Another Side, Another Story von _Kima_ (The Traitor's Tale) ================================================================================ Kapitel 13: Im Angesicht des Feindes ------------------------------------ Der Frühling kündigte sich langsam, aber sicher an. Jowy bemerkte es, als er draußen im Hof des Söldnerforts im Schatten eines Baumes saß und gemeinsam mit Millie und Nanami an einer Strohpuppe arbeitete. Die Sonne brannte auf den Hof hinab, in dem Rikimaru, Hanna, Viktor und ein paar Söldner miteinander trainierten, während Kinnison am anderen Ende des Platzes Schießübungen mit den Schützeneinheiten machte. Jowys Blick wanderte über die Söldner und er fragte sich unwillkürlich, ob sie überhaupt eine Chance gegen die Highland-Armee hatten. Wie viele Leute befanden sich hier im Fort, vielleicht etwa achthundert? Frauen und Kinder nicht mitgerechnet. Nicht einmal einen richtigen Arzt hatten sie, weil Viktor und Flik Tuta fortgeschickt hatten. Er war gemeinsam mit den paar Flüchtlingen aus Ryube, die in den letzten Tagen zu ihnen gestoßen waren, und einer Konsorte Söldner unter Fliks Führung, der bei Bürgermeisterin Anabelle Verstärkung anfordern wollte, nach Muse aufgebrochen. Der Arztlehrling hatte es widerwillig getan – immerhin, hatte er gesagt, sei es seine Pflicht als Arzt, am Ort des Geschehens zu helfen. Aber Viktor hatte darauf bestanden und Tuta sich schließlich mürrisch gefügt. Barbara und Leona hatten sich standhaft geweigert, auch nur einen Fuß aus dem Fort zu setzen und zu fliehen. „Und wer würde sich um euch Ochsen kümmern?“, hatte Barbara geraunzt, als Viktor sie darauf angesprochen hatte. Und Leona hatte hinzugefügt: „Ohne uns würdet ihr doch nichts hinbekommen!“ Nachdem Nanami gehört hatte, dass Jowy und Riou kämpfen würden, hatte sie sich ebenfalls geweigert, nach Muse zu gehen – sie und Pilika blieben, egal, wie sehr Jowy sie anflehte, zu gehen. „Ich muss doch auf euch aufpassen“, hatte sie gesagt und Riou und Jowy angelächelt. Aber er hatte die Furcht in ihren Augen bemerkt… Kindergelächter drang an seine Ohren und er sah von seiner Arbeit auf, um Pilika beim ausgelassenen Spielen mit Shiro und Gengen zu beobachten. Der Kobold hatte das Mädchen auf den Rücken des weißen Wolfshundes gesetzt und lockte ihn nun mit einem Knochen hinter sich her, während Pilika so herzhaft lachte, dass sie beinahe von Shiros Rücken purzelte. Doch obwohl der Anblick herzerwärmend war, fühlte Jowy sich, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Sein Herz zog sich zusammen. Wie viel länger würde Pilika so ausgelassen lachen können? Was, wenn die Highland-Armee sie alle abschlachten würde? Ihm graute bei dem Gedanken daran, was dem kleinen Mädchen noch alles zustoßen könnte. Vielleicht sollte er Nanami doch noch einmal bitten, sich mit Pilika auf den Weg nach Muse zu machen… „Wie kommt ihr voran?“ Jowy zuckte zusammen, als hinter ihm Apples Stimme ertönte. Er fuhr zu der Strategin herum und atmete tief durch, als er sie erkannte. „Wir haben fünfzehn von diesen Dingern fertig“, informierte Millie sie hilfsbereit und deutete auf die fertigen Strohpuppen. „Gute Arbeit!“, lobte Apple und nickte. Nanami, die gerade hochkonzentriert Stroh in ein an den Ärmeln und unten herum zugeknotetes Hemd stopfte, sah auf und fragte: „Aber was willst du mit all diesen Vogelscheuchen?“ „Die Truppenstärke der Highlander beträgt unseren Informationen zufolge etwa 2500 Mann“, erklärte Apple, während sie sich neben den dreien niederließ, sich eine alte, zerlöcherte Hose angelte und die Hosenbeine zuknotete, „und ist damit viel größer als unsere. Aber mit einer guten Strategie kann eine kleine Armee auch eine große schlagen. Ich will die Vogelscheuchen auf dem Dach postieren… aus der Ferne oder im Dunkeln sehen sie aus wie Soldaten und mit ein bisschen Glück machen wir dem Feind wenigstens ein bisschen Angst.“ Jowy runzelte die Stirn über eine solche Taktik und sah auf seine halbfertige Strohpuppe hinunter. „Aber werden ein paar Vogelscheuchen sie einfach so in die Flucht schlagen?“, murmelte er. „Natürlich nicht“, erwiderte Apple, „aber ihre Moral werden sie sicher senken können.“ Sie klang zuversichtlich, aber irgendwie zweifelte Jowy ehrlich am Erfolg dieses Plans. Die Highlander waren ausgebildete Soldaten, jeder zweite Mann verpflichtete sich auf Lebenszeit… „Hast du noch etwas geplant?“, fragte Millie und Jowy wunderte sich beiläufig darüber, wie sehr ihre Augen funkelten. Verkannte sie in ihrer Jugend die Situation oder war sie einfach naiv? Ihm gefiel es immer weniger, wie viele Kinder sich eigentlich hier aufhielten. Streng genommen waren auch er und Riou noch keine Erwachsenen… „Ich habe Barbara und Leona gebeten, Töpfe und Pfannen zu sammeln“, gab Apple bereitwillig Auskunft, offensichtlich froh über die Gelegenheit, ihre Pläne zu erläutern, „damit können wir Lärm machen.“ „Dann sieht es aus, als hätten wir noch mehr Männer, richtig?“, stellte Nanami klar und Apple nickte begeistert. Und Jowy hoffte inständig, dass die Highlander tatsächlich Angst bekamen… und nicht in Gelächter ausbrachen. „Apple!“ Alle vier sahen auf, als Kinnisons Stimme ertönte. Der Jäger kam zu ihnen herüber gelaufen und sagte: „Ich habe die Stellen im Wald markiert.“ Stellen? Wald? Was für Stellen?! „Oh, gut!“ Apple nickte und erhob sich. Dann blickte sie zu Jowy: „Werdet ihr mit den Vogelscheuchen alleine fertig?“ Millie nickte enthusiastisch und versicherte: „Natürlich! Bonaparte hilft uns auch.“ Sie tätschelte ihr Haustier, das friedlich dösend und leise schnarchend auf ihrem Kopf hockte und es sich in ihrer Ballonmütze gemütlich gemacht hatte. Apple wirkte zufrieden und verabschiedete sich dann von den Jugendlichen, um gemeinsam mit Kinnison und ein paar anderen Söldnern durch das bewachte Tor in den Wald zu verschwinden. Jowy sah ihnen nach und dann zu Pilika zurück, die inzwischen auf dem kleinen Stück Wiese saß, das sich in einer Ecke des Hofes befand, und Shiro streichelte, während Gengen ihr irgendetwas erzählte. „Hier seid ihr.“ Er hob den Kopf und sah Riou zu ihnen herüberschlendern. Er hatte einen Ölfleck auf der rechten Wange und wischte sich die Hände gerade an einem dreckigen Lappen ab. „Wo warst du?“, fragte Jowy, der seinen Freund den ganzen Tag noch nicht gesehen hatte, da er mal wieder bis mittags geschlafen hatte. „Bei Tsai“, antwortete Riou und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, wodurch er einen weiteren Ölfleck darauf hinterließ, „er hat mich gebeten, ihm bei der Arbeit an den Feuerspeeren zu helfen.“ Er ließ sich schwer neben Jowy auf den Boden sinken und sah interessiert zu den Strohpuppen hinüber. „Werden sie einsatzbereit sein?“, erkundigte sich der Aristokrat, während er einen Sack zu sich herüberzog und ihn mit Stroh voll stopfte. „Ich weiß es nicht“, sagte Riou ehrlich, „sie sind völlig verrostet.“ „Hmm…“ „Du bist total verdreckt!“, bemerkte Nanami, die von ihrer Arbeit aufgesehen hatte, in diesem Moment missbilligend, als sie das ölverschmierte Gesicht ihres Bruders bemerkte. „Komm her, ich mach das sauber!“ Sie holte ein Taschentuch hervor und begann damit, Rious Gesicht zu säubern, wobei sie geflissentlich sämtlich Proteste seinerseits völlig ignorierte. „Wenn ich es nicht tue“, erklärte sie und wirkte mal wieder sehr mütterlich, „macht es keiner!“ Riou wollte gerade etwas erwidern – wahrscheinlich, dass er sich durchaus selbst waschen konnte, vermutete Jowy – als Viktors tiefe Stimme über den Hof dröhnte: „Riou! Jowy! Kommt mal her.“ Die Jungen wechselten einen Blick und taten dann wie geheißen. Als sie den Söldneranführer erreichten, bemerkten sie die zwei Offiziere, die bereits bei ihrer Rückkehr ins Fort anwesend gewesen waren. „Das sind Andris und Cedric“, stellte Viktor die beiden Männer vor, „gute Freunde und noch bessere Soldaten.“ „Wir hatten viel zu tun“, sagte Cedric, während er den Jungen die Hände schüttelte, „deshalb konnten wir uns bisher nicht unterhalten.“ „Sie haben das Kommando über je ein Viertel unserer Männer“, erklärte Viktor, „und wir haben uns etwas überlegt.“ Jowy runzelte die Stirn. Etwas überlegt? „Außer den Vogelscheuchen, die Apple aufstellen will?“ „Die Vogelscheuchen sind ganz nett, aber kämpfen müssen werden wir trotzdem“, erwiderte Andris mit einem leichten Grinsen. Ja, das hatte sich Jowy schon gedacht… Er dachte mit Schaudern daran, dass er womöglich einige Highlander erkennen konnte. „Ich habe euch Jungs versprochen, dass ihr mitkämpfen dürft“, sagte Viktor, „und das werde ich einhalten. Ihr bekommt das Kommando über eine eigene Kompanie.“ „Was?!“ Ungläubig sahen Riou und Jowy zum Söldneranführer auf. Eine eigene Kompanie? „Keine Sorge, wir schicken euch nicht gleich in die Schlacht. Ihr habt den Befehl über hundert Bogenschützen und bleibt hier im Fort“, erzählte Cedric und wies vage in die Richtung der Söldner, die Schießübungen machten. Jowy sah zu ihnen herüber und bemerkte dann: „Aber wir hatten noch nie etwas mit Bogenschützen zu tun. Woher wollt ihr wissen, dass wir es nicht völlig vermasseln?“ Viktor grinste und schlug ihm so hart auf die Schulter, dass er fast in die Knie ging. „Ich habe vollstes Vertrauen in euch!“, versicherte er ihnen und lachte. Aber warum? Obwohl ihm diese Frage auf der Zunge lag, wagte Jowy nicht, sie zu äußern. Also nickte er nur und akzeptierte alles so, wie es war. Flik kehrte am Abend erschöpft und leicht gehetzt aus Muse zurück. Jowy und Riou waren wieder in den Konferenzraum gerufen worden und lauschten nun dem Bericht des blaugekleideten Söldners, der von seinen Männern heimlich Blauer Blitz genannt wurde. „Sie sind überall“, erzählte er, während er das Brot und die Suppe, die Barbara ihm gebracht hatte, hinunterschlang, „bewaffnet bis an die Zähne. Wir sind einem Trupp fast in die Arme gelaufen…“ Jowy und Riou tauschten einen besorgten Blick. Hatten sie überhaupt eine Chance gegen die Highland-Armee? Nach Fliks Rückkehr war die Anspannung der Bewohner des Forts fast greifbar. Jowy, Nanami und Millie hatten mit der Hilfe einiger Söldner die Strohpuppen fertig gestellt und Rikimaru hatte sie auf dem Dach postiert. Allerdings machten ihnen die Feuerspeere noch immer Sorgen – Tsai arbeitete bereits seit drei Tagen an ihnen, doch sie schienen irreparabel zu sein. Zumindest war das die Befürchtung, die Riou äußerte, als die beiden Jungen nach einem anstrengenden Tag endlich ins Bett fielen. Jowy lag noch lange im Dunkeln wach und lauschte Rious gleichmäßigem Atem und dem leisen Schnarchen der Söldner um ihn herum. Er wurde mit jedem Tag, der verging, nervöser. Er hasste diese Warterei. Sie erinnerte ihn viel zu sehr an die Gefangenschaft in Kyaro, als er in der viel zu dunklen, viel zu engen Zelle gesessen und darauf gewartet hatte, dass man ihn aufknüpfte für etwas, das er nicht getan hatte. Nun wartete er wieder, doch diesmal war ihm nicht klar, was passieren würde. In Kyaro waren Riou, Nanami und er allein gewesen. Hier standen ihnen ausgebildete Soldaten zur Seite… doch war es genug? In den letzten Wochen hatte er sich mit den Söldnern angefreundet und war ihnen inzwischen näher, als er seinen Nachbarn in Kyaro je gewesen war. Und er hoffte, betete inständig, dass sie diese Schlacht überleben würden. Am nächsten Tag half Jowy gerade dabei, sämtliche verfügbare Waffen aus der Waffenkammer auf den Hof zu schaffen, als plötzlich die Tore sich öffneten und Pohl auf den Platz stolperte. „Sie kommen!“, schrie er, schnappte dann nach Luft und hielt sich die Rippen, „Die Highland-Armee kommt!“ Viktor, der gerade einen Arm voll Speere und Schwerter getragen hatte, ließ seine Beute fallen und brüllte: „Ihr habt es gehört! Versammelt euch alle auf dem Hof! Na los!“ Jowy verzog das Gesicht, da er genau neben dem Bären gestanden hatte, und warf dann seine Beute auf den großen Haufen, ehe er sich neben Nanami und Millie einreihte. Auch Kinnison und Gengen stießen zu ihnen und zwischen den umherlaufenden Söldnern, die durcheinander riefen, sah Jowy, wie Leona Pilika auf den Arm nahm und das Mädchen ins Fort brachte, dicht gefolgt von Pohl. „Jetzt ist es also so weit“, murmelte Nanami neben ihm angespannt und kaute auf ihrer Lippe herum. Jowy nickte stumm und dann tauchte Riou bei ihnen auf. „Sie sind endlich da, huh?“ Die Jungen nickten einander zu, dann rief Viktor, der gemeinsam mit Tsai, Flik, Apple, Cedric und Andris vor der Menge stand: „Also, Leute, hört gut zu! Die Highland-Armee ist auf dem Weg hierher! Bereitet euch also auf den Kampf vor.“ „Wir haben unterwegs ein paar Fallen gelegt“, fügte Apple hinzu, die nervös ihre Brille hochschob und eines der Bücher an sich drückte, in denen sie in den letzten Tagen ununterbrochen ihre Nase vergraben hatte, „Das wird sie aufhalten und ein wenig kitzeln.“ Sie rang sich ein Lächeln ab, dann trat Tsai nach vorne, der furchtbar übernächtigt aussah, aber zufrieden wirkte. „Die Feuerspeere sind fertig“, rief er, „Ich danke allen, die die letzten Tage und Nächte mitgeholfen haben.“ Ein paar der Söldner stießen einen Jubelruf aus und der Rest der Menge fiel ein. Riou, Jowy und Nanami blieben stumm, genau wie Kinnison, der neben ihnen stand und abwesend Shiro hinterm Ohr kraulte. „Wenn dieses Fort fällt“, sagte Flik laut, „wird die ganze Gegend Highland gehören. Ihr wisst alle, was mit den Dörfern Ryube und Toto geschehen ist. Wir dürfen diese Schlacht nicht verlieren, hört ihr?!“ „Aye!“, rief die Menge im Chor. Viktor nickte trotz sichtlicher Anspannung zufrieden und wandte sich an Apple: „Okay, App, erklär unsere Strategie.“ Die junge Strategin nickte abrupt und rief dann: „Hört gut zu!“ Während sie ihre Strategie ausführte, die beinhaltete, dass Viktor und Flik je zwei Einheiten in die Wälder führen und sich dort verborgen halten würden, um die Highlander mit den Feuerspeeren an ihren Flanken anzugreifen, während Cedric, Andris, Riou und Jowy die Verteidigung des Forts übernehmen würden, sah Jowy sich um. Die Mienen der Söldner um ihn herum waren ernst, sie hörten Apple aufmerksam zu, hingen an ihren Lippen. Der junge Aristokrat biss sich auf die Lippe und hoffte, dass er die Söldner nicht enttäuschte. „Flik zufolge sollte die Verstärkung aus Muse bald eintreffen“, drang Apples Stimme wieder an seine Ohren, „Wenn wir bis dahin durchhalten können, haben wir eine Chance zu gewinnen. Ihr solltet keine unnötigen Heldentaten vollbringen, unsere Hauptstrategie ist Verteidigung! Wir werden von hier aus angreifen, das wird sie frustrieren und unvorsichtig machen..“ „Habt ihr das alle verstanden?“, fragte Viktor und seine tiefe Stimme hallte über den Platz, während er seinen Blick über die Menge schweifen ließ. Als die Söldner bejahten, fuhr er fort: „Gut! Im Namen des großen Löwen auf unserer Flagge, lasst uns unser Fort verteidigen!“ Jowy erwartete, dass die Söldner in Jubel ausbrechen würden, doch stattdessen blieb es still. Und dann sah Apple über die Schulter zurück auf die grüne Fahne, die über der Eingangstür wehte, und fragte: „… Das Ding ist ein Löwe?“ Jowy hockte auf dem Dach des Forts, umgeben von Bogenschützen, und starrte angestrengt in den Wald hinein, der das Fort umgab. Neben ihm saßen Riou und Kinnison, die sich beide an den Pfählen festhielten, mit denen die Vogelscheuchen auf dem Dach befestigt waren. Und dann erkannte er zwischen den Bäumen plötzlich die nur allzu bekannten Uniformen der Highland-Armee und ein Mann in weißer Uniform trat nach vorne, etwa zweihundert Schritte vom Fort entfernt. „Ich bin Solon Jhee“, schrie er, „Kommandant der zweiten Kompanie der Königlichen Armee von Highland! Ergebt euch und wir werden euch Gnade zuteil und am Leben lassen, Hunde des Staates!“ „Du kannst dir deine Gnade sonst wohin stecken!“, brüllte einer der Bogenschützen neben Jowy, „Wir werden unser Fort nicht aufgeben!“ „Als ob eure rostigen Schwerter dieser Festung auch nur einen Kratzer zufügen könnten!“, stimmte ihm ein zweiter Söldner zu. Jowy sah wie der Mann namens Solon Jhee vor Wut rot anlief und dann zurückschrie: „Wir werden ja sehen, wie rostig unsere Schwerter sind, wenn wir euch abstechen, ihr verdammten Stiefellecker von Muse!“ „Okay, ich habe genug gehört“, murmelte Riou neben ihm, „Kinnison!“ Der junge Jäger ließ sich nicht lange bitten – er zog so schnell einen Pfeil aus dem Köcher auf seinem Rücken und spannte ihn auf seinen Bogen, dass Jowy nur blinzeln konnte, bis der Pfeil sich auch schon mit einem leisen Sirren von der Sehne löste und auf den General der zweiten Kompanie zuflog. Einen Moment lang glaubte er, der Pfeil würde Solon Jhee direkt treffen – aber dann riss der Mann sein Breitschwert hoch und wehrte den Pfeil ab. In dem Bruchteil einer Sekunde, die alle anderen brauchten, um diesen Schreck zu verarbeiten, hatte Jowy sich bereits gefasst und brüllte: „Feuer frei!“ Pfeile regneten vom Himmel, als die Bogenschützen seinem Befehl folgten und die Highlander unter Beschuss nahmen. Als der Feind – Jowy zwang sich dazu, seine Landsmänner als solchen anzusehen – den Angriff erwiderte, gingen die Söldner in Deckung, dann hörte er Cedric schreien: „Zamza, jetzt!“ Jowy fiel plötzlich auf, dass er den eigensinnigen Feuermagier schon länger nicht gesehen hatte. Doch die Feuerfontäne, die mit einem Mal zwischen den Bäumen aufloderte, zeugte nur allzu deutlich davon, dass Zamza nicht verschwunden war, sondern an vorderster Front kämpfte. Im nächsten Moment gellte der Kampfschrei der Söldner durch den Wald und Andris und Cedric führten ihre Einheiten in den direkten Kampf mit den Highlandern hinein, während die Bogenschützen unter Rious und Jowys Befehl weiter Pfeile abschossen. Irgendwo im Chaos der Kämpfenden erhaschte Jowy einen Blick auf Gengens rötliches Fell, der sich erstaunlich flink auf Jhee zu bewegte. Mit wachsender Besorgnis beobachtete der Blonde von seinem Platz aus, wie sich der Kobold mit dem Highlander ein hitziges Duell lieferte, doch schließlich sein Schwert verlor, da Solon Jhee es ihm einfach aus der Pfote schlug. „Kinnison!“, rief Jowy panisch, der Jäger folgte seinem Blick und reagierte gerade rechtzeitig, um Gengen davor zu bewahren, enthauptet zu werden; sein Pfeil bohrte sich in Jhees Schulterpolster und der Kobold nutzte die Gelegenheit, um zu flüchten. „Jetzt!!“, schallte dann plötzlich Viktors Stimme zu ihnen herüber und sie sahen die Einheiten von ihm und Flik von zwei Seiten angreifen. Jowy beobachtete fast schon fasziniert, wie je zwei Söldner einen der Feuerspeere hielten und damit auf den Feind zielten. Eine meterlange Stichflamme loderte aus der Spitze des Speeres hervor und er hörte die gepeinigten Schreie der verletzten Highlander. Wieder gab er den Befehl zu schießen, während er irgendwo unter sich Apple rufen hörte: „Sie haben uns unterschätzt! Greift an!!“ Irgendwann brach die Nacht über sie herein, doch trotz der Erschöpfung, die langsam in Jowys Glieder kroch, gab er ihr nicht nach. All die anderen schliefen immerhin auch nicht! Die Fackeln im Fort waren entzündet worden und unter ihnen im Hof wurden am laufenden Band Verletzte versorgt, doch er konnte sich nicht darum kümmern. Seine Sorge galt den Söldnern, die noch immer draußen im Wald waren und sich mit den Highlandern eine verbissene Schlacht lieferten. Solon Jhee war irgendwann aus ihrem Blickfeld verschwunden, aber Jowy bezweifelte ehrlich, dass er bereits gefallen war. So viel Glück konnten sie einfach nicht haben. Aber statt Jhee hatte er zwei andere Männer in weißen Uniformen zwischen den Highlandern erspäht, die allem Anschein nach Jhees Unteroffiziere waren. „Ich kann kaum etwas erkennen…“, brummte Kinnison neben ihm, der in diesem Moment gleich drei Pfeile aus der Kiste neben ihm nahm, sie auf den Bogen spannte und abschoss. Jowy warf einen schnellen Blick auf die anderen Bogenschützen und vergewisserte sich, dass sie alle ähnlich Probleme hatten. Doch dann kam ihm eine Idee. „Ich bin gleich wieder da!“, rief er, während er auch schon eilig das Dach hinunterkletterte und in seiner Eile beinahe den Halt verlor. „Jowy?!“, rief Riou ihm hinterher, doch der Blonde ignorierte ihn. Er hechtete über eine Leiter hinunter in den Hof, entdeckte Leona, die zwischen den Verletzten hin- und herhetzte, und rief: „Leona!!“ Sie warf ihm einen Blick zu, überließ den Söldner, um den sie sich gerade gekümmert hatte, Nanamis Obhut – die selbst im fahlen Licht der Fackeln völlig erschöpft aussah – und lief zu ihm. „Habt ihr Probleme?“, fragte sie gepresst und er registrierte, dass ihre Hände voll von getrocknetem und frischem Blut waren. Jowy unterdrückte den Würgereiz und fragte schnell: „Habt ihr eine doppelte Mauer?“ Die Barfrau runzelte kurz die Stirn, dann schien sie jedoch zu verstehen, was er wollte, und nickte. „Hinter dem zweiten Lagerhaus ist der Eingang“, sagte sie und zeigte zu dem hohen Gebäude neben dem Haupthaus des Forts, „aber die Sichtlöcher sind nicht besonders breit, ihr müsst also vorsichtig sein.“ „Danke!“, rief Jowy über die Schulter zurück, nachdem er sich bereits wieder umgedreht hatte und zurück aufs Dach eilte. „Kinnison“, keuchte er, kaum, dass er wieder oben angekommen war, „nimm dir zwanzig Männer und geh mit ihnen zwischen die Mauern!“ Jowy deutete hinunter auf den schmalen Spalt zwischen den zwei hohen Holzzäunen und fügte hinzu: „Die Sichtlöcher sind nicht besonders breit und ihr müsst aufpassen, dass ihr nicht von oben getroffen werdet.“ Der Jäger sah ihn erstaunt an, nickte dann jedoch und tat, wie ihm geheißen. Dafür, dass er, wie er nicht müde wurde ihnen zu versichern, nur ein gewöhnlicher Jäger war, schlug er sich erstaunlich professionell, fand Jowy. „Warum ist das vorher niemandem eingefallen?“, wunderte sich Riou leise, während sie beobachteten, wie die Bogenschützen hinter der Mauer Position bezogen. „Wahrscheinlich weil sie kaum Platz haben, um sich zu bewegen“, brummte Jowy, „und wegen der kleinen Sichtlöcher nur die Feinde treffen können, die sich in unmittelbarer Nähe der Mauer aufhalten.“ Riou nickte, dann explodierte direkt vor der Mauer erneut eine Feuerfontäne und erhellte die Nacht. Selbst oben auf dem Dach spürten sie die Hitzewelle, die vom Feuer ausging… und der Wald brannte inzwischen lichterloh. Aber das kam ihnen sogar ganz gelegen. „Feuer!“, kommandierte Riou im nächsten Moment, als ein Trupp Highlander plötzlich zwischen den brennenden Bäumen auftauchte und direkt auf Andris’ stark dezimierte Einheit zuhielt. Im Licht der Flammen trafen die Pfeile der Bogenschützen recht treffsicher ihre Ziele und Andris und seine Männer erledigten den Rest. Als aus den Tiefen des Waldes Schreie ertönten, achtete Jowy zunächst nicht darauf, was geschrieen wurde, doch schließlich wurden die Schreie laut genug, dass er ohne Mühe das Wort verstehen konnte, dass sich die Highlander zubrüllten: „Rückzug!!“ Sollten sie es tatsächlich geschafft haben…? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)