aus Büchern. „Aber es ist langweilig“, erwiderte Leo. „Nicht mal die Echsen greifen zur Zeit an, dabei sind sie doch sonst so kampflustig.“ „Du solltest dich lieber über den derzeitigen Frieden freuen“, bemerkte Salome, doch der andere konterte sofort wieder: „Ich bin nicht Ritter geworden, um untätig herumzusitzen.“ Galahad lachte schallend. „Gut gesprochen, junger Freund. Ich muss zugeben, dass ich geneigt bin, dir zuzustimmen.“ Jeder andere hätte nun eine genervte Reaktion von sich geben, ob mit einem Laut oder einem einfachen Augenrollen, doch Salome nickte nur verstehend. Tatsächlich schien es ihm nichts auszumachen, dass sein Kapitän ihm nicht recht gab. Aber viel Zeit für einen Widerspruch blieb auch nicht mehr. Während sie durch den ersten Stock liefen, erklangen plötzlich Schreie von unten. Zufrieden hieb Leo seine rechte Faust gegen seine Handfläche. „Das klingt endlich nach Spannung.“ Es war Salome deutlich anzusehen, dass er widersprechen wollte, doch dann besann er sich etwas anderem und nickte widerwillig. „So klingt es, ja.“ „Dann wollen wir uns dem Spaß einmal anschließen“, beschloss Galahad, dem diese Ablenkung auch wie ein Segen vorkam. Leo stürmte sofort in Richtung Treppe, die anderen Ritter folgten ihm langsamer. Galahad war inzwischen schon seit mehreren Jahrzenten im Dienste von Zexen, aber ein solches Chaos war ihm in der Messingburg noch nie untergekommen. Schwarze Brandflecken zierten die steinernen Wände, auf dem Boden waren erkaltete Pfützen geschmolzenen Stahls zu erkennen, Dutzende Ritter lagen oder saßen erschöpft auf den Gängen, nur noch wenige hielten sich aufrecht – und inmitten all dieser befanden sich zwei Personen, die Galahad noch nie zuvor gesehen hatte, die aber offenbar für diesen Zustand verantwortlich waren. Leo ließ sich nicht von dem allgemeinen Zustand beeinflussen und zog seine Axt. Mit einem kampfeslustigen Schrei griff er den Fremden an, noch bevor Salome ihn zurückhalten konnte. Mit einem genervten Laut auf den Lippen wandte sich der Angegriffene ihm zu. Im nächsten Moment breitete sich ein überraschter Ausdruck aus Leos Gesicht aus. Seine Axt steckte in einer Wand aus Eis, die aus dem Nichts erschienen war. Doch wie es einem echten Ritter würdig war, überwand er seine Überraschung schnell. Er stemmte einen Fuß gegen das Eis und versuchte sein Bestes, die Waffe wieder heraus zu ziehen. Salome und Galahad liefen derweil um die Mauer herum und stellten sich dem Fremden gemeinsam mit den verbliebenen drei Rittern entgegen. „Ihr langweilt mich“, schnarrte er. „Geht mir aus dem Weg!“ Galahad wusste zwar nicht, wer dieser Mann war oder warum die Ritter gegen ihn kämpften – immerhin deuteten seine Worte darauf hin, dass es nicht aus seiner Initiative heraus geschah – aber es musste einen guten Grund dafür geben und Fragen konnte er später noch stellen. Galahad zog sein Schwert, während Salome nach seiner Keule griff. „Irgendwelche strategischen Vorschläge?“, fragte der Kapitän. Der junge Ritter schüttelte mit dem Kopf. „Ich würde sagen, wir greifen einfach mit allem an, was wir haben.“ „Verstanden!“, sagten der Kapitän und die anderen drei Ritter gemeinsam. Der Fremde rollte entnervt mit den Augen. „Eigentlich habe ich keine Zeit zum Spielen.“ Er demonstrierte das auch gleich eindrucksvoll, indem er eine Flammenwand auf die Ritter zurollen ließ. Geistesgegenwärtig hob Galahad die Hand, die Schildrune leuchtete auf und errichtete einen Schutzwall vor ihnen, an dem das Feuer abprallte. Die drei Ritter griffen den Mann an, nur um durch eine bloße Handbewegung von eben diesem gegen die Wand geschleudert zu werden. Erschöpft blieben sie schließlich sitzen. Der Fremde sah die noch Stehenden auffordernd an. Ob er sie nun lautlos bat, zur Seite zu treten oder ob es eine Aufforderung war, ihn anzugreifen, für Galahad war es gleich. „Bleib zurück, Salome“, brummte der Kapitän. „Ich kümmere mich darum.“ Das Nicken bekam er gar nicht mehr mit. Galahad stürzte sich auf den Fremden, allerdings nicht ganz so kopflos wie die anderen Ritter. Zuvor hatte er festgestellt, dass eine Handbewegung des Mannes einen heftigen Luftstrom erzeugte, der seine Feinde zurückwarf. Er nutzte dieses Wissen nun, um sich unter dem Strom hinwegzuducken. Seine Klinge zielte auf die Schulter des Mannes. Er wollte ihn nicht töten, sondern nur kampfunfähig machen und ein gezielter, nicht lebensgefährlicher Treffer in die Schulter war seiner Erfahrung nach immer noch das beste Mittel dafür. Doch statt auf Fleisch traf das Schwert nur auf Metall. Von dem Geräusch irritiert sah er genauer hin – und entdeckte, dass der Fremde einen Rapier in der Hand hielt. Es befand sich keine Schwertscheide an seinem Gürtel oder auf seinem Rücken und es war auch keine Bewegung zu bemerken gewesen – woher kam die Waffe? Das Gesicht des Mannes war immer noch unbewegt. „Jetzt geh mir aus dem Weg.“ Für einen kurzen Moment verspürte Galahad tatsächlich den Impuls, diesem Befehl zu folgen. Die Augen schienen tief in seine Seele zu starren und dieser den eigenen Willen rauben zu wollen. Es kostete den Kapitän enorm viel Kraft, diesem Blick zu widerstehen. Während dieses kleinen Duells splitterte das Eis und ließ Leos Axt wieder frei. Der Hüne zögerte nicht lange und setzte seinen Angriff wieder fort. Die rothaarige Frau, die bislang unbeteiligt dabeigestanden hatte, stellte sich zwischen die beiden. Sie wirkte nur wie eine Puppe, aber dennoch war diese Geste genug, um Leo seinen Angriff überdenken zu lassen. Nur wenige Millimeter von ihrem Gesicht entfernt, hielt das Axtblatt inne. Das lenkte den Fremden genug ab, um den Blickkontakt zu unterbrechen. Galahad holte erneut mit seinem Schwert aus. Im letzten Moment wich der Angegriffene aus, doch dennoch riss die Klinge ihm die Schulter auf. Er schrie nicht einmal, als sein Blut spritze, aber er fluchte laut in einer für Galahad unbekannte Sprache. Erstmals wandelte sich sein unbewegter Gesichtsausdruck zu einer wütenden Fratze. Unwillkürlich wichen Galahad, Leo und Salome zurück. Der Fremde schrie noch einmal etwas in einer anderen Sprache, worauf die Erde zu beben begann. Die Erschütterung war nicht sonderlich stark, aber es reichte, um die Ritter in die Knie zu zwingen. Mit hochmütigem Gesichtsausdruck nahm der Fremde die Hand der jungen Frau, um seinen Weg fortzusetzen. Zumindest wollte er ihre Hand nehmen, doch sie wurde ihm entzogen, bevor er sie ergreifen konnte. Ruckartig fuhr er herum. „DU!“ Das Beben verstummte schlagartig. Ein dazugekommener junger Mann schob die wieder leblose Frau hinter sich. In seinem Blick lag neben Angst auch Entschlossenheit und es schien sich ganz auf diese Frau zu konzentrieren. Natürlich kannte Galahad die Geschichte, die diese fremden Leute verband nicht – aber plötzlich interessierte sie ihn brennend. „Denkst du wirklich, sie würde wieder mit dir mitgehen?“, fragte der Schwarzhaarige. Verachtung lag in seiner Stimme, sie war so lebhaft, dass Galahad für den Bruchteil einer Sekunde glaubte, dass dieser andere sie tatsächlich verdient hatte. Bevor der andere reagieren konnte, setzte sich eine Kette von Ereignissen in Gang: Aus dem oberen Stockwerk erklang das Klirren von Eis, alle Blicke gingen nach oben, im selben Moment erklang direkt vor ihnen ein dumpfes Geräusch. Als Galahad wieder hinsah, kniete der andere auf dem Boden, er hielt sich den Kopf. Der Angreifer und die Frau dagegen liefen an ihnen vorbei in Richtung Graslanden davon. Direkt darauf sprang der andere wieder auf und folgte ihnen. Schon nach wenigen Sekunden ware alle drei aus dem Blickfeld der Ritter verschwunden. „Wir sollten ihnen hinterher“, sagte Leo, doch Galahad schüttelte den Kopf. „Lass sie laufen. Wir können ohnehin nichts gegen sie ausrichten.“ Er vollführte eine ausholende Handbewegung, die alle erschöpften oder ohnmächtigen Soldaten im Gang so wie die Spuren des Kampfes mit einschloss. Leo konnte diese nicht einfach ignorieren, so dass er seufzend kleinbeigab. „Verstanden, Kapitän.“ Galahad nickte zufrieden, als er seine Waffe einsteckte. „Dann sollten wir mal die Verwundeten versorgen. Los, los.“ Auffordernd klatschte er in die Hände, worauf Leo und Salome sofort losliefen, um einen Sanitäter und andere Helfer aufzutreiben. Zufrieden fuhr sich Galahad über das Kinn, auf dem sich bereits erste Spuren eines Barts zeigten. An so viel Gehorsam könnte er sich wirklich gewöhnen. Wenn Pelize das nur sehen könnte... Sobald er wieder aus der Hauptstadt antanzt, werde ich ihm hiervon erzählen – er wird sich bestimmt in den Hintern beißen, das verpasst zu haben. Über diesen Gedanken grinsend machte Galahad sich schließlich selbst an die Arbeit und begann, sich bei den Rittern nach deren Befinden zu erkunden. Selbst als Hix auf der anderen Seite die Stadt wieder verließ, Tengaar immer noch verfolgend, ärgerte er sich noch darüber, dass seine Konzentration für diesen einen Moment nachgelassen hatte. Aber dieser Augenblick hatte genügt, um Tengaar Gelegenheit zu geben, ihn niederzuschlagen. Sein Kopf begann bereits zu schmerzen, aber noch schaffte er es, das zu ignorieren. Wenn er auch nur langsamer werden würde, könnte es sein, dass er die beiden aus den Augen verlor. Das wollte er nicht riskieren, besonders nicht hier. Weite, saftig grüne Felder erstreckten sich jenseits der Messingburg und schienen am Horizont mit dem blau-grauen Himmel zu verschmelzen. Wäre er nicht gerade auf einer Verfolgungsjagd gewesen, hätte er diesen Anblick mit Sicherheit genossen, so aber hatte er dafür im Moment kein Auge. Weder Tengaar noch der Fremde rannten, aber dennoch schien es als würde sich der Abstand zwischen ihnen und Hix immer weiter vergrößern. Wurde er ohne es zu merken immer langsamer? Da er seine Beine nicht mehr spürte und der Schweiß in Strömen über sein Gesicht rann, war das tatsächlich möglich. Er wollte wieder nach Tengaar rufen, in der Hoffnung, sie zu erreichen, doch ihr Name blieb in seiner trockenen Kehle stecken, klebte geradezu fest, genau wie seine Kleidung an seinem Körper. Das Blut rauschte in seinen Ohren, außer seinem keuchenden Atem konnte er nichts mehr hören, seine Lungen drohten zu bersten, doch er hielt nicht an. Entschlossen konzentrierte er sich darauf, nicht hinzufallen, nicht die müden Augen zu schließen, obwohl sein Körper sich im Moment nichts mehr wünschte als zu schlafen. Eine beinahe endlos lange Zeit später – Hix konnte Tengaars roten Haarschopf nur noch in weiter Ferne erkennen – schienen die beiden Verfolgten wieder innezuhalten. Langsam kam er ihnen wieder näher. Als er sich ihnen wieder so weit genähert hatte, dass sie nicht mehr nur verschwommene Flecken waren, konnte er erkennen, dass sie vor einer Felsformation standen, die wie ein Tor anmutete. Der Fremde hob eine Hand, worauf das Tor von einem unheimlich schillernden Nebel erfüllt zu sein schien. Unwillkürlich blieb Hix stehen und starrte dieses Leuchten verwundert an. War es das Ergebnis einer Rune? Was würde es anrichten? Erst als die beiden weiter auf dieses Tor zuliefen, kehrte das Leben in Hix' Beine zurück. Er rannte wieder los, so schnell wie möglich auf den wabernden Nebel zu. Den Arm ausgestreckt hechtete er die letzte Meter – und landete schmerzhaft auf dem Boden. Verwirrt blickte er sich um. Vor seinen Augen begann alles zu verschwimmen, aber er konnte erkennen, dass er durch das Tor hindurch geflogen war. Der wabernde Nebel war fort, genau wie Tengaar und der Fremde. Verzweifelt ließ er den Kopf in das Gras sinken, der Geruch davon schien ihm so intensiv und frisch wie noch nie zuvor, doch half es nicht, seine Gedanken abzulenken. Er hatte keine Ahnung, wo die beiden hin waren, wie er Tengaar so je wiedersehen sollte. Irgendwie müsste er einen Weg finden, um das herauszufinden. Aber zuerst einmal müsste er sich ausruhen und das sehr lange, so verlangte es sein Körper. Egal, ob er gerade schutzlos mitten in einer Steppe lag oder nicht. Kaum waren seine Augen geschlossen, fiel er in einen tiefen und traumlosen Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)