Vampire Hunter von Caildyn ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es war mitten in einer sternklaren Vollmondnacht, als eine Gruppe von jungen Leuten durch die Straßen der Stadt Dimar schlenderte. Sie alle hatten ihr Abitur im ersten Anlauf absolviert und kamen gerade von einer Feier. "Endlich! Nie wieder für Prüfungen pauken!", jubelten die fünf Frauen in der zehnköpfigen Gruppe, während sich die Männer sturzbetrunken an die Hauswände, an denen sie entlanggingen stützten oder der Länge nach hinschlugen und sich mühselig wieder auf die Beine kämpften, nur um wenige Schritte weiter erneut zu stürzen. "Oh nein, wie kann man sich nur so zulaufen lassen?!", beschwerte sich eine der Frauen, als einer ihrer Freunde sich übergeben musste. Eine andere wollte gerade etwas antworten, als die Jüngste von ihnen erschrocken kreischte. Sie deutete auf einen Schatten, der plötzlich vor ihnen aufgetaucht war und auf die Gruppe zutrat. Als der Schatten nah genug an sie herangekommen war, erkannten sie einen bleichgesichtigen Mann unter einem schwarzen Umhang, der seine ungewöhnlich spitzen Zähne mit einem schauerlichen Grinsen zur Schau stellte. Im selben Moment tauchen neun weitere dieser Schatten auf, unter ihnen auch einige weibliche Vertreter ihrer Art. Die Schatten formierten sich in einem Kreis um die Verängstigten und zogen ihn immer enger, bis sich den Eingekreisten keine Fluchtmöglichkeit mehr bot. Voller Entsetzen sahen die Gefangenen in die bleichen Gesichter, als irgendetwas ihnen den Willen raubte und sie wehrlos zu machen begann. Der erste der Schatten griff in die Runde der Abiturienten und zog einen der betrunkenen Männer zu sich, um ihm die Zähne in den Hals zu schlagen und ihn genüsslich seines Blutes zu berauben, wobei ein Teil der roten Flüssigkeit auf die Straße spritzte. Die anderen taten es ihm gleich und schlugen ihre Zähne gerade in die Hälse ihrer Opfer, als plötzlich ein leises, metallenes Geräusch zu hören war, das klang, als würde jemand ein Stück Metall über die Gehwegplatten ziehen. Ein weiterer Schatten raste auf die Vampire zu, von denen inzwischen alle bis auf einen das Blut ihrer Opfer tranken und durchschlug den ersten mit einer silbernen Klinge. Die Blutsauger ließen von ihren Opfern ab und wandten sich dem Angreifer zu. Dort stand ein junger Mann, der in einen schwarzen Ledermantel gehüllt war und seine rabenschwarzen, wilden Haare in einen groben Zopf zusammengebunden hatte. Seine Hände steckten in schwarzen, mit Silber verzierten Lederhandschuhen und unter dem Saum seines Mantels kamen schwere, mit Silber beschlagene Stiefel zum Vorschein. Die Sonnenbrille, die den bleichen Vollmond spiegelte war seinen Nasenrücken ein Stück heruntergerutscht und ließ einen kurzen Blick auf seine verschiedenfarbigen Augen erhaschen, bevor die Brille wieder auf ihren üblichen Platz geschoben wurde. Schnell wie der Blitz durchschlug der Fremde drei weitere Vampire. Die restlichen ergriffen die Flucht und ließen die Leichen ihrer Opfer und eine nur leicht verletzte, ohnmächtig zwischen den Leichen liegende, junge Frau zurück. "Das gibt's doch nicht! Das war jetzt schon der dreizehnte Angriff diese Woche. Langsam reicht' s mir!", zeterte der Fremde und wandte sich um, um zu gehen, als die einzige Überlebende zu sich kam und beim Anblick ihrer toten Freunde panisch zu kreischen begann. Nachdem sie sich wieder ohnmächtig geschrien hatte, besah der Fremde sich die junge Frau etwas genauer: Sie trug einen schwarz-rot karierten Faltenrock der knapp bis zur Hälfte ihrer Oberschenkel reichte, dazu eine Korsage und schwarze, hochhackige Stiefel, die ihr bis zu den Knien reichten. Sie schien sich trotz des Banns, unter dem sie während des Vampirangriffs gestanden hatte, gewehrt zu haben, denn ihre schwarzen, zuvor in einen kunstvollen Haarknoten aufgesteckten Haare hingen wild herab und ihr ebenfalls schwarzes Oberteil bestand nur noch aus Fetzen, die ihren Oberkörper nur noch knapp verbargen. Er trieb den Toten vorsorglich sein Schwert durch die Herzen und Köpfe und verbarg dann die Leichen in einer stinkenden Nebengasse, in der der Verwesungsgeruch durch den Geruch des Mülls, mit dem die Gasse voll gestopft war, überdeckt werden musste. An jeder Leiche platzierte er eine kleine Flasche Weihwasser so, dass diese umfallen und ihren Inhalt auf dem Auferstandenen verteilen würde, wenn die Leichen trotz seiner Vorsorge zu neuem Leben erwachen und sich bewegen sollten. Um das Blut, das auf die Straße gelangt war, musste er sich keine Sorgen machen, denn es lag Regen in der Luft, der alles von den Straßen in die Kanalisation spülen würde. Anschließend verließ er die Seitengasse wieder und nahm die Überlebende mit einem Seufzen mit sich. Morgens erwachte die junge Frau von dem Geruch frischen Kaffees. Die Geschehnisse am Vorabend waren ihr nicht sonderlich genau im Gedächtnis geblieben und so beschloss sie, sich auf andere Gedanken zu bringen, was vielleicht auch gut so war. Sie setzte sich auf und fand sich in einer ihr völlig unbekannten Umgebung wieder. Die Fenster waren mit schweren Vorhängen verdeckt und ließen nur wenig Licht in den Raum, in dem der schwarze Boden einen Kontrast zu den kalkweißen Wänden bildete. Es waren außer einem Bett, einem zu dem Bett passendem Nachtschränkchen und einem riesigen schwarzen Kleiderschrank keine weiteren Möbel vorhanden, was wohl daran lag, das das Zimmer, in dem sie sich befand, ein Schlafzimmer war. Sie sah an sich herunter, bemerkte, dass sie in einem etwas zu großem Herrenhemd steckte und befürchtete schon das Schlimmste, bis sie ihre Kleidung einigermaßen geflickt und ordentlich auf einem Kleiderbügel an dem Kleiderschrank hängen sah. Gähnend erhob sie sich und begab sich in den von Licht durchfluteten Flur, von dem aus eine Treppe in ein tieferes Stockwerk führte. Von unten schallte leise Musik und das Klappern einer Tasse herauf. Plötzlich waren Schritte auf der Treppe zu hören und so schnell und leise sie konnte huschte sie zurück in das Zimmer, legte sich in das Bett und tat, als würde sie schlafen. Kaum war sie wieder im Bett, da ging auch schon die Tür auf und jemand trat mit einem Tablett in der Hand in den Raum. Nachdem die Person das Tablett mit einem leisen Klappern auf dem Nachtschränkchen abgestellt hatte, begab sie sich zu den Fenstern, um die Vorhänge zu öffnen. Als schließlich wieder Licht in das Zimmer drang, öffnete sie die Augen und setzte sich auf. Eine sanfte Brise umwehte ihre Nase und trug einen leicht waldigen Geruch zu ihr heran. Vor dem geöffneten Fenster stand der junge Mann, der die Vampire vertrieben hatte und streckte sich, während er aus dem Fenster sah und irgendetwas beobachtete. Erst, als er ein sägendes Geräusch vernahm, drehte er sich um und sah der jungen Frau vergnügt dabei zu, wie sie sich vergeblich bemühte, ein Brötchen mit einem äußerst seltsamen Messer aufzuschneiden und ihm schließlich einen flehenden Blick zuwarf. Mit einem leisen Seufzen und einem Grinsen auf den Lippen setzte er sich zu ihr, nahm ihr das Brötchen aus der Hand und schnitt es ihr binnen Sekunden in zwei saubere Hälften. Danach schnitt er ihr noch ein weiteres auf, wünschte freundlich einen guten Morgen und reichte ihr die Brötchen und das Messer zurück. Verdutzt erwiderte sie den Gruß, nahm alles wieder entgegen, wunderte sich noch kurz darüber, wie er mit diesem Messer so gerade schneiden konnte und begann schließlich ihr Frühstück. Eine knappe halbe Stunde später ließ sie sich papp satt zurück in die Kissen fallen und besah sich ihren Gastgeber. Er sieht ja ganz nett aus, aber ob er es auch ist, ist eine andere Frage dachte sie und begann den Versuch, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Er ließ sich aber nicht darauf ein und wandte sich um, um zu gehen. Als er die Tür erreicht hatte nahm sie all ihren Mut zusammen und fragte nach seinem Namen. Auf diese Frage hin blieb er in der Tür stehen und hob den Blick, der zuvor starr auf den Boden gerichtet gewesen war. "Warum wollen Sie das wissen?" "Weil ich Sie gerne kennen lernen würde. Und dafür sollte ich zumindest ihren Namen kennen, oder nicht?" "Das leuchtet ein.", begann er, "Aber warum wollen Sie mich kennen lernen?! So interessant bin ich dann auch wieder nicht." "Und was, wenn ich Ihnen sage, dass ich Sie sehr interessant und sympathisch finde?", kam es wie aus der Pistole geschossen von der jungen Frau zurück. Wortlos drehte er sich um und setzte sich wieder auf das Bett, wo er sie musternd anstarrte. Erst jetzt bemerkte er, dass ihre bernsteinfarbenen Augen beinahe wie Gold glänzten und durch die verlaufene Wimperntusche geradezu hypnotisch wirkten. Dann wanderte sein Blick von ihrem Gesicht aus ein Stück abwärts und blieb nur den Bruchteil einer Sekunde an ihrem BH haften, der durch das Hemd blitzte. Er räusperte sich kurz und wandte sich dann wieder ihren hypnotisierenden Augen zu. "Ich verrate Ihnen meinen Namen unter zwei Bedingungen.", setzte er schließlich wieder an. "Und die wären?" "Die Erste wäre, dass Sie mich duzen. Die Zweite wäre, dass Sie bei mir bleiben, wenn ich Ihnen meinen Namen verraten habe." "Duzen stellt kein Problem für mich dar, solang Sie mich dann auch duzen. Aber ist es nicht etwas viel verlangt, hier zu bleiben?! Immerhin habe ich auch noch eine Familie." Er richtete den Blick wieder zu Boden und schwieg. "Was? Stimmt irgendetwas nicht? Habe ich etwas Falsches gesagt?" "Wie kommst du denn darauf? Ich heiße jedenfalls Viktor van Schadt. Zieh dich an und komm dann nach unten, ich bringe dich nach Hause.", sagte er und erhob sich. "Schön, dich kennen zu lernen, Viktor. Ich heiße Tara Leigh.", sagte sie und erhob sich ebenfalls. "Tara. Ein schöner Name.", flüsterte er leise und begab sich ins untere Stockwerk, nachdem er ihr den Weg ins Bad gewiesen und einige Handtücher für sie herausgelegt hatte. Kapitel 2: ----------- Kurze Zeit später stand Tara frisch geduscht und wieder in ihre eigene Kleidung gehüllt vor ihm und grinste ihn an. "Was? Habe ich etwas im Gesicht, oder warum grinst du so?", entfuhr es ihm verdutzt. "Dein Gesicht ist sauber, mach dir da mal keine Sorgen.", antwortete sie frech und schwieg, bis sie in die Straße einbogen, in der das Haus stand, das Tara mit ihren Eltern bewohnte. Sie zog gerade ihren Haustürschlüssel aus einer gut verborgenen Tasche ihres Rockes, als das Haus mit einem gewaltigen Knall in Flammen aufging. Viktor schaffte es noch gerade so eben, sich und Tara aus der Flugbahn der Glassplitter und Scherben zu bugsieren. Von innen waren Angst- und Schmerzensschreie zu hören, die bereits verstummt waren, als die Feuerwehr eintraf, um das lodernde Flammenmeer zu löschen. Als das Feuer endlich gelöscht war, und das schwarze Trümmerfeld nur noch erahnen ließ, dass dort einmal ein Haus gestanden hatte, trugen von Ruß verschmierte Feuerwehrmänner zwei Leichensäcke aus den Ruinen. Tara bemerkte, dass in den Leichensäcken Körper steckten und wusste, dass es die ihrer Eltern sein mussten, als einer der Männer mit gesenktem Blick auf sie zukam. Weinend brach sie zusammen. Viktor, der versuchte, sie zu beruhigen, wurde weggestoßen. "Du weißt ja nicht, was es heißt, seine Eltern zu verlieren!", schrie sie ihn an und stürmte davon. Der Angeschriene folgte ihr, hatte sie in wenigen Sekunden eingeholt, packte sie bei den Schultern und drehte sie um. "Jetzt hör mir zu! Woher willst du wissen, dass ich nicht weiß, was es heißt, seine Eltern zu verlieren?!", begann er. "Was soll das heißen, Viktor?" "Das soll heißen, dass ich das sehr wohl weiß. Meine Eltern sind schon vor zehn Jahren gestorben. Bei einem Arbeitsunfall.", antwortete er gefasst und Tara zuckte ein wenig zusammen. "Tut mir Leid. Ich wusste ja nicht, dass... Aber was soll ich denn jetzt machen? Ich habe jetzt niemanden mehr.", schluchzte sie und drückte schließlich ihr Gesicht an seine Brust. "Um ein Dach über dem Kopf brauchst du dir keine Sorgen zu machen: Bei mir ist genug Platz. Um den Rest kümmern wir uns gemeinsam, einverstanden?", bot er ihr an und ließ Tara an seiner Brust verweilen. Tara schluchzte noch eine Weile, bis Viktor sie kurzerhand auf seine Arme hob und sie zurück in sein Haus trug. Unterwegs fiel Tara in einen unruhigen Schlaf, der noch unruhiger wurde, als sie in dem Bett lag, in dem sie am Morgen erwacht war. Viktor machte sich Sorgen und setzte sich neben das Bett, während sie schlief, um zur Stelle zu sein, falls sie aufwachte. Seltsamerweise schlief sie die Nacht durch, auch wenn sie hin und wieder Fetzen einzelner Sätze von sich gab. Am nächsten Morgen wachte Tara mit einem erstickten Schrei aus einem Albtraum auf und setzte sich als erstes langsam auf. Dann sah sie sich um und entdeckte Viktor, der im Schneidersitz neben dem Bett sitzend schlief. Sie lächelte, als sie begriff, dass er die gesamte Nacht auf sie geachtet hatte und stand vorsichtig und so leise, wie möglich auf. Anschließend ging sie duschen und kontrollierte, ob er noch schlief, als sie aus dem Bad kam. Viktor schlief noch immer tief und fest und so durchsuchte sie leise den Schrank nach Sachen, die ihr passen könnten. Nach wenigen Minuten hatte sie eine schwarze, teils zerrissene Jeans und ein weißes Hemd in ihrer Größe gefunden und ging, immer noch so leise wie möglich, in das untere Stockwerk, wo sie die Küche suchte. Der erste Raum, den sie öffnete, war ein helles und gemütlich eingerichtetes Zimmer, in dem sich auch ein Kamin befand, neben dem einige Holzscheite ordentlich aufgestapelt waren. Der Zweite Raum, den sie öffnete, war ein kleines Zimmer, in dem ein einzelnes Bett stand. Sogar ein Gästezimmer hat dieses Haus. Schlecht wohnt Viktor ja nicht gerade, dachte Tara und sah sich weiter um. Schließlich fand sie die Küche und durchsuchte die Schränke nach etwas essbarem. Nachdem sie sich eine belegte Scheibe Brot genehmigt hatte, machte sie sich daran, auch für Viktor Frühstück zu machen. Sie schlug gerade einige Eier in eine Pfanne, als sie ein leises Geräusch vernahm, sich aber nicht weiter darum kümmerte. Viktor war heruntergekommen und stand nun in der Küchentür, wo er sie dabei beobachtete, wie sie das Frühstück zubereitete. Sie bemerkte ihn, lächelte ihn an und nahm die Spiegeleier, die sie mehr schlecht als recht gebraten hatte aus der Pfanne. Anschließend lud sie sie auf Teller, die sie mit Brot, Wurst und Käse beladen hatte und trug diese in den Salon, der gegenüber der Küche lag. Sie waren gerade fertig mit dem Frühstück, als der Briefkasten klapperte und Viktor aufstand, um die Post zu holen. Tara räumte in der Zwischenzeit den Tisch ab und setzte sich gerade wieder, als Viktor mit einem mit rotem Wachs versiegeltem Brief zurückkam. Den Brief nicht weiter beachtend, wandte er sich Tara zu. „Sag mal, Tara? Hast du schon einmal ein Schwert benutzt?“ Sie sah in verdutzt an und stammelte schließlich, dass sie einmal mit einem Schwert gespielt hatte, das aber schon Jahre her war. „Naja, das ist immerhin besser, als wenn du noch nie eins in der Hand gehabt hättest. Komm mit! Ich bringe dir bei, wie man damit umgeht.“, sagte er schließlich lächelnd, bedeutete ihr, ihm zu folgen und begab sich anschließend in den Eingangsbereich des Hauses, wo hinter einer hervorstehenden Wand eine Treppe in den Keller hinab führte. Er ging die Treppe herunter und blieb vor einer schweren Metalltür stehen, die mit fünf Schlössern versehen war. Staunend beobachtete Tara, wie Viktor seine Hand in einer gut versteckten Nische in der Wand verschwinden ließ, einen Schlüsselbund mit sechs Schlüsseln hervorzog und die Schlösser eines nach dem anderen aufschloss. Anschließend zog er die Tür auf und ging in den Raum, der sich hinter der Tür erstreckte. Nachdem die Lampen an der Decke zum Leuchten gebracht worden waren, fand sich Tara in einer Art Turnhalle wieder. Viktor war in der Zwischenzeit zu einer Tür gegangen, die weiter hinten in dem Raum lag und pfiff, um Tara heranzuholen, die sich immer noch verdutzt umsah. Schließlich führte er sie in einen kleinen Raum, in dem ein Metallschrank mit schwerer Tür und einem schweren Schloss stand und öffnete das Schloss mit dem letzten Schlüssel am Schlüsselbund. Die Tür gab den Blick auf zahlreiche Schwerter frei, von denen einige schartig und andere sehr gut gepflegt waren. „Such dir eins aus!“, sagte Viktor und trat einen Schritt beiseite, damit Tara sich in dem Schrank umsehen konnte. Nach wenigen Sekunden griff sie in den Schrank und zog ein Schwert heraus, in dessen Heft ein Onyx eingelassen war. Am oberen Ende der Griffstange war eine lange Kette angebracht, an der wiederum eine Art Wurfmesser in Form einer Fledermaus angebracht war. Das Schwert schien über beträchtliches Gewicht zu verfügen und Viktor staunte, dass Tara es nur mit der linken Hand hielt. Grinsend erklärte sie ihm, was der Grund dafür war: „Zuletzt war im Sportunterricht Kraftsport an der Reihe.“ Er grinste zurück und kaum, dass sie in der Halle waren, führte er einen überraschenden Angriff auf sie, den sie gerade noch rechtzeitig abblocken konnte. „Was sollte das denn?!“ Ihr die Antwort schuldig bleibend, bat er sie, sich neben ihm aufzustellen und seine Übungen nachzumachen. Tara tat, wie ihr geheißen und schlug Viktor bei einer Bewegung fast den Kopf von den Schultern, weshalb er sie zitternd bat, sich ihm gegenüber zu stellen, etwas Abstand zu halten und mit den Übungen fortzufahren. Zum Mittag hin machten sie kurz Pause, aßen etwas und übten dann weiter bis zum Abend. Viktor klopfte Tara lobend auf die Schulter ging zurück zu dem Schrank, aus dem sie die Schwerter entnommen hatten und legte sein Schwert zu den anderen. Nachdem auch Tara ihr Schwert zurückgelegt hatte, verschloss er den Schrank, begab sich zusammen mit Tara aus der Halle, verschloss auch diese wieder und hängte den Schlüsselbund zurück in die Nische. Anschließend ging er zurück ins Erdgeschoss und wollte sich gerade einen bodenlangen, schwarzen Ledermantel mit Schlitz an der Rückseite überziehen, als er sich plötzlich an die Stirn schlug, den Mantel zurück an seinen Platz hing und in einer kleinen Abstellkammer neben der Haustür verschwand. Tara blieb verdutzt hinterher sehend im Eingang stehen und schaute noch verwirrter, als Viktor ihr einen Pelzbesetzten, ebenfalls Bodenlangen Damenmantel gab. „Probier den mal an, bitte. Ich bin sicher, er würde dir gut stehen.“, bat er und Tara probierte den Mantel an. Zu ihrer Überraschung stand der Mantel ihr ausgesprochen gut zu Gesicht. „Perfekt!“, freute sich Viktor, „Der passt wie angegossen! Behalt ihn ruhig, ich schenke ihn dir.“ Völlig perplex stammelte sie ein „Danke“ und folgte dann Viktor nach draußen, wo er sie kurz allein zurückließ und anschließend mit einem völlig schwarzen Motorrad neuester Bauart vorfuhr. Unter dem Helm ertönte ein „Steig auf!“ und kurze Zeit später brausten sie über den Highway in Richtung Innenstadt. „Was hast du eigentlich vor?“, fragte Tara, als sie vor einem etwas heruntergekommenen Gebäude, vor dem massenweise Motorräder standen abgestiegen waren und sich ihrer Helme entledigt hatten. „Hatte ich das nicht gesagt? Ich lade dich zum Essen ein!“, antwortete Viktor freudestrahlend, und ging durch eine schwere Holztür in das Gebäude. Hinter der Tür lag ein kurzer Flur, der einen Zigarettenautomaten beherbergte und zu einer weiteren, leichteren Holztür führte. Viktor war noch nicht ganz durch die Tür getreten, als es in der Kneipe, die hinter der Tür lag schlagartig leiser wurde und der Wirt auf ihn zukam. „Viktor! Du warst ja eine halbe Ewigkeit nicht mehr hier! Was treibst du so?“ Der Wirt strahlte und löcherte Viktor weiter mit Fragen, die ihn in der Tür hielten, bis dieser sich auf die Frage, ob er inzwischen eine Freundin habe räusperte. „Darf ich vorstellen? Meine neue Mitbewohnerin, Tara.“, sagte Viktor und trat elegant zur Seite um den Blick auf sie freizugeben. Als Tara in die Kneipe trat und sich kurz umsah, ertönten Pfiffe von Seiten der anwesenden Männer. Sich sichtbar unwohl fühlend trat Tara näher an Viktor, welcher ihren Blick bemerkte und sie leise beruhigte. „Hey, glaub mir, die Jungs sind eigentlich in Ordnung. Versuch bitte, es hier ein wenig auszuhalten. Und wenn es zu schlimm für dich wird, gehen wir wieder, okay?“ Tara nickte und setzte sich an einen Tisch. Während sie auf ihre Bestellungen warteten, spürte sie die begehrenden Blicke der Männer auf ihrem Körper. „Viktor?“, fragte sie in einem Ton, der ihr Unbehagen verriet. Er verstand, erhob sich und klopfte auf den Tisch. „Ciao Leute, man sieht sich.“, sagte er, während er zusammen mit Tara zur Tür ging und wank. Bevor er hinausging, wandte er sich noch einmal um, und legte das Geld für die bereits bestellten Getränke auf die Theke. Nur Minuten später rasten sie in Richtung eines Schnellrestaurants am anderen Ende der Stadt, das Tara vorgeschlagen hatte. In dem Restaurant saßen beide schweigend da und Tara starrte, von Viktor beobachtet und mit einem Strohhalm geräuschvoll einen Pappbecher Zitronenlimonade leerend aus dem Fenster. Sie schien in einer völlig anderen Welt zu sein und langsam begannen ihre Augen, sich mit Tränen zu füllen. „Woran denkst du gerade?“, fragte Viktor. Er erhielt keine Antwort und schloss mit einem Schulterzucken: „Gut, dann erzähl’ s mir, wenn dir danach ist, aber lass mich nicht dumm sterben.“ Zurück auf Viktors Anwesen, war er gerade dabei, die Haustür aufzuschließen, als Tara vorsichtig begann: „Viktor? Ich weiß, dass ist unverschämt, sowas zu fragen, aber wie haben deine Eltern sich dieses Anwesen leisten können?“ Viktor erstarrte kurz, meinte schließlich er würde ihr im Haus antworten und öffnete die Tür. Schließlich saßen sie im Salon und Viktor begann zu erzählen: „Meine Eltern… Nun, die beiden waren quasi nie zu Hause, ihres Berufs wegen. Ständig in der Weltgeschichte unterwegs, weißt du? Und schlecht verdient haben die beiden dabei auch nicht, weil meist nur Reiche, Adlige oder Gemeinden Auftraggeber waren. Naja, eigentlich hätten sie ja nicht gemusst, weil unser Familienvermögen groß genug ist, um etwa zwei Jahrhunderte in Saus und Braus zu leben, aber das scheinen Adelstitel so an sich zu haben, oder?“ Nachdem sie seine Worte kurz auf sich hatte wirken lassen, riss sie die Augen auf, starrte ihn an und brabbelte vor sich hin. „Du.. Du bist adlig? Das merkt man dir wirklich nicht an… na gut, deine Erziehung ist besser als die der meisten Personen, die ich kenne, aber…“ „Kann sein… Tu mir bitte den Gefallen und beurteile mich nicht mach meinem Namen, Geld oder Äußeren, in Ordnung?“, bat Viktor leicht ängstlich und seine Mitbewohnerin lächelte ihn an und antwortete, sie sei nicht so oberflächlich. Sichtlich erleichtert lächelte er sie an und stand auf, um eine Flasche Wein zu holen. „Ich hol dann schon mal die Gläser.“, strahlte Tara und flitzte in die Küche, während Viktor in den Keller eilte und eine Flasche eines neun Jahre alten Rotwein holte. Zurück im Salon hatte Tara die Gläser auf den Couchtisch gestellt und flegelte sich nun auf dem Sofa herum. „Sag mal Viktor, was haben deine Eltern eigentlich beruflich gemacht?“, fragte sie, als er den Wein in die Gläser goss. Viktor schlug den Blick leicht nieder und antwortete: „Bisher ist jeder, der mich das gefragt hat geflohen, wenn ich erzählt habe, was meine gesamte Familie beruflich gemacht hat… Willst du es wirklich wissen?“ „Würde ich sonst fragen? Und ich werde schon nicht weglaufen, da muss schon einiges mehr kommen als eine lausige Antwort auf so eine Frage. Und danach kannst du mich ausfragen, so viel du magst.“, sagte Tara lächelnd und strich leicht über seine freie Hand. „Na gut, aber auf dein Risiko“, begann Viktor nach kurzem Schweigen, „Ich weiß nicht mit wem es angefangen hat, aber seit diesem Jemand ist es Tradition in unserer Familie, dass man Dämonen und andere Unwesen jagt. Meine Ur-Ur-Ur-Großeltern haben dem damaligen König gedient und wurden in den Adelsstand erhoben, als sie einen besonders mächtigen Dämon für ihn getötet hatten und ihm den Kopf des Dämonen brachten.“ Tara blieb ruhig sitzen und trank einen Schluck Wein, bevor sie antwortete. „Also ich weiß gar nicht, was du hast. Ich finde, auf diese Tradition kann man durchaus stolz sein. Und Angst macht es mir auch nicht, dass du Dämonen tötest. Irgendwer muss ich ja schließlich um die kümmern. Ich will nicht wissen, wie es sonst hier aussehen würde.“, schlug sie seine Befürchtungen aus, „Und jetzt frag mich ruhig aus, wenn dir Fragen einfallen.“ Für sie war das Thema offensichtlich beendet. „Wenn du meinst. Dann erzähl mir bitte, woran du vorhin beim Essen gedacht hast, dass es dir Tränen in die Augen treibt und warum du dir ausgerechnet das Schwert meiner Mutter ausgesucht hast.“, bat er. „Woran ich gedacht habe? An meine Eltern. Wir waren früher oft in dem Restaurant in dem wir heute waren, das hat Erinnerungen geweckt. Und das Schwert…“, sie überlegte kurz, „Naja, das Schwert hat mich irgendwie gerufen. Ach ich weiß auch nicht. Waren das etwa schon alle Fragen? Frag ruhig, es kostet nichts und du bekommst auch keinen Ärger. Versprochen.“, schoss sie und zwinkerte ihm zu. Nach kurzem Schweigen fuhr er fort. „Deine Augen sind wirklich wunderschön. Hast du einen festen Freund?“, fragte er und schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund, während er stammelte, dass es ihm leid täte und er so etwas nicht hätte fragen sollen. Tara lachte nur um sich schließlich kichernd zu einer Antwort durchzuringen. „Nein, habe ich nicht. Ich weiß auch nicht warum, aber ich finde einfach niemanden, der zu mir passt. Besteht etwa Interesse?“, fragte sie zwinkernd, was wiederum Viktor zum Lachen brachte. „Wo denkst du denn hin? Ich lerne Menschen grundsätzlich erst kennen, bevor ich mich verliebe. Aber ich kann dich wirklich gut leiden. Erzähl mir, was für einen Menschen du dir zum Freund wünschen würdest.“, bat er lachend und lies sich mit seinem Weinglas in der Hand zu ihr auf das Sofa plumpsen. Tara lehnte sich an seine Schulter und beschrieb ihren Traummann als jemanden, der sie akzeptiert, wie sie ist und nicht mit aller Macht versucht, sie zu ändern. Grinsend fügte sie noch hinzu, dass es perfekt wäre, wenn dieser jemand dann auch noch gut aussähe, dass das aber nicht unbedingt sein müsse und gähnte herzhaft, während Viktor aufstand um ein Feuer im Kamin zu entzünden. Nachdem er sich wieder gesetzt hatte, gähnte sie erneut, verteidigte sich mit den Worten „Wein macht mich immer etwas schläfrig.“ und lehnte sich wieder an seine Schulter. Als Viktor regungslos sitzen blieb, entfernte sie sich wieder ein Stück von ihm und fragte, ob es ihm unangenehm wäre, wenn sie sich anlehnte. Er verneinte und Tara lehnte sich wieder an ihn, worauf er sogar einen Arm um sie legte, ihren Oberarm streichelte und seinen Kopf an ihren lehnte. Wenige Minuten später war Tara eingeschlafen und Viktor, der sie nicht wecken wollte, langte mit seinem freien Arm hinter sich, zog eine Decke hervor und wickelte sie mit sich darin ein. Während das Feuer im Kamin warm vor sich hin knisterte und langsam die Holzscheite verzehrte, schlief auch er ein. Am nächsten Morgen wachte Tara allein und in die Decke gewickelt auf dem Sofa auf und wunderte sich, wie sie dorthin gekommen war. Den Kopf schüttelnd erhob sie sich und folgte dem Geruch von frischem Rührei und frischen Brötchen und einem vergnügten Pfeifen in die Küche, wo Viktor in der Küche stand und Rührei zubereitete. Er bemerkte sie nicht und erschrak, als sie ihn von hinten umarmte, sodass er sich an der Pfanne verbrannte und leise fluchte. „Frag nicht, mir ist einfach danach. Oder hast du etwas dagegen, wenn ich das mache?“, fragte sie neckisch und zog ihre Arme etwas enger um ihn. „Warum sollte ich? Was sowas angeht, stehe ich immer zu deiner Verfügung.“, antwortet er lächelnd, auch wenn sie es gar nicht sehen konnte. Sie bedankte sich knapp und verharrte an seinem Rücken, bis er die Pfanne vom Herd hob und auf dem Küchentisch abstellte. „Also wenn du etwas essen willst“, sagte er lachend über ein Magenknurren, das eindeutig von Tara kam hinweg, „musst du mich schon loslassen und dich hinsetzen. Ansonsten darfst du gerne so bleiben.“ Das ließ sie sich nicht noch einmal sagen und setzte sich an den Küchentisch. Wieder hantierte sie mit einem der alten und merkwürdigen Messer an Brötchen herum und schaffte es diesmal sogar, die Brötchen selbst aufzuschneiden, auch wenn das Ergebnis eher einem Türkeil glich. Nach dem Frühstück stellte Viktor fest, dass sie dringend neue Kleidung brauchte. Er rätselte beim Abwasch darüber, wie er sie zu einer Shoppingtour einladen könne, als sie ihm die Frage selbst abnahm, indem sie bemängelte, dass ihre eigene Kleidung nicht mehr zu gebrauchen sei und sie sich nicht ständig an dem Kleiderschrank in ihrem Zimmer bedienen wolle, weil die Sachen nicht ihr gehörten. „Na dann komm! Wir gehen dir ein paar Klamotten kaufen.“, sagte Viktor, worauf Tara ihn erst ein wenig verdutzt ansah und sich anschließend frisch machen und ein letztes Mal an der fremden Kleidung bedienen ging. Wenige Minuten später kam sie zu Viktor in den Eingangsbereich, wo er ihr in ihren Mantel half, bevor sie sich aufs Motorrad schwangen und Tara so viele Sachen kauften, dass Viktor den Großteil der Einkäufe zu seinem Anwesen schicken ließ. Als sie sich nach mehreren Stunden auch noch neuer Unterwäsche zuwandte, beschloss er kurzerhand, für sich nach neuen Hemden zu schauen. Kapitel 3: ----------- „Mir tun vielleicht die Füße weh!“, klagte Tara, als sie nachmittags nach Hause kamen. Vor der Haustür standen sechzehn Papiertüten von verschiedenen mehr oder weniger bekannten Marken. Auf dem Treppenabsatz vor der Haustür besah sich Tara die Einkäufe und bat darum, das Geld zurückerstatten zu dürfen, was Viktor ablehnte, als ihr Blick auf einen Geländewagen fiel, den sie noch nie zuvor auf dem Anwesen gesehen hatte. „Erwartest du Besuch, Viktor?“, fragte sie misstrauisch. Viktor blickte sie verdutzt an, worauf sie auf den Geländewagen deutete. Er blickte misstrauisch die Haustür an, ging darauf zu und begutachtete das Schloss. „Aufgebrochen… Wer auch immer das war ist noch im Haus.“, flüsterte er und wies sie an, still zu sein und sich ruhig zu verhalten. Die Haustür war nur angelehnt und schwang nach leichtem antippen auf. Sie schlichen in den Keller und nahmen ihre Schwerter aus dem Schrank, den der Einbrecher scheinbar nicht entdeckt hatte. Anschließend schlichen sie zurück in die Eingangshalle und teilten sich dort auf – Tara sollte das Obergeschoss und Viktor das Erdgeschoss durchsuchen. Nachdem Viktor das Erdgeschoß für sauber befunden hatte und gerade in die Eingangshalle zurückkehrte, um zu Tara zu stoßen und ihr bei der Durchsuchung des Obergeschosses zu helfen, hallte ein Schrei, wie er nur von Tara stammen konnte durch das Haus und er stürmte die Treppen hinauf, so schnell er nur konnte. Im Obergeschoss warf er nach und nach sämtliche Türen auf, bis er in einem der Türrahmen erstarrte. Tara wand sich mit einem Messer am Hals und auf den Boden gedrückt unter einem der Männer vom gestrigen Abend. Ihr Top war zerrissen und die Absichten des Mannes nur zu deutlich. Viktor trat wutentbrannt an den Mann heran, packte ihn im Genick, zog ihn von Tara, stieß ihn mit einer Kraft von sich, die ihn in eine Ecke des Raumes beförderte und setzte ihm sein Schwert an die Brust. Plötzlich begann der Mann, zu wimmern und um Gnade zu flehen. Viktor rümpfte die Nase. Dieser Mann widerte ihn dermaßen an, dass ihm nichts anderes mehr einfiel, als ihn am Kragen zu packen, achtlos durchs gesamte Haus zur Haustür zu schleifen und ihn mit einem kräftigen Tritt ins Hinterteil von der Treppe zur Haustür zu befördern. „Sieh zu, dass du Land gewinnst, du dreckiger Mistkerl!“, fauchte Viktor den Einbrecher an, der sich dies nicht zwei Mal sagen ließ, zu seinem Fahrzeug rannte und davonraste, so schnell er nur konnte. Der Hausherr sah noch hinterher, bis selbst der heulende Motor nicht mehr zu hören war und ging dann zurück zu Tara, die sich mittlerweile in eine Ecke des Raumes zurückgezogen, ihre Beine so nah es ging an sich gezogen und das Gesicht in den Knien vergraben hatte. Viktor trat an sie heran und wartete kurz ab, ehe er sich neben sie setzte und einen Arm um ihre Schultern legte, um ihr zu zeigen, dass sie nichts mehr zu befürchten hatte. Schluchzend warf sie sich an seine Schulter und weinte solange, bis keine Tränen mehr übrig waren. Viktor, der sie noch immer im Arm hielt, hob sanft ihr Kinn und blickte ihr tief in die Augen. „Du hast wirklich wunderschöne Augen, habe ich dir das schon einmal gesagt…?“, begann er. Sie schloss verlegen die Augen und lief rötlich an. „Danke…“ Sie versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken, schaffte dies jedoch nicht ganz. Viktor stand auf, stellte sich vor sie hin und reichte ihr die Hand. Verdutzt nahm sie seine Hand und befand sich im nächsten Augenblick auf seinen Armen. „Was wird das, Viktor?“, fragte sie und wischte sich noch einmal über die Augen. Ohne zu antworten brachte Viktor sie in ihr Zimmer und legte sie ins Bett, von wo sie aufstand und kurz ins Bad ging. Viktor holte in der Zeit die Tüten mit den Einkäufen und stellte sie in ihr Zimmer. „Könntest du kurz raus gehen, damit ich mich umziehen kann…?“, ertönte es plötzlich hinter ihm. Tara stand im Raum und hatte sich im Bad scheinbar das Gesicht gewaschen. „Sicher, sag bescheid, wenn ich wieder reinkommen kann. Ich würde gerne noch ein wenig mit dir reden.“, antwortete er und wandte sich zum Gehen. Kaum war die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen, begann Tara damit, die Tüten in den Kleiderschrank zu entleeren, den Viktor irgendwann ausgeleert haben musste. Sie hatten tatsächlich drei Pyjamas und vier Nachthemden gekauft. Als Viktor beim Einkaufen kurz nicht aufgepasst hatte, hatte sie noch ein Negligee auf den Stapel Unterwäsche an der Kasse gelegt. Er hatte dies nicht einmal bemerkt. Sie zog sich das Negligee an, schlüpfte unter ihre Bettdecke und rief nach Viktor, der tatsächlich vor der Tür gestanden und gewartet hatte. „Na, endlich fert… Wow!“ Viktor blieb in der Tür stehen und starrte Tara an, die sich in dem Moment, in dem er ins Zimmer gekommen war aufgesetzt hatte. Die Decke war dabei heruntergerutscht und gab den Blick auf ihre Nachtwäsche frei. „Wann hast du… Wo hast du...?“, stammelte er vor sich hin und brachte es kaum fertig, den Mund zu schließen. „Ach das Negligee? Das hab ich mit der Unterwäsche gekauft, hast du das nicht gesehen…?“, antwortete sie grinsend und zog die Decke wieder bis zu den Schultern. „Du brauchst dich nicht verstecken. Ich würde ganz gerne sehen, was du von meinem Geld gekauft hast. Also raus aus dem Bett!“, schnurrte Viktor und zog ihr die Decke weg. „Gefällt es dir?“ „Aber ja! Ich wusste gar nicht, dass du so etwas trägst. Zeig mal her!“ Tara kicherte und drehte sich im Kreis, um ihm auch die anderen Ansichten zu zeigen. Alles, was er herausbrachte war ein „Wow“. Tara krabbelte kichernd zurück ins Bett und klopfte neben sich auf das Bett. Viktor nahm Platz und sie redeten noch eine ganze Weile, bis Tara die Augen zufielen und sie einschlief. Er lächelte. Dann stand er auf und strich ihr sanft über den Kopf und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Schlaf gut.“, hauchte er und beobachtete sie noch ein wenig. Als er sich schließlich entfernen wollte, spürte er einen plötzlichen leichten Widerstand, der von seinem Handgelenk ausging und blieb stehen, um zu sehen, was ihn zurückhielt: Tara hatte im Schlaf sein Handgelenk umfasst und murmelte etwas, das so klang wie „Geh nicht.“ Vorsichtig schälte er sein Handgelenk aus ihrem Griff und setzte sich wieder zu ihr aufs Bett. Als wäre sie wach, rückte sie näher an ihn heran und legte weitermurmelnd ihren Kopf auf seinen Schoß. Viktor errötete und rang mit sich selbst, entschied sich dann jedoch dafür, sie schlafen zu lassen. Plötzlich rief sie seinen Namen und murmelte anschließend wieder. „Was denn?“, flüsterte er und war überrascht, als er eine Antwort erhielt: „Ich habe Angst…“ „Wovor denn?“ „Es ist dunkel… Irgendwas ist da…“ „Was ist da?“ „Ich weiß es nicht.“ Dann war sie kurze Zeit still, ehe sie wieder etwas murmelte. Besorgt beugte er sich etwas zu ihr herunter, um zu verstehen, was sie murmelte. „Nein! Bleib weg! Verschwinde!“ Sie wälzte sich hin und her, während sie träumte und war schweißgebadet. Als er nah genug herangekommen war, um ihr Gemurmel zu verstehen, zuckte sie plötzlich zusammen und setzte sich schreiend und mit weit aufgerissenen Augen auf. Auf ihren Weg nach oben wäre sie beinahe mit Viktor zusammengestoßen, der sich gerade noch rechtzeitig aus ihrem Weg bringen konnte. „Was zur Hölle hast du geträumt?!“, fragte er erschrocken, während er sich an dem Bett hochzog, von dem er bei seinem Ausweichmanöver gefallen war. „Ich… Ich weiß es nicht… Alles, woran ich mich erinnere ist dieses Gesicht mit den rot glühenden Augen und die Pranken, die mir die Sachen heruntergerissen haben…“, brachte sie mit erstickter Stimme heraus und begann, zu schluchzen. Er verharrte kurz neben dem Bett während er sich ihrer Worte klar wurde. Dann krabbelte er zu ihr ins Bett und nahm sie in den Arm, drückte sie an sich und streichelte ihr über den Kopf, bis sie sich in den Schlaf geweint hatte. Ihr weiter über den Kopf streichelnd merkte auch er, dass er langsam müde wurde. Er blickte zu ihr herunter und sah, wie sie sich gerade etwas näher an ihn schmiegte. Zudem krallte sie sich an seinem Rücken fest, sodass er ohnehin kaum hätte aufstehen können, ohne sie zu wecken. Als Tara am nächsten Morgen erwachte, fragte sie sich, woher dieser Geruch und die Wärme an ihrem Rücken kamen, die sie in diesem Raum zuvor nie verspürt oder wahrgenommen hatte. Also drehte sie sich um und erblickte Viktor, der nach wie vor neben ihr lag, ihr jedoch den Rücken zuwandte. Sie hob eine Augenbraue und dachte kurz nach, ehe sie sich näher an ihn legte und ihn vorsichtig weckte. Er schreckte hoch und schien sich nicht ganz klar darüber, wie er in dieses Bett kam und vor allem, warum er noch die Kleidung vom Vorabend trug. Langsam dämmerte es ihm. Als er sich völlig erinnerte, ließ er sich zurück ins Bett sinken und zog sich ein Kissen über den Kopf. Bei dem Anblick fing Tara prustend an, zu lachen. „Was wird denn das, wenn’s fertig ist?“, fragte sie, noch immer lachend. „Nichts“, stammelte Viktor, murmelte etwas davon, ins Bad zu gehen und verschwand aus dem Zimmer. Die nächste Woche über herrschte eisernes Schweigen von seiner Seite und die inzwischen recht gelangweilte Tara beschloss, allein im Garten üben zu gehen. So ging sie in den Keller, holte das Schwert, das ihr anvertraut worden war und begann, mit dem an dem Griff angeketteten Wurfmesser auf einige Holzscheite, die sie auf einen Baumstumpf stellte, zu werfen. Sie hatte ein gewisses Talent dazu, und als Viktor nach einiger Zeit das Klopfen, das aus dem Schlag, mit dem das Wurfmesser in die Holzscheite einschlug, resultierte, als störend empfand, sah er nach, woher das Geräusch kam. Zu seiner Überraschung hatte Tara es irgendwie geschafft, ihren Würfen so viel Kraft beizulegen, dass die Holzscheite inzwischen in zwei saubere Hälften zersprangen, wenn die Waffe sie traf. „Sag mal, wie oft hast du das schon gemacht?“, fragte Viktor lauter, als er gewollt hatte und erschreckte Tara, sodass sie sich mitten im Wurf umdrehte und statt auf ihr eigentliches Ziel auf Viktor warf. Mit einem Schrei konnte er sich im allerletzten Augenblick aus der Wurfbahn bewegen. Erschrocken von dem, was passiert war, ließ sie ihr Schwert fallen und rannte in den Wald. Sich langsam aufrappelnd folgte er ihr mit seinem Blick. Als sie außer Sichtweite war, fiel ihm ein, dass in dem Wald jede Menge wilde Tiere lebten, die sich sicher über einen Leckerbissen wie Tara es für sie war hermachen würden so schnell es nur möglich wäre, rannte er ihr hinterher. Er war einige hundert Meter gerannt, als ihm an einem Strauch etwas nass Glänzendes auffiel. Da es nicht geregnet hatte, kam es ihm seltsam vor, also beschloss er, es zu überprüfen. Prüfenden Blickes trat er näher heran und berührte die glänzenden Blätter die, wie er nun sah, von einer dunklen Flüssigkeit benetzt waren. Kaum berührten seine Fingerspitzen die Flüssigkeit vernahm er ein leises Heulen aus dem Wald und roch schnell an der Flüssigkeit, die seine Finger dunkelrot benetzte. Es war Blut. Er dachte daran, dass es von Tara stammen könnte, und sein Herz begann, panisch zu rasen, während er weiter ihren Fußabdrücken über den weichen Boden folgte. War es nun ihr Blut oder stammte es von jemand… etwas anderem? Zu seiner Erleichterung fand er sie wenig später auf einer Lichtung an einem Baum lehnend und in Gedanken versunken. Er trat an sie heran und legte ihr vorsichtig die Hand auf die Schulter, womit er sie aus ihren Gedanken riss. Sie zuckte leicht zusammen und wandte dann langsam den Kopf in seine Richtung. Um ihr aufzuhelfen, streckte er ihr eine Hand entgegen, die sie zaghaft ergriff und auch als sie bereits aufgestanden war nicht losließ. „Ist doch nichts passiert, ich hätte dich nicht erschrecken sollen. Tut mir leid.“ Anstatt ihm zuzustimmen, machte sie jedoch wieder Anstalten, ihm davon zu rennen, doch diesmal war er schneller und hielt sie fest an sich gedrückt im Arm. „Tara…“, flüsterte er, als er merkte, dass sie kurz davor war, erneut zu weinen zu beginnen. Mit einem Schniefen schaffte sie es jedoch, sich in den Griff zu bekommen und ihn anschauen zu können, ohne in Heulkrämpfe auszubrechen. „Du bist dir im Klaren darüber, dass du genauso gut hättest tot sein können? Warum also tut es DIR leid, wenn ich dich fast getötet hätte?!“, fragte sie und Viktor begann zu überlegen. Einige Sekunden später schien er einen Grund gefunden zu haben. „Naja, ich habe dich erschreckt, als du gerade werfen wolltest, also war das war mein Fehler. Du kannst wirklich nichts dazu.“ Tara machte nur „Hmm“, nickte kurz und lehnte ihren Kopf an seine Schulter, ehe sie ihn wieder ansah und fragte, ob sie dann wieder zurück zu Viktors Anwesen gehen sollten. Den gesamten Weg zurück hielten sie Händchen und Tara fragte sich, wie es wohl sein würde, von Viktor geküsst zu werden. Noch im selben Moment bereute sie, sich das gefragt zu haben, denn sie war knallrot angelaufen, was Viktor natürlich sofort auffiel. „Warum bist du denn so rot? Geht es dir nicht gut, Tara?“, fragte er besorgt und legte eine Hand auf ihre Stirn um zu fühlen, ob sie fieberte, was sie ja nicht tat, also blickte er sie skeptisch an. „Was ist denn los mit dir? Kein Fieber, aber du bist feuerrot im Gesicht, und du verhältst dich… etwas komisch.“ „Es ist nichts.“ „Bist du dir sicher?“ „Es ist wirklich nichts.“ „Na dann kannst du’s mir ja sagen!“ „Nein!“ „Wieso denn jetzt nein? Ich denke es ist nichts?“ „Na gut, es ist doch was, aber das kann ich dir nicht sagen.“ „Wieso? Was ist denn?“ „Ich –„, sie stockte und schlug ihm leicht an die Schulter, „Jetzt hättest du mich fast erwischt. Ich kann und will es dir nicht sagen. Irgendwann vielleicht, aber solange wirst du dich gedulden müssen.“ „Gut, gehen wir.“, sagte er mit einem Zucken der Schultern und ging weiter. Damit, ihn so leicht abfertigen zu können, hatte sie nicht gerechnet und blieb einige Sekunden lang stehen, um ihm verdutzt hinterher zu sehen. Viktor hingegen grinste und ging weiter, während Tara ihm mit schnelleren Schritten folgte. Kaum hatte sie ihn eingeholt, wandte er sich ihr zu und grinste sie an, worauf hin sie zu lächeln begann und kicherte. Als sie schließlich wieder in Viktors Garten standen, ließ Viktor sich auf den Rasen fallen, und begann, die Wolken zu beobachten. Tara sah ihn kurz verstört an, brachte dann ihr Schwert, das mit der Klinge im Boden steckte, zurück in den Keller, wo sie es noch schnell reinigte und setzte sich dann, den Rücken zu Viktor auf den Rasen. „Tara?“ „Ja?“ „Was war denn jetzt eben, was du mir nicht sagen wolltest?“ „Du bist wohl neugierig?“ „Ist das verwunderlich? Sonst lässt dich einiges, was anderen Frauen in deinem Alter höchst peinlich wäre, völlig kalt. Du steckst Dinge weg, die eine normale Frau sonst zerbrechen würden. Und dann wirst du plötzlich rot und willst mir nicht sagen, was los ist?“ „Naja, das ist mir schon sehr peinlich. Deshalb möchte ich auch nicht unbedingt darüber reden.“ „Aber du weißt, dass du mir alles sagen kannst und dass du mir auch Geheimnisse anvertrauen kannst, die niemand erfahren würde, egal, was passiert?“ Tara dachte nach. Viktor war tatsächlich immer für sie da gewesen, seit sie ihn das erste Mal getroffen hatte. Warum also konnte sie ihm nicht sagen, was sie gedacht hatte? Hatte sie Angst, er würde sie enttäuschen? „Hmm… Na gut, ich sag’s dir. Aber nur unter einer Bedingung!“ „Ich höre?“. Viktor lag mit geschlossenen Augen im Gras und lächelte. „Du darfst nicht lachen, egal, wie dämlich es sich anhört, in Ordnung?“ „In Ordnung.“ Sie holte tief Luft und überlegte, wie sie ihm beichten sollte, was sie gedacht hatte. „Also… ähm… Ich hab dich gern, weißt du? Und da habe ich mich halt gefragt…“ „Ja?“ „Ich habe mich gefragt wie es sich wohl anfühlen würde…“ „Wie sich was anfühlen würde?“ „Oh Gott, das ist so peinlich.“ „Du musst es nicht sagen, wenn du nicht willst.“ „Naja, jetzt hab ich aber angefangen…“ „Du hast drei Möglichkeiten: Kurz und schmerzlos, unnötig in die Länge gezogen und nur umso peinlicher oder du…“ „Ein Kuss.“ Viktor riss die Augen auf, setzte sich auf und starrte sie verdutzt an. Tara kniff die Augen zu, hielt sich die Hände vors Gesicht und hoffte, nicht so rot angelaufen zu sein, wie sich ihr Gesicht anfühlte. „Du bist ja ganz Rot!“, lachte Viktor und ließ sich zurück ins Gras fallen. „Manno, du hast versprochen nicht zu lachen!“, quengelte Tara. „Ich lache auch nicht darüber, was du gesagt hast, sondern darüber, dass es dir so peinlich ist.“ „Hä?“ „Ich find das süß, dass du wegen zwei Worten so rot wirst.“ „Ach Mensch, du bist gemein.“, maulte sie, stand auf und ging ins Haus. Viktor blieb noch eine Stunde liegen, bevor er endlich aufstand, sich seine Kleidung grob sauber klopfte und dann ins Haus ging. Im Haus stieg ihm Brandgeruch in die Nase. Nervös folgte er dem Geruch zur Küche und half Tara dabei, die gerade in Flammen aufgehende Pfanne zu löschen, in der einige verkohlte Essensreste zurückblieben, von denen nicht mehr auszumachen war, was sie eigentlich einmal gewesen waren. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er sie besorgt und besah sich ihre Hände. „Ja, ist alles ok.“ Mit einem Blick auf die noch immer qualmende Pfanne seufzte er. „Ich sollte dich vielleicht nicht mehr alleine kochen lassen, das ist viel zu gefährlich für dich.“ Eine Spur von Sarkasmus in seinem Ton war kaum zu überhören gewesen. „Sei nicht so ironisch, hast ja recht.“ „Hunger?“ Sie zeigte wortlos auf die Pfanne. „Das werte ich dann mal als ja. Ich hoffe, du magst Pizza.“ Ehe sie es sich versah, sah sie schon hinter Viktor auf seinem Motorrad und hielt sich an ihm fest, während er selbstsicher und viel zu schnell fahrend zwischen den Spuren der Straßen, die er nahm wechselte. „Fahr doch nicht so schnell! Du machst mir Angst!“, rief sie ihm zu, worauf er sie kurz ansah, nickte und die Bremse betätigte. Endlich langsamer konnte sie sich schon mehr entspannen und beruhigte sich, so gut es ging. Als sie wieder zurückkehrten, fand Tara einen Brief im Briefkasten und beäugte ihn misstrauisch. Es war ein einfaches Blatt Papier, welches zusammengerollt und mit einem roten Band zusammengebunden worden war. Ein rotes Wachssiegel verschloss den Brief. „Hast du nicht neulich auch schon so einen bekommen?“, fragte sie und reichte Viktor, der gerade das Motorrad in die Garage gefahren hatte, das Schriftstück. „Stimmt ja, das habe ich ja völlig vergessen!“ „Was denn vergessen?“ „Ich muss weg.“ „Was?! Wohin denn?“ „Nach Shalton. Das ist eine Stadt im Norden des Landes.“ „Und was hast du da zu erledigen?“ „Erledigen ist gut.“, lachte er, „Ich muss mich da um eine Chimära kümmern.“ „ Und wann musst du weg?“, fragte Tara mit langsam in ihrer Stimme aufsteigender Panik. „Morgen Abend schon.“ „Was, so bald schon?“ „Ist irgendwas? Du wirkst so, als hättest du Angst.“ „Habe ich auch. Was soll ich denn machen, wenn der Kerl wiederkommt?!“ Sie schrie schon fast vor Panik. „Mach dir da mal keine Sorgen.“ „Mach ich aber!“ Er seufzte. „Wie du willst. Eigentlich wollte ich dich ja morgen damit überraschen, aber… Du kommst mit.“ Sie fiel ihm um den Hals und gab ihm sogar einen Kuss auf die Wange. „Danke, danke, danke!“ Viktor hingegen legte seine Hand auf die gerade geküsste Wange und lief rot an. Tara bemerkte das und grinste ihn an. „Jetzt wirst du aber Rot!“ Mit einem Blick zum Himmel entzog er sich der Situation. „Es wird schon dunkel.“ Dann hatte er einen Gedankenblitz, fasste Tara bei der Hand und holte aus der Küche ein Tuch, mit dem er ihr die Augen verband. Anschließend zog er sie weiter bei der Hand durch das Haus, bis sie schließlich auf dem Dachboden angelangt waren. „Was hast du vor, Viktor?“, fragte Tara, doch statt eine Antwort zu bekommen, warf er sie sich über die Schulter, ließ ein „Halt dich gut fest!“ verlauten, öffnete ein Dachflächenfenster und kletterte aufs Dach. Schließlich setzte er sie vorsichtig ab und nahm ihr die Augenbinde ab. „Vorsicht, wenn du hier runterfällst werde ich dich nicht auffangen können.“ Dann setzte er sich zu ihr und zeigte zum Horizont. „Schau mal, was für ein fantastischer Ausblick! Super, oder?“ Kapitel 4: ----------- Tara war sprachlos. Einen so schönen Sonnenuntergang hatte sie noch nicht erlebt. Als die Sonne dann vollständig versunken war, stand Viktor auf und reichte ihr eine Hand, um ihr aufzuhelfen. Sich auf ihren anderen Arm stützend, ergriff sie seine Hand und lag ihm wenige Augenblicke später in den Armen. „Was wird das denn we…“ Ehe sie hatte aussprechen können, verschloss Viktor ihren Mund mit seinem. Tara, die damit nicht gerechnet hatte, wehrte sich, bis er sie wieder absetzte und ihr zurück auf dem Dachboden wieder davonlief, ehe sie sich entschuldigen oder rechtfertigen konnte. Sie suchte das gesamte Haus nach ihm ab und fand ihn schließlich in seinem Bett im Gästezimmer, wo er sich scheinbar zur Ruhe gelegt hatte, um nicht völlig auszurasten. „Es tut mir leid.“, flüsterte sie und war verdutzt als, er ihr antwortete. „Ist schon ok, ich hab dich mal wieder erschreckt.“ „Ja. Ich meine nein!“, stammelte sie, „Ich war nur nicht darauf vorbereitet…“ Er machte nur „Hmm“ und blickte sie dann forschend an. „Warum guckst du so?“, fragte sie. Er stammelte: „Ähm, also… wenn du willst… ähm, ich meine, wenn du darauf vorbereitet…“ „Du willst noch einen Versuch, richtig?“ Tief Luft holend gab er zu: „Ja.“ „Dann nur zu.“ Sie lächelte ihr schönstes Lächeln und er setzte sich auf. Kurz, bevor ihre Lippen sich jedoch berühren konnten, grinste er und wich ein Stück zurück. „Ein andermal. Jetzt gehst du erst einmal schlafen, du bist völlig ausgelaugt von deiner kleinen Wanderung heute.“ „Du bist gemein!“, maulte sie, stand auf und ging in ihr Zimmer, wo sie sich, nachdem sie noch kurz im Bad gewesen war, umzog und sich ins Bett legte. Auf ihren Lippen brannte noch immer das Gefühl seiner Lippen und sie genoss dieses Gefühl mehr, als sie sich selbst eingestehen wollte. Es dauerte nicht lange, bis sie eingeschlafen war. Sie bemerkte auch nicht, wie Viktor sich in ihr Zimmer schlich und ihr noch einen Gute-Nacht-Kuss auf die Wange gab, worauf sie noch leise etwas murmelte und dann gänzlich in das Land der Träume sank. Den nächsten Tag über war sie völlig beschäftigt damit, ihre Sachen zu packen. Viktor hatte ihr gesagt, dass sie etwa eine Woche in Shalton bleiben würden, also packte sie Sachen für sieben Tage möglichst klein gefaltet in einen großen Rucksack, den Viktor ihr vom Einkaufen mitgebracht hatte. Gegen Mittag hatte sie gepackt und war nervös, was Viktors Vorhaben in Shalton anging. Beim Mittagessen klapperte erneut der Briefkasten und Viktor stand auf, um zu sehen, was gerade angekommen war. Mit einem weiteren Brief in der Hand kehrte er zurück und überflog diesen, während er weiter aß. „Was steht drin?“, fragte Tara zwischen zwei mit Lasagne beladenen Gabeln und sah ihn erwartungsvoll an. „Nur, wann und wo ich meinen Auftraggeber treffen soll.“ „Aha.“ Gegen 5 Uhr Nachmittags packten sie noch den Proviant in einen extra-Rucksack, der unter dem Sitz des Motorrads verschwinden sollte und wollten gerade losfahren, als Viktor noch etwas einfiel. Er stellte den Motor des Motorrads ab, stieg ab und rannte zurück ins Haus. Nach einigen Minuten kam er zurück und warf Tara ihr Schwert zu, das in einer passenden Schwertscheide mit Halterung für das Wurfmesser und einem Gurt zum umhängen steckte. Verdutzt fing sie es auf und beobachtete ihn immer noch verwirrt dabei, wie er sein eigenes Schwert, welches ebenfalls in der dazu passenden Schwertscheide steckte an dem Gurt schräg über seinen Oberkörper hing. Endlich verstehend, tat sie es ihm gleich, legte das Schwert jedoch spiegelverkehrt zu seinem um, da der Gurt ihr anders herum die Luft abzuschnüren drohte. Er grinste und schwang sich wieder aufs Motorrad, während sie sich an ihm festhielt. Via Kickstarter startete er den Motor und raste mit halsbrecherischer Geschwindigkeit los. „Nützt es etwas, dir zu sagen, dass mir das immer noch zu schnell ist?“, rief sie ihm zu, als sie bereits auf die Schnellstraße in nördliche Richtung auffuhren. Sie erkannte ein Grinsen in seinem Gesicht und klammerte sich umso fester an ihn, als er noch weiter beschleunigte und ihre Mäntel nur umso heftiger flatterten. Nachdem sie bis tief in die Nacht gefahren waren und Tara drohte, einzunicken, hielt Viktor an einer Raststätte mit Gasthaus uns mietete unter wegen der Schwerter ängstlichen Blicken ein Doppelzimmer mit getrennten Betten. „Ist doch okay für dich, oder Tara?“, wollte er sich vergewissern, als sie in einem Sessel bereits eingeschlafen war. Lächelnd nahm er sie auf die Arme und trug sie in ihr Bett. Tara wurde am nächsten Morgen von einem Sonnenstrahl, der durch das Fenster fiel wachgekitzelt und erhob sich müde von ihrem Bett. In ihren Armen wütete ein leichter Muskelkater, der von dem andauernden festhalten an Viktor während der Fahrt am Vorabend herrühren musste. „Autsch!“, flüsterte sie, als sie sich streckte und eben dieser sich bemerkbar machte. Dann fiel ihr Blick auf Viktor, der noch immer schlafend auf dem Rücken lag und einen Arm von sich gestreckt hatte, sodass dieser über den Rand des Bettes hinaushing. Mit einem leisen Kichern stand sie auf und wollte ins Bad gehen, übersah jedoch die Stiefel, die Viktor ihr ausgezogen haben musste und stürzte krachend zu Boden. Viktor, durch das krachende Geräusch ihres Sturzes geweckt, sprang mit einem Schrei aus seinem Bett und zog sein Schwert, das neben seinem Bett lehnte aus der Scheide. Langsamer als nötig ging er um das Bett herum, als Tara sich bereits stöhnend aufrichtete. Er legte das Schwert auf seinem Bett ab und half ihr auf, während sie selbst sich die Knochen rieb und einige kleine Schmerzenstränen aus den Augen wischte. Dann fiel ihr Blick auf Viktor, der zerzaust und unrasiert nur in seiner Boxershort vor ihr stand und lachte. „Schicke Unterwäsche!“ Viktor sah an sich herunter und errötete. Auf seiner Short tummelten sich einige bekannte Cartoons, die sich entweder prügelten, miteinander kuschelten oder ähnliches taten. Als sie sich nach einer Minute wütenden Starrens seinerseits noch immer nicht beruhigt hatte, verschwand er im Bad, von wo wenige Sekunden später das rauschen der Dusche zu hören war. Tara, die noch immer die Kleidung vom Vorabend trug, zog ihre Stiefel an, kämmte ihr Haar und ging Kaffee holen. Als Viktor wenige Minuten später mit einem Handtuch um die Hüfte aus dem Bad kam, nahm er dankbar den heißen Kaffee entgegen und rührte sich diesen mit einem Schuss Milch und so viel Zucker an, dass Tara mit aufgerissenen Augen vergaß, ihren eigenen Kaffebecher richtig festzuhalten, sodass dessen Inhalt sich über ihren Oberschenkel ergoss. Fluchend rannte sie ins Bad und sprang dort unter die Dusche, während sie Viktor bat, ihre frische Wäsche aus ihrem Rucksack ins Bad zu reichen. Er tat, wie geheißen, errötete, als er wahllos Unterwäsche aus dem Rucksack nahm und trat ins Bad, wo er ihre Kleidung auf einen Badezimmerhocker legte und gerade das Bad wieder verlassen wollte, als er auf einer sich vor der Dusche bildenden Wasserlache ausrutschte und noch immer nur in ein Handtuch gewickelt zu Tara in die Dusche stürzte. Zu seinem Leidwesen war er so gestürzt, dass er zwischen ihren Beinen lag und gerade die Augen öffnete, als sie direkt über ihm stand. Zudem war sein Handtuch im Duschvorhang hängen geblieben und gab den Blick auf seinen gesamten Körper frei, der auf den Anblick, der sich ihm bot reagierte, ob er wollte oder nicht. Noch nie zuvor hatte er so schnell und peinlich berührt einen Raum verlassen. Wenig später trat auch Tara aus dem Bad. Puterrot meinte sie, sie sollten so langsam etwas essen und aufbrechen, da sie sonst nicht voran kämen. Viktor, der die Kontrolle über seinen Körper immer noch nicht ganz zurückerlangt hatte, sah sie an, nickte, wurde dann ebenfalls rot wie eine Tomate und ließ sich zurück ins Bett fallen, wo er sich ein Kissen aufs Gesicht zog. Durch das Kissen hindurch meinte er, sie solle schon einmal etwas essen gehen, er würde gleich nachkommen. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie das Zimmer mitsamt ihrer Sachen verlassen hatte, setzte er sich auf sein Bett und legte das Gesicht in seine Hände. „Konzentrier dich! Vergiss es!“, redete er immer wieder auf sich ein, bis das Telefon klingelte. Am anderen Ende der Leitung vernahm er Taras Stimme. „Wo bleibst du denn? Ich warte schon eine Stunde! Und jetzt sag mir nicht, das ist immer noch wegen vorhin!“, wetterte sie leise und mit einem leicht genervten Ächzen sagte er „Bin gleich da!“ und legte auf. Tara, die in der Lobby auf ihn wartete starrte leicht perplex den Hörer des Telefons, aus dem nur noch ein Tuten erklang. Als er schließlich kurz darauf mit seinen Sachen auf dem Rücken herunterkam, ging er ihr so gut es ging aus dem Weg, nahm von ihr jedoch ein geschmiertes Brötchen entgegen und aß dieses, während er die Rechnung für die Übernachtung beglich. Bis sie zum Motorrad gegangen waren funktionierte seine Strategie, ihr aus dem Weg zu gehen noch recht gut, doch als sie hinter ihm saß und sich an ihm festhielt, fiel es ihm zunehmend schwerer, sich zu beherrschen und die Kontrolle über das Motorrad zu behalten. An einem kleinen Parkplatz hielt er schließlich an, stieg ab und setzte sich ein Stück entfernt auf den Boden, ihr den Rücken zugewandt. „Was ist? Warum halten wir hier? Viktor?“, fragte sie besorgt und trat näher an ihn heran. „Sag nicht, du hast es nicht gemerkt?“, begann er. „Was nicht gemerkt?“ „Na, dass ich heute völlig durchdrehe, wenn du in meiner Nähe bist.“ „Was soll das heißen?“ „Hast du es wirklich nicht gemerkt?“ „Was denn?!“ Ehe sie es sich versah, war er aufgestanden, herumgewirbelt, hatte sie in die Arme geschlossen und machte keine Anstalten, sie wieder los zu lassen. „Viktor?“, fragte sie leise und versuchte, ihren Kopf soweit zu drehen, dass sie ihn fragend ansehen konnte. Viktor hingegen antwortete ihr auf eine andere Art und Weise und küsste sie. Noch bevor sie sich dessen bewusst war, hatte er sich schon wieder aufs Motorrad geschwungen und wartete auf sie, damit sie aufstieg. Jedoch fiel es ihr in diesem Moment schwer, sich auch nur ein Stück weit zu bewegen, so verblüfft war sie über seine plötzliche Reaktion und die Erkenntnis, die damit einher kam. Erst, als er den Motor aufheulen ließ um sie wach zu rütteln, wankte sie langsam auf ihn zu und setzte sich hinter ihn. Viktor, der jetzt anscheinend besser mit den Vorkommnissen klar kam, fuhr an und stoppte abrupt, als sie drohte vom Motorrad zu fallen, weil sie zu abwesend war, um sich festzuhalten. Vorsichtig zog er ihre Arme um sich und band ihre Handgelenke vorsichtig mit einem Stück Stoff von seinem Hemd, dass er extra dafür zerriss zusammen, damit sie nicht noch einmal vom Sitz fallen konnte. Einige Hundert Kilometer weiter erwachte Tara langsam aus ihrer geistigen Abwesenheit und hielt sich selbst an Viktor fest, nachdem sie ihre Handgelenke auseinandergebunden hatte. Nachmittags machten sie eine Pause, um etwas zu essen sich die Beine zu vertreten. Als sie sich gerade an einen Picknicktisch, der an dem Parkplatz, an dem sie gehalten hatten, setzten und etwas von ihrem Proviant verzehrten, trat ein Mann mit hellblondem, hüftlangem Haar an sie heran und stellte sich als Waffenkundiger aus Morattis vor. „Zwei sehr schöne Stücke haben Sie da, darf ich mal sehn?“, fing er an, und nur ungern zogen Tara und Viktor ihre Schwerter aus den Scheiden, um sie zu präsentieren. Der Mann begutachtete die Schwerter, stellte fasziniert fest, dass sie in exzellentem Zustand waren und erkundigte sich über die Herkunft der Schwerter. Viktor wurde mulmig zumute, als er auch noch wissen wollte, wie alt die Waffen waren und wie lange sie sich bereits in seinem Besitz befanden. „Nun gut, ich biete Ihnen 2 Millionen für beide Schwerter!“, bot der Hellblonde an. „Ich verkaufe nicht.“, zerschlug Viktor seine Hoffnungen. „Bitte?“ „Ich habe Geld genug und benötige diese Waffen noch. Außerdem sind es Erbstücke und schon alleine deshalb würde ich nicht verkaufen.“ „Sind sie sich sicher? Ich biete Ihnen 2 Millionen pro Schwert!“ Tara hatte genug. „Meine Güte! Wenn er doch sagt, dass er ihr Geld nicht braucht und dass er auch so nicht verkauft, dann akzeptieren sie das gefälligst! Und wenn Sie jetzt noch einmal versuchen, uns vom Verkauf zu überzeugen, lernen sie meine ungemütliche Seite kennen und bekommen von Meisterhand geschmiedeten und 200-fach gefalteten Stahl zu schmecken!“ „Tara, ich wusste gar nicht, dass du dich so gut mit Schwertern auskennst, dass du sogar erkennst, welche Arbeitsmethode angewendet worden ist und von welchem Rang der Schmied war!“, staunte Viktor und beobachtete erschrocken, wie Tara die Augen verdrehte und hintenüber von der Bank stürzte, auf der sie saß. „Holen sie Wasser, SCHNELL!“, schrie er den ebenso erschrockenen Hellblonden an und kniete sich neben Tara. Kaum war der Mann losgerannt um Wasser zu holen, öffnete Tara vorsichtig eines ihrer Augen. „Ist er weg?“ Viktor riss die Augen auf und musste sich erst einmal setzen, um nicht vor Lachen umzufallen. „Schnell, pack alles zusammen, was uns gehört, wir fahren weiter, bevor der wiederkommt!“, grinste Tara, stand auf, steckte ihr Schwert zurück in die Scheide und begann, die Lebensmittel zurück in den Proviantrucksack zu packen. Viktor tat es ihr gleich und sie fuhren mit quietschenden Reifen los, als der Waffenfreund gerade mit einem abgewetzten Hut aus Leder, der mit Wasser gefüllt war, zurückkam und den beiden entsetzt hinterher starrte. Am nächsten Abend trafen die beiden entnervt in Shalton ein. Jedes Mal, wenn sie an einem Parkplatz anhielten, um sich die Beine zu vertreten oder etwas zu essen, tauchte wenige Minuten nach ihnen wieder der Waffenfan auf und ging ihnen nach wie vor auf die Nerven. Ignorieren half ebenfalls nicht, da der Blonde sich weder dadurch abschrecken noch von seinem Vorhaben abbringen ließ. Taras gespielte Ohnmachtsanfälle blieben ebenfalls ohne Wirkung, da er diesen Trick durchschaute. Mit einem Seufzen gab Viktor schließlich auf. „Also gut, Mister… Wie war ihr Name?“, begann er. Mit strahlenden Augen antwortete er, dass er Smith heiße. „Mister Smith. Nun, ich mache ihnen ein anderes Angebot: Wir werfen eine Münze. Bei Kopf gewinne ich, bei Zahl gewinnen Sie. Gewinne ich, lassen sie uns in Ruhe, Gewinnen Sie, verkaufe ich zwar nicht, liefere mir aber ein Duell mit Ihnen, einverstanden?“, seufzte Viktor. Smith ließ sich darauf ein, und so warfen sie eine Münze. Als schließlich Zahl fiel, jauchzte Smith und Viktor seufzte. „Nun denn. So sei es!“, flüsterte Viktor, lieh Smith sein Schwert, setzte seine Sonnenbrille ab und gab diese Tara. Sie reichte ihm ihr Schwert, damit er nicht wehrlos dastünde. „Dauert nicht lange.“, flüsterte er ihr ins Ohr und lächelte sie an. „Viel Glück!“, wünschte Tara den Kontrahenten. Sie eröffnete damit den Kampf und einige andere Reisende, die sich auf dem Parkplatz aufhielten, sammelten sich um den Schauplatz herum. Viktor ließ Smith den ersten Schlag und wich leichtfüßig aus. Ungeschickt war er nicht, das musste er zugeben, aber einem berufsmäßigen Dämonenjäger war er schlichtweg nicht gewachsen. Nach nur wenigen Minuten, in denen Viktor sich kaum vom Fleck bewegt hatte, schlug er mit der flachen Seite seiner Waffe zu und beförderte Smith so zu Boden, welcher schließlich aufgab. „Ist ja gut, ist ja gut!“, meinte Smith als er aufgestanden war und Viktors Blick mit gehobener Augenbraue wahrnahm. Smith gab das Schwert zurück und ging seiner Wege. „Ich glaube, den sehen wir so schnell nicht wieder.“, grinste Tara. „Wir werden sehen. Solche Leute sind hartnäckig.“ „Hmm..“ In Shalton angekommen, sah Tara sich von einem Aussichtspunkt aus um, während Viktor sich in einem der Hotels um Zimmer kümmerte. Shalton war eine recht kleine, idyllische Stadt, die mitten in einem riesigen Wald lag. Die Luft war frisch und sauber, in dem Wald schienen einige kleine Seen zu liegen und an einigen der Hotels waren Badeanstalten nach japanischem Vorbild eingerichtet worden. Eine Autobahnbrücke führte am Ostrand der Stadt über eine kleine Schlucht, in der ein Fluss verlaufen musste und senkte sich langsam in den Wald hinab. Das kleine Städtchen schien von Hotels geradezu zu strotzen. Als sie sich satt gesehen hatte, machte sie sich zu Fuß auf zu dem Hotel, das Viktor ihr genannt hatte. Dank der guten Straßenbeschilderung fand sie es auf Anhieb. Ein gepflegt wirkendes, vierstöckiges Gebäude, welches erst neulich renoviert worden sein musste diente als Hotel. Sie fühlte sich jetzt schon pudel wohl. An der Rezeption fragte sie nach, welche Zimmer Viktor gemietet hatte, bekam jedoch zur Antwort, dass Viktor zwar zwei Einzelzimmer hatte mieten wollen, das Hotel jedoch beinahe ausgebucht war und dass er deswegen eine Suite für zwei Personen hatte mieten müssen. Sie ließ sich die Zimmernummer geben und begab sich in den vierten Stock, wo sich die Suite 407 befand, welche sie während ihres Aufenthaltes mit Viktor würde teilen müssen. Mit einem Seufzen klopfte sie an die Tür, welche ihr prompt von Viktor geöffnet wurde, der ihre Sachen auf eine Hälfte des Doppelbetts gelegt hatte. „Tut mir leid, war nichts anderes mehr frei.“, entschuldigte er sich, als er ihren Blick sah, mit dem sie das Doppelbett musterte. „Kann man das nicht auseinanderschieben?“, fragte sie. „Hab ich schon versucht, geht nicht.“ „Na gut.“ „Was, na gut?“ „Na, na gut eben. Solang du deine Hände bei dir behältst, ist alles in Ordnung.“ „Ach so. Na dann: na gut.“ Er grinste. Tara sah sich in dem Zimmer um. Es war geräumig, gut beleuchtet, in angenehme Farben gehalten und rundum gemütlich eingerichtet. Auch das Bad war groß genug, wies sogar eine Badewanne und eine separate Dusche auf. Die Dusche war in eine Duschkabine mit Milchglaswänden eingebaut, während man die Badewanne mit einem Duschvorhang verbergen konnte. In dem Wohn- und Schlafbereich des Zimmers fand sie eine Stereoanlage mit einer Auswahl von CDs verschiedener Musikrichtungen. Sie sah den Stapel CDs durch und hielt eine CD mit lateinamerikanischer Musik in der Hand. Viktor beobachtete sie die ganze Zeit aufmerksam. Als sie die CD fallen ließ und sich ins Bad begab, folgte er ihr bis zur Tür, wo er nur ein Schluchzen ihrerseits vernahm. Eine Stunde darauf kam sie aus dem Bad und ließ sich mit geröteten Augen in einen der Sessel fallen, die zur Fensterfront der Suite zeigten. Viktor setzte sich vorsichtig auf die Lehne des Sessels in dem sie saß. „Tara?“ „Hm?“ „Was war los?“ „Ist egal.“, antwortete sie. „Wenn es egal wäre, hättest du nicht über eine Stunde im Bad geweint, also was ist los?“ „Warum interessiert es dich so sehr, warum ich weine?“ „Darf es das nicht?“ Sie blickte ihn an. Spuren getrockneter Tränen waren auf ihrem Gesicht zu erkennen und neue Tränen begannen, sich in ihren Augen zu sammeln. Viktor hielt diesen Anblick nicht aus, stand auf, zog sie auf die Beine und nahm sie in den Arm. „Wenn dir nach weinen zumute ist, weine ruhig, aber lass mich nicht im Unklaren, wieso, ok?“ Sie nickte kurz und begann, zu erzählen. „Diese CD…“, schluchzte sie, „Ich habe sie früher oft mit meinen Eltern gehört und dazu getanzt. Es kommt einfach nur alles wieder hoch, weißt du?“ Er nahm sie fester in den Arm. Sie wurde etwas ruhiger. „Kann man dich irgendwie aufmuntern?“ „Das legt sich schon wieder.“ „Beantwortet aber nicht meine Frage.“ „Hm, nein, ich glaube zurzeit wird das schwierig.“ „Na gut. Aber du siehst müde aus, versuch wenigstens, etwas zu schlafen, in Ordnung?“ „Hm...“, machte sie nur, nickte leicht und so trug Viktor sie in ihre Hälfte des Betts. Als sie so dalag und nicht einschlafen konnte, wälzte sie sich zunächst hin und her, bis Viktor bemerkte, dass sie nicht schlafen konnte. Er setzte sich zu ihr ans Bett und streichelte ihr sanft über den Kopf, was anscheinend auf eine beruhigende Wirkung abgezielt war. „Könntest du…“, setzte sie an. „Hm?“ „Würdest du dich zu mir legen? Alleine hier rumzuliegen während du irgendwo im Zimmer bist ist auch nicht gerade beruhigend.“ „Na gut.“ Er legte sich zu ihr, wo sie sich an ihn kuschelte und ihren Kopf auf seine Brust legte. Mit einem leisen Seufzen schloss sie die Augen und schlief bald darauf, während Viktor ihr weiter über den Kopf streichelte und schließlich durch ihren gleichmäßigen Atem schläfrig geworden einschlief. Kapitel 5: ----------- Tara schreckte hoch. Viktor war nicht da, im Zimmer war es stockfinster und still. Sie stand auf und versuchte, das Geräusch ausfindig zu machen, welches sie hatte aufschrecken lassen. Es war ein seltsames, reißendes Geräusch gewesen auf welches nun ein ständiges und regelmäßiges Tropfen und Plätschern folgte. An einer Tür war das Geräusch am lautesten zu vernehmen, also öffnete sie vorsichtig die Tür, setzte vorsichtig einen Fuß in das dahinter liegende Halbdunkel und trat in eine dunkle Flüssigkeit, die etwas wärmer war, als der geflieste Boden. Verwundert schaltete sie das Licht an und blickte erneut zu der Flüssigkeit, die ihr jetzt entlang der Fugen um die Füße floss. Was auch immer diese Flüssigkeit war, sie war dunkelrot und ihr haftete ein metallischer Geruch an. Angewidert von dem Geruch rümpfte sie die Nase und folgte der Flüssigkeit um ihre Quelle ausfindig zu machen. Sie schien aus der Dusche des Hotelzimmers auszutreten, weshalb sie rote Fußabdrücke auf dem Boden hinterlassend darauf zutrat und vorsichtig die Tür öffnete. Dann schrie sie. Tara schrie und Viktor, durch ihre Schreie geweckt, rüttelte sie wach, damit sie aufhörte zu schreien. Plötzlich riss sie die Augen auf und setzte sich ruckartig auf. Jetzt begann sie, zu wimmern, zog ihre Beine an den Körper und vergrub ihr Gesicht an ihren Knien. „Tara, was…?“, setzte er besorgt an und packte sie bei den Schultern. Sie blickte ihn verstört an und lehnte sich an seine Brust, wo sie sich vor Angst zitternd festkrallte. Er streichelte ihr sanft über den Rücken, während sie hysterisch vor sich hin stammelte. „So viel Blut… deine Hand… und dann dein Hals… so viel Blut…“ Währenddessen krallte sie sich immer fester in sein Hemd, bis es riss. Von dem reißenden Geräusch getrieben, hielt sie sich die Ohren zu und schrie, stand auf und wankte weiterschreiend durch den gesamten Raum. Die Bewohner der benachbarten Zimmer schlugen an die Wände und baten um Ruhe und an der Tür polterte es ebenfalls. Viktor erhob sich und ging zu Tara. Kaum bei ihr angekommen, schloss er sie in die Arme und drückte sie an sich während er ihr über den Rücken streichelte, um sie zu beruhigen. Sie verstummte und begann, zu zittern. Viktor brachte sie zurück ins Bett, nahm sie weiter in den Arm und flüsterte so lange auf sie ein, bis sie in tiefen, traumlosen Schlaf gesunken war. Am nächsten Tag wachte Tara gegen Mittag auf und fragte sich, woher die Halsschmerzen die sie hatte kommen konnten. Als es ihr einfiel, stöhnte sie leise und begann wieder, vor Angst zu zittern, was Viktor weckte. „Was ist denn?“, fragte er leise und schläfrig, um sie nicht zu erschrecken, während er sich an sie kuschelte. Sie blickte ihn an und gab nur ein leises „Nichts“ von sich, ehe ihr Blick auf die Uhr fiel und sie plötzlich hektisch wurde. „Wann sollst du dich mit deinem Auftraggeber treffen?“, rief sie ihm zu, während er unter der Dusche stand. „Um 15 Uhr glaube ich.“ „Dann beeil dich, es ist schon halb drei.“ Wenige Minuten später war die Dusche abgestellt und Viktor trat in ein Handtuch gehüllt aus dem Bad, um sich hinter einer Schranktür mit frischer Kleidung einzudecken und sich anzuziehen. „Willst du auch noch ins Bad?“ Tara hatte sich bereits fertig angezogen und die Haare gekämmt, während Viktor geduscht hatte. „Nein, bin schon fertig.“ „Sicher?“ „Ganz sicher.“ Ihr Ton war beinahe beängstigend kühl. „Ach so... wegen dem Traum?“ Tara bekam trotz recht sommerlicher Temperaturen eine Gänsehaut, woraus er ein „ja“ deutete. Keine zehn Sekunden später trat er mit noch geöffnetem Hemd hinter sie und umarmte sie vorsichtig von hinten und lehnte dabei seine Stirn an ihren Hals. Tara, die nicht recht wusste, wie ihr geschah, machte sich verdutzt von ihm los und sah ihm ins Gesicht. „Was sollte das?!“ „Ich wollte dich nur aufmuntern!“ Sein Ton wurde bissig, woraus Tara schloss, dass sie ihn verletzt haben musste. „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht so anschreien.“ „Ist schon gut, nächstes Mal frage ich vorher einfach.“ „Ach quatsch, tu, was du willst, wenn dir danach ist.“ „Sicher?“ „Sicher.“ „Na gut.“ Er grinste und packte sie bei der Hand. „Und jetzt?“ Er gab keine Antwort und zog sie zu sich um sie zu umarmen. Sie legte ihre Arme um ihn und schmiegte sich ein wenig näher an seine Brust, während sie seinen Geruch einsog. Plötzlich fragte sie sich, warum sie das eigentlich tat und als ihr darauf nur einfiel, dass sie Viktor mehr mögen musste, als ihr bewusst war, stockte ihr Atem. Viktor, dem das auffiel, fragte prompt nach, was los sei, bekam aber wieder nur ein „Nichts“ zur Antwort, nahm dies diesmal aber nur mit einer gehobenen Augenbraue zur Kenntnis. Wenige Minuten später trafen sie an dem Cafe ein, in dem bereits ein älterer Herr mit schütterem, bereits ergrautem Haar wartete und aufstand, um Viktor zu begrüßen, als er ihn erspähte. „Wer ist denn Ihre reizende Begleiterin?“ „Das ist meine neue Mitbewohnerin, Tara Leigh.“ Tara trat vor und reichte Viktors Klienten die Hand. „Also Mister…“, setzte Viktor an als sie saßen. „Nathan Leech. Nathan reicht völlig.“ „Gut, Nathan. Sie haben mir Bilder einer Chimära zukommen lassen. Ich konnte nicht ganz erkennen, ob es sich um ein männliches oder ein weibliches Untier handelte.“ „Ein Weibchen, zudem noch trächtig.“ „Oh mein Gott. Trächtig sagen Sie? Dann ist höchste Eile geboten.“ „Ich habe mit dem Bürgermeister gesprochen. Er stimmt zu, die Autobahnbrücke sperren zu lassen, solange es nötig ist, wenn Ihnen dieser Ort recht ist. Dort sind die wenigsten Passanten anwesend, sodass Sie in Ruhe ihre Arbeit machen können, ohne Angst haben zu müssen, dass die Chimära jemanden attackiert.“ „Was, wenn die Brücke beschädigt wird?“ „Das sollte kein Problem darstellen, es sind vorsorglich bereits Baufirmen damit betraut worden, sich um eventuelle Schäden zu kümmern“ „Nun denn. Wann wird mit dem nächsten Angriff gerechnet?“ „Dem Muster zufolge heute Abend.“ „Die Chimära verwendet ein Muster?“ „Diese schon. Alle Drei Tage erfolgt ein Angriff, meist gegen 21 Uhr. Bisher ist zum Glück niemand umgekommen oder schwer verletzt worden.“ „Gut, dann heute Abend. Gegen 20 Uhr an der Autobahnbrücke?“ „Einverstanden.“ Mit einem Händedruck verabschiedeten sie sich wieder und Tara und Viktor kehrten in ihr Hotel zurück. In dem Zimmer bediente Tara sich an einigen Erdnüssen, während Viktor sich streckte und sich eine Strategie urechtlegte, bis ihm ein Gedanke kam. „Sag mal, Tara?“ „Hm?“, machte sie, einige Erdnüsse kauend. „Willst du heute Abend helfen?“ Tara blieb der Mund offen stehen. „Ist das dein Ernst?“ „Klar. Wenn du willst.“ „Natürlich will ich!“, rief sie freudig und fiel ihm um den Hals. „Sei aber vorsichtig, mit dem Biest wird nicht zu spaßen sein.“ „Na gut, ich gebe mein Bestes um dir nicht im Weg zu stehen und ziehe mich zurück, wenn ich mir das nicht zutraue, in Ordnung?“ „So ist’s richtig!“, strahlte er. Wenig später durchsuchte Tara erneut den CD-Stapel und fand eine CD mit einem Cover das ihr sofort auffiel. Es war in einem schlichten Smaragdgrün gehalten gewesen, als es neu war, das konnte sie an einem nicht vergilbten Stück des Covers erkennen, der Name der Band oder der CD war jedoch zusammen mit dem Rest des Covers vergilbt und nicht mehr zu erkennen. Neugierig geworden, legte sie die CD in die Stereoanlage und wartete darauf, dass sie abgespielt wurde. Schließlich ertönten die ersten Töne der schönen, wilden und rhythmischen Musik und sie war fasziniert davon. Viktor hob überrascht den Kopf, stand auf und trat etwas näher an sie heran. „Was mich auch schon immer interessiert hat: Kannst du tanzen?“, flüsterte er ihr ins Ohr, als er hinter ihr stand. Tara lief rot an und stammelte sie hätte es nie versucht, was so etwas anginge wäre sie recht tollpatschig. Nichtsdestotrotz nahm er ihre Hand und zog sie vorsichtig an sich, wo er ihr die richtige Tanzhaltung zeigte. Anschließend wagte er einen Versuch, Tara das Tanzen beizubringen, wie er es vor Jahren in der Tanzschule gelernt hatte. Damals hatte er es gehasst, ständig diese ältere Dame, welche die Tanzlehrerin war, sehen und mit ihr tanzen zu müssen, da er Privatunterricht erhielt. Bei dem Gedanken daran musste er lächeln, was aber nicht lange anhielt, da Tara ihm versehentlich auf den Fuß trat. „Hab ich’s nicht gesagt?“, fragte sie prompt, als sie Viktor Lächeln verschwinden sah. „Ist ja nichts passiert, noch ein Versuch!“, antwortete er. Tara hatte nicht wirklich Lust zu tanzen, doch um Viktor die Freude zu machen versuchte sie es weiter und zu ihrer Überraschung klappte es besser, als sie es sich je hatte träumen lassen. „Ich weiß gar nicht, was du hast. Du kannst doch tanzen!“ Viktors Lob ließ sie leicht erröten, worauf er sich ihrem Ohr näherte. „Du siehst richtig süß aus, wenn du rot wirst.“, flüsterte er. Tara errötete nur noch weiter und Viktor begann zu grinsen, während sie weiter umher wirbelten. „Was?“ „Nichts.“ „Jetzt klau nicht meine Ablenktechnik, was ist?“ „Sagte ich doch: Nichts.“ „Viktor, das nützt doch sowieso nichts. Immerhin habe ich diese Technik praktisch erfunden.“ „Nur klappt es nie!“ „Oh, du…!“ Während des Tanzens hatten sie völlig die Zeit vergessen und als Viktor auf die Uhr schaute, mussten sie bereits los, um noch zum verabredeten Zeitpunkt an der Autobahnbrücke anzukommen. Dort angekommen klärte Wiktor sie über seine Strategie auf. „Bleib zurück und greif nur an, wenn du dir absolut sicher bist, zu treffen, ansonsten lass mich machen, ok? Triffst du nämlich nicht, lenkst du nur die Aufmerksamkeit dieses Biests auf dich und das wird sehr gefährlich werden, weil ich vielleicht nicht schnell genug wieder die Aufmerksamkeit auf mich lenken kann.“ „Ist gut.“ Der Bürgermeister und Viktors Auftraggeber waren ebenfalls anwesend und wünschten viel Glück, außerdem hatten sie einen Köder aus rohem Fleisch ausgelegt, der die Chimära auf jeden Fall anlocken musste. Tatsächlich war es bereits wenige Minuten später soweit und ein lautes Knacken ertönte aus dem Gehölz des Waldes. Als das trächtige Untier erschien, hielten alle Anwesenden den Atem an. Sein sandfarbenes Fell glänzte und die geschärften Krallen an seinen Vorderläufen blitzten, der Löwenkopf und die Schlangenschwänze blickten in die Richtung der Anwesenden, ehe es zu fressen begann. Während es fraß, trat Viktor langsam auf das etwa 2 Meter hohe Tier zu, um es bei der ersten Gelegenheit angreifen zu können. Mit dem ersten Schlag enthauptete er den ersten der drei Schlangenschwänze und das Untier brüllte schmerzerfüllt, ehe es den Gegenangriff begann. Tara sah dem Treiben angsterfüllt zu. Zwar hatte Viktor die Oberhand, doch hatte die Chimära ein Mal zu oft die Gelegenheit, ihn zu verletzen. Mit einigen blutigen Kratzern auf dem Rücken kämpfte Viktor jedoch weiter, auch wenn ihm anzumerken war, dass er unter Schmerzen litt. Die Chimära verfügte inzwischen nur noch über ihren Löwenkopf und hatte über den ganzen Körper verteilte Wunden, doch sie wurde immer aggressiver und Viktor ging langsam die Kraft aus. Tara konnte und wollte einfach nicht mehr tatenlos zusehen und so zog sie ihr Schwert aus der Scheide und lenkte die Aufmerksamkeit der Chimära auf sich. „Tara, tu das nicht!“, rief Viktor noch, doch da war es bereits zu spät. Sie hatte bereits ihr Wurfmesser geworfen, jedoch nicht genau genug gezielt, und so zischte das Messer an dem Untier vorbei und bohrte sich in Viktors Schulter. Erschrocken ließ Tara ihr Schwert fallen und war auf Viktors Wunde fixiert, sodass sie nicht merkte, wie die Chimära sich immer näher an sie heranschlich, bis diese schließlich zuschlug und Tara mit tiefen Wunden an der Seite von der Brücke beförderte. Mit einem Schrei stürzte Tara in das Randgebiet des im Wald verlaufenden Abgrunds, während Viktor sich das Wurfmesser aus der Schulter riss, grob ein Stück Stoff darum wickelte um die Blutung zumindest etwas zu stillen. Dann schlug er der Chimära, die Tara hinterher starrte den letzten verbleibenden Kopf ab, ließ sein Schwert fallen und sprang hinter Tara her. Äußerst unsanft im Wald gelandet, begab er sich sofort auf die Suche nach Tara. Angewidert begutachteten die Zuschauer, wie das wilde Zucken, dass sich im Leib der Chimära bemerkbar machte und von den noch ungeborenen Jungtieren herrühren musste nach und nach verebbte, um in Jubel auszubrechen, als der kopflose Körper schließlich völlig reglos blieb. Währenddessen wurde Tara von einem jungen Mann, der gerade durch den Wald gegangen war, als Tara nur wenige Meter von ihm entfernt in dichtes Dornengestrüpp gestürzt war, in eine kleine Holzfällerhütte getragen und dort notdürftig versorgt. Als die Blutung der Wunden einigermaßen gestillt war, öffnete Tara mit einem schmerzerfüllten Stöhnen die Augen und blickte direkt in ein Paar giftgrüner Augen, Das Gesicht zu dem sie gehörten, war scharf geschnitten und wurde von ungezähmtem, hellblondem Haar umrahmt. Der junge Mann fragte sie leise mit rauer Stimme, mit wem sie hier war und wohin er sie bringen sollte. Als Tara darauf erwiderte, dass er sie zurück in ihr Hotel bringen solle, wo sie auf Viktor warten wollte, nickte er stumm und hob sie vorsichtig auf die Arme, was ihr dennoch einen heftigen Schmerz durch den Körper jagte, der sie wieder das Bewusstsein verlieren ließ. Gegen Mitternacht kamen Tara und ihr unbekannter Retter in dem Hotel an, in dem einige ortsansässige Journalisten bereits auf Tara und Viktor lauerten, jedoch verdutzt schauten, als Tara noch immer ohnmächtig von dem Fremden hereingetragen wurde. Dieser ging direkt zur Rezeption, verlangte dort den Ersatzschlüssel von Tara und Viktor und kaum, dass er ihn erhalten hatte, sie auf ihr Zimmer brachte und sie vorsichtig auf ihr Bett legte. Dann machte er es sich in einem der Sessel bequem und hatte scheinbar dort warten wollen, bis Viktor zurückkehrte. Jedoch wurde Tara einige Minuten, nachdem sie in ihrem Bett lag wieder wach und versicherte dem Fremden, in diesem Zimmer sicher zu sein, und dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Viktor herkommen würde. Dieser ließ sich jedoch nicht davon abhalten, auf Viktor zu warten, bat Tara so freundlich es mit seiner rauen Stimme ging, zu schlafen zu versuchen und schaltete das Licht aus um es ihr zu erleichtern. „Gegen die Schmerzen kann ich leider nichts machen.“, sagte er, als sie leise wimmerte. „Wie haben Sie das eigentlich geschafft?“, fragte er noch, erhielt jedoch keine Antwort, da Tara eingeschlafen war. Ihr Atem ging zwar unruhig aufgrund der Schmerzen und ab und zu ertönte ein schmerzerfülltes Stöhnen, jedoch blieb es verhältnismäßig still. Kapitel 6: ----------- Gegen zwei Uhr morgens trat Viktor ins Zimmer. An der Rezeption war niemand mehr gewesen und so wusste er nichts von Taras Anwesenheit. Leise, um die Gäste auf den benachbarten Zimmern nicht zu stören, zog er seine Stiefel aus, stellte die Schwerter, die er auf dem Rückweg zum Hotel geholt hatte hinter die Tür und ging ins Bad, wo er sich wusch und seine Wunden begutachtete. In der Zwischenzeit verließ der Fremde das Zimmer. Als Viktor aus dem Bad kam und das Licht anschaltete, traute er seinen Augen nicht, als Tara bereits im Bett lag und schlief. Um sie nicht zu wecken, setzte er sich leise an ihr Bett und beobachtete sie, glücklich lächelnd darüber, dass sie noch lebte, mit klopfendem Herzen beim Schlafen, während ihm selbst langsam die Augen zufielen. Im Morgengrauen hielt Tara sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Seite und gab ein lautes, von großen Schmerzen zeugendes Stöhnen von sich, welches Viktor aus dem Schlaf riss. Vorsichtig weckte er sie und fragte sie, wie es ihr gehe, bekam darauf jedoch nur ein weiteres Stöhnen zur Antwort und bemerkte erst dann, dass die Hand, mit der er sich auf dem Bett abstützte, mit Blut benetzt war. Panisch entriss er ihr die Decke und erschrak, als er die Wunden sah, die die Chimära gerissen hatte. So schnell er konnte, schlüpfte er in seine Schuhe und hob sie vorsichtig auf die Amre, um sie in das, praktischer Weise 2 Straßen weiter liegende Krankenhaus zu bringen, wo gerade die Frühschicht begonnen hatte. Anscheinend war auch schon länger kein solcher Notfall eingegangen, denn es herrschte Panik - sowohl unter den Krankenschwestern, als auch unter den Ärzten. Viktor überlegte, ob er nicht doch lieber ein anderes Krankenhaus aufsuchen sollte, als aber auch schon eine Bahre für Tara herangefahren wurde und sie einer recht schnell verlaufenden Not-OP unterzogen wurde. Keine zwei Minuten, nachdem Tara im OP war, trat eine aufmerksame Krankenschwester auf ihn zu und bat ihn, sich seine Wunden beschauen zu dürfen. „Die Chimära ist jetzt also tot?“, fragte die Krankenschwester. „Genau. Au! Seien Sie doch vorsichtig!“ „Verzeihung. Das wird jetzt nochmal ein bisschen brennen. Was haben sie denn angestellt?! Diese Wunden sind ja völlig verdreckt, seien sie froh, wenn ich den ganzen Dreck so da raus bekomme!“ Viktor biss die Zähne zusammen, als die Krankenschwester seine Wunden wieder aufkratzen musste um sie anschließend mit einem Antiseptikum mit beißendem Geruch desinfizieren zu können. Sie war gerade mit der Behandlung von Viktors Wunden fertig, als Tara aus dem OP gefahren und in ein kleines Einzelzimmer verfrachtet wurde. „Wie geht es ihr?“, fragte Viktor besorgt den Arzt, der sie operiert hatte. „Den Umständen entsprechend gut. Aber es war knapp, das müssen Sie wissen. Ganze sechs Blutkonserven hat sie gebraucht, und jetzt ist unser Vorrat ihrer Blutgruppe aufgebraucht.“ „Ich kann etwas spenden, wenn ich die richtige Blutgruppe habe“, bot Viktor an. Mit einem Kopfschütteln lehnte der Arzt ab. „Sie brauchen Ihr Blut zurzeit selbst, um ihre Wunden heilen zu können. Sie hätten sie eigentlich sofort ins Krankenhaus bringen müssen, mit diesen Verletzungen…“, murmelte er nachdem sie einige Minuten geschwiegen hatten. „Hmm.“ „Sind Sie ihr Freund?“ „Nicht ganz. Wir wohnen nur zusammen.“ „Aha. Und was verschlägt Sie hierher?“ „Diese Chimära, die in letzter Zeit die Gegend hier terrorisiert hat.“ „Sie sind also der Dämonenjäger, der engagiert wurde, um dieses Biest beiseite zu schaffen?“ „Genau. Aber bei dem Kampf gegen das Biest hat sie leider ganz schön was abbekommen. Ich bin auch nicht ganz verschont geblieben.“ „Hmm. Diese Wunde an ihrer Schulter scheint aber nicht von dem Biest zu stammen.“ „Ein Unfall.“ „Ach so.“ Der Arzt schien an Viktors Ton gehört zu haben, dass er keine Lust hatte, über sich zu reden. „Kann ich zu ihr?“, fragte dieser plötzlich. „Sicher. Ich halte Sie nur auf mit meinem Gefasel. Gehen Sie ruhig, aber es wird wahrscheinlich noch etwas dauern, bis die Narkose nachlässt.“ „Hmm.“, machte Viktor nur und schon klapperte die Tür zu Taras Krankenzimmer. Als sie langsam die Augen aufzuschlagen begann, fiel Viktor ein Stein vom Herzen. „Du machst Sachen!“, sagte er leise und freundlich tadelnd und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Viktor?“ „Ja?“ „Du stinkst.“ Verdutzt roch er an sich und musste ihr zustimmen. Der Geruch des Desinfektionsmittels war wirklich nicht angenehm. Er sprang auf und wandte sich zur Tür, um sich schnell nach einer Dusche umzusehen um diesen Geruch loswerden zu können, doch Tara hielt ihn schwach am Handgelenk fest. „Geh nicht. So sehr stinkst du dann auch wieder nicht.“, murmelte die müde. „Na gut.“ Er lächelte und setzte sich wieder zu ihr ans Bett. Sie hielt die ganze Zeit seine Hand fest, und führte sie irgendwann zu ihrer Wange, wo sie sich die Hand an ihre Wange legte. „Schön warm. Mir ist so kalt, könntest du fragen, ob ich noch eine Decke haben könnte?“ „Sicher. Einen Moment.“ Viktor stand auf und ging aus dem Raum, um kurze Zeit später mit einer dicken Wolldecke zurück zu kommen. Als die Decke endlich über ihr lag, schloss sie die Augen und wartete, bis ihr etwas wärmer wurde. Wenig später war Tara wieder in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen, und Viktor vergaß die Zeit, während er ihren tiefen Schlaf beobachtete, bis eine der Krankenschwestern leise klopfend eintrat und ihn darum bat, zu gehen, da die Besuchszeit schon längst vorbei sei. Mit einem Nicken verabschiedete er sich und begab sich zurück ins Hotel. Am nächsten Morgen erschien er schon zum Beginn der Besuchszeit mit Taras Sachen im Krankenhaus, wo er sie in ihren Schrank einräumte, während sie noch schlief. Kaum war er fertig, setzte er sich leise an ihr Bett, wo er vorsichtig, um sie nicht zu wecken, ihre Hand ergriff und leicht über ihren Handrücken streichelte. Wenige Minuten später wachte sie auf und begrüßte Viktor verhalten gähnend. Lächelnd beugte er sich zu ihr und gab ihr einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn. Tara, recht verdattert, errötete. Viktor grinste und Tara musste lachen, nachdem sie ihn einige Sekunden angestarrt hatte. Als Tara aufstehen wollte, drückte Viktor sie sanft zurück ins Bett, legte ihr einen Finger auf die Lippen und bat sie, sich zu schonen, bis die Ärzte ihr erlaubten, aufzustehen. Nach drei Tagen im-Bett-liegen erlaubten die Ärzte endlich, aufzustehen und herumzulaufen. Viktor begleitete sie während ihrer Spaziergänge, damit sie nicht stürzte und sich erneut verletzte. Wenige Tage später war es Tara möglich, mit Viktor nach Hause zu fahren. Viktor fuhr vorsichtiger, als sie es von ihm gewohnt war und als sie am zweiten Abend nach einer Nacht in einem – freundlich ausgedrückt - schlecht geführten Gasthaus in einem Hotel ein Zimmer mieteten, fand sie es weniger schlimm, dass wieder einmal nur Doppelzimmer mit nicht auseinander zu schiebenden Betten frei waren. Während sie das Zimmer begutachtete, freute sie sich insgeheim schon darauf, sich an ihn kuscheln zu können. Noch im gleichen Moment fragte sie sich, was mit ihrem Kopf los war. Wenig später ging sie frisch geduscht in ihre Hälfte des Betts, während Viktor noch im Bad war. Sie war doch recht müde, schaltete das Licht aus und legte sich vorsichtig auf die unverletzte Seite, um zu schlafen, kurz bevor Viktor aus dem Bad trat. Er lächelte und begab sich leise in seine Hälfte des Betts, als sie noch einmal die Augen öffnete und ihn beobachtete. „Ich dachte du schläfst schon!“, erschrak er, als sie ihn begrüßte. Kichernd schmiegte sie sich an ihn, was ihn perplex gucken ließ. „Was wird denn das?“, fragte er nach einigen Sekunden. „Bin in Schmuselaune, lass mich einfach, dir passiert schon nichts…“ „Wieso sollte mir etwas passieren?“ „Weil immer, wenn irgendwas ist, du von mir gefährdet wirst.“ Sie tippte ihm auf die Wunde an seiner Schulter. Er gab ein leises Zischen von sich. „Siehst du? Ich hab’s schon wieder getan. Immer tu ich dir weh.“ „Ach was. Das war ein Unfall, und außerdem ist es mir egal, was mir passiert, solange es dir gut geht. Hauptsache, du bist glücklich.“ „Du spinnst doch.“ „Tu ich nicht. Ich erfahre nur endlich, was Nähe ist.“ „Hä? Aber deine Eltern…“ „Meine Familie? Pah, die waren nur darauf bedacht, mich möglichst streng zu erziehen und mich zu Höchstleistungen zu treiben.“ „Aber…“ „Kein Aber, Tara. Ich lüge nicht, das solltest du inzwischen wissen. Verheimlichen vielleicht, auch wenn es mir schwer fällt, aber lügen würde ich niemals. Und es ist nicht jede Familie, wie die andere, falls du jetzt etwas in der Richtung sagen wolltest.“ Tara schwieg. „Ich habe dich selten so schweigsam erlebt. Was ist denn los?“, fragte Viktor nach einigen Minuten, in denen kein Wort gefallen war. „Nichts.“, brachte Tara mit brüchiger Stimme hervor und eine Träne kullerte auf seine Brust. Verdutzt wand er sich unter ihr hervor und hob vorsichtig ihr Gesicht, über welches sich inzwischen weitere Tränen ihren Weg bahnten. „Tara…“, flüsterte er und schloss sie sanft in die Arme. Sie gab nur ein Schniefen von sich. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“ Sie schüttelte nur den Kopf. „Was dann?“ Ein weiteres Kopfschütteln folgte, doch er ließ nicht locker und fragte sie nochmals, nachdem sie sich wieder gefangen hatte. „Also?“ „Es hat mich nur so traurig gemacht, dass ein so lieber Mensch wie Du eine so furchtbare Familie gehabt haben kann.“ „Ich und ein lieber Mensch? Du scheinst meinen Beruf zu vergessen.“ „Außerhalb deines Berufs bist du der liebste Mensch, der mir je begegnet ist. Und dass du auch bei der Arbeit nicht…“, sie suchte ein passendes Wort, fand aber keines, „ Und dass du bei der Arbeit auch superlieb bist, sieht man ja daran, dass du dir selbst schwer verletzt noch Sorgen um andere machst.“ Viktor schwieg. Er schloss sie etwas fester in die Arme und gab ihr zögernd einen Kuss auf die Stirn. Mit einem fragenden Blick und leicht errötet blickte sie ihn an. „Du bist…“, setzte er an, stockte dann jedoch. „Hmm?“ Er seufzte und Tara blickte ihn verdutzt an. „Was ist denn mit dir los?“ „Nichts ist los.“ Er nahm sie etwas fester in den Arm und küsste ihre Ohrmuschel. „Was zum…?“ „Sch. Sei einfach still und hör‘ mir zu.“ Auf ein Nicken hin redete er weiter: „Als Du in dem Kampf gegen die Chimära von der Brücke gefegt wurdest… Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wärest du gestorben. Und als ich dich dann im Wald nicht gefunden habe, bin ich völlig verzweifelt gewesen. Mir war in dem Moment einfach alles egal, verstehst du?“ „Nicht wirklich.“ Er lief ein wenig rot an, während er fortfuhr: „Wie gesagt: ich weiß nicht, was ich getan hätte, wärest du gestorben. Und als ich dann in das Hotelzimmer gekommen bin und dich im Bett gefunden habe, ist mit nicht nur ein Stein vom Herzen gefallen.“ „Schön zu hören.“ „Ich weiß, das klingt jetzt wahrscheinlich kitschig, aber…“, er schwieg kurz und schien sich Worte zurechtzulegen, „Du bist mir in letzter Zeit der wichtigste Mensch in meinem Leben geworden.“ Gerührt von seinen Worten warf sie sich so nah es ging an ihn. „Mir geht es mit dir genauso.“, flüsterte sie. Viktor traute seinen Ohren nicht ganz. „Sag das nochmal.“ „Du bist für mich auch der wichtigste Mensch auf der Welt geworden. Du bist immer für mich da, rettest mir ständig das Leben, munterst mich auf, wenn es mir schlecht geht, kümmerst dich um mich. Und ich bin dir für all das sehr dankbar, Viktor.“ „Klartext?“ Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und legte dann ihre Stirn an seinen Hals. „Reicht das?“ „Was wolltest du denn sagen?“ „Ich… Ach, ich bin mir selbst nicht ganz im Klaren darüber, was ich gerade von meinen Gefühlen halten soll. Aber sobald ich Genaueres weiß, sage ich bescheid!“, sagte sie mit einem Zwinkern. „Ok. Aber was, wenn ich mir im Klaren über meine Gefühle bin?“ „Dann sagst du’s halt.“ „Na gut, wenn du so willst?“, grinste er und hob vorsichtig ihr Kinn, bis er ihr ins Gesicht schauen konnte. Er lächelte und sah ihr tief in die Augen. Sie blickte zurück undplötzlich bekam er keinen Ton mehr heraus. „Was?“ Er stand auf und holte eine Schlafmaske, die er aus dem Hotel in Shalton mitgenommen haben musste. „Was wird denn das?“, fragte Tara mit neugierigem Blick. „Lass mich nur machen. Du siehst dann schon früh genug, was es wird.“, sagte er, während er sich wieder auf das Bett setzte und ihr die Augen verband. Dann drückte er sie vorsichtig ins Bett, bis sie flach auf dem Rücken lag. „Vertrau mir, aber sag ruhig, wenn ich dir wehtue oder etwas mache, was du nicht möchtest, ich höre dann sofort auf.“, sagte er ruhig und leise, während er sich vorsichtig über die beugte, und ihre Gesichtszüge vorsichtig mit den Fingerspitzen nachfuhr. Auf ihren Armen zeigte sich eine leichte Gänsehaut, über welche er sanft hinweg streichelte, während die Gänsehaut sich weiter über ihren Körper ausbreitete. Sanft und vorsichtig, als sei sie zerbrechlich, folgte er ihren Kurven, vermied dabei jedoch intime Bereich, um ihr Vertrauen nicht zu missbrauchen. Als er sich schließlich mit seinem Gesicht dem ihren näherte und mit seinen Lippen sanft ihre berührte, schlang sie ihre Arme um seinen Hals und lies sich von ihm in eine sitzende Haltung ziehen, während sie seinen Kuss vorsichtig erwiderte. „Ich dachte, Du seist dir nicht im Klaren darüber, wie es um deine Gefühle steht?“, fragte Viktor, nachdem er nach einigen Minuten vorsichtig etwas Abstand genommen hatte. Tara lief rot an und er nahm ihr die Schlafmaske wieder ab, um ihr ins Gesicht blicken zu können. „War ich mir auch nicht. Bis…“ Sie lief noch weiter rot an, während die ihren Blick leicht von ihm abwandte. Er lächelte und drehte sanft ihren Kopf zu sich und näherte sich ihr vorsichtig erneut. Als ihre Lippen dieses Mal zu einem Kuss verschmolzen schlugen ihre Herzen wild um die Wette, bis es schneller nicht mehr ging. Fröhlich ließ Viktor sich mit ihr zusammen ins Bett zurückfallen, wo er sie lächelnd an sich drückte, während sie beide dem Schlaf entgegen dämmerten. Als sie am Abend des übernächsten Tages nach der Beisetzung der sterblichen Überreste von Taras Eltern auf Viktors Anwesen zurückkehrten, herrschte eine seltsame Stille auf diesem. Die sonst so munteren Vögel schwiegen und es ging kein Hauch durch die Bäume, die sonst ein stetiges Rauschen und Rascheln verbreiteten. Tara stieg vorsichtig von dem Motorrad, während ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. Viktor hingegen fühlte sich beobachtet, ließ sich aber nichts anmerken. „Bleib dicht bei mir, Tara.“, wies er sie an, während sie sich nach Schutz suchend bei ihm unterhakte und ihn in die Garage begleitete. „Was…“, setzte Tara an, doch Viktor gebot ihr, zu schweigen. „Warte hier, ich schaue nur schnell nach, ob irgendetwas oder –jemand im Haus ist.“ Daraufhin ließ er Tara in der Garage allein, von wo sie im Notfall durch eine versteckte Tür, die von innen als Wandregal getarnt war, fliehen konnte und schloss das Garagentor. Im Haus war es still. Zu still für Viktors Geschmack. Systematisch durchsuchte er zunächst den Dachboden und die Räume im Obergeschoss, dann die im Keller und abschließend die im Erdgeschoss. Tara wartete währenddessen in der Garage, wie er ihr befohlen hatte. Sie hatte sich unter das Fenster der Garage gesetzt um von außen nicht zu sehen zu sein und sah an der gegenüberliegenden Wand einige Schatten entlang huschen. Sie hatte sich gerade neben der Tür versteckt und sich leise einen herumliegenden Baseballschläger an sich genommen, als die Türklinke gedrückt wurde und die Tür aufsprang. Ein fürchterlicher Gestank von Verwesung drang von außen in die Garage und verschlug ihr den Atem. Ein leises Schnüffeln ertönte neben ihr und eine Klaue legte sich um die Tür. Die Gestalt trat in die Garage. Als der Kopf der Gestalt in ihr Sichtfeld kam, schlug sie hart mit dem Schläger zu und huschte aus der Garage, aus welcher wütendes Gebrüll und Scheppern ertönte. Viktor, der gerade das letzte Zimmer im Haus durchsucht und nichts gefunden hatte, trat gerade aus der Haustür um zur Garage zurückzukehren, als er das Gebrüll vernahm. So schnell er konnte, stürmte er in Richtung der Garage, als ihm auch schon Tara entgegenkam und ihn mit sich zog. Wieder im Haus warf sie sich ihm verängstigt an die Brust und begann zu berichten: „Dieses Ding. Es hat geschnüffelt und hatte Klauen… Und es hat verwest gestunken!“ Viktor nickte und führte sie auf den Dachboden. „Bleib bitte hier, hier bist du vorerst sicher. Nur wenn ich zurückkomme, oder irgendetwas, was hier nicht hingehört hier auftaucht, gehst du hier weg, ok? Dieses Wesen war ein Ghoul, ein Sklave eines Vampirs. Dieser Vampir lässt vermutlich noch mehr seiner Diener hier herumschleichen, also sei vorsichtig, wenn du dich im Haus bewegst. Ich beeile mich, versprochen!“, sagte er ihr, gab ihr einen Kuss auf die Wange und verschwand dann in der Luke, die den einzigen Eingang zum Dachboden bildete. Tara ließ sich auf die staubigen Dielen sinken und wartete. Es ertönte wieder ein Kratzen, daraufhin ein Quietschen und schließlich ein leises Klirren, während von außen die letzten Schreie der besiegten Ghouls ertönten. Plötzlich machte sie vor sich einen Schatten im Mondlicht aus, welches inzwischen durch das Dachflächenfenster fiel. Sie saß im Dunkeln, womit sie von außen zumindest nicht zu sehen war, doch die Gestalt, die auf dem Dach war, lief dort herum und tat dies mit viel sichereren und schnelleren Schritten als die der Ghouls gewesen waren. War dies etwa der Meister der Ghouls, der Vampir? Als die Schritte weit weg vom Fenster erklangen, bewegte sie sich vorsichtig zu der Luke und öffnete sie, während die Schritte wieder näher kamen. Kaum war sie durch die Luke geschlüpft, war das Wesen auf dem Dach auf dem Fenster, spähte hinein und musste die sich schließende Luke gesehen haben, denn ein Lautes Klirren und ein fürchterliches Fauchen ertönten direkt über ihr. So schnell sie konnte, warf sie einen Blick aus einem der Fenster zum Hof des Hauses, sah Viktor, der gerade einen Ghoul tötete, während ein anderer auf ihn zu hinkte und rannte die Treppe hinunter, als die Luke aus ihrer Halterung gerissen wurde, der Vampir durch sie hinab sprang und ihre Verfolgung aufnahm. Gerade noch rechtzeitig schaffte sie es, durch die Haustür zu kommen, welche sie dem Vampir vor der Nase zuschlug und weiter auf Viktor zu rannte. Keine zwei Sekunden später - sie hatte Viktor beinahe erreicht - hatte der Vampir sie eingeholt und zu Boden geworfen. Viktor hatte dies noch gar nicht bemerkt, so beschäftigt war er damit, die Ghouls zu bekämpfen. Sie schaffte es gerade noch, sich die Zähne des Vampirs von Hals zu halten, welcher recht verblüfft schien, dass seine Technik, sie wehrlos zu machen nicht funktionierte, und gab ein kurzes Kreischen von sich, was Viktors Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Er enthauptete den letzten der Ghouls und sprang den Vampir mit gezücktem Schwert an, verfehlte ihn jedoch, riss ihn aber immerhin von Tara herunter. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah Tara dem Kampf entgegen, der sich zwischen Vampir und Viktor anbahnte. Verbittert versuchte Viktor den Vampir tödlich zu treffen, doch dieser wich immer wieder aus, machte Sprünge auf Tara zu, die vom Schreck noch immer gelähmt einige Meter abseits stand während Viktor sein Schwert verloren hatte und immer weiter in tödliche Bedrängnis geriet. Plötzlich sackte Viktor, von einem heftigen Schlag an den Kopf getroffen, in sich zusammen und blieb reglos am Boden liegen, was der Vampir zum Anlass nahm, sich Viktor zu nähern, ihn anzuheben und seine Reißzähne an Viktors Puls zu führen. Tara realisierte verängstigt, was der Vampir plante und stürzte sich mit Todesverachtung auf den Vampir. Gerade noch rechtzeitig erreichte sie den Angreifer und ihren Verteidiger und rammte dem Vampir Viktors Schwert zwischen die Rippen. Scheinbar hatte sie sein Herz getroffen, denn der Vampir erstarrte und Viktor prallte zurück auf den Boden. Doch als sie ihr Schwert aus dem toten Fleisch des Vampirs zog, schloss sich die Wunde mit schmatzenden Geräuschen wieder und der Vampir begann, sich wieder zu bewegen. Langsam erhob das Monstrum sich und wandte sich ihr zu. Tara wich einige Schritte zurück und rammte dem Vampir erneut ihr Schwert zwischen die Rippen, als dieser auf sie zustürzte. Wieder erstarrte der Vampir, doch als sie ihr Schwert herauszog, um ihn zu köpfen, verheilte die Wunde viel schneller als zuvor. „Du bist zäh, Kleines! Schon lange hat niemand es mehr geschafft, mich zum Erstarren zu bringen… Sicher wird dein Blut eine wahre Delikatesse sein!“, grinste der Vampir und griff erneut an. Tara schaffte es gerade noch, auszuweichen. Zwar klaffte ein Schnitt auf ihrem Oberarm, doch dieser war nicht tief und hinderte sie nicht daran, sich weiter gegen den Vampir zu verteidigen, der es nicht noch einmal schaffte, ihr Verletzungen zuzufügen. Viktor regte sich noch immer nicht, als Tara weitgehend unverletzt die einsetzende Morgenröte bemerkte. Mit einem müden Lächeln trat sie näher an den Vampir heran, welcher sie von ihrem Lächeln verunsichert anstarrte und sich nicht von der Stelle rührte. „Ich schlage vor, wir beenden das hier ein andermal.“, murmelte der Vampir und wandte sich zum Gehen. Tara jedoch nutzte diesen kleinen Moment der Unaufmerksamkeit, um den Vampir mit einem geschickten Griff festzuhalten. „ Verrate mir deinen Namen, Blutsauger.“, forderte sie, ihre Erschöpfung verbergend. „Warum sollte ich?“ „Nun, weil ich dich dafür ziehen lassen werde.“ „Hmm…“ „Überlege es dir besser gut, Blutsauger. Verrätst du mir deinen Namen nicht, töte ich dich auf der Stelle.“ Während der Vampir überlegte, begann am Horizont die Sonne, sich hinter einigen Bäumen des weitläufigen Waldes zu erheben. „Caleb Gray“, schoss es auf einmal aus dem Vampir hervor, als die ersten Sonnenstrahlen über den Hof glitten und seinen Arm versengten, der nur in einem T-Shirt steckte. „Brite?“, fragte Tara, als sie ihren Griff lockerte. „Das war ich einst. Sag, du weißt, dass ich dir die Kehle rausreißen könnte, wenn ich nicht im Sonnenlicht verbrennen würde?“, fragte Caleb verstört, während er sich langsam zum Wald begab und Tara hungrig anstarrte, deren Blicke ihm ruhig folgten, während sie im Sonnenlicht stehen blieb. „Weiß ich. Und jetzt verschwinde. Komm besser nicht wieder, nächstes Mal lasse ich dich nicht laufen.“ Caleb straffte die Schultern und sah Tara eindringlich an, als versuche er, sie zu sich in den Schatten zu locken. Dann verschwand er aus vollem Halse lachend in den Wald. Tara wankte zu Viktor und drehte ihn vorsichtig auf den Rücken. An seinem Kopf bildete sich an der Stelle, an der der Schlag ihn getroffen hatte eine deutliche Beule, die sich leicht bläulich färbte. Er atmete noch, also versuchte sie, ihn zu wecken, indem sie seine Wange kräftig tätschelte, ihn rüttelte und seine Hand drückte. Als die Sonne schon auf halben Weg zu ihrem Zenit war, hatte sie ihn immer noch nicht aus seiner Ohnmacht zurückholen können. Besorgt, wie sie war, füllten sich ihre Augen mit Tränen, doch sie konnte sich nicht länger wach halten und sackte über Viktor zusammen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)