Papierherz von Ur (Bleistiftspuren bleiben) ================================================================================ Kapitel 27: Immer und immer wieder ---------------------------------- So. Ich verkrieche mich in ein dunkles Loch, weil ich immer noch der Meinung bin, dass meine Fähigkeiten zum Lime schreiben eigentlich nicht vorhanden sind. Ich wünsche euch trotzdem viel Spaß beim Lesen! Das nächste Kapitel ist noch mal ein Reha- Überbrückungskapitel und dann habt ihr es geschafft ;) Liebe Grüße :) ________________________ Er stand vor einem großen, offiziell wirkenden Gebäude. Seinen Koffer hatte er im Hotel einfach stehen lassen ohne irgendetwas auszupacken. Wenn Kolja wüsste, wie eilig Jannis es eigentlich hatte ihn wieder zu sehen, dann würde er sich vermutlich kaputt lachen oder wieder solchen Unsinn reden, von wegen Jannis wäre niedlich. Er drückte die Glastür auf und sah sich nach einer Rezeption um, doch er stellte fest, dass er keine brauchte. Sein Herz machte einen übermäßig großen Satz, als Kolja strahlend auf ihn zukam, immer noch im Rollstuhl sitzend, aber offensichtlich glänzend gelaunt. Er machte direkt vor Jannis Halt, der sich so aufgeregt fühlte, als wäre dies ihr erstes Treffen, und streckte die Arme aus. Das erste Mal sah Jannis sich nicht um, ob jemand zusah, er beugte sich einfach hinunter und umarmte Kolja. Die blonden Haare, die unterhalb normalerweise immer kurz rasiert gewesen waren, waren mittlerweile länger geworden. Tatsächlich wellten sie sich ein wenig. Alles in allem befand Jannis, dass Kolja entzückend aussah. Das würde er allerdings besser für sich behalten. Alles in ihm kribbelte, während er gebeugt im Eingangsbereich der Rehabilitationsklinik stand und Kolja so fest an sich drückte, als würde jeden Moment die Welt untergehen. »Ich kann’s noch gar nicht fassen, dass du wirklich hier bist«, nuschelte Kolja gegen seinen Hals und prompt bekam Jannis eine Gänsehaut. Er richtete sich auf und fuhr sich mit leicht zittrigen Fingern – wieso zur Hölle war er so nervös? – durch die Haare. »Ich bin nicht ganz fertig geworden. Das Fazit fehlt mir noch, aber das schreibe ich, wenn ich wieder zurück bin.« Kolja lachte leise. »Die anderen aus deinem Semester haben sicher noch nicht mal angefangen«, meinte er amüsiert und deutete hinüber zu einem Fahrstuhl. »Ein paar lesen sicher schon Texte für ihre Arbeit«, sagte Jannis ein wenig verlegen, weil er das Gefühl hatte, Kolja musste ahnen, wieso Jannis sich überhaupt so beeilt hatte. »Ich bin ganz schön scharf auf deine Intelligenz und deinen Ehrgeiz, weißt du?«, meinte Kolja unbeschwert und Jannis bekam prompt einen hochroten Kopf. Wahrscheinlich würde er nie gut mit solchen Bemerkungen umgehen können. Diese Chance hatte er verpasst, als er sich jahrelang von sozialer Interaktion ferngehalten hatte. Wie bitter. »Nein, das… ähm… war mir nicht so klar«, sagte er möglichst gelassen. Kolja gluckste. »Und auf deine Bescheidenheit… und… ich könnte die Liste noch ganz lang fortsetzen«, versicherte er ihm. Jannis räusperte sich lediglich unverbindlich und fragte sich, wie schnell sein Herz eigentlich hämmern konnte, bevor es explodierte. Sie hatten sich so lange nicht gesehen und nun ging Jannis neben Kolja einen hellen Gang entlang auf eine Tür am Ende des Korridors zu, die Kolja aufstieß und ihn hineinwinkte. Es fühlte sich ein wenig unwirklich an tatsächlich hier zu sein. Bei Kolja. Jannis betrat das kleine aber freundlich eingerichtete Zimmer mit Fenster zum Park und betrachtete kurz die gemusterten Vorhänge, den kleinen Schrank und den Tisch, auf dem sich einige von Koljas Büchern stapelten, ehe er sich die Schuhe und seine Jacke auszog. Als er aufblickte, sah er, dass Kolja sich mittlerweile aufs Bett gesetzt hatte. Jannis musterte seine strahlenden Augen und das breite Lächeln. Dann deutete Kolja hinunter auf seine Füße und Jannis senkte den Blick, um zu sehen, wie Koljas Zehen in seinen grauen Socken wackelten. »Doc Grausam meinte, das wäre bemerkenswert nach so kurzer Zeit«, sagte Kolja und Jannis hörte einen leicht stolzen Unterton in seiner Stimme mitschwingen. Er schluckte schwer, während er langsam zu Kolja hinüber ging. »Du bist ja auch einfach… bemerkenswert«, flüsterte er heiser und Kolja blinzelte erstaunt, ehe sich ein leichter Rotschimmer auf seinen Wangen ausbreitete. Jannis freute sich irgendwo in den Tiefen seines benebelten Gehirns darüber, dass Kolja an Komplimente von ihm noch lange nicht gewöhnt war – und das würde hoffentlich auch so bleiben. Zwei Monate. Zwei Monate waren viel zu lang gewesen! Jannis beugte sich zu Kolja hinunter und drückte ihn nach hinten aufs Bett, ehe er seine Lippen heftig auf Koljas Mund presste. Kolja keuchte überrascht und erregt auf, was Jannis beinahe um den Verstand brachte. Arme schlangen sich um seinen Oberkörper und zogen ihn halb aufs Bett. Hatte er irgendwann einmal in Büchern etwas gelesen wie ›verrückt vor Sehnsucht‹ und hatte es nicht nachvollziehen können? Nun, gerade in diesem Moment wurde ihm erst richtig bewusst, wie sehr er Kolja wirklich vermisst hatte. Als ihre Zungen sich trafen, keuchte Jannis sehnsüchtig in ihren Kuss und spürte, wie ihm vor lauter Verlegenheit noch heißer wurde. Diese Geräusche waren peinlich – zumindest wenn sie von ihm selbst kamen. Seine Lippen bewegten sich so hungrig gegen die von Kolja, dass man meinen könnte, dieser Kuss sei der letzte seines Lebens. Koljas Zunge schickte Schauer um Schauer durch seinen Körper und Jannis spürte jetzt schon, wie seine Hose unangenehm eng wurde. Im nächsten Moment fand er sich rücklings und der Länge nach auf Koljas Bett wieder, Kolja über ihn gebeugt. Die glitzernden blauen Augen blickten verhangen auf ihn hinunter. Jannis zog sich mit zitternden Fingern die Brille von der Nase, die ihm ohnehin jedes Mal beinahe aus dem Gesicht rutschte, wenn er und Kolja sich so heftig küssten. »Du kannst nicht wieder nach Hause fahren«, wisperte Kolja und berührte mit seinen Lippen dabei beinahe die von Jannis. »Will ich auch eigentlich gar nicht«, nuschelte Jannis gegen Koljas Lippen und tupfte mehrere Küsse auf den Mund des anderen. Kolja erschauderte merklich, ehe er sachte an Jannis’ Unterlippe knabberte. Eine vorwitzige Zunge strich über seine Lippen und Jannis grummelte ungeduldig, ehe er eine Hand in Koljas Nacken schob und ihn in einen weiteren, innigen Kuss zog. Finger stahlen sich unter Jannis’ Pullover, glitten über seine ohnehin schon erhitzte Haut und hinterließen ein verheißungsvolles Kribbeln. Koljas Hände schoben den Stoff nach oben und Jannis hatte nur noch Zeit nach Luft zu schnappen, ehe sich Koljas Lippen auf seinen Oberkörper senkten und Küsse darauf verteilten. Jannis’ Gehirn hatte sich bereits abgeschaltet und er vergrub kurz seine Hände in Koljas weichem Haar und bog ungewollt seinen Rücken durch. Die Finger seiner linken Hand krallten sich schließlich ins Bettlaken, die andere Hand strich ruhelos über Koljas Rücken, ehe sie den Pullover ungeduldig nach oben zerrte. Kolja lachte leise gegen Jannis’ Bauch, richtete sich halb auf und Jannis sah gespannt zu, wie Kolja sich seinen Pullover über den Kopf zog und ihn achtlos auf den Boden neben dem Bett fallen ließ. Jannis musterte den schlanken Oberkörper mit der schmalen Taille und den vorstehenden Beckenknochen. Er streckte eine Hand aus und strich federleicht mit seinen Fingerspitzen über die helle Haut. Kolja beobachtete ihn aus verhangenen Augen und Jannis hörte, wie er leicht zittrig einatmete. Jannis’ Herz bollerte gegen seine Rippen als seine Finger bis hinunter zu Koljas Hosenbund strichen, sich leicht hinein schoben und dann innehielten. Er wagte es kaum, Kolja wieder anzusehen. »Jannis«, murmelte Kolja und seine Stimme war kratzig vor Erregung, »wenn du nicht willst, dass ich durchdrehe…« Jannis schnitt ihm das Wort ab. »Ich will aber… dass du…« Sein Gesicht wurde heiß und Kolja starrte ihn einen Augenblick lang fassungslos an, ehe er Jannis so tief und leidenschaftlich küsste, dass Jannis aufstöhnte. Koljas rechte Hand schob sich in Jannis’ Hose und ihm stockte der Atem, als er Koljas Finger dort spürte. Seine Stimme gehorchte ihm nicht mehr. Er wollte nicht stöhnen und keuchen und schon gar nicht wollte er wimmern, weil er es nicht mehr aushielt. Es schien ihm, als würde Kolja ewig lange brauchen, um seine Hose zu öffnen. Jannis konnte sich kaum noch auf den aufreizenden Kuss konzentrieren, weil Koljas Hand regungslos in seiner Hose verweilte, so als könnte sie sich nichts Schöneres vorstellen, als ihn in den Wahnsinn zu treiben. Unweigerlich ruckte sein Unterkörper nach oben, doch Koljas Hand zog sich zurück und Jannis grummelte enttäuscht in den Kuss hinein. Koljas Lippen lösten sich von seinen und ehe Jannis sich versah, hatte Kolja ihm die Jeans von den Hüftknochen geschoben und zog Jannis in eine sitzende Position, damit er ihm den Pullover über den Kopf zerren konnte. Sein Kopf war leer gefegt, als er zaghaft an Koljas Hosenbund zupfte. Kolja schmunzelte. »Da wirst du mir wohl helfen müssen.« Um Himmels… hatte Kolja da gerade geschnurrt? Wie scharf konnte einen eine Stimme eigentlich machen? War das überhaupt gesund? Jannis streckte seine leicht zittrigen Hände nach Koljas Hosenbund aus und machte sich daran, den Knopf und den Reißverschluss zu öffnen. Kolja ließ sich unterdessen zurück aufs Bett sinken und betrachtete Jannis mit einer Mischung aus Zärtlichkeit und unverhohlener Erregung. Jannis kniete sich über Kolja und zog ihm langsam die Hose hinunter, bis er und Kolja nur noch Boxershorts trugen. Automatisch streckte er die Hände aus, um jeden Zentimeter von Koljas nackter Haut zu berühren. Koljas blaue Augen drifteten zu und seine Lippen teilten sich genüsslich, ehe ein hingerissenes Seufzen seine Kehle verließ. Jannis vergaß, dass er keine Ahnung davon hatte, was er eigentlich tat, dass er unsicher war, was diese Dinge anging, und dass er so etwas noch nie gemacht hatte. Er beugte sich vor, kniete nun über Kolja und begann behutsam den Hals des anderen zu küssen, daran zu knabbern und sich ab und an daran festzusaugen. Koljas Keuchen ging ihm durch und durch. Er drehte den Kopf zur Seite, um Jannis mehr Angriffsfläche zu bieten, und eine Gänsehaut huschte über den schmalen Körper, als Jannis mit den Lippen nach seinem Ohrläppchen schnappte. Seine Finger huschten ruhelos Koljas Seiten entlang. Ein kleiner Stich durchfuhr ihn, als ihm klar wurde, dass Kolja nichts fühlen würde, wenn Jannis seine Beine berührte. »Lass die Augen zu«, flüsterte er heiser. Kolja lächelte. »Wieso?« Schon wieder dieses Schnurren. Jannis würde noch durchdrehen, wenn Kolja das nicht sein ließ. »Es ist hell«, grummelte er verlegen und tupfte ein paar Küsse auf Koljas Schläfe und seine Wange. Kolja lachte leise. »Jannis?«, nuschelte er. »Hm?« »Küss mich…« Koljas blonde Haare lagen auf dem Kissen ausgebreitet wie ein goldener Schleier und Jannis starrte ihn einen Moment lang mit leicht geöffnetem Mund an. Diese Stimme machte ihn wahnsinnig. Er kam Koljas Aufforderung nach und nun saß er rittlings auf Koljas Schritt und er spürte deutlich, dass Kolja von alledem genauso wenig kalt gelassen wurde wie er selbst. Sein Kopf glich mittlerweile garantiert einer überreifen Tomate, trotzdem konnte er nicht anders, als unruhig auf Koljas Schoß herum zu rutschten. Koljas Finger gruben sich in Jannis’ Schultern und er spürte, wie sich Koljas Unterkörper dem seinen entgegendrückte. Dunkel kam Jannis der Gedanke, dass auch diese Bewegung schon ein Fortschritt in Koljas Rehabilitation war, doch er war zu sehr damit beschäftigt, in ihren Kuss zu stöhnen, als dass er diesem Umstand weiter hätte nachgehen können. Eine Hand schob sich zielstrebig in seinen Schritt und begann über den Stoff zu streichen. Jannis schnappte nach Luft und löste den Kuss. Mit verhangenen Augen schaute er hinunter in Koljas Gesicht mit dem glasigen Blick, den leicht geöffneten, feuchten Lippen und den geröteten Wangen. Plötzlich war Jannis sich sicher, dass Kolja der schönste Mensch sein musste, den er – abgesehen von Marek – jemals gesehen hatte. Er ließ sich zur Seite kippen, sodass er wieder neben Kolja auf dem Bett landete. Kolja lächelte ein wenig verschwommen, dann beugte er sich vor und begann, Jannis’ Hals mit Küssen zu bedecken. Gänsehaut um Gänsehaut huschte seine Arme entlang, unweigerlich fand eine Hand ihren Weg zu seinem Mund und hielt ihn zu, um die Geräusche zu ersticken, die seine verräterische Kehle von sich gab. Natürlich umfassten Koljas Finger beinahe sofort sein Handgelenk. »Ich hab doch schon mal gesagt«, hauchte er Jannis ins Ohr, sodass ihm weitere Schauer durch den Körper jagten, »dass ich deine Stimme hören will.« Jannis drehte den Kopf und schaute Kolja an. Er wollte vorwurfsvoll und grantig dreinschauen, aber im nächsten Moment entfuhr ihm ein ungewollt lautes Stöhnen, als sich Koljas Hand zielstrebig in seine Shorts schob. Was machte es schon, wenn man ihn im ganzen Korridor hörte? Ihm war alles egal und es existierte nur noch Kolja neben ihm, der Hitzewelle um Hitzewelle durch seinen Körper sandte. Er konnte weder richtig denken, noch konnte er atmen. Seine Stimme weigerte sich, still zu sein, und Jannis vergrub sein erhitztes Gesicht an Koljas Hals. Seine Finger krallten sich in den Rücken des anderen, an dem er sich festklammerte, als wäre Kolja sein Rettungsring auf dem weiten Meer. Jannis hatte gerade noch genug Verstand übrig, um seine Shorts halb von seinen Hüften zu ziehen, ehe er seine Hand in Koljas Nacken schob, um ihn zu sich zu ziehen. Ihre Lippen fanden sich zu einem fahrigen Kuss und Jannis tastete mit seinen Fingern nach Koljas Shorts. Sein Mund schluckte ein heiseres Stöhnen von Kolja, als Jannis’ Hand ihr Ziel fand. Er konnte die Bewegungen seiner Hand kaum koordinieren, doch er spürte, dass es Kolja jetzt nicht mehr anders ging, da Jannis ihn nun ebenfalls dort berührte. Ihm war so heiß, er war sich sicher, dass er jeden Augenblick schmelzen müsste. In seinem Unterleib breitete sich ein heftiges Kribbeln aus und die Tatsache, dass Kolja erstickt seinen Namen stöhnte, gab ihm den Rest. Einen Moment lang drängten sie sich eng aneinander, ehe sie beinahe gleichzeitig in die Hand des anderen kamen. Jannis’ Körper zitterte leicht, als er heftig atmend ins Kissen sank und die Augen schloss. Ihm war beinahe ein wenig schwindelig. Ein Lachen neben ihm ließ ihn blinzelnd die Augen öffnen. Kolja lag mit geschlossenen Augen neben ihm und lachte. »Was ist los?«, fragte Jannis matt und strich sich mit der Hand die Haare aus der Stirn. Kolja öffnete die Augen, drehte den Kopf und grinste Jannis breit und ein wenig verschwommen an. »Ich kann’s nicht glauben, dass wir so was machen, kaum dass du hier bist«, sagte er und Jannis lief erneut rot an. Er räusperte sich verlegen. »Na ja… ich… die zwei Monate…«, begann er unsicher ohne wirklich zu wissen, was er sagen wollte. Kolja reckte den Hals und hauchte Jannis einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. »Soll ich dir verraten, was ich die letzten zwei Monate fast jeden Abend gemacht habe?« Jannis blinzelte einen Moment lang verwirrt, dann wurde ihm kochend heiß und er vergrub sein Gesicht im Kissen. »Sag so was nicht«, nuschelte er empört und verlegen in den Kissenbezug. Kolja gluckste heiter. »Aber ich liebe es, wenn du rot wirst…« Jannis grummelte. Er hörte Kolja in seinem Nachtschrank herumkramen, dann bekam er ein Taschentuch in die Hand gedrückt. »Ich will nicht wissen, wie viele Päckchen Tempo in diesem Nachtschrank sind«, murmelte er immer noch peinlich berührt ohne Kolja anzusehen. Der lachte schon wieder. Jannis fragte sich, ob ihm all diese Dinge irgendwann nicht mehr peinlich sein würden und ob sein Herz irgendwann aufhören würde wie verrückt zu hämmern, wann immer er in Koljas Nähe war. »Genügend«, sagte Kolja mit falscher Unschuld in der Stimme. Jannis ließ diese Antwort unkommentiert, zog sich die Shorts hoch und krabbelte über Kolja hinweg, um die benutzten Taschentücher zu entsorgen, während Kolja seine Shorts ebenfalls zurück an ihren Platz zog. »Bleiben wir jetzt den ganzen Tag im Bett liegen?«, erkundigte sich Kolja schnurrend. Jannis drehte sich zu ihm um und sah ihn streng an. »Hör auf zu schnurren!« »Wieso?« »Weil… weil… mich das…« Kolja musterte ihn gespannt aus seinen blauen Augen. Jannis angelte nach seiner Hose, aber Kolja streckte die Arme nach ihm aus. Wieso konnte er diesem Kerl nicht widerstehen? Hatte er kein bisschen Selbstbeherrschung? »Weil dich das?«, erkundigte sich Kolja interessiert, während er Jannis in einer feste Umarmung zog und ihm behutsam über den nackten Rücken streichelte. Jannis konnte es nicht fassen, dass er immer noch so empfindlich auf so etwas reagierte. »Es macht mich… hibbelig«, erklärte Jannis ohne Kolja dabei in die Augen zu sehen. »Hibbelig?«, schnurrte Kolja grinsend. »Lass das!« »Aber ich mag es, wenn du wegen mir hibbelig bist.« Bevor Jannis widersprechen konnte, hatten Koljas Lippen seinen Mund mit einem liebevollen Kuss verschlossen. Toll. So leicht war es also ihn ruhig zu stellen. Tatsächlich kamen sie den Nachmittag über nicht wirklich aus Koljas Bett heraus. Jannis störte sich nicht daran. Er ärgerte sich nur ein wenig, dass er sein Kolja- Notizbüchlein nicht zücken konnte, um weitere Informationen aufzuschreiben. Wenn sie nicht redeten, dann küssten sie sich. Sehr lange und sehr ausgiebig. Und Jannis fragte sich, wie unersättlich er eigentlich war, wenn er sich jede Stunde auf Kolja werfen und wieder mit ihm rummachen wollte. Jahrelange Abstinenz hatte ihn offensichtlich zu einem Süchtigen gemacht. Kolja störte sich nicht daran. Er wurde es nicht müde Jannis zu sagen, wie umwerfend er ihn fand, wie gerne er ihn ansah, wie sehr er ihn vermisst hatte… Jannis überlegte, dass er wohl bald dauerhaft rot angelaufen durch die Welt laufen würde. Wann immer Kolja so etwas sage, vergrub Jannis sein Gesicht irgendwo, wo Kolja es nicht sehen konnte. Er fing an zu grummeln und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Aber das schien Kolja nichts auszumachen. Abends zeigte Kolja ihm die Klinik, den Übungsraum, den Park. Obwohl bereits Anfang März war, war es klirrend kalt, als sie draußen einen Spaziergang machten. Auf halber Strecke griff Kolja nach Jannis’ Hand und Jannis musterte ihre verschränkten Finger. Sie sahen sicherlich merkwürdig aus, da Kolja immer noch im Rollstuhl saß. Doch gleichzeitig breitete sich eine Wärme in ihm aus, die von ihren ineinander verschlungenen Händen ausging, dass Jannis unweigerlich der peinliche Gedanke kam, dass er dies hier um nichts in der Welt hergeben wollte. All die Jahre ohne so eine Art von emotionaler Nähe verpufften angesichts der Heftigkeit, mit der er in Koljas Gegenwart fühlte. Jannis wollte Kolja all das eigentlich gern sagen, aber er war eindeutig nicht in der Lage dazu. Er bekam kein Wort, das seine Gefühle betraf, über die Lippen. Das musste er wohl noch lernen. Aber Kolja schien sehr geduldig mit ihm zu sein und Jannis war dankbar dafür. In den nächsten zwei Tagen lernte Jannis mindestens die Hälfte aller Patienten in dieser Klinik kennen. Kolja hatte sich offenbar mit jedem einzelnen Menschen hier angefreundet und er motivierte offenkundig zu ungeahnten Höchstleistungen. Insgesamt drei Schwestern schwärmten Jannis von Koljas Fortschritten und von seinem Optimismus vor. Und das merkwürdigste an alledem war, dass jeder Mensch hier ihn zu kennen schien. Wenn sie durch die Gänge streiften, dann grüßten ihn alle möglichen Leute mit einem strahlenden ›Hallo Jannis‹. Er hatte nur eine dunkle Ahnung davon, wie viel Kolja von ihm erzählt haben musste, damit all diese Menschen ihn erkannten, sobald er hier auftauchte. Wenn Kolja bei seinen Übungen war, dann hockte Jannis in seinem Zimmer und las oder er telefonierte mit Marek. Am zweiten Nachmittag machte er sich ein paar Notizen in seinem Kolja- Buch, als die Tür aufging und Kolja in seinem Rollstuhl hereinkam. Jannis ließ das Büchlein schnell verschwinden und blickte auf. »Was hast du gemacht?«, fragte er blinzelnd, als Kolja mit einem dicken Pflaster über der Augenbraue ins Zimmer gerollt kam. Kolja strich sich verlegen durch die Haare. »Bin aufgestanden und…ähm… nun ja. Auf die Klappe geflogen«, sagte er ein wenig hüstelnd. »Aufgestanden?«, echote Jannis perplex. Kolja zuckte mit den Schultern. »Der Doc meinte, ich soll’s nicht übertreiben, aber ich wollte es unbedingt probieren. Also hab ich’s gemacht, als er nicht hingesehen hat, und dann hab ich mir den Kopf gestoßen«, erklärte Kolja verlegen. Jannis stand von Koljas Tisch auf und ging zu ihm hinüber, um mit den Fingerspitzen über das Pflaster zu streichen. Zum hundertsten Mal machte sich in seiner Brust ein unangenehmes Schuldgefühl breit. »Tut mir wirklich Leid… das ist alles me–« Aber er kam nicht weiter, denn Kolja küsste ihn, damit er nicht aussprechen konnte, was er dachte. »Sag das nie wieder«, flüsterte er gegen Jannis’ Lippen. »Du bist nicht Schuld. Und das hab ich nicht eine Sekunde lang gedacht.« Jannis schluckte schwer und nickte leicht. Er wollte das wirklich glauben. Aber er wusste, dass er keine Ruhe haben würde, bis Kolja wieder gehen konnte. »Glaubst du eigentlich daran, dass ich es schaffe?«, fragte Kolja plötzlich und blickte Jannis nachdenklich an. Jannis blinzelte erstaunt, dann dachte er einen Moment lang nach. Er wollte ehrlich sein. »Am Anfang dachte ich, dass du es nicht schaffst… weil 25 Prozent einfach so schrecklich wenig sind. Aber dann… na ja, erst hab ich ja mit deinem Vater geredet und dann hab ich gesehen, wie du…« Er brach ab, um seine Gedanken zu sortieren. Koljas eindringlicher Blick machte ihn – zur Abwechslung einmal – ziemlich nervös. »Wenn es jemand schafft, dann du«, murmelte er schließlich und sah Kolja so fest wie möglich an. »Ich glaub an dich.« Auf Koljas Gesicht breitete sich ein unendlich freudiges Strahlen aus, das Jannis’ Puls in die Höhe trieb. »Danke«, flüsterte Kolja und küsste ihn. Jannis schloss zufrieden seufzend die Augen. Er fand zwar nicht, dass er Koljas Dank verdiente, aber es freute ihn trotzdem. Und wenn es Kolja half, wieder aufzustehen, dann würde er es ihm gern immer und immer wieder sagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)