Das Portal von Rubinfuchs88 (Die Welt in dir) ================================================================================ Kapitel 10: Zeichen des Verrats ------------------------------- „Beth?!“ Die Stimme hörte sich weit entfernt an. Ich erkannte sie nicht. „Wo bist du?“ Ich wollte antworten aber kein Ton verließ meine Kehle. Es kostete mich jeden Funken Willen, den ich aufbringen konnte, um meinen halb tauben Arm zu heben. Vielleicht konnte ich mich so irgendwie bemerkbar machen. Meine Knochen waren steif und ich spürte meine Beine und meinen Rücken kaum noch. „Beth. Um Himmels Willen. Was ist passiert?“, rief Matt und er klang ernsthaft besorgt. Ich hörte den Schnee unter seinen hastigen Sprüngen den Hang hinauf knirschen. Es war mir nicht möglich meinen Kopf zu drehen, alles war kalt und schmerzte. „Was machst du hier?“, fragte er, als plötzlich sein besorgtes Gesicht über mir auftauchte. Sofort zog er seine Jacke aus und legte sie über mich. Vorsichtig richtete er mich auf und nahm mich ohne weitere Umschweife auf den Arm. Der Abstieg war holprig und einige Momente dachte ich wir würden stürzen. Matt schaffte es schließlich mich ins Haus zu schaffen. Er legte mich behutsam auf das Sofa und kramte sofort alle möglichen Decken zusammen, die er fand und wickelte mich in sie ein. Ganz langsam streifte er mir die Stiefel von den Füßen. Jede Bewegung ließ mich Stöhnen. Es fühlte sich an, als würde er jeden Knochen brechen müssen, um mich bewegen zu können. „Was hast du da oben gemacht? Wolltest du ein Schläfchen machen?“, fragte er und zwang sich ein Grinsen auf die Lippen aber ich wusste es besser. Er sah alarmiert aus. Seine Augen flackerten angespannt. Hastig schmiss er Papier und Rindenstücke in den Kamin und zerbrach unzählige Streichhölzer, bis er endlich ein Feuer entfacht hatte. „Matt“, meine Stimme zitterte, hörte sich gebrechlich und alt an. „Ja“, antwortete er schlagartig und war mit einem Satz bei mir. „Was möchtest du?“ „Es ist alles gut“, flüsterte ich. „Alles gut? Willst du mich verarschen? Du hast scheinbar stundenlang in der Kälte gelegen. Du bist völlig unterkühlt. Was hast du bloß da draußen gemacht?“, raunte er und warf hastig Holzscheite in das aufflackernde Feuer, ehe er zu mir aufs Sofa zurückkam. Seufzend setzte er sich neben mich und zog mich an sich, in seine Arme. „Soll ich dir vielleicht ein Bad einlassen? Irgendwie müssen wir dich wieder warm kriegen.“ „Mir würde da schon was einfallen“, grinste ich in die Decke hinein, die ich mir vors Gesicht geschoben hatte. „Solche Töne hätte ich jetzt aber gar nicht von dir erwartet. Ich lass dir erst mal ein Bad ein. Und wenn dein Kopf wieder aufgetaut ist reden wir weiter“, grinste er amüsiert und ließ mich unter dem Berg von Stoff zurück. In meinen Händen und Füßen begann es zu kribbeln. Aus dem oberen Geschoss hörte ich Wasser rauschen. Ob er das wohl ernst gemeint hatte, dass er nicht mit mir schlafen würde, dachte ich insgeheim. Nur mit ausreichend Beherrschung schaffte ich es meine Gedanken wieder von diesem Thema wegzulenken. „Kannst du die Treppe alleine hoch gehen oder soll ich dich tragen?“, fragte er. „Es wird schon gehen“, meinte ich und zwang mich vom Sofa aufzustehen. Ich war noch sehr wackelig auf den Beinen aber schaffte es bis ins Badezimmer hinauf. „Ab hier krieg ich das allein hin“, grinste ich und schob die Tür hinter mir zu. „Natürlich“, antwortete er und drehte sich süffisant lächelnd auf dem Absatz um. „Ich kümmere mich unten um den Ofen und mache dir mal einen Tee was“ Wie in Zeitlupe legte ich die einzelnen Kleidungsstücke ab. Meine Bewegungen waren noch immer sehr schwerfällig und kosteten mich viel Kraft. Das heiße Wasser brannte auf meiner Haut, ehe sie sich langsam erwärmte. Ich ließ mich bis zur Nasenspitze in den Schaum hinab gleiten. Es dauerte keine Ewigkeiten und ich war in der Wanne eingeschlafen. „Hey Dornröschen. Glaub nicht, dass ich dich wach küssen werde. Das waren genug Küsse für die letzten paar Tage.“ Erschrocken blinzelte ich mir den Schaum aus den Augen und fuhr hoch. „Wie lange war ich weg?“, fragte ich benommen und blickte auf. Matt stand vor der Wanne, die Ärmel hoch gekrempelt und hielt mir ein Handtuch hin. Den Kopf abgewandt und die Augen geschlossen, wartete er. Mühsam erhob ich mich aus dem Wasser und wickelte mich in das Handtuch. Es war sogar schon vorgewärmt. Ein Schmunzeln huschte über meine Lippen. So viel Mitgefühl hätte ich ihm gar nicht zugestanden. „Nicht lange. Vielleicht zwanzig Minuten. Hoffe es geht dir jetzt besser.“, sagte er und schielte mich von der Seite an. „Komm runter, wenn du hier fertig bist.“ Die Stufen knirschten unter seinen Schritten und ich hörte wie er in die Küche ging und dort mit Geschirr klimperte. Ich schnappte mir aus meinem Zimmer einen bequemen Pullover und eine lockere Jeans. Der Drang mich ihm gegenüber besonders schick darzustellen, ging gegen null und er wollte ja schließlich nichts von mir. In der Stube stand bereits eine dampfende Kanne Tee. Der Geruch von Kräutern und Honig lag in der Luft, während im Kamin Holz unter den Flammen knisterte und eine wohlige Wärme verbreitete. Seufzend ließ ich mich wieder auf das Sofa fallen, wo noch immer der Berg aus Decken thronte. Es war lange her, dass ich mich so umsorgt fühlte. Grace gab sich immer Mühe für mich da zu sein aber es war irgendwie anders, freundschaftlicher. Matt umgab eine Aura von Versuchung und Geheimnissen. Schwer zu sagen ob es überhaupt eine Frau gab, die sich solch einer Aura entziehen konnte. Ich hörte seine Schritte hinter mir. Er hatte eine Dosensuppe warm gemacht und stellte mir das Tablett mit dem Teller auf den Couchtisch. „Ich dachte etwas Stärkung wäre nicht verkehrt.“ „Du bist ja fast besser als jeder Butler. Kann ich dich auf Dauer buchen?“, witzelte ich und nahm mir die Schüssel, um vorsichtig die Hühnerbrühe zu löffeln. „Den Preis dafür könntest du nicht zahlen“, grinste er und nahm neben mir Platz. „Woher willst du das wissen? Vielleicht hab ich ja ein kleines Vermögen auf meinem Sparbuch.“ „Wieso sollte ich Geld haben wollen, wenn es etwas viel wertvolleres von dir zu holen gibt?“, sein Grinsen wurde breiter, fast schon diabolisch. „Und was sollte das sein?“ „Du sagtest es war dein erster Kuss. Bedeutet du hast noch deine Unschuld oder irre ich mich da?“ Ich verschluckte mich fast und musste Husten. „Du hast gesagt du schläfst keinesfalls mit mir“, raunte ich und hoffte er würde es bejahen. Ständig mit dem Gedanken oder besser gesagt der Hoffnung zu leben, er würde mehr in mir sehen als einen netten Zeitvertreib, würde ich nicht ertragen. „Stimmt auch wieder“, antwortete er und zuckte mit den Schultern. Erleichtert atmete ich aus und aß weiter. Ein komisches Gefühl in der Magengegend jedoch blieb. Tief Luft holend lehnte er sich zurück und schien sich keineswegs daran zu stören, dass außer dem Knacken im Kamin und meinem Schmatzen nichts weiter zu hören war. Entspannt schloss er die Augen und sein Kopf fiel zurück auf die Sofalehne. „Wird wohl doch nichts mehr mit dem Film heute was?“, grinste ich und stupste ihn sanft in die Seite. „Nicht frech werden Madame. Willst du denn noch was gucken?“, fragte er und schielte mich aus halb geöffneten Augen an. „Muss ich nicht. Du kannst mir auch einfach ein wenig über dich erzählen.“ „Da gibt es nicht viel.“ „Natürlich nicht“, lachte ich. „Das ist auch die Standard Antwort. Komm schon. Woher bist du? Was magst du so? Was willst du mal werden?“ „Die Vergangenheit ist nicht wichtig. Was ich hier mache, dass weißt du bereits und Pläne für die Zukunft habe ich keine.“, sagte er trocken. „Glaubst du damit kannst du mich abspeisen? Das ist aber ein erbärmlicher Versuch. Ich lass dich heute noch damit durchkommen aber ich werde wieder fragen. Das verspreche ich dir.“ „Ja ich befürchtete so etwas.“, lachte er. Ohne das ich etwas sagen musste, stand er auf und legte Holz nach. Es war schon zehn und so langsam fragte ich mich, ob er vor hatte hier zu schlafen. „Gut. Eine andere Frage. Warum ich?“ Ich zog eine Augenbraue hoch und beobachtete ihn von der Seite. Er verzog keine Miene und setzte sich wieder aufs Sofa. „Ich gehe davon aus, dass du die Frage darauf beziehst, dass ich mich entschieden habe mit dir befreundet zu sein. In Anbetracht meines bisherigen Auftretens eine berechtigte Frage“, murmelte er mehr für sich und nickte anerkennend. „Warum du? Ich denke weil du so völlig verdreht bist, dass es dir vielleicht mal gut tun würde mit jemand Normalen Zeit zu verbringen. Und wer weiß…“, er stockte kurz und wandte seinen Blick zu mir, ehe er weitersprach:“ Vielleicht mögen wir uns irgendwann sogar.“ „Solange willst du doch gar nicht warten. Das könnte ewig dauern, bis ich dich tatsächlich leiden kann“, witzelte ich. Gemächlich schlich sich die Müdigkeit in meine Glieder. Sekundenschlaf stellte sich ein und die Kälte forderte ihren Tribut. Mein Körper wollte Ruhe. Matt war nicht blind und räumte schon einmal das Geschirr vom Tisch ab. „Ruhe dich aus. Ich werde mich mal auf den Heimweg machen“, lächelte er und wuschelte mir durch meine Haare. Knurrig versuchte ich den Kopf weg zu drehen. Sobald ich müde wurde, war ich nichts weiter als eine grantige Ziege. „Ja. Ich werde wohl mal schlafen gehen“, bestätigte ich murrend. Matt machte kein Drama aus dem Abschied und schnappte sich nur seine Jacke, wünschte mir eine angenehme Nacht und war auch schon aus der Haustür verschwunden. Das war definitiv der Vorteil an Männern. Grace hätte noch endlos viele andere Dinge gefunden, über die sie hätte berichten können. War sie zu Besuch, musste ich sie regelrecht aus dem Haus schmeißen. Abermals hatte sich etwas Grundlegendes in meinem Leben geändert. Ein neuer Freund war hinzugekommen. Zu Grace Leidwesen hatte es Matt tatsächlich ernst gemeint. Er bändelte nicht mehr am laufenden Band mit Frauen an und schien zufrieden damit zu sein, ein ganz normales Leben in der Schule zu führen und sich in seiner Freizeit größtenteils mit mir zu treffen. Natürlich war da noch immer ein aufregendes Kribbeln in meiner Magengegend, wenn er bei mir war aber es machte mich bei weitem nicht mehr so nervös. Es fühlte sich eher wie eine angenehme elektrisierende Energie an, die mich anspornte und glücklich machte. Die Wochen verstrichen und endlich zog der Frühling ins Land. Die Wälder färbten sich giftgrün und in den Vorgärten schossen Krokusse und andere Frühblüher aus dem Boden. Mittlerweile waren wir zu einer richtigen Gruppe zusammen gewachsen. Wir gingen mit Grace und den anderen ins Kino, auf Partys und fuhren in der Gegend rum. Ich war wieder munter und verspürte keinerlei Rückfälle. Kein Arzt konnte sich erklären, was mit mir los war aber alle waren glücklich, dass es nun zu Ende war. Die seltsamen Spuren auf meinem Rücken jedoch blieben. Manchmal wenn ich morgens wach wurde, schimmerten sie sacht und ich hatte versucht, die feinen Linien und Male einer Sprache zuzuordnen aber ohne Erfolg. Also beließ ich es dabei und wollte mich nicht weiter verrückt machen. Matt und ich verstanden uns wunderbar, auch wenn er nie wirklich viel über sich preisgab. Grace hing mir alle paar Tage in den Ohren, wann wir uns endlich eingestanden, dass wir ein Paar waren und jedes Mal wieder belehrte ich sie eines Besseren. Wie Grace aber nun einmal war, interessierte sie das kein Stück. Vor einer Weile noch hätte ich es niemals zugegeben aber ich vermisste meine seltsamen Träume. Sie kamen nicht mehr. Keine schwarzen Hengste, keine seltsamen Magier oder leidenschaftliche Begegnungen mit Männern, die ich nicht kannte. Manchmal hatte ich das Gefühl mein Verstand versuchte im Schlaf in die Welten hinab zu tauchen aber irgendetwas versperrte mir den Zutritt. Ich träumte von einer riesigen bernsteinfarbenen Tür. Sie war sicherlich drei Meter hoch und genauso breit. In den beiden Türflügeln waren Bilder eingraviert, von zwei Kriegern mit überkreuzten Lanzen, fast wie Wächter, die einem den Zugang verwehrten. Jedes Mal wenn ich nach den schweren metallenen Türbeschlägen greifen wollte, schien mich eine grobe Hand an der Schulter zu packen und zurück zu reißen. An dunklen einsamen Tagen dachte ich über das Geschehen am Waldrand nach. Ob ich es mir eingebildet hatte oder es nur ein Traum war. Ich fand keine Antwort darauf und beließ es irgendwann dabei. Zu lange hatte ich mich mit allerlei Dingen gequält und keine Ruhe gefunden. Das sollte nun zu Ende sein. Mein Vater war mittlerweile dauerhaft auf Geschäftsreisen und meinte nur knapp zu mir, dass ich ja schon groß sei und gut allein zurecht käme. Er schickte Umschläge mit Geld und Andenken aus anderen Ländern. Ich begann langsam zu vergessen, wie seine Anzüge nach Waschmittel rochen und wie er mit dreckigen Händen im Garten Blumenzwiebeln eingrub. Vielleicht hatte er nur darauf gewartet, dass ich wieder gesund wurde und er sich voll in seine Arbeit stürzen konnte. Ich wünschte er würde sich trotzdessen öfter melden und mir nicht das Gefühl geben, unwichtig zu sein. Ich wusste er meinte es nicht böse. Er vergaß es einfach. „Beth? Bist du da? Die Tür steht offen.“ „Ja. Komm rein. Ich bin in der Küche“, antwortete ich und füllte den Wasserkocher wieder auf. Sanft drückten sich seine weichen Lippen auf meine Wange. Die türkisen Augen strahlten mich an. „Was steht heute an?“, fragte er und schnappte sich einen Stuhl um darauf Platz zu nehmen. Kaum das es ein paar Grad wärmer wurde, sah man Matt nur noch in eng anliegenden Shirts rum laufen, wo alle anderen noch Pullover trugen. „Grace trifft die letzten Vorbereitungen für den Frühlingsball. Ich dachte wir helfen ihr dabei?“ „Meinst du nicht sie kann das allein besser? Ich stehe nur wieder im Weg rum und werde von ihr angezählt“, meinte er und legte die Stirn in Falten. Ich schenkte ihm eine Tasse Tee ein und stellte sie auf den Tisch, ehe ich auf dem freien Stuhl neben ihm Platz nahm. Er starrte aus dem Fenster ins Leere und ein merkwürdiger Schleier hatte sich über sein Gesicht gelegt. Sekundenlang rührte er sich nicht. Etwas war anders. „Ist alles gut bei dir?“, fragte ich. „Nein.“ „Was ist los?“ „Das ist nicht so einfach.“ „Es ist nie einfach“, lachte ich. „Also erzähle schon. Was hast du für gravierende Probleme.“ „Ich werde bald gehen müssen.“ „Wie meinst du das? Hast du keine Arbeit in der Nähe gefunden? Du hast doch gute Noten. Warum suchst du nicht einen Studienplatz in der Universität in der Stadt.“ „So ist das nicht. Ich hab mir vorgenommen, dass Schuljahr zu beenden und dann zu gehen. Ich bin schon zu lange von zu Hause weg. Meine Familie braucht mich.“ „Was redest du denn da? Du bist doch hier zu Hause. Ich dachte diese Phase deines Lebens hättest du hinter dir gelassen“, sagte ich bestürzt und wusste nichts mit seinen Aussagen anzufangen. Sie trafen mich wie ein Schlag. Monatelang hatte ich versucht mehr über ihn zu erfahren aber immer nur schwieg er und nun wollte er einfach wieder gehen. Matt fuhr sich durch seine Haare und leckte angespannt über seine Lippen. „Es geht einfach nicht.“ „Und was ist mit den Menschen hier? Bedeuten sie dir nichts? Bedeute ich dir nichts?“, flüsterte ich und spürte, wie mir das Wasser in die Augen schoss. Langsam stand er auf und schritt zur Terrassentür. Stumm blickte er in den Garten hinaus. Er atmete schwer. Das weiße Shirt spannte sich über seinen breiten Schultern. In seinem Nacken erkannte ich feine Linien, die sich bei näherer Betrachtung als Narben entpuppten. Ich hatte keine Ahnung, was er in seinem Leben durchgemacht hatte aber ich hatte das Gefühl hier war er glücklich. Wenn er das selbst schon nicht einsah, dann musste ich ihm das eben klar machen. „Matt du gehörst hier her. Die Leute mögen dich und du bist gern hier.“, sagte ich und stand ebenfalls auf. Vorsichtig näherte ich mich ihm. Ohne darüber nachzudenken, legte ich eine Hand auf seinen Rücken und hatte das Gefühl er würde unter der Berührung zusammen zucken. „Das ist ja das Problem“, flüsterte er. Unter meiner Hand spürte ich das Muskelspiel, während er sich zu mir herum drehte. Uns trennte nur eine Handbreit. Sein Blick durchdrang mich und gab meinem Herz einen Schlag. Von jetzt auf gleich begann es zu rasen und ich hatte Mühe meine Atmung zu regulieren. „Wenn ich noch länger bleibe, werde ich dich nicht mehr vergessen können“, hauchte er und seine Nase berührte sacht die meine. Ich konnte nicht anders als den Kopf zu heben und den Kontakt zu seinen Lippen zu suchen. Es war gefühlt ewig her, dass wir uns geküsst hatten und dennoch kam es mir nun vor, als wäre es erst gestern gewesen. Ein elektrisierender Stoß jagte durch meine Glieder und ließ mich erzittern. Mit einem Ruck hatte er mich mit seinen kräftigen Armen umschlungen. Der Kuss war nicht sanft, nicht liebevoll. Fordernd und mit einer Begierde nach mehr drückte er mich an sich. Seine Hände hoben mich mit einem Ruck hoch und noch ehe ich mich besann was geschah, hörte ich die knirschenden Stufen unter seinen Schritten, hinauf in mein Zimmer. „Beth?“, fragte er und die Stimme drang nur leise zu mir hindurch. „Ich glaube es ist genug Wasser.“ Er lachte und stand auf. Erschrocken fuhr ich zusammen und starrte auf die Teetasse vor mir. Den Großteil des heißen Wassers hatte ich daneben geschüttet. Es rann bereits von der Arbeitsplatte auf die Schranktüren hinunter. Ich fluchte innerlich und spürte, dass mein Gesicht knallrot angelaufen war. Peinlich berührt wischte ich das Wasser weg und hörte wie er hinter mich trat. „Warst du wieder in Gedanken ja“, grinste er und nahm sich einen Lappen um mir zu helfen. „Ich würde nur zu gerne wissen, was dich so aus dem Konzept gebracht hat. Du wirst es mir wohl kaum erzählen nicht wahr?“ „Du würdest es mir nicht glauben“, brummte ich und rang nach Fassung. Die Gedanken an mehr als nur eine Freundschaft wurden aufdringlicher, mit jedem Tag den wir zusammen verbrachten. Vielleicht hatten die vielen romantischen Filme Recht. Es gab keine reine Freundschaft zwischen Mann und Frau. Einer von beiden empfand irgendwann immer mehr für den anderen. „Lass es auf einen Versuch ankommen“, grinste er und suchte sich eine Teesorte aus dem Schrank. „Lieber nicht.“ „Langweilerin. Also was steht heute an?“ „Grace könnte Hilfe für den Ball gebrauchen. Aber ich glaube nicht, dass ich da heute Lust zu habe.“ „Worauf hat denn die Dame des Hauses dann Lust?“, grinste er und warf mir beiläufig eine meiner Haarsträhnen wieder auf den Rücken. Manchmal glaubte ich er wusste ganz genau, was ich für ihn empfand und machte sich einen Spaß daraus. „Sofa und Filmchen“, antwortete ich trocken und schlenderte so beiläufig es mir möglich war in die Stube. Leise lachend folgte er mir. Bevor er sich setzte, streckte er sich genüsslich und ich hörte ein paar Knochen knacken. Schnaubend plumpste er neben mir auf das Polster und rutschte soweit hinunter, bis er seinen Kopf auf die Rückenlehne ablegen konnte. „Folterst du mich heute wieder mit Bridget Jones?“ „Nein. Ich foltere dich lieber mit Fragen. Erzählst du mir heute etwas von dir?“, fragte ich und schaute ihn neugierig von der Seite an. Meine Hoffnung ebbte nicht ab, dass er irgendwann antworten würde. „Liebes du weißt alles Wichtige über mich.“ „Unsinn. Du erzählst nie irgendwas. Ich weiß gar nichts“, murrte ich und schnaubte leise. Matt zog eine Augenbraue hoch und lehnte sich langsam zu mir herüber. „Ich bin hier. Reicht das nicht?“ „Wie machst du das nur immer? Jedes Wort was deinen Mund verlässt, hört sich an, als würdest du einen verführen wollen.“ „Angeborenes Talent?“, witzelte er und zuckte mit den Schultern. Leise begann es an der Scheibe zu klopfen. Regentropfen prasselten dagegen und benetzten das frische Grün im Garten mit schimmernden Perlen. Ich überließ ausnahmsweise Matt die Auswahl des Filmes. Meine Gedanken kreisten zu sehr um die abstruse Beziehung, die wir zueinander hegten. Es dauerte nicht lange und ich war auf dem Sofa eingeschlafen. Die Frage was im TV lief hätte ich schon nicht mal mehr beantworten können. Ein paar Mal wurde ich durch lautes Poltern kurz wach und nickte augenblicklich wieder weg. In meinem Dämmerzustand kurz vorm Einschlafen war ich der Meinung das kantige Antlitz des Hexenkönigs zu sehen. Feuerschein glitzerte in den matt blonden Haaren und die Krone auf seinem Haupt funkelte bedrohlich. Alles wirkte verschwommen, wie durch einen Schleier aus Wasser. Der Traum war lange her und dennoch erkannte ich ihn sofort. „Du wirst es bald selbst lenken können, Elizabeth. Gehe klug mit deiner Gabe um. Nicht alle sind deine Freunde, die sich als solche ausgeben.“ „Was meint Ihr damit?“, flüsterte ich. „Man sucht nach dir. Halt es geheim.“ Ich verstand nicht was er meinte und ehe ich nachfragen konnte verschwand sein verzerrtes Gesicht vor meinem Auge. Jemand strich mir durchs Gesicht. Die Berührung war zart und dennoch fühlte es sich an, wie glühendes Eisen, was sich über meine Haut zog. Ich fuhr hoch. „Alles gut mit dir?“, fragte Matt und schaute mich besorgt an. Es brauchte einen Moment, bis ich begriff, dass ich in seinen Armen lag. Eine Hand hatte sich unter mein lockeres Shirt auf meinen Rücken gestohlen. Zuerst wollte ich zufrieden Seufzen, doch dann spürte ich, wie es brannte. Die Linien schmerzten und es fühlte sich an wie flackerndes Feuer. Das Gesicht verziehend stöhnte ich und sprang auf. Ich griff auf meinen Rücken und wischte über die Haut, in der Hoffnung, dass Gefühl würde verschwinden. „Mach das es aufhört“, schrie ich und rannte ins Bad hinauf. Ich schnappte mir den Duschkopf und riss den Hahn auf. Das Wasser strömte eisig kalt über meinen Rücken aber am Schmerz änderte sich nichts. Eher wurde es noch schlimmer als würde sich das Nass mit den Zeichen nicht vertragen. Meine Kleidung sog sich mit Wasser voll und klebte an mir. Benommen vor Schmerz ließ ich den Duschkopf fallen und ging in die Knie. Keuchend sackte ich zusammen und rollte mich zur Seite. Es dauerte nur Sekunden bis mir Matt ins Bad gefolgt war. „Es soll aufhören.“, wimmerte ich. Machtlos beugte sich Matt zu mir hinunter und stockte für einen Augenblick, traute sich nicht mich zu berühren und damit weitere Schmerzen zu verursachen. Durch meinen Schleier aus Pein hindurch glaubte ich für eine Sekunde noch etwas Anderes in seinem Blick wahrzunehmen. Entsetzen gepaart mit Trauer. Noch bevor ich versuchen konnte ihn genauer zu fixieren glitt ich in eine Ohnmacht hinüber. Weit entfernt drangen seltsame Geräusche an mich heran. Mir war es nicht möglich sie zuzuordnen. Mühsam öffnete ich meine Lider. Geruch von kokelndem Holz lag in der Luft und benebelte meine Sinne. „Bist du wach?“, fragte mich eine sanfte Männerstimme. Ich kannte sie. Es war zwar lange her aber sie hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt wie kaum eine Andere. Ich nickte stumm. „Gut. Es tut mir Leid kleine Nirva aber ich musste unsere Welt vor dir schützen solange du es nicht kontrollieren kannst. Du bist nun soweit. Diese Erfahrung hast du nun durch Schmerz erlangen müssen. Ich habe dich gewarnt. Du hast nicht gehört.“ In seiner Stimme lag kein Tadel, eher eine Art von Bedauern. Ihm schien tatsächlich etwas an meinem Wohl gelegen zu sein. „Ich wusste mit der Warnung nichts anzufangen, König.“, flüsterte ich. Langsam richtete ich mich auf. Nebel lag um uns. Zwischen den spitzen schillernden Zacken der Krone, die auf seinem silbrigen Haupt thronte, erkannte ich wieder das Bernstein farbene Thor, welches sich hinter ihm auftürmte. „Das war euer Werk?“ Mir fiel es nicht schwer die gebräuchliche Anrede für einen König zu finden. Unzählige Romane hatte ich gelesen, die mir als Vorlage dienten. „So ist es.“ „Warum habt ihr das getan?“ „Ich kann nicht zulassen, dass sie unsere Welt stürmen können. Zu viele Schätze sind zu hüten, zu viele Geheimnisse zu wahren. Du musst lernen wem du vertrauen kannst.“ Er half mir hoch und aus dem Nichts erschienen hinter uns samtene pompöse Sessel. Mit einer eleganten Geste gebot er mir Platz zu nehmen. Alles wirkte so unwirklich. Bis auf das vom Nebel eingerahmte Tor und dem Geruch nach Feuer war nichts um uns herum. Der Dunstschleier hielt alles verborgen. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, dass sich an manchen Stellen die Barriere lichtete und ein Schein von Wäldern und Wiesen zum Vorschein kam. „Ich verstehe immer noch nicht. Das ist ein Traum. Niemanden könnte ich in meine Träume mitnehmen.“, lächelte ich sanft und glaubte nur an die mir vertraute Realität. Der König legte in seiner Ruhe und Weisheit das Haupt zur Seite und musterte mich einen langen und quälenden Moment. Seine Mimik offenbarte nichts. „In unserer Welt nennen wir dich Nirva. In eure Sprache übersetzt würde es wohl Weltengänger bedeuten. Du bist weit davon entfernt zu träumen Elizabeth. Die Welt die du gesehen hast nennt sich Kantara. Sie ist die erste und allumfassende Welt. Eine Welt zu der es keine Portale geben dürfte. Dich dürfte es nicht geben.“ Er wartete kurz, betrachtete mich mit einem prüfenden Blick und die kühlen Augen bohrten sich tief in die Meine, auf der Suche nach aufkeimender Panik oder Zweifel. Ich wollte lachen und ihm erklären, dass es Schwachsinn war aber irgendwas ließ mich gefrieren. Ich starrte nur stumm zurück. „Ich könnte dir das Portal aus deinem Leib reißen, es verschließen und meine Welt schützen. Du würdest dabei sterben.“ „Warum tut ihr das nicht, wenn euch eure Welt so wichtig ist.“ „Ich sehe etwas in dir. Ich weiß nicht was es ist aber ich habe das Gefühl es wäre ein Fehler dir das Portal zu nehmen. Insofern bleibt mir nur eines.“ Langsam stand er auf. Der schwere samtene Mantel streifte mit einem raschelnden Geräusch über den nicht vorhandenen Boden, die schweren Stiefel polterten mit jedem Schritt. Darjan straffte seine Schultern und bäumte sich zu seiner vollen Größe vor mir auf als er sich im nächsten Augenblick, geschmeidig und elegant wie eine Katze, auf ein Knie herabließ. Ohne etwas zu sagen ergriff er meine Hände, hielt sie so fest, dass es fast weh tat und starrte mir fest in die Augen. „Bitte. Ich bitte dich Elizabeth. Du musst unsere Welt schützen. Wandere durch sie, erkunde alles was du möchtest doch hüte dich vor den dunklen Landen. Lies was immer du an Werken findest, rede mit den Menschen und den Kreaturen. Die Welt steht dir offen. Mein Schloss soll dir, wann immer du es möchtest, ein Heim sein. Aber bitte… bitte schütze unsere Welt. Lass nicht zu, dass sie geplündert wird, dass sie die alten Bibliotheken stürmen, unsere Güter stehlen um sie zu Gewinn zu machen und mein Volk schlachten wie Vieh. Es liegt an dir. Du bist die Einzige. Ich lasse dich nun wieder in deine Welt zurück. Leb wohl.“ Die eisfarbenen Augen bohrten sich in meine ehe er sie langsam schloss und ich meine ebenfalls. Wieder hörte ich aus weiter Entfernung Lärm und konnte ihn nicht weiter zuordnen. Es dauerte sehr viel länger bis ich wieder Herrin meiner Sinne war als noch gerade eben. Ich lag in meinem Bett. Der Schmerz war verflogen. Vorsichtig schob ich eine Hand unter meinen Rücken und suchte nach den roten Striemen aber ich spürte nichts. Es war nichts mehr da. Plötzlich krachte es. Das laute Scheppern zog mir durch alle Glieder und ließ mich zusammen fahren. Jemand schrie und tobte, rannte im Erdgeschoss auf und ab. Panik machte sich in mir breit. Vorsichtig stieg ich aus dem Bett und versuchte die Dielen unter meinen Schritten nicht zum Knacken zu bringen. Angespannt ergriff ich den Baseballschläger neben meiner Zimmertür, der dort schon seit unzähligen Jahren einstaubte. Die Treppe hinab war es kaum machbar sich so leicht zu machen, dass das Holz einen nicht entlarvte. Bereits die erste Stufe knirschte so laut, dass sich meine Nackenhaare aufstellten. Die umher irrenden Schritte brachen abrupt ab. „Beth?“, hörte ich eine fast schon unter Verzweiflung brechende Stimme. Ich war mir sicher, dass es Matt war aber etwas an ihm war anders. Jeglicher Charme und seine allgegenwärtige Arroganz waren verflogen. Erleichtert ausatmend warf ich den Kopf in den Nacken und ließ den Schläger sinken. „Was machst du hier?“, fragte ich vorwurfsvoll als ich in der Küche angekommen war. Ein Stuhl war an der Wand zerschellt, eine Tasse in Scherben am Boden. Matt stand am Küchentisch und stütze sich auf eine Stuhllehne, den Kopf gen Boden gesenkt. „Matt?“, fragte ich vorsichtig und verlangsamte meine Schritte. „Du machst mir Angst.“ Kopfschüttelnd hob er den Blick und seine Augen waren unterlaufen und wässrig. Er konnte mich nicht lange anschauen. Zwei Schritte setzte er an die Küchenzeile zurück und rutschte fast schon unkontrolliert an ihr hinab. Er murmelte irgendwelche unverständlichen Sachen und vergrub seinen Kopf zwischen Armen und den herangezogenen Knien. Ich glaubte so etwas wie „Warum du?“ zu verstehen. „Matt. Bitte rede mit mir? Was ist los?“, flüsterte ich und hatte Bedenken irgendetwas falsch zu machen. Ich hatte schon einige von seinen Seiten kennengelernt aber nicht eine davon war auch nur ansatzweise so zerbrechlich gewesen. „Matt?“, wiederholte ich sanft seinen Namen und ließ mich zu ihm hinab. Vorsichtig legte ich eine Hand auf seinen Unterarm. Wie elektrisiert zuckte er zusammen. „Wusstest du es?“, fragte er. „Was meinst du?“ „Du weißt genau was ich meine.“, beharrte er. „Matt ich weiß wirklich nicht wovon du sprichst.“ „Ach nein. Weltengänger.“, knurrte er und hob langsam den Kopf. In seinen Augen loderte ein türkises Feuer, was mich unweigerlich zurückweichen ließ. Ich landete ungeschickt auf meinem Hintern. „Was? Wieso sagst du das?“, schrie ich ihn fast an und rutschte auf den kalten Fliesen weiter von ihm weg. „Es ist wahr.“, stellte er anhand meiner Reaktion für sich selbst fest. „Dachtest du es wäre witzig einen Jäger an der Nase herum zu führen? Glaubst du nur weil du mir hübsche Augen machst, würde ich dich verschonen?“, seine Tonlage wurde immer schärfer und bedrohlicher. „Matt. Bitte. Du machst mir Angst. Wovon redest du?“, Tränen schossen mir in die Augen. Wieso nannte er mich so, wie es der Hexenkönig getan hatte? Wieso sprach er von sich als Jäger? Was, verdammt nochmal, war nur los? „Wie hast du es geschafft dich dem Bann so lange zu entziehen? Ich hätte es bereits bei der ersten Berührung spüren müssen das du es bist? Also sag schon.“, fordert er mich auf und ließ seinen Hinterkopf gegen die Küchenzeile prallen. Wieder und wieder. „Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte schon längst mit einer dicken Belohnung wieder bei meiner Familie sein können.“, raunte er mehr zu sich als zu mir. Er sprang ruckartig wieder auf die Beine und schlug mit seiner Faust auf die Arbeitsplatte. „Wie konnte ich nur so naiv sein.“, schrie er und aus seiner Kehle kam ein bedrohliches Knurren. Hastig stemmte ich mich in die Höhe und wäre bei seinem Aufschrei beinahe wieder zu Boden gestürzt. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie er plötzlich mit großen imposanten Schritten auf mich zu kam. Stolpernd wollte ich ausweichen, bis ich mit dem Rücken dumpf gegen die Wand prallte. Er kam ganz nah. Blitzartig schepperten seine Fäuste rechts und links neben meinem Kopf gegen die Wand. „Was sollte das?“, forderte er wieder eine Antwort. Sein Blick war fest und berechnend. Die Narben an seinem Hals und auf seinen Schlüsselbeinen tanzten auf seiner Haut hin und her. „Matt bitte. Ich weiß nicht was…“, er ließ mich nicht ausreden. „Lüg mich nicht an.“, tobte er und ließ wieder seine Fäuste gegen die Wand prallen. Ich konnte mich nicht mehr beherrschen und brach schier in Tränen aus. An ein Gespräch war von meiner Seite nicht mehr zu denken. Sekundenlang starrte er mich an, schüttelte immer wieder den Kopf, ehe er die Fäuste sinken ließ. Abermals murmelte er etwas vor sich hin und ging in der Küche auf und ab. Es schien als würde er mit sich Ringen, raufte sich die Haare dabei und war sich uneins. Plötzlich blieb er stehen, fast als wäre er zu einem Ergebnis gekommen. Gekränkt würdigte er mich keines Blickes und starrte stattdessen aus der Terrassentür in den Garten hinaus. „Ich dachte du wärst anders. Ich dachte das alles hier wäre anders. Es ist lange her, dass ich mich irgendwo zu Hause gefühlt habe. Du warst der erste Mensch, die erste Frau, die es geschafft hat, das ich bleibe. Wie lächerlich, dass ich wirklich in der Annahme war es wäre ehrlich gewesen. Aber Menschen sind doch alle gleich. Jeder denkt an sich und versucht seine eigene Haut zu retten. Ich verstehe das. Glaub mir. Ich mache dir keinen Vorwurf. Ich hätte es einfach besser wissen müssen.“, sprach er leise aber dennoch mit einer Härte in seiner Stimme, die fast schon in den Ohren schmerzte. Seine Kiefer malmten als er einen Blick über die Schulter auf mich zurückwarf. „Ich werde jetzt gehen. Zurück nach Hause, wo ich hingehöre. Du wirst hier bleiben. Ich bring es nicht mehr übers Herz dir ein Haar zu krümmen. Aber eines sage ich dir Beth, es werden andere kommen und nach dir suchen. Glaub mir“, langsam schritt er auf mich zu, bis sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Sein Blick, eisig und klar, bohrte sich bis in meine Seele hinab. „Glaub mir. Keiner von ihnen wird auch nur eine Sekunde zögern dich zu holen. Es ist nur eine Frage der Zeit.“ Es klang wie eine Drohung, eine unheilvolle Ankündigung vom baldigen Ende meines gewohnten Lebens. Schwer ausatmend ließ er von mir ab. Beiläufig griff er nach seiner Jacke über der Stuhllehne und begab sich Richtung Haustür. Jeder seiner Schritte hallte in der Totenstille von den Wänden wieder und türmte sich zu einem Gewitter voll Unklarheiten, Wut und Trauer auf. Reglos stand ich an der Wand. Unfähig den Kopf zu drehen und ihm hinterher zu schauen. Die letzten Sekunden waren eingeschlagen wie eine Atombombe, die alles schlagartig zerstört hatte. Stumm flossen Rinnsale salzigen Wassers über meine Wangen, benetzten den dünnen Stoff meines Pullovers und hinterließen dunkle Flecken. Für einen Moment stockte er, hielt den Griff der Türklinke bereits fest umschlungen, dass das weiß seiner Knöchel zum Vorschein kam. Seine Zähne knirschten und er haderte mit sich ob, es richtig war einfach zu gehen. Vielleicht war doch irgendetwas der letzten Monate wahr gewesen und er tat ihr Unrecht. Viele Weltengänger wussten nicht um ihr Schicksal ehe er sie fand. „Wenn es nicht so schmerzen würde.“, dachte er verbittert. Mein Atem ging stoßweise. Alles in meinem Kopf drehte sich und der aufkommende Schwindel ließ sich nur noch schwer unterdrücken. Ich hörte seine Schritte durch das Rauschen in meinen Ohren hindurch. Jedes Auftreten war wie ein Hieb direkt in mein Herz. Er ging tatsächlich. Er ließ mich allein. Wieder ließ mich jemand allein. Etwas in mir drin brach entzwei und löste eine neuerliche Welle Tränen aus. Es raubte mir jegliche Möglichkeit zu atmen. Panisch stemmte ich die Hände auf die Brust und versuchte unter dem wilden Schluchzen nach Luft zu ringen. Er ging. Einfach so. Wegen was? Was hatte ich getan? Er durfte nicht gehen. Das würde ich nicht überstehen. Nicht noch einmal. „Matt!“, rief ich mit dem bisschen Sauerstoff den ich in meine Lunge getrieben bekam. „Geh nicht.“ Ich wollte ihm nach aber meine Muskeln versagten. Mein Körper hörte nicht auf mich. „Matt, bitte.“ Der Druck auf meiner Brust wurde größer. Es fühlte sich an als hätte eine Würgeschlange meinen ganzen Körper unter sich begraben und würde sich weiter und weiter um mich zusammenziehen. „Ich liebe dich!“, brach es aus mir heraus. Eine Sekunde hörte ich nichts, dann schlug die Haustür ins Schloss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)