Die Geschichte des legendären Sullivan O'Neil 2 von Izaya-kun (Zwischen Gott und Teufel) ================================================================================ Kapitel 4: Der Tod ist meistens unwillkommen -------------------------------------------- Als wir das Gildenhaus verließen, herrschte bereits tiefste Dunkelheit. Kleine Lampen an Häusern und auf Säulen waren entzündet und beleuchteten die Straßen und Gebäude. Manche der Statuen hielten Laternen in der Hand oder Kerzen, schimmerten nun gelblich und wirkten nur umso realistischer. Ich bekam von diesem Zauber jedoch kaum etwas mit. In meinem Kopf schwirrten die verrücktesten Gedanken umher und auch, wenn ich keine negativen Aspekte bezüglich meines Handels fand, so hatte ich dennoch das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben. Nevar half mir eine geeignete Herberge für die Nacht zu finden, denn weder kannte ich mich aus, noch war ich aufmerksam genug, um die Preisklassen der Angebote zu vergleichen. Ich hatte viele Fragen an ihn, doch ich war zu sehr in meine eigenen Gedanken vertieft und so lief ich nur schweigend hinter ihm her. In meinen Händen hielt ich die Papiere, meine Geburtsurkunde und meine Aufenthaltsgenehmigung. Der Start war leicht gewesen, nun hatte ich ein völlig neues Leben in meinen Händen. Aber für welchen Preis? Für welches Risiko? Wir steuerten eine Schenke genannt Zur Rum-Marie an. Ich hätte sie wahrscheinlich nicht gefunden, denn um sie zu erreichen, musste man in einen Bogen treten und einem sehr engen Gang folgen, eine Art Unterführung. Er führte durch eine verwinkelte, überdachte Gassen mit zwei weiteren Abzweigungen und je nachdem gelangte man entweder auf einen Platz oder zu einer hölzernen Tür. Für einen kurzen Moment wirkte es wieder wie Annonce, denn es roch stark nach Urin und an manchen Stellen herrschte vollends Schwärze. Der Weg hatte etwas Verbotenes und verruchtes und tatsächlich sprach uns unterwegs eine leicht betrunkene Prostituierte an. Da ich lange nichts mehr mit einem Weib zu tun hatte, reagierten meine Lenden ungewollt auf die starke Schminke, die roten Lippen und das enge, weinrote Mieder, obwohl das Gesamtbild alles andere als anziehend war. Wir schoben uns an ihr vorbei, wobei ich mich zwangsweise gegen ihren Busen drücken musste und mit roten Ohren um Verzeihung bitten. Nevar zeigte sich gelassener, aber er hatte wahrscheinlich auch nicht ein Jahr lang auf solcherlei Intimität verzichten müssen. Dann sah ich die Tür, um mich abzulenken. Sie war rechteckig und sehr klein, in ihrer Mitte war ein Krug angenagelt worden und zu ihr herauf führte eine niedrige Stufe. Nevar blieb unvermittelt davor stehen und drehte sich zu mir, dann nickte er und hielt mir seine Hand entgegen. „Hier trennen sich unsere Wege.“ Ich schreckte etwas aus meinen Gedanken hoch und sah unsicher zum Krug, dann zu ihm. Ich hatte fast ein halbes Jahr mit ihm zu tun gehabt. Noch immer kannte ich ihn so wenig, wie am ersten Tag. Es widerstrebte mir, mich nun zu verabschieden. Ich griff seine Hand, drückte sie, hielt ihn fest und flüsterte: „Ich werde wohl nicht erfahren, wohin Euch Euer Weg führt?“ Er lächelte etwas und erwiderte den Händedruck. Nevar verstand, dass ich ihn noch nicht gehen lassen wollte. Dennoch löste er sich und sagte leise: „Ihr tut, als wäre dies ein absoluter Abschied.“ „Es wirkt so auf mich.“, und schwer seufzend fügte ich hinzu: „Und was Euch angeht, weiß ich so wenig, wie eh und je, Nevar. Ich weiß generell nichts mehr. Ich bin völlig durcheinander. Ihr helft mir, er hilft mir und ich verstehe nicht wieso. Wieso gerade ich? Und wieso gerade hier in Brehms? Und was mich am meisten beschäftigt: Ihr meintet, dass ich nicht vorankäme, würde ich mich auf meine Religion stützen und nun das! Das ergibt doch keinen Sinn.“ „Ihr wolltet das oder nicht? Ein neues Leben und ein leben voller Religion. Bei unseren Gesprächen wart Ihr stets der Überzeugung, dass ein Leben ohne Gott nicht möglich wäre.“ Ich meinte ein Schmunzeln zu erkennen, dann verschwand sein Gesicht vollends im Schatten. „Es gibt viele Dinge, die Ihr nicht wissen sollt. Und vieles, was selbst ich nicht weiß.“ Gerade wollte ich etwas erwidern, da ging die Tür zur Schenke auf. Ein stark betrunkener Mann taumelte heraus und erschrak etwas, als er uns in den schwarzen Umhängen sah. Gedämpfte Gespräche drangen zu uns und der Geruch von Kerzen, Alkohol und Schweiß ebenso. Einige Sekunden blieb er unschlüssig stehen, dann entschuldigte er sich lallend für die Störung, machte einen Schritt zurück und schloss die Tür wieder. Ein wenig übereilt vielleicht. Der Krug klapperte leise, als wäre eine kleine Perle darin und dann war wieder alles still. Wir warteten einige Sekunden, doch scheinbar hatte er es sich wirklich anders überlegt und so fragte ich an mein Gegenüber gewandt: „Werden wir uns wieder sehen, Nevar?“ Er wog den Kopf. „Ich bin nicht sicher. Meine Aufgabe war es, Euch hier her zu bringen. Was ich als nächstes tun werde, weiß ich nicht.“ „Also ist Domenico Euer-…“, doch noch ehe ich beenden konnte, zischte Nevar und hielt sich den Finger vor den Mund. Er machte das auf eine Art und Weise, die ich sehr mochte und die ich bei keinem anderen mehr sah: Nevar schloss nicht alle Finger, bis auf jenen zum Zeigen, sondern hielt die Hand leicht geöffnet und streckte auch den kleinen Finger aus. Er sah sich kurz um, doch bis auf die Prostituierte in mehreren Metern Entfernung, die das Bein an die Wand gelehnt hatte und gelangweilt mit einer schwarzen Locke spielte, waren wir allein. Leise warnte er mich: „Keiner darf wissen, was Ihr treibt, Falcon. Also nennt nicht seinen Namen. Auch hier in Brehms hat er Feinde, gerade hier.“, er hob den Kopf etwas an, so dass ich seine blauen Augen sah und ich erkannte, dass Nevar seine Worte sehr ernst meinte. Ihm lag etwas an meinem Wohlbefinden oder aber am guten Ausgang meiner Mission. Auf jeden Fall sprach er seine Worte nicht aus Langeweile: „Niemand sollte erfahren, was Ihr treibt oder wer Euch geholfen hat. Keiner, niemals. Merkt Euch meine Worte.“ Ich nickte zum Zeichen meines Verständnisses uns sah zu Boden. Nevar legte mir eine Hand auf die Schulter. Er wollte gehen, doch ich hielt ihn am Arm zurück und zischte: „Nevar, ich habe wichtige Fragen an Euch.“ Abermals löste er sich und abermals schmunzelte er mir entgegen. Auch wenn ich es mir damals nicht eingestand, so hatte ich zu diesem Zeitpunkt dennoch Angst. Angst vor dem, was mich erwarten würde. Ich hatte keine Ahnung was dort kam, aber er wusste es und ich erkannte, dass es ernst war. Zudem wirkte ich zwar selbstbewusst, aber ich war nicht allein gewesen. Nun sollte ich einen Neuanfang machen, ohne fremde Hilfe und das hatte ich bis jetzt nicht geschafft – warum sollte es mir diesmal gelingen? Ich brauchte jemanden, der mir gut zusprach. Jemanden wie Black, Philipp oder wie Nevar. Ohne solche Menschen konnte man nichts erreichen - zumindest glaubte ich das damals noch. Nevar jedoch wusste, dass es nicht so war. „Ihr könnt das, Falcon. Wir sehen uns wieder, wenn es so weit ist. Ab nun müsst Ihr alleine sein, sonst glaubt Euch niemand Eure Geschichten.“ „Aber ich möchte wissen, wer Ihr seid und was Eure Arbeit ist. Ich möchte wissen, was Euch mit dem Mann verbindet. Und ich möchte wissen, wieso ihr gerade mich-…“ „Es war Zufall.“, unterbrach er mich und legte mir ein Weiteres Mal die Hand auf die Schulter. „Auch wenn Ihr mir nicht glaubt, ich bin durch Zufall auf Euch gestoßen. Ihr ward für diese Sache lediglich wie geschaffen, das ist alles. Irgendwann werde ich Euch mehr erklären, aber nicht jetzt und nicht hier. Dafür wisst Ihr zu wenig.“ „Dann ändert mein Unwissen!“ „Auf bald, Falcon.“, leicht drückte er meine Schulter ein letztes Mal, nickte mir zu und drehte ab. Ich sah zu, wie er durch den Tunnel ging, sich an der Frau vorbei schob und sie eiskalt ignorierte, während diese versuchte ihn für sich zu begeistern. Anschließend sah sie mich an. Sie hatte etwas von einem Raubtier, das Beute gesichtet hatte. Fast wie verängstigt drehte ich mich um und öffnete die Tür zum Wirtshaus. Ich schaffte das. Irgendwie. Auch ohne ihn. Die Schenke war sehr klein, denn man baute hier die Einnahmen vorwiegend auf die zu vermietenden Zimmer auf, das sah man gleich beim Eintreten. Links war direkt der Tresen mit geschlossener Tür dahinter – wahrscheinlich zur Küche – und wenigen Hockern davor. Rechts war die Treppe ins obere Stockwerk und geradezu führte eine Öffnung zu einem kleinen Nebenraum. In diesem standen lediglich zwei Tische mit Stühlen, für die wenigen, die sich zum Trinken hier her verirrten. An den Wänden waren Kerzen, so hoch, dass sie fast jede Ecke erleuchteten und die Fenster waren behangen mit Pflanzen und Blumen. An einer Deckenecke hang absurder Weise ein Wagenrad und an einer Wand ein Fischernetz in dem man einen Seestern und eine tote Krabbe befestigt hatte, so wie eine alte Flasche und jede Menge Muscheln. Diese Dekoration hätte zu einem Wirtshaus in der Nähe eines Hafens gepasst, aber in einer Schenke der Stadt Brehms, ohne Anschluss zum Meer, ergab das alles wenig Sinn. Ich sah, dass das Licht im Nebenraum etwas flimmerte, also stand dort scheinbar ein Kamin und die Fenster waren so geputzt, dass ich die geschlossenen Fensterläden dahinter sehen konnte. Ein Mann hatte während der Fahrt mit Wilkinson zu mir gesagt, man würde am Aussehen einer Schenke erkennen, ob der Wirt ein Mann oder eine Frau war. Nun verstand ich diesen Satz. Es gab nicht viele Menschen im Haus. Eigentlich nur drei männliche Gäste, die am Tresen saßen und ein Mädchen um die zwölf Jahre, scheinbar eine Aushilfe. Dieses saß auf einem Hocker in der hintersten Ecke und war damit beschäftigt, angebrannte Reste aus einem Topf zu kratzen. Zudem gab es eine große, schlanke Frau, mit langem, braunem Haar und roten Wangen. Sie hatte ein freundliches Gesicht und grinste eigentlich fast immer: Die Wirtin. Das seltsamste war jedoch, dass alle Personen mich anstarrten, als wäre ich der Teufel in Person. Unsicher blieb ich stehen und starrte zurück, während die Tür hinter mir ins Schloss fiel und der Krug leise nachklang. Scheinbar sollte er so etwas wie eine Türglocke darstellen, die zwar sehr kreativ war, aber nur manchmal funktionierte. Als ich dann meine Kapuze vom Gesicht zog, begann die Wirtin lauthals zu lachen. „Das ist der Tod, vor dem du dich so erschreckt hast, Johnny?! Dieser junge Bursche?!“, sie klopfte sich auf die Schenkel und konnte sich kaum halten. „Da hast du aber einen feinen Tod, hoffentlich wird meiner auch so jung sein! So macht das Sterben doch Spaß!“ Diese Worte an Johnny galten dem Betrunkenen Mann, der zuvor hatte hinausgehen wollen. Er saß nun am Tresen und sah beschämt zu seinen Füßen, mit roten Ohren und zausen, blonden Haaren. Auch die anderen zwei Männer rechts und links von ihm, beide größer als der in der Mitte, begannen zu lachen, klopften ihm auf die Schulter und gossen ihm Bier nach. „Mach dir nichts draus.“, sagte der vom Tresen aus links sitzende von ihnen. Er hatte eine dicke, rote Knollnase und eine schiefe, braune Wollmütze auf dem Kopf. „Jeder sieht mal seinen Tod und irrt sich dann doch. Freu dich lieber, du lebst noch!“ Doch Johnny schien gar nicht, als würde er sich freuen. Viel mehr wurde er auf seinem Stuhl immer kleiner und bekam kein einziges Wort heraus. Langsam verstand ich, dass man mich meinte, aber ich kam nicht dazu etwas zu sagen. Die Wirtin schlenderte bereits zu mir und legte grinsend ihren schlanken Arm um mich. Mit einer Kraft, die ich ihr - bei Gott! - niemals zugetraut hätte, zog sie mich mit sich und rief: „Amy, hol dem Mann einen Krug und etwas Suppe mit ordentlich Speck, der Kerl braucht was auf die Knochen, sonst erschreckt er unsere Männer noch zu Tode!“ Das braunhaarige Mädchen nickte, antwortete: „Ist gut, mach ich.“ Und schon war sie durch die Tür hinter dem Tresen verschwunden. Man führte mich an diesen heran und stellte mich dort ab, wie einen Korb mit Obst. Ich hatte scheinbar keine andere Wahl und setzte mich etwas unbeholfen an die Tresenecke zwischen Wirtin und Gäste. Den Stoffsack platzierte ich neben mir auf den Boden. Neugierige Blicke der Männer und ein grinsendes Gesicht der Wirtin wurden mir entgegen gebracht. So viel Gastfreundschaft war ich nicht gewohnt, weder von Philipp, noch von anderen Schenken und ich gebe zu, dass mich diese Freundlichkeit nicht nur verunsicherte, sondern auch misstrauisch machte. Ich beschloss, diese Gefühle zu unterdrücken, denn bei einer einfachen Wirtin und ihren Gästen war das mehr als nur unangebracht. Unsicher sagte ich zu jenem, den ich für Johnny hielt: „Verzeiht, wenn ich Euch erschreckt habe. Das war wirklich nicht meine Absicht.“ Doch meine Worte verfehlten ihre gedachte Wirkung, denn das brachte die Kerle erneut zum lachen und einer von ihnen grölte: „Hast du gehört, Johnny? Der Tod hätte dich zwar fast zu Tode erschreckt, aber es wäre keine Absicht gewesen, das ist doch was!“ „Hör auf ihn zu ärgern, Morgan.“, grinste die Wirtin ihn spielerisch drohend an. „Sonst zerläuft er noch wie Wachs.“ „Ach was, das hält er aus.“, grinste Morgan zurück und klopfte dem armen Johnny so stark auf den viel schmaleren Rücken, dass dieser sich an seinem Bier verschluckte. „Im rot werden hat der Kerl schon Erfahrung, was, Johnny? Erzähl doch mal die Geschichte mit dem Mädchen und den Kürbissen!“ Johnnys Gesicht lief noch stärker rot an und auch ich konnte mir mein Grinsen nicht mehr verkneifen, denn er war durchaus ein lustiger Anblick. Während das Mädchen mir meine ungewollte Bestellung brachte und die Wirtin die Erheiterung zum Nachfüllen nutzte, Morgan erneut ermahnend, betrachtete ich die drei Männer etwas genauer. In der Mitte saß Johnny, ein schlanker, fast schon knochiger Kerl mit hellen Locken und hoher Stirn. Auf den ersten Blick wirkte er wie eine typische Engelstatue, es fehlte nur die Trompete oder eine Harfe, was ihn wohl zu einer Art Zielobjekt für Neckereien machte. Links von ihm saß jener mit roter Knollnase und Wollmütze und rechts saß Morgan, ein großer Kerl mit Vollbart. Sein Haar war rötlich und seine Haut dunkel, so dass er einem Ächaten ähnelte, aber nur leicht. Alle drei trugen einfache, ärmliche Kleidung, wahrscheinlich waren sie Landarbeiter oder Handwerker. Amy hatte mir einen Holzteller mit dampfender Suppe hingestellt und dabei schenkte sie mir ein freundliches Lächeln. Mir fielen ihre Augen auf, die so grün waren, dass sie fast wie unecht wirkten und ihre vielen, kleinen Sommersprossen. Leise bedankte ich mich, anrühren tat ich jedoch nichts. Nachdem sich alle darauf geeinigt hatten, dass Johnny wohl für den heutigen Abend kein Wort mehr heraus bekommen würde, galten alle Blicke wieder mir. Es war offensichtlich, dass man wartete, dass ich mich vorstellte, doch ich war mir nicht sicher, ob ich das wirklich wollte. Die Geschehnisse des Vorabends lagen mir noch immer im Nacken und eigentlich wollte ich nur so schnell wie möglich schlafen gehen. Ich sah zu, wie Amy sich wieder an ihren Topf machte und mir ab und an neugierige Blicke zuwarf. Scheinbar kamen nicht oft Fremde hier her, vielleicht standen sich deswegen alle so nahe oder es war einfach eine Charaktereigenschaft der Brehmser. Die Wirtin war die erste, die das Wort erneut an mich wandte. Dabei lehnte sie sich lässig und fast ein wenig männlich an den Tresen und fragte offen heraus „Ihr seid nicht von hier, das sieht man. Woher kommt Ihr? Was führt Euch nach Brehms? Wie ein Händler seht Ihr nicht aus.“ Ich lächelte etwas verlegen und rührte mit dem Löffel sinnlos in der Suppe herum. So viel Aufmerksamkeit war mir etwas unangenehm. Zögernd erklärte ich: „Ich komme aus Annonce und möchte den Winter hier verbringen.“, dann legte ich den Löffel zurück und sah wieder auf. Ich spürte, dass mein Magen sich etwas zusammenzog vor Hunger, doch ich wusste ja nicht einmal den Preis dieser Suppe. Auf keinen Fall wollte ich mich verschulden, wie zuvor bei Philipp. Viel lieber ging ich nach oben und aß mein eigenes Brot. „So, so, Annonce.“, knurrte Morgan leise zu den anderen und die Stimmung schien mit einem Mal zu sinken. „Na dann.“, brummte die Wirtin und begann einen Krug mit Bier zu füllen. Fast schon unfreundlich erklärte sie, ohne mich anzusehen: „Weil es die erste Kost ist, ist sie kostenlos, wenn Ihr ein Zimmer anmietet. Macht fünf Silberlinge pro Nacht, Laken und Geschirr kosten extra, macht dann fünf fünfzig. Wenn der Herr mir also bitte folgen würde?“, und damit griff sie den Teller, den Krug Bier und schlenderte in den Raum nebenan. Unsicher griff ich meine Habseligkeiten und folgte ihr. Weder die Männer sahen mich an, noch Amy, als wären sie alle plötzlich ganz andere Menschen. Es verwirrte mich sichtlich. Die Wirtin stellte beides auf einen der runden Tische und noch ehe ich überhaupt dort ankam, kam sie mir bereits wieder entgegen. An ihrem Gesicht konnte ich erkennen, dass sie mich nicht mochte. Warum das so war, verstand ich jedoch nicht. Und so setzte ich mich etwas irritiert auf einen der Stühle und sah immer wieder zur Tür. Hier war es weitaus wärmer aufgrund des ziemlich schlicht gehaltenen Kamins und der fensterlosen Wände. Doch hier gab es keine Verzierungen und der Boden war an manchen Ecken dreckig und voller Staub. Dies ist das Zimmer für die Leute, die nicht willkommen sind…, dachte ich etwas scherzend und begann zu essen. Die Gespräche im Nebenraum wurden so leise und gedämpft, dass ich kein einziges Wort mehr verstand, fast, als würden sie flüstern. Mir kam diese Ruhe gelegen, denn ich hatte noch immer viele Gedanken, die ich noch nicht hatte ordnen können. Während ich begann zu essen und versuchte, das scheinbare Getuschel über mich, zu ignorieren, wandte ich mich meinen eigenen Dingen zu. Mich beschäftigten der Abschied von Nevar und die vielen Rätsel die ihn noch immer umgaben, aber vor allem die Samariter. Ich hatte keine Ahnung, wonach ich suchen sollte und wie Kontakt zu ihnen aufnehmen. Ein ungutes Gefühl sagte mir, dass das nicht nötig wäre. Nachdem ich fertig gegessen hatte kam die Wirtin herein - fast, als hätte sie es gespürt, dass mein Teller leer war – und griff sich ohne zu Zögern das Geschirr. Wahrscheinlich hätte sie es auch getan, wäre ich nicht fertig gewesen. Dabei brummte sie: „Der Schankbereich ist jetzt geschlossen.“, und machte mir mit ihrem düsteren Blick unvermittelt klar, dass es daran nichts mehr zu rütteln gab. Ich folgte ihr die Treppe hinauf ins obere Stockwerk und von dort aus durch einen um die Ecke führenden Flur zu einem der Zimmer. Ohne mich anzusehen schloss sie die Tür auf, deutete mir hinein zu gehen und drückte mir einen Stapel Laken samt Nachttopf gegen die Brust. „Gute Nacht, der Herr.“, knurrte sie dabei. „Angenehme Nachtruhe.“, antwortete ich zögernd, doch schon war die Tür wieder zu. Ich stand einige Sekunden voll beladen wie ein Esel mitten im Raum, ehe ich mich zu einem wackligen Bettgestell drehte und alles achtlos darauf fallen ließ. Dann schloss ich ab und sah mich um. Das Zimmer war klein und quadratisch, ich empfand allein die Form schon als ungemütlich und das kleine Fenster mit Blick auf die direkt nur fünf Meter entfernt liegende Häuserwand machte es nicht besser. Wäre ich nicht aus Annonce, hätte ich dann mehr Luxus bekommen? Schwer seufzend schloss ich die Läden, setzte mich auf die Matratze und betrachtete die Kerze auf dem kleinen Nachttisch neben dem Bett. Sie war bereits angezündet gewesen, sicherlich hatte Amy das Zimmer für mich vorbereitet. Ich versuchte alles positiv zu sehen. Wenn Leute mich nicht mochten, dann stellten sie auch keine Fragen, redete ich mir ein. Doch die Tatsache, dass es dann auch schwerer war, eine Arbeit zu finden, wirkte eher negativ. Müde ließ ich mich rücklings fallen, starrte die niedrige Decke an und versank in meinen Gedanken. Ich dachte über Nevar nach, meine Pläne, über Domenico, die Samariter, darüber was ich tun sollte und darüber, was vielleicht falsch gewesen war. Ich dachte und dachte, bis ich letzten Endes einschlief, ohne die teuren Laken benutzt zu haben. Stattdessen brummte mir der Schädel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)