Bis ans Ende der Welt von Flordelis (Das Schwert folgt stets dem Herzen) ================================================================================ Kapitel 30: Kristall und Feuer ------------------------------ Die Wasserrune erstellte einen Schutz aus Eis direkt vor Hix. Aber Treasas Zauber ließ diese Mauer zerplatzen. Scharfkantige Eiskristalle wurden in seine Richtung geschleudert und bohrten sich brennend in seine Haut. Doch diese Schmerzen waren nichts gegen das, was ihn erwartete, als ihn gleich danach der volle Effekt des Zaubers traf. Flammenzungen leckten schmerzhaft an seiner Haut, versengten Kleidung und Haare. Er versuchte zu atmen, doch es kam ihm vor als stünde seine Nase, sein Rachen, seine Lunge selbst in Flammen, ein Feuer, das ihn von innen heraus zu verzehren versuchte. Schließlich schwand das schlimmste Gefühl wieder. Doch die normale Luft, die ihm nun viel zu kalt vorkam, traf auf seine glühende Haut wie brennendes Eis, das sich in ihn hineinzubohren versuchte. Er ließ den Arm sinken, den er bislang erhoben hatte, um seine Augen zu schützen. Es kam ihm wie ein Wunder vor, dass er sich überhaupt noch bewegen konnte. Treasa saß immer noch auf ihrem Thron, sie wirkte fast schon amüsiert. Ihre Rune glühte schwach. Benötigte sie etwas Zeit, ehe sie diese wieder einsetzen konnte? „Gar nicht schlecht“, sagte sie. „Ich hätte eigentlich erwartet, dass du dich direkt in Asche verwandelst. Womöglich habe ich dich unterschätzt.“ „Hör endlich auf damit.“ Die Worte kamen nur undeutlich aus seinem Mund, sein Körper, sein Mund, schmerzte zu sehr. Glücklicherweise gelang es ihm in diesem Moment, seine Rune wieder zu aktivieren. Ein blaues Licht hüllte ihn ein, ein angenehm beruhigendes Gefühl legte sich wie Balsam auf seine Haut. Einen Augenblick später hatten sich seine Schmerzen wieder verbessert, er spürte nur noch ihren Nachhall wie Nadeln, die auf seiner Haut kratzten, ohne sie wirklich zu verletzen. „Ich will, dass du mir Tengaar zurückgibst!“, forderte er. Zu seiner eigenen Überraschung war seine Stimme klar und entschlossen. Er spürte aber auch keine Furcht, zitterte nicht einmal. Wogen von Sehnsucht und Entschlossenheit wechselten sich in seinem Inneren ab und erfüllten ihn derart, dass gar kein Platz für Furcht blieb. Treasa lachte. „Und wie willst du diese Forderung durchsetzen? Deine Rune wird niemals gegen meine ankommen und du hast kein Schwert mehr.“ Erst als sie das erwähnte, fiel ihm das auch auf. Seine Hand fuhr an seinen Gürtel, der sich viel zu leicht anfühlte. Tatsächlich, das Schwert war nicht da, er fand nur eine leere Scheide vor. Das Leder fühlte sich angenehm kühl unter seinen Fingern an. „Du siehst, es ist absolut hoffnungslos. Du wirst niemals gegen mich gewinnen.“ Noch einmal leuchtete ihre Rune auf. Er wappnete sich wieder gegen das Feuer, doch stattdessen schossen ihm glühende Klingen entgegen. Mit einem Sprung zur Seite wich er aus – doch die Klingen bildeten einen Bogen, folgten jeder seiner Bewegungen. Nach nur wenigen Sprüngen durchbohrte eine der Waffen sein Bein. Er schrie unwillkürlich auf. Weitere Klingen bohrten sich in seinen Körper, rissen ihn zu Boden. Er spürte, wie einer seiner Zähne abbrach, schmeckte Blut. Die glühenden Klingen verschwanden, doch seine Wunden blieben. Warmes Blut floss seine Arme und Beine hinab, aber zumindest die Schmerzen ließen nach. Treasas höhnisches Lachen erfüllte die Halle. „Du hättest nie hierher kommen dürfen, wenn dir etwas an deinem Leben liegt.“ Ihm lag wirklich etwas daran, aber- „Mir liegt viel mehr an Tengaar“, erwiderte er leise. Mühsam erhob er sich wieder, spuckte etwas Blut und seinen abgebrochenen Zahn aus. Die Wasserrune leuchtete erneut auf, um ihn wieder zu heilen. Er spürte aber, dass es das letzte Mal war, dass er die Rune bedenkenlos einsetzen konnte. Die Magie zehrte bereits an ihm. Er richtete eine mit Blut verklebte Hand in Treasas Richtung. „Und deswegen werde ich alles tun, was ich kann, um sie wiederzubekommen.“ Das Amüsement verschwand vollkommen aus ihrem Gesicht. Sie zog ihre Augenbrauen zusammen, deutlich verärgert. „Du weißt einfach nicht, wann du aufhören solltest, oder?“ Er wich ihrem beiläufig geworfenen Felsbrocken aus. Irgendwo hinter ihm zerplatzte er an einer Wand. Wie konnte sie das überhaupt machen? Lag das daran, weil es ihr Reich war? Egal, er durfte sich nicht ablenken lassen, er musste auf alles gefasst sein. „Ich hätte dich wieder gehen lassen“, sprach Treasa weiter. Sie erhob sich. Von irgendwo hörte er das Knacken von Kristall. Im nächsten Moment schoss eine scharfe Kristallspitze aus der Dunkelheit auf ihn zu. Er sprang zur Seite, sie zog an ihm vorbei. Dann sah er der Spitze hinterher, bis sie gegen ein Hindernis prallte und zerbrach. Die Splitter regneten auf den Boden und ließen neue lila-farbene Kristalle wachsen. Sie versperrten seinen Rückweg. Aber er hatte ohnehin nicht vor, zurückzugehen. Treasa ging langsam auf Hix zu. „Du hättest dein Leben ganz normal und friedlich weiterleben können.“ Über sich hörte er ein leises Zischen. Ein Sprung nach hinten rettete ihn vor einem herabstürzenden Speer, der sich in den Boden bohrte. Genau dort, wo er gerade eben noch gestanden hatte. „Ohne Tengaar zugegeben, aber ist das denn wirklich so wichtig?“ „Für dich war es doch auch wichtig, dass Alisdair bei dir war, oder?“ Treasa hielt augenblicklich inne. Etwas in Hix' Inneren schien sich zu regen. Wie ein Fremdkörper wand es sich in seinem Geist, seinem Gehirn, wollte einen Weg hinaus finden. Er ignorierte dieses Gefühl vorerst. Nach einem kurzen Moment des Schweigens, stieß Treasa ein wütendes Schnauben aus. Die Kristalle resonierten in einem tiefen, ohrenbetäubenden Ton. „Du hast kein Recht, von ihm zu sprechen!“ Es schien von überall gleichzeitig zu kommen. „Nicht einmal seinen Namen in den Mund zu nehmen!“ Es war so wie er es in ihren Erinnerungen gesehen hatte: Sie liebte ihn immer noch. Selbst nach all diesen Jahren – oder möglicherweise genau wegen diesen. Hix streckte eine Hand aus als hielte er ein Schwert, obwohl sie leer war. „Ich werde über ihn reden solange ich will, bis du mir Tengaar wiedergibst.“ Um Treasa herum schien Licht zu explodieren. Es sah aus als stünde ihr ganzer Körper in Flammen, ohne dass sie wirklich verbrannt wurde. Sie war der Mittelpunkt des Feuers, seine nie endende Quelle. „Das, was du und Tengaar habt, ist nicht einmal halb so stark wie das, was Alisdair und mich verbindet!“ Ihre Stimme wurde von einem eigenartigen Hall begleitet, der sie verzerrte, bis sie fast unkenntlich wurde. „Für deine Anmaßung werde ich dich zerfetzen!“ Die Flammen loderten heller, reckten sich nach Nahrung in alle Richtungen, blendeten Hix. Er spürte die Furcht in seinem Inneren wieder, die Angst davor, verletzt zu werden oder sogar zu sterben. Seine Beine zitterten ein wenig. Aber er konnte nicht zurückweichen. Nicht, wenn es um Tengaar ging. Eine ihm unbekannte Energie erfüllte ihn, verdrängte die Angst in eine Ecke, in der er mit ihr umgehen konnte. Und dann schloss sich seine Hand plötzlich um einen Schwertgriff. Von diesem Gefühl etwas überrascht, blickte er hinüber, aber ehe er etwas erkennen konnte, spürte er, wie sich Treasas Rune wieder aktivierte. Sie warf ihm einen Schwall an Energie entgegen. Ohne nachzudenken riss er die Arme vor, damit er sein Gesicht schützen könnte – doch eine gleißende Klinge schnitt direkt durch die Energie hindurch, teilte sie, so dass er nicht getroffen wurde. Er sah in Treasas erstauntes Gesicht, das in etwa so ähnlich aussehen dürfte wie seines. Aber dann fiel sein Blick wieder auf das Schwert in seiner Hand. Die Klinge glühte in einem beruhigenden blauen Licht, das einen Kontrast zu dem roten Feuer Treasas bildete. „Was ist das?“, fragte sie mit verzerrter Stimme. Das konnte Hix auch nicht beantworten, aber wenn es ihm half, Tengaar zu retten, würde er davon Gebrauch machen, ohne es zu hinterfragen. Wieder hörte er das Knirschen von Kristall. Im nächsten Moment schossen weitere Kristallspitzen auf ihn zu. Hix schwang das Schwert, es zog einen glitzernden blauen Schweif hinter sich her. Sämtliche Kristalle, die damit in Kontakt kamen, zerplatzten ohne jeden Schaden anzurichten. Energie und reine Macht prickelten in Hix' Fingerspitzen. Deswegen wurde er von neuem Mut beflügelt. Er sprang nach vorne, direkt auf Treasa zu. Sie machte eine wegwerfende Handbewegung – ein Ruck riss ihn zur Seite, er landete auf seiner Schulter. Schmerz zuckte durch seinen gesamten Arm als wäre er einfach zerbrochen. Aber er hielt nicht inne. Hix sprang sofort wieder auf, wich einem Felsen aus und stürzte erneut auf Treasa zu. Fünf glühende Speere schienen aus ihrem Körper zu kommen, sie warf ihm diese entgegen – zwei von ihnen bohrten sich in seinen Arm und seinen Oberkörper, die anderen drei konnte er abwehren. Das durch seine Adern pumpende Adrenalin verdrängte den Schmerz. Kaum waren die Speere wieder verschwunden, leuchtete seine Rune auf und hüllte ihn mit einem heilenden Licht ein. Er spürte ein Ziehen in seinem Kopf, ein Schmerz als ob er sich einen Haken hineingebohrt hätte und nun damit wieder freizukommen versuchte. Er hätte nicht mehr zaubern dürfen, aber ihm blieb keine Wahl. Mit dem Schwert teilte er eine weitere Energiewelle von Treasa, wich zahllosen Kristallbruchstücken aus. Einige von ihnen bohrten sich in seine Haut, sandten ein schmerzhaftes Brennen aus, das ihn von seinem Vorhaben abzubringen versuchte. Aber er hielt nicht inne. Er rannte immer weiter, die Distanz zwischen ihnen schmolz. Treasa bewegte sich rückwärts, ließ Feuer, Kristalle, Speere und Felsen auf ihn prasseln, aber er wehrte jeden einzelnen Angriff ab, wich ihm aus, widerstand dem Schmerz. Nur noch ein paar Meter! Mit einem Sprung überwand er die letzte Distanz. Treasas flammende Aura versengte seine geheilte Haut, ließ sie derart schmerzen, dass er am liebsten geschrien hätte. Vielleicht tat er das auch. In seinen Ohren hörte er nur noch ein Rauschen, das alle anderen Geräusche erstickte. Treasa hielt abwehrend die Arme vor sich, sie wandte den Blick ab. Das Schwert traf sie schräg auf der linken Schulter. Hix' Kraft reichte nicht, um die Klinge ganz durch ihren Körper zu treiben, aber er konnte sie so weit hineinstoßen, dass sie feststeckte. Der Schwung seines Sprungs ließ ihn direkt gegen Treasa prallen und sie mit sich zu Boden reißen. Er rollte über sie hinweg, ließ das Schwert dabei los und kam schmerzhaft auf dem Rücken zum Liegen. Treasa wand sich vor Schmerzen auf dem Boden, stieß immer wieder leise Schreie aus, wenn sie nicht gerade schluchzte. Hix wollte sich aufrichten, um ihr den letzten entscheidenden Schlag zu versetzen. Aber es ging nicht. Das Adrenalin schien mit dem Aufprall aus seinem Körper gewichen zu sein, sein ganzer Körper war ein einziger großer Schmerz, wie er ihn noch nie zuvor gespürt hatte. Kein Muskel, kein Knochen, der ihm nicht mit einem stetigen Brennen oder Zerren mitteilte, dass er in Mitleidenschaft gezogen worden war. Kraftlos sank er wieder zu Boden. Die Wasserrune leuchtete zwar auf, aber er war zu ausgelaugt, um sie einzusetzen. So ähnlich musste es auch Treasa gehen. Ihre Rune pulsierte schwach in einem weiterhin bedrohlichen Rot, aber es wurde kein Zauber gewirkt. Die Flammen um sie herum existierten noch, allerdings fraßen sie nun auch Treasas Haut. Lediglich das blaue Leuchten des Schwerts verhinderte, dass Hix vollkommen vom Rot geblendet wurde. Aber was jetzt? Er war in diese andere Welt, diese Sphäre, gekommen, um Tengaar zu retten. Müsste er am Ende dafür sterben? War das wirklich in Ordnung? Natürlich. Sie ist viel wertvoller als ich. Sie muss leben. Nach und nach schwanden die Schmerzen, je länger er still dalag, und ließen nur noch ein taubes Gefühl zurück. Auch ohne es zu versuchen wusste er, dass er sich nicht mehr bewegen könnte. Treasa verstummte derweil endlich und lag sogar still. Ein kurzer Blick zu ihr hinüber zeigte ihm, dass ihr Körper inzwischen nur noch Kohle war, die Rune war erloschen, endgültig. Er müsste schockiert sein, angewidert, vielleicht wäre ihm unter anderen Umständen sogar schlecht geworden. Aber im Moment fühlte er sich vollkommen leer, desinteressiert, losgelöst. Fast spürte er so etwas wie Glück über diese Erkenntnis. Aber er konnte sich im Moment auch nicht mehr erinnern, wie sich Glück überhaupt anfühlte. Er spürte keinen Luftzug, aber plötzlich wurde die Asche, die Treasas Körper darstellte, in die Luft gehoben und verweht. Aber wie konnte es möglich sein, dass sie bereits derart verbrannt war? Seine Augen folgten der schwebenden Asche, die in der Luft ein Muster zu bilden schien, dann wurden seine Lider so schwer, dass er sie nicht mehr offen halten konnte. Er schloss die Augen, sank in die Dunkelheit hinab, bereit, sich dem Willen der Runen zu unterwerfen. Und dann lauschte er nur noch seinem langsamer werdenden Herzschlag. Bis er verstummte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)