Vampire's Tale II von Phoenix_Michie (A Band named D'espairsRay) ================================================================================ Kapitel 1: Jagdszenen --------------------- Karyus POV „Warte.“ Sofort hielt ich an und lehnte mich, wie Zero neben mir, ein Stück hinunter, um den Mann zu sehen, auf den er zeigte. Er stand unter uns, hielt sich direkt unter dem Baum auf, auf dem wir beide hockten. „Wow, der hat Nerven“, murmelte ich. „In stockfinsterer Nacht hier draußen im Wald rumzulaufen…“ „Also, was ist?“, fragte Zero leise und warf mir einen Seitenblick zu. Ich zögerte. „Der scheint mir ein guter Förster zu sein…“, flüsterte ich trotzig, woraufhin Zero die Augen verdrehte. „War mir ja klar, dass du ihn nicht einfach töten kannst. Komm mit, ich zeig dir was.“ Und schon verschwand er lautlos in eine andere Richtung. Ja, ich hatte meine Skrupel dem Mann einfach jegliches Blut zu entreißen, auch wenn Zero der Meinung war, dass es ‚doch nur ein Mensch sei’. Ich seufzte. Mir widerstrebte es, einen Unschuldigen anzugreifen, aber ich musste nun mal an Blut kommen… Überrascht folgte ich meinem Freund und sprang zu einem weiter entfernten Baum, bevor ich auf dem Boden landete und Zero hinterher rannte, der inzwischen auf eine große Lichtung hinaus getreten war. Er winkte mich zu sich und ich folgte ihm zu dem einzigen Haus, das am Waldrand stand. Es war eher eine alte Hütte, wie ich mich sofort korrigierte, die im fahlen Mondlicht wie eine schwarze Baracke wirkte. Wäre ich nicht selbst ein Vampir gewesen, wäre es mir bei dem Anblick wohl kalt den Rücken runter gelaufen. Aber ich riss mich zusammen, schließlich verbreiteten wir Angst und Schrecken, und nicht…alte Häuser und Hütten! „Man, das ist ja wie im Film hier“, meinte ich, als ich Zero entgegen trat, woraufhin er nur leicht lächelte und sich der Haustür zuwandte. „Sperr die Äuglein auf. Und danach kannst du dir ja überlegen, ob es wirklich so schlimm ist, ihn zu töten“, sagte er kühl und trat ohne große Mühe die Haustür ein. Ich kam mir beinahe wie im Mittelalter vor. „Was für eine karge Einrichtung…“, murmelte ich nüchtern und folgte Zero in der Dunkelheit zu einer kleinen Holztür, die verdächtig nach einem Eingang zu einer Abstellkammer oder dergleichen aussah. Er zückte einen Schlüssel und steckte ihn in das Umhängeschloss, mit dem der Raum dahinter verriegelt war. Irritiert und neugierig zugleich beobachtete ich ihn beim Aufschließen. „Hab ihm neulich den Zweitschlüssel abgezogen“, zwinkerte er mir zu und öffnete die Tür. Er wandte den Blick nicht von mir, und er musste gar nichts weiter sagen. Eigentlich hätte ich nicht mal mehr in den Raum schauen müssen, ich spürte, was los war, doch trotzdem warf ich einen Blick in die finstere Kammer. Was ich gespürt hatte, sah ich nun: auf dem dreckigen Boden saßen vier Kinder, die um die 6-12 Jahre alt sein mochten. Sie waren gefesselt und geknebelt. Nur für einen Moment starrte ich in die tränennassen, verwirrten Augen, die uns anschauten, dann drehte ich mich abrupt um, da ihr Geruch in meine Nase stieg. Krampfhaft versuchte ich mir nicht vorzustellen, wie wohl das Blut dieser Kinder schmecken wurde… Leise schloss Zero die Tür wieder. Ich starrte ihn an. „Das war ihr Vater?“ Er nickte. „Richtig. Alkoholiker seitdem seine Frau tot ist. Er sperrt seine Kinder Nacht für Nacht ein, während er draußen im Wald um Vergebung bittet.“ „Er…bittet um Vergebung?“, hakte ich nach, und ein kühles Lächeln legte sich auf Zeros Lippen. „Hai. Es ist so, dass er seine Kinder nicht nur einsperrt, Karyu. Die beiden Jungs schlägt er, und seine große Tochter vergewaltigt er des Öfteren gerne mal“, erklärte er ungerührt. Ich schluckte. „Im Allgemeinen kümmert er sich sehr schlecht um seine Kinder“, fügte Zero hinzu und ging an mir vorbei zur Haustür. „Also, wie sieht’s aus, willst du unser Abendessen immer noch verschonen?“ Ich rührte mich nicht vom Fleck und sah ihm hinterher. „Wie lange weißt du schon, dass die Kinder hier rumkrepieren?“, wollte ich wissen, woraufhin Zero sich umdrehte und mich anfunkelte. „Ich will für dich hoffen, dass hinter deiner Frage kein Vorwurf steckt, Karyu. Denn das da drin sind kleine, dreckige, stinkende Menschen, die mich überhaupt nichts angehen, die dich überhaupt nichts angehen, denn wir sind Vampire, falls du dich erinnern kannst, keine Menschen“, sagte er abfällig, und hätte mein Herz noch geschlagen, dann hätte es sich jetzt zusammengezogen bei seinem kalten Tonfall. „Du kannst dankbar sein, dass ich mir überhaupt die verdammte Scheißmühe gemacht hab, dich herzubringen und dir das zu zeigen, was dieser Kerl so in seiner Freizeit treibt, nur damit du kein schlechtes Gewissen haben musst, dass du ihn aus dem Weg räumst.“ Er starrte mich noch einen Moment funkelnd an, während ich den Blick schweigend erwiderte, dann ging er aus dem Haus, und ich folgte ihm. Ich war fest davon überzeugt, dass meine menschliche Seite noch immer in mir existierte, und es widerstrebte mir, die Kinder einfach dort zurück zu lassen. Doch ich wollte Zero nicht noch mehr verärgern und hielt meine Klappe. Ich würde später noch Gelegenheit haben, sie zu befreien. Wortlos machten wir uns auf den Weg zurück in den dunklen Wald und suchten den Förster auf, der weiterhin durch die kalte Gegend wanderte. Oh, ich war sauer auf den Mann. Und ich hatte nun kaum noch Schwierigkeiten bei dem Gedanken, sein Leben in wenigen Minuten zu beenden. Was er tat, war es moralisch gesehen nicht mal wert, diskutiert zu werden, so klar war der Fall. Eigentlich gehörte er für immer weggesperrt, aber ihn tot zu sehen, kam für mich auf das gleiche hinaus. Außerdem lieferte er gleich noch genügend Blut. Als ich auf dem Baum landete, unter dem der Förster entlang ging, verharrte ich dort und sah Zero, der hinter dem Mann auftauchte. Ihre Stimmen drangen zu mir hoch. „Hey, Kojiro“, sagte er, woraufhin der Förster sich erschrocken zu ihm umdrehte. „Man, müssen Sie mir so einen Schrecken einjagen?“, murrte er und fasste sich an die Brust, starrte Zero misstrauisch an, der nur kalt lächelte. „Oh, ich würde sagen, dich wird noch ein ganz anderer Schrecken treffen…“ Mein Stichwort. Lautlos ließ ich mich vom Baum fallen. „Weißt du, alles Gute kommt von oben“, grinste Zero kühl und sah nicht auf, hielt seinen Blick auf den Förster gerichtet. Bevor der Kerl auch nur aufsehen konnte, riss ich mit mir zu Boden und versenkte mit einem Knurren meine spitzen Zähne in seinem Nacken. Den Schrei, der in ihm hochkam, erstickte ich mit meiner Hand, die ich auf seinen Mund presste. Ich drückte den Mann zu Boden und begann, das austretende Blut zu trinken, während ich merkte, wie er immer schwächer wurde und aufhörte, zu zappeln. Als ich meine Hand von seinem Mund nahm, entkam ihm ein leises Wimmern, bevor er bewusstlos wurde. Ich spürte eine gewisse Erleichterung, als ich einen weiteren großen Schluck des warmen Blutes nahm, riss mich dann aber zusammen und sah zu Zero hoch. „Was ist mit dir?“, wollte ich mit heiserer Stimme wissen, doch er schüttelte nur den Kopf und wandte sich ab. „Lass keinen Tropfen von ihm übrig. Ich hab keine Lust, Mami für einen weiteren Frischling zu spielen.“ „Tse…“ Er würde sich also ein anders Opfer suchen. Meinetwegen. Ich widmete mich wieder meinem eigenen und hielt mich auch nicht zurück, sondern saugte diesen Perversen bis auf den letzten Tropfen Blut aus. Frische Energie durchströmte meinen toten Körper und ich ließ von dem inzwischen kühlen Körper unter mir ab, stand langsam auf, während ich mir über die Lippen leckte und zusah, keinen Spritzer Blut an mir kleben zu haben. Ich wollte weder mich noch Zero quälen und Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Wer wusste, wo wir heute noch rumrennen würden. Ein Kerl mit Blut auf den Klamotten war definitiv auffällig. Ich sah zu meinem Freund. „Wo willst du suchen gehen?“ Kalt lächelnd drehte er sich zu mir um. „Karyu, wozu suchen gehen, wozu jagen gehen, wenn ich gleich hier um die Ecke Frischfleisch hab?“, erwiderte er und sah mir in die Augen. Ich blinzelte. Und mir wurde klar, wen er meinte. Ungläubig schaute ich ihn an. „Du willst doch nicht ernsthaft die Kinder töten?“ Zero tat gar nichts, sondern sah mich nur weiterhin an. Ich knurrte leise. „Das kannst du vergessen! Nimm jeden, aber keine Kinder!“, rief ich aufgebracht und sein Blick veränderte sich. „Schon vergessen, was ich dir gesagt habe? Denk mal einen Schritt weiter! Denk daran, was diesen Menschen angetan wurde! Glaubst du, die lieben das Leben?!“, rief er wütend und ich hielt inne, wusste, worauf er hinauswollte. Vielleicht war es ihnen egal, ob sie lebten oder starben. Vielleicht gab es Momente in denen sie sich wünschten, tot zu sein… Ich schluckte. Ich sollte es einfach herausfinden… „Ich werd’s kurz und schmerzlos machen“, hörte ich Zero, der sich umdrehte und abhauen wollte, doch ich fuhr dazwischen. Oder besser gesagt, ich warf mich dazwischen. Mit einem Knurren sprang ich auf ihn, nutzte den Moment der Überraschung, und schleuderte ihn gegen einen Baum zu Boden, was er mit einem Keuchen kommentierte. Wenigstens einen kleinen Vorsprung konnte ich mir so verschaffen. Hastig orientierte ich mich und rannte in Richtung der Hütte, die Zero mir noch kurz zuvor gezeigt hatte. Ich rannte die Haustür regelrecht ein und hatte keine Zeit, um das Umhängeschloss aufzuschließen, weshalb ich kurzerhand die Tür eintrat. Hektisch starrte ich in die ängstlichen Gesichter der Kinder. „Wollt ihr leben – oder sterben?“, fragte ich sie laut und deutlich, damit sie gleich verstanden. Sie tauschten verwirrte Blicke und ich war kurz davor die Augen zu verdrehen. „Also?“ Ihre Blicke lagen wieder auf mir und eines der Mädchen nickte. Sie war die Älteste… Auch seine Geschwister nickten nun, etwas eifriger. Der kleine Junge sagte etwas, das sich stark nach ‚Bitte helfen Sie uns!’ anhörte, aber so sicher konnte man sich bei dem Tuch, das in seinem Mund steckte, nicht sein. Ich hatte auch keine Lust und Zeit ihre Gedanken zu lesen. Also nickte ich nur und warf hastig einen Blick nach draußen, doch von Zero war noch nichts zu sehen. Ich musste diese Kinder beschützen. Mit mir konnte er dann anstellen was er wollte, ich konnte nicht sterben. Ich machte mich daran, sie auf die Beine zu ziehen und dem ältesten Mädchen löste ich noch das Seil, das um seine Handgelenke gebunden war, damit es später den Anderen helfen konnte. Ich scheuchte sie aus der Hintertür, während ich der Großen noch das Tuch aus dem Mund zog. „Rennt so schnell und so weit ihr könnt“, wies ich sie an und drehte mich um. Ich rannte aus der Haustür und sah schon Zero, der auf der Lichtung am Waldrand stand. Anders als erwartet stürzte er sich weder auf mich noch jagte er den Kindern hinterher, von denen er wusste, dass sie hinter dem Haus in den Wald rannten. Weil ich ihnen geholfen hatte zu entkommen. Langsam ging ich auf ihn zu, während er mich mit ausdrucksloser Miene musterte. „Dir ist schon klar“, rief er mir zu, „dass du mich um mein Abendessen gebracht hast!“ Ich lächelte nur schwach. „Gute Idee, die du hattest. Wäre ich nicht drauf gekommen, sie einfach zu fragen. Aber so leicht wirst du mir nicht davon kommen, dass das klar ist“, fügte er hinzu und wandte sich dann von mir ab. „Jetzt darf ich mir jedenfalls wegen dir ein neues Opfer suchen. Du wirst mir schön dabei helfen“, sagte er kalt und machte sich schon auf den Weg, ohne dass ich eine Antwort hätte geben können. Seufzend folgte ich ihm. Beinahe hätte ich gesagt, dass ich froh sein konnte, dass er mich nicht umbrachte. Tse, ging ja eh nicht, aber na ja… Wir suchten fast eineinhalb Stunden. Aber wer trieb sich zu so später Stunde auch schon freiwillig in der Gegend rum? „Da hinten“, sagte ich leise und deutete in Richtung Park. Dort war jemand. Er nickte und wir gingen ein paar Schritte näher, sahen zwischen den Büschen hervor auf den schmalen Feldweg, der durch den Park führte. Unter einer der Laternen, die den Weg beleuchteten, stand eine Frau in den Dreißigern und zündete sich eine Zigarette an. Hätte auch eine gebrauchen können… „Die schnapp ich mir“, meinte Zero nüchtern und sah mich von der Seite an. „Du kannst gehen, wenn du willst.“ Ich zuckte nur mit den Schultern und blieb wo ich war, versteckt in den Büschen, während ich Zero hinterher sah, wie er auf den Weg ging und auf die Frau zu. Ich hörte genau, was sie sagten. „Hey, kann ich auch eine haben?“, fragte er die Frau, die zusammenzuckte, sich dann aber entspannte, als sie in sein lächelndes Gesicht schaute. „Oh, ja…“, meinte sie erleichtert und kramte in ihrer Tasche herum. Eigentlich war Zero kein Raucher. Jedenfalls war er keiner gewesen, als ich ihn kennen lernte. Aber seit über einem Jahr nun war er dem gleichen Laster wie ich verfallen. Tatsächlich hatte er die Ruhe und rauchte seine geschnorrte Zigarette auf, während er ein bisschen mit der Frau plauderte, ‚warum sie denn so spät noch unterwegs sei’. Ich schüttelte den Kopf und trat langsam auf den Weg hinaus, nachdem er sie beiseite gezerrt hatte. Den Rest musste ich mir nicht antun. Ich wollte aus dem Park laufen, als mir ein junges Mädchen entgegenkam. Was war denn hier heute für ein Verkehr? Fast schon genervt blieb ich stehen und hielt das Mädchen an. Ich berührte sie nicht, streckte nur meine Hand aus und sprach sie an. „Dreh wieder um“, sagte ich leise und sah ihr in die Augen. Dort spiegelten sich so viele Gefühle in einem Augenblick wieder. Ängstlich, irritiert, misstrauisch und neugierig zugleich erwiderte sie meinen Blick. „Bitte?“, fragte sie schließlich mit zitternder Stimme. Ach, immer diese Teenager, machen nie das, was man von ihnen will, selbst wenn es nur zu ihrem eigenen Schutz war. Ich seufzte. „Geh wieder den Weg zurück, den du gekommen bist“, sagte ich nachdrücklich. „Hier ist es zu gefährlich.“ Verstohlen warf ich einen Blick über die Schulter. Zero war mit der Frau fertig. Und wenn er checkte, dass sich hier noch ein Mensch rumtrieb, würde er den sicher auch leer trinken wollen. Ich wandte mich wieder dem Mädchen zu, das mich inzwischen stirnrunzelnd ansah. „Keine Widerworte“, murrte ich und packte sie schließlich am Arm. „Du wirst diesen Park nicht durchqueren!“ „Aber…!“ Verständnislos ließ sie sich von mir zu den Treppen ziehen, die hoch zur Straße und aus dem Park hinaus führten. „Hoch da jetzt, kannst ja morgen wiederkommen“, sagte ich noch und zögernd erklomm sie die Stufen. War mir egal, was sie hier nachts wollte, aber sie musste nicht auch noch sterben. Zero und ich hatten erstmal genug Blut für die nächsten Tage an unseren Händen kleben. Während ich dem Gör hinterhersah, wie sie schließlich die letzten Stufen nahm, drehte ich mich noch mal kurz um. Toll. Zero hatte uns bemerkt. Ich sah, wie er auf mich zu kam. Und er war sauer. Ich schaute noch mal zu den Treppen hoch und stellte erleichtert fest, dass das Mädel aus unserem Blickfeld verschwunden war. Sie musste sich jetzt am Straßenrand aufhalten. Es waren keine Autos um die Zeit unterwegs. Und es befand sich auch nun keine Menschenseele mehr im Park. Ich drehte mich gerade wieder um, spürte Zero immer näher kommen, als er mich mit einem bedrohlichen Knurren zu Boden warf. Mir entkam ein erstickter Laut, als mein Kopf heftig auf der harten Steinstufe auftraf. „DU! Spinnst du jetzt komplett?! Erst die Kinder und jetzt versaust du mir auch noch meinen Nachtisch!“ Oh man, der war wütend. Doch ich konnte nicht mehr als in das wunderschöne Gesicht über mir zu sehen, bekam keinen Laut raus. Ich roch plötzlich Blut, spürte den Schmerz und meine Welt versank zum ersten Mal seit zwei Jahren im Dunkeln. *+* Als ich am Straßenrand stand, schwirrte mir noch immer der Kopf. Was war das denn eben gewesen? Ich hatte mich doch tatsächlich auch noch einfach von diesem großen Kerl zurück drängen lassen! So nicht, dachte ich mir und drehte mich wieder um. Ich wollte da jetzt durch diesen Park. Bis morgen wollte ich nicht warten, außerdem war da ja niemand, außer dem Blonden. Ich würde einfach warten, bis er weg war. Wahrscheinlich war er das einzig Gefährliche hier. Als ich plötzlich Stimmen hörte, hielt ich erschrocken inne. „DU! Spinnst du jetzt komplett?!“, hörte ich eine tiefe Stimme wütend sagen und vorsichtig beugte ich mich ein Stück vor, um über die Treppen hinunter in den Park zu schauen. Die Stimme gehörte nicht dem Kerl von eben. Ich erstarrte, als ich die Szene unten sah, die sich mir bot. Ein dunkelhaariger Mann hatte den großen Kerl, der mich angequatscht hatte, auf den Boden gedrückt, allerdings hatte sich der Blonde dabei mächtig den Kopf angeschlagen, so wie das blutete! Allerdings scherte das den Dunkelhaarigen überhaupt nicht… „Erst die Kinder und jetzt versaust du mir auch noch meinen Nachtisch!“ Der Kerl war ja echt wütend! Aber was meinte er damit? Die Kinder und der Nachtisch?! Ich war der Meinung, dass er spannte, nicht der Blonde unter ihm. Wegen so was griff man doch keine Leute an! Aber die schienen sich zu kennen, hatte ich das Gefühl. Ich bekam mächtig Angst. Wenn der Mann mich jetzt hier sah!? „Karyu? Was ist los? Hey, Karyu, komm schon!“ Ich zog den Kopf ein und ging vorsichtig einen Schritt zurück. Was glaubte der denn? War doch klar, dass unser Blondie, der wohl Karyu hieß, einen abbekommen hatte und so schnell nicht wieder aufwachen würde! Wenn er nicht bald Hilfe bekam, würden noch ganz andere Dinge mit ihm passieren. Gerade als ich überlegen wollte, ob ich Karyu irgendwie helfen konnte, schließlich wurde er von einem Irren bedroht und hatte mich davor gewarnt, hörte ich erneut die Stimme des Anderen. „Gibt’s doch nicht. Verdammte Scheiße“, fluchte er und ich sah noch mal kurz runter, da ich noch andere Geräusche hörte. Mit großen Augen sah ich dabei zu, wie der Dunkelhaarige Karyu auf die Arme hob und mit ihm davon ging, auf den Wald zu. Ich hatte einen dunklen Verband um Karyus bemerkt, damit das Blut nicht mehr so von seinen Haaren troff. Ungläubig starrte ich den beiden hinterher. Wo lebten die denn? Verschwanden die beiden doch tatsächlich im Wald! Mir kam der unangenehme Gedanke, dass der Dunkelhaarige sein ‚Opfer’ vielleicht einfach nur in der kalten Erde verscharren wollte, falls er jetzt tatsächlich abtrat. Mir lief es kalt den Rücken runter ich machte mich auf den Rückweg. Nein, nicht durch den Park. Das war mir jetzt wirklich zu gruselig. Nachdem ich noch einen Blick auf die Blutlache auf der Treppe geworfen hatte, wandte ich mich grübelnd und mit klopfendem Herzen um. Falls in Zukunft von einem Mord hier in der Nähe gesprochen wurde, würde ich zur Polizei gehen und ein paar Hinweise geben. Wenn. Ich war nicht erpicht darauf, die Bullen aufzusuchen. Und jetzt konnte ich nur wenig tun. Nein, eigentlich war es eher…ich hatte nicht so ein schlechtes, schlimmes Gefühl, wie man wahrscheinlich eines hat, wenn man bei einem Unfall oder einem Fast-Mord oder was auch immer zusieht. Ich hatte nicht wirklich ein schlechtes Gewissen, weil ich diesem Karyu nicht half. Und ich bin ja nun wahrlich kein fieses, gemeines und egoistisches Mädchen, dem es egal ist, was mit den Menschen passiert. Aber hier in diesem Fall sagte mir etwas, dass Karyu nicht in Gefahr war. Dass der Dunkelhaarige ihn nicht wirklich umbringen wollte. Ich hatte das Gefühl, Karyu bald wieder zu sehen… --- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)