Wenn du wüsstest, dass wir morgen sterben werden... von kaherashico (...würdest du dann jetzt mit mir schlafen?) ================================================================================ Kapitel 1: Eine kleine, aber feine Veränderung. ----------------------------------------------- „Wenn du wüsstest, dass wir morgen alle sterben werden, würdest du dann jetzt mit mir schlafen?“, wollte er geradeheraus wissen. Gute Frage. Würde sie? Nachdenklich musterte Lily ihr Gegenüber. Auch im schwachen Kerzenlicht waren die scharf geschnittenen Züge unverkennbar, ein spöttisches Lächeln umspielte seinen Mund. James Potter liebte die Provokation. Ihr Blick blieb unweigerlich an seinen Augen hängen. Wie gewöhnlich blitzte der Schalk aus ihnen und doch meinte sie noch etwas anderes wahrnehmen zu können. Etwas Ernstes. Sie wunderte sich nicht, wie er gerade jetzt auf diese Frage kam. Sie fand sie nicht einmal dreist. In Zeiten wie diesen machte man sich Gedanken um morgen, wusste es zu schätzen. Mehr denn je. Die feuchtfröhliche Runde in den Drei Besen war mittlerweile verstummt, alle Augen lagen auf ihr. Lily spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Man erwartete eine Reaktion, eine schlagfertige Retourkutsche. So etwas würde sich Lily Evans schließlich nicht gefallen lassen. Oder? Sie hielt seinem provozierenden Blick stand, die Spannung war nahezu greifbar. Remus sah unbehaglich von einem zum anderen; auch Peter rutschte verlegen auf seinem Stuhl herum, während andere ihren Blick betont abwandten. Es war zwar allgemein bekannt, dass Lily ihn nicht hasste, aber damit war James eindeutig zu weit gegangen. „Krone-“ „Ach, vergiss es. War ’ne blöde Frage, tut mir leid“, es klang aufrichtig, „Will jemand noch was trinken?“ Dankbar plapperten alle wieder munter drauf los, Peter erbot sich diensteifrig, die neue Bestellung aufzugeben. Lilys Blick ruhte nach wie vor auf einem gewissen, schwarzhaarigen Rumtreiber. Sie wusste, dass er nur zu gern eine Antwort gehabt hätte. Dass ihm die Neugier auf der Zunge brannte. Aber anstatt sie zu drängen, lenkte er freiwillig vom Thema ab, verzichtete. Weil er wusste, dass es ihr unangenehm war? Eine Woge der Zuneigung über kam sie; selbst wenn er es war, der sie erst in diese missliche Lage gebracht hatte. So war er eben, waghalsig. Welch anderer Kerl hätte schon den Schneid gehabt, sie so etwas zu fragen? Auch noch vor versammelter Mannschaft? Lily grinste unwillkürlich. „Würde ich.“ Ruckartig schnellte sein Kopf in ihre Richtung, die Geräusche verstummten abermals schlagartig. Sein Blick suchte ihren, suchte nach dem Wahrheitsgehalt ihrer Aussage – und wurde fündig. Ungläubig hob er die Augenbrauen, woraufhin sie, kaum merklich, nickte. „Aber wir werden morgen nicht sterben.“ Lily zwinkerte verschwörerisch, während James sie sprachlos anstarrte. Lautes Husten unterbrach die Stille, der Moment war vorüber. Sirius hatte sich so heftig an seinem Butterbier verschluckt, dass Remus ihm nun fürsorglich auf den Rücken klopfte. „Hab ich da irgendwas nicht mitgekriegt?“, der Black-Sprössling griff krächzend nach seinem Becher, um den Schock herunter zu spülen, als er einhielt und kopfschüttelnd den Inhalt musterte. „Vielleicht sollte ich weniger trinken.“ Der Tumult erfüllte alsbald wieder die Geräuschkulisse, es wurde ausgelassen weitergefeiert, gelacht, gejohlt; schließlich hatte Gryffindor erneut den Quidditchpokal errungen. Und dazwischen saßen, vollkommen ruhig, die beiden Schulsprecher, die unterschiedlicher kaum hätten sein können. Erst ganz leicht, dann immer breiter werdend, fing James an zu grinsen. Und Lily lächelte zurück. Sie wussten beide, dass das eben ein Eingeständnis ihrerseits war. ~ Kapitel 2: Eine einfache Frage oder nicht? ------------------------------------------ Er beobachtete sie schon eine Weile. Völlig in ihre Lektüre versunken saß sie in dem alten Lehnsessel vorm Kamin und regte sich nur, um behutsam eine Seite ihres Wälzers umzublättern. „Wenn du wüsstest, dass wir morgen sterben werden“, er machte eine kurze Pause, um sicherzugehen, dass sie ihn hörte, „würdest du dann jetzt mit mir schlafen?“ Ron biss sich auf die Lippen. Er hatte mit sich gerungen, doch die Neugier war stärker. Hermines Wangen färbten sich rosa. „Sei nicht albern, Ron.“ „Das ist mein voller Ernst.“ „Wir werden morgen aber nicht sterben“, belehrte sie ihn altklug. „Das weiß ich auch. Die Frage ist, was wäre wenn…“, antwortete er genervt. „Ronald…“ Warnender Unterton. „Komm schon, Hermine, es ist eine ganz simple Frage.“ Die junge Hexe schlug ihr Buch mit einem lauten Krachen zu und erhob sich. „Wo willst du hin?“ Sie schnaubte verächtlich. „Wohin wohl, Ronald? Ich werde jetzt ins Bett gehen.“ „Nicht, bevor du meine Frage nicht beantwortet hast.“ Er war ebenfalls aufgestanden und hatte ihr mit drei großen Schritten den Weg versperrt. Lange Beine konnten auch nützlich sein. Wenn Blicke töten könnten… Doch Ron schüttelte beharrlich mit dem Kopf und verschränkte entschlossen die Arme vor der Brust. „Woran werden wir denn sterben?“, ging sie widerwillig auf sein Spiel ein. „Ist das wichtig?“ „Ich denke schon.“ „Und weshalb?“ „Das liegt doch auf der Hand. Wenn es etwas ist, was man zum Beispiel durch einen passenden Gegenfluch-“ „Sagen wir, nicht einmal du kannst es verhindern, in Ordnung?“, knurrte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Was soll das denn bitteschön heißen?“ Hermine stemmte empört ihre Hände in die Hüften. „Das weißt du ganz genau.“ „Nein, weiß ich nicht.“ „Weißt du wohl.“ „Nein.“ „Doch.“ „Ronald!“ „Hermine.“ „Du bist so…!“ „So was, hm?“ „So…!“ „Ja?“ „…“ „ Ja? Komm schon, ich warte.“ „Kindisch“, spie sie schließlich aus. „Ach ja?“ „Ja.“ „Du bist doch diejenige, die meine Frage nicht beantworten will!“ Wenn Blicke töten könnten… Doch er gab nicht nach, diesmal nicht. Ebenso hitzig wie konsequent starrte er zurück. Minutenlang. „Schön, würde ich, okay?“ „Was?“ Irritiert sah er sie an. „Die Antwort auf deine Frage“, erwiderte sie schnippisch, „du wolltest sie doch haben.“ „Und?“ „Und was?“ „Die Antwort.“ „Was ist damit? Passt sie dir etwa nicht? Tut mir wirklich leid, Ronald“, fauchte Hermine verärgert. Und langsam fing Ron an zu begreifen. „Du würdest…wirklich?“ Sie konnte nicht umhin zu lächeln. Sein Gesicht war von solch einer Mischung aus Verblüffung und Ehrfurcht ergriffen, als stünde das gesamte Team der Chudley Cannons vor ihm. „Würde ich“, gestand sie leise. „Aber…ich…äh“, Ron geriet ins Stottern, seine Ohren glühten gefährlich rot. Hermine stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn kurzerhand auf den Mund. Sie konnte ihm nicht böse sein, nicht, wenn er so hilflos aussah. „Du bist ein Idiot, Ron“, murmelte sie zwischen zwei Küssen, „was hast du denn gedacht?“ Der junge Zauberer blieb ihr die Antwort schuldig, schlang stattdessen seine Arme um sie und zog sie näher zu sich heran. … „Ich kann nicht glauben, dass du das wirklich gefragt hast.“ Er lächelte. „Ich auch nicht.“ ~ Kapitel 3: Eine schwierige Entscheidung --------------------------------------- „Hey.“ Sie schwieg. „Alles Gute zum Geburtstag, Lily.“ Er versuchte es mit einem schiefen Lächeln. Es misslang. Gründlich. Sie schwieg. Er wusste nicht, wo er hingucken sollte. „Was ist, krieg ich keine Umarmung?“ Überrascht sah er auf. Ihr harscher Tonfall passte nicht zu den Worten. „Doch natürlich, ich dachte nur, du willst nicht-“ In zwei Schritten war er bei ihr. Hielt sie fest. Und für einen Moment war alles in Ordnung. Als er sich lösen wollte, spürte er, wie ihre zarten Arme ihn daran hinderten. „Ich bin volljährig, Ted.“ Er schwieg. Schloss die Augen und schüttelte nur stumm den Kopf. Wütend ließ sie ihn los. „Wenn du wüsstest, dass wir morgen sterben werden, würdest du dann jetzt mit mir schlafen?“ Wie konnte sie nur so etwas fragen? „Lily, bitte…“, es klang gequält, „ich…wir…er ist mein Pate, ich kann ihm das nicht antun.“ Er raufte sich die Haare. „Und mir schon?“ Er betete die Vernunftgründe runter. Der Altersunterschied. Sie waren doch praktisch eine Familie. Was würden sie sagen. Victoire. Es war einfach unmöglich. Punkt. Sie wollte nicht. Nicht zuhören, nicht vernünftig sein. Nichts. Nicht heute. Erschöpft ließ er sich auf den Stuhl sinken und vergrub seinen Kopf in den Händen. Sie betrachtete ihn eine Weile. Wie von selbst wanderte ihre Hand schließlich langsam seinen Rücken hoch, blieb in seinen Haaren hängen. Mausbraun. Er litt doch genau wie sie. „Ich liebe dich.“ Lily spürte, wie er sich unmittelbar versteifte. „Was hast du gesagt?“ „Ich sagte, ich liebe dich.“ „Du bist doch viel zu jung“, murmelte er, „um das zu wissen.“ „Bin ich nicht.“ Er schwieg. „Ted Remus Lupin! Weißt du denn nicht, dass ich heute nur auf dich gewartet habe? Die Party, die Geschenke, ist doch alles egal.“ Wenigstens weinte sie nicht. Das war gut. Sie weinte eigentlich nie. Sie war bloß wütend. „Nur für diesen winzigen Moment, die eine Umarmung, die obligatorischen Glückwünsche. Erbärmlich.“ Sie starrte ihn zornig an, er konnte nur hilflos mit den Schultern zucken. „Ich wünschte, es wär anders.“ „Denkst du, ich nicht?“ Er hatte sich ruckartig erhoben, Verzweiflung spiegelte sich in seinem Gesicht. „Verdammt, es ist wirklich nicht leicht, okay? Wie oft würde ich gern-“ „Ja?“ Sein Blick sprach Bände. „Warum tust du es dann nicht einfach?“, flüsterte sie fast flehend. „Es ist nicht richtig.“ „Niemand würde es je erfahren, wenn wir morgen-“, hauchte sie in sein Ohr. Teddy schloss die Augen. Versuchte vergeblich, die Bilder zu verdrängen. Die Vorstellung war zu schön. Um wahr zu sein. Verdammt. „Also, würdest du?“ Er sah sie, in ihrer vollen Schönheit, innerlich wie äußerlich. „Natürlich würde ich.“ Und Lily lächelte. ~ Kapitel 4: Eine Frage des Muts ------------------------------ Jetzt vielleicht. Sie beobachtet ihn schon eine ganze Weile. Sie beobachtet ihn wirklich schon eine ganze Weile. Rose lächelt. Quasi seit dem ersten Schuljahr. Aus beruflichen Gründen, sie hat die Worte ihres Vaters nicht vergessen. Doch er scheint gar nicht den Ehrgeiz zu haben, sich in jeder Prüfung messen zu wollen. Dann aus Neugier. Er ist anders als ihre Cousins. Die sind ohnehin skeptisch. Schwarz und weiß, führen sich auf wie die Könige dieser Welt. Lächerlich. Wenn die wüssten. Sie sieht erneut zu ihm rüber. Ja, jetzt vielleicht. Geradeheraus. „Wenn du wüsstest, dass wir morgen sterben werden, würdest du dann jetzt mit mir schlafen?“ Er runzelt die Stirn. „Wie bitte?“ Zur Sicherheit. Bei ihr weiß man nie. Sie hält seinem Blick stand. Hebt fragend eine Augenraue. Na los. „Wie kommst du da überhaupt drauf?“ Die Antwort interessiert ihn viel eher. „Ist das wirklich wichtig?“ Nimm doch einmal deinen Mut zusammen. „Ich denke schon.“ So nicht. „Nun, ich denke nicht.“ Verdammt. Schweigen. „Kannst du nicht einfach meine Frage beantworten?“ „Ich kann schon, aber ich will nicht.“ Seit wann spielen wir solche Spielchen? „Warum nicht?“ „Deswegen.“ Wie du mir, so ich dir. Schweigen. Rose Weasley ist mit Abstand das seltsamste Mädchen, das ihm je untergekommen ist. Erst will sie sich grundlos akademisch duellieren, jetzt auch noch verbal. Und daraus macht sie nicht mal einen Hehl. Nur von ihrer verrückten Verwandtschaft scheint sie ebenfalls nicht besonders angetan zu sein. Wenn die wüssten. Er grinst verhalten. Neugierig ist er schon. „Nehmen wir mal an, ich würde ja sagen, weil ich mir keine Gelegenheit für Sex vor dem bevorstehenden Tod entgehen ließe - welcher Kerl würde das schon - was sagt dir das dann?“ „Dass wir auf der sicheren Seite sind.“ Und dass du feige bist. Er starrt sie an. „Was meinst du damit, Weasley?“ Du bist doch sonst so clever. „Wenn das der einzige Grund ist, gibt es nichts zu befürchten.“ Schweigen. Idiot. „Und wenn nicht?“, fragt er nach einer Weile. Schweigen. Rose lächelt. „Dann haben wir ein Problem.“ ~ Kapitel 5: Eine wie keine ------------------------- „Sag mal, Dean“, Luna klang verträumt wie eh und je. Er wartete. Nichts. „Ja?“, fragte er schließlich. „Mh?“ Nicht schon wieder. „Du wolltest irgendwas fragen, Luna“, stöhnte Dean genervt. Für einen Moment sahen ihn ihre blauen Augen prüfend an. „Oh ja“, sie schien sich zu erinnern, „Wenn du wüsstest, dass wir morgen sterben werden, würdest du dann jetzt mit mir schlafen?“ Dean ließ sich geschockt gegen die Wand sinken. „Was?“ Luna war wirklich unberechenbar. „Wie kommst du denn jetzt darauf?“ Doch die junge Hexe wirkte schon wieder abwesend und summte vor sich hin. Er vergrub den Kopf in seinen Händen. Er hielt das nicht mehr aus. Wieso war sie nur so verdammt anstrengend? Sie schien vergesslicher als Neville. Wie konnte ausgerechnet sie in Ravenclaw landen? Das musste doch einen Grund haben. Er starrte sie wütend an. Warum konnte sie nicht ein bisschen mehr wie Ginny sein? Unkompliziert, geradeheraus – Ginny, verdammt. Dean wusste, dass er ungerecht war. Die ganze Situation überforderte ihn. Der Krieg, die Flucht. Die Angst. Er war eben nicht Harry, der Held. Verdammt. Aber Ginny wollte ja lieber den Wunderknaben. Und die verfluchte Trennung nagte immer noch an ihm. Die Zweifel, ob er ihr je dasselbe bedeutet hatte. Oder ob – seine Kehle schnürte sich zusammen. Plötzlich spürte er einen sanften Druck auf seinem Kopf. Eine Hand streichelte ihn. Ginny. „Ich weiß.“ Luna. Er schloss die Augen, gab sich für einen Moment der Berührung hin. Nein, eigentlich hatte er sich nicht vorstellen können, Luna körperlich nahe zu kommen. Und er hätte auch nie gedacht, dass sie solche Gedanken überhaupt beschäftigten. In ihrer eigenen Welt. Andererseits – vielleicht? Er hatte bis vor kurzem geglaubt, Ginny würde seine Erste sein. „Hast du denn niemanden, den du magst?“ „Ich mag dich“, kam es verwundert, „Und Harry und Mr Ollivander und Dobby und meinen Vater und– “ „Nein, ich meine, jemanden, den du wirklich magst“, unterbrach er sie. „So wie du Ginevra?“ Er zuckte kurz zusammen. „Ja.“ Sie legte den Kopf schief und dachte nach. Zu persönlich? Dean überlegte, die Frage zurückzuziehen. „Ich mag dich“, wiederholte Luna schließlich. Was auch immer das in ihrer Welt bedeuten mochte. Er entschied, nicht nachzufragen und drückte stattdessen ihre Hand. „Danke.“ „Wofür?“ ~ Kapitel 6: Eine ernste Angelegenheit ------------------------------------ Katie Bell war nervös. Seit einer halben Stunde saß sie im Pub und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Leider wollte ihr das nicht so recht gelingen. Ebenso wenig wie sie verhindern konnte, dass ihr Blick ständig zu der Uhr über dem Tresen schweifte. Quasi im Zweiminutentakt. Sie trommelte ungeduldig mit den Fingern auf das Holz. Wann kam er denn endlich? Und wieso war sie nur so verdammt nervös? Es war doch bloß Oliver. Bloß Oliver. Und nur weil sie damals heimlich für ihn geschwärmt hatte, hieß das noch lange nicht, dass- Ihr Gedankengang wurde von seiner Stimme unterbrochen. „’Tschuldige die Verspätung, das Training hat länger gedauert“, er ließ sich auf den Platz neben ihr fallen. „Kein Problem.“ Er hatte sich wirklich nicht verändert. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass er sie gleich wiedererkannt hatte. Ein gutes Zeichen oder nicht? „Du hast dich kein Stück verändert.“ Das Herz sank ihr wieder. Was sollte das denn heißen? Dass sie immer noch aussah wie eine 14-Jährige? Sie redeten eine Weile über seinen Job, diskutierten die neusten Rennbesen, die katastrophalen Sportreportagen im Tagespropheten, den Trainerwechsel bei den Arrows, das Übliche halt. Alles wie immer. Katie musterte ihn verstohlen. Ja, alles wie gehabt. Sie seufzte schwer. Er schaute sie erwartungsvoll an. Sicher hatte er eine Frage gestellt. Verdammt. „Ehm“, begann sie, „was hast du gesagt?“ „Was glaubst du, wer die Meisterschaft gewinnt?“ „Die Tornados, ganz klar“, antwortete sie im Brustton der Überzeugung. Und vielleicht auch ein bisschen, weil es ihn ärgerte. „Ich wette dagegen.“ „So?“ Sie lehnte sich zurück. Wetten klang doch ganz spannend, da könnte man was draus machen. „United holt den Pokal. Und der Verlierer zahlt die Karten für die nächste Saisonbegegnung der beiden. Deal?“ Sie hatte dabei bloß übersehen, dass es sich um Oliver Wood handelte. Den quidditchbesessensten Menschen aller Zeiten. „Einverstanden?“ Andererseits hätten sie dann nicht sowas wie ein Date? „Gut.“ Wie tief war sie gesunken. Er erklärte irgendwelche Strategien, die ganz sicher die Meisterschaft einbringen würden und sie verlor sich wieder in ihren Gedanken. Ein Date. Wie Alicia und Angelina sich freuen würden. Ihre neckenden Kommentare konnte sie sich zu gut ausmalen. Ach, sieh an, hat er doch noch andere Interessen. Oder eher Bedürfnisse? Mach dir nichts draus, Sex ist schließlich auch ein Sport. Gefolgt von Kichern und vielsagendem Zwinkern. Katie wurde rot. Da bemerkte sie schließlich die Hand, die vor ihrem Gesicht wedelte. „’Tschuldige, wie war die Frage doch gleich?“ Er sah sie verärgert an. Zurecht. „Was ist denn heute nur los mit dir?“ „Hm? Nichts“, beeilte sie sich dann zu sagen, „bin nur etwas müde.“ Nur heute? Wenn er wüsste. Aber er hatte ja keine Ahnung. Unterm Tisch ballte sie wütend die Hand zur Faust. Ihm fiel nie etwas auf, was außerhalb von Quidditch lag. Zwischenmenschlich ein Totalversager, eigentlich nicht überlebensfähig. Was fand sie nur an dem? Katie legte den Kopf schief und betrachte ihn nachdenklich. Seine Augen leuchteten, er redete voller Eifer und gestikulierte dabei wild. Wie ein kleiner Junge. Sie lächelte. Ja, diese Begeisterungsfähigkeit hatte sie von Anfang an fasziniert. Allerdings hoffte sie, dass sie sich nicht nur auf den Sport beschränkte. Ob er sich wohl mit Frauen traf? Sicher, selbst in Hogwarts war es begehrenswert, mit dem Quidditchkapitän auszugehen. Und jetzt spielte er bald Profiliga. Andererseits hatte er keine feste Freundin gehabt, jedenfalls keine, von der sie wusste. Bestimmt hatte er alle Kandidatinnen mit seinem Lieblingsthema in die Flucht geschlagen. Katie seufzte schwer. Sie liebte Quidditch und selbst ihr war 24/7 eindeutig zu viel. Er hielt immer noch seinen Monolog. Und wenn eine einen Weg gefunden hätte, ihn zum Schweigen zu bringen?, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Beim Küssen konnte selbst er nicht mehr reden. Katie sah an sich hinab. Ihr schwarzes Top hatte seine Wirkung verfehlt. Er hatte ihr nicht ein einziges Mal auf den Ausschnitt gestarrt – im Gegensatz zum Rest vom Pub. Dabei war das schon der Wink mit dem Zaunpfahl gewesen. Sie hatte keine Lust mehr zu warten. Jetzt oder nie. Bedächtig rutschte sie näher an ihn ran. Er schien das nicht zu bemerken. Katie streckte sich möglichst unauffällig, verschränkte ihre Arme hinterm Rücken und dehnte die vermeintlich verspannten Glieder. Anschließend legte sie den Kopf zur Seite und massierte ihre nackte Schulter. Gerade als sie überlegte, ob sie ihre Show noch mit einem wohltuenden Seufzen krönen sollte, fing sie den Blick des Barkeepers auf. Der war so vielsagend, dass ihr das Blut in den Kopf schoss und sie ihre Hand eilig wieder sinken ließ. Wie peinlich. Nur Oliver hatte von all dem nichts mitbekommen. Natürlich nicht. Idiot. Selbstvergessen schwafelte er vor sich hin. „Wenn du wüsstest, dass wir morgen sterben werden, würdest du dann jetzt mit mir schlafen?“, fauchte sie aufgebracht. Die Worte waren einfach aus ihrem Mund gekommen. Schnell und unüberlegt. „Wie bitte?“, fragte er sichtlich irritiert, „Was hat das jetzt mit meinen Ausführungen über die Meisterschaft zu tun?“ „Gar nichts“, zischte sie. Konnte er nicht eins und eins zusammenzählen? … Anscheinend nicht. „Schönen Tag noch, Oliver!“ Und damit rauschte sie in Windeseile und mit hochroten Kopf aus dem Pub. Sollte er doch denken, was er wollte. Sie machte sich hier keinesfalls weiter zum Affen. „So ein verdammter Idiot!“ ~ „Das hat sie nicht wirklich gefragt“, George wischte sich die Lachtränen aus den Augen. „Doch“, brummte Oliver verärgert. Seine Freunde waren wahrlich keine große Hilfe. „Katie, Katie.“ George schüttelte amüsiert den Kopf. „Okay“, Lee mühte sich vergeblich, sein Grinsen zu unterdrücken, „und was hast du geantwortet?“ „Geantwortet?“ Sein verdutzter Gesichtsausdruck löste eine neue Lachsalve aus. Oliver spürte, wie er wütend wurde. „Reißt euch mal zusammen, klar! Katie ist vielleicht krank und ihr begreift den Ernst der Lage nicht!“ Nun war es an seinen Freunden, verdutzt zu gucken. „Oliver“, sagte George langsam, „der Einzige, der hier nichts begreift, bist du.“ ~ Kapitel 7: Eine angenehme Fügung -------------------------------- Gelangweilt lasse ich den Blick durch den Saal schweifen. Ein Ball gleicht dem anderen. Dieselben Gesichter, dieselben Gespräche. „Und, hast du dich schon entschieden?“ Ihre Freundlichkeit ist ebenso unecht wie ihre Wimpern. „Aber nein“, flöte ich. „Nun, allzu lange Zeit solltest du dir nicht lassen, Kind.“ Auch mit einem Lächeln kann man Zähne zeigen. Nicht wahr, Mutter. Und Druellas Zähne sind besonders schön. Ich mustere meine vermeintlichen Konkurrentinnen. Wie sie albern kichernd am Buffet stehen. Wie sie hinter vorgehaltener Hand tuscheln. Wie sie mädchenhaft erröten, wenn ein männlicher Blick sie anerkennend streift. Lächerlich. Unwillkürlich rümpfe ich die Nase. Allesamt Dilettantinnen. Und um die machst du dir Sorgen, Mutter. Ernsthaft. Mein Fokus richtet sich nun auf die Heiratskandidaten. Greengrass, Nott, Lestrange und all die anderen. Ich könnte jeden haben. Ich bräuchte mich nicht mal anstrengen. Das macht es ja so unerträglich langweilig. Nott bemerkt meinen Blick und zwinkert mir unauffällig zu. Was bildet der sich ein? Hat man ihm keine Manieren beibringen können? Ich erwidere sein Lächeln nicht, ziehe stattdessen missbilligend eine Augenbraue hoch. Er senkt den Kopf und dreht sich verlegen weg. Geschieht ihm recht. Was erwarte ich denn? Einen, der meinem Blick standhalten kann. So viel Selbstbeherrschung sollte mein Zukünftiger aufbringen können. Mindestens. Ich will mich seiner schließlich nicht schämen müssen. Wo kämen wir da hin. Das sollte doch auch in deinem Sinne sein, oder Mutter. Ich sehe zu ihr rüber. Sie unterhält sich angeregt mit Mrs Greengrass. Ist das deine Wahl? Ihr Sohn ist schnell gefunden, er unterhält sich in einer Ecke mit Malfoy. Und Lucius Malfoy ist mindestens ebenso gelangweilt wie ich. Vielleicht noch eine Spur genervter, immerhin muss er den enormen Redeschwall ertragen. Um meine Mundwinkel zuckt es amüsiert. Lucius sieht flüchtig zu mir rüber. Und ehe ich weiß, wie mir geschieht, steht er plötzlich neben mir. „Du hast gar nichts mehr zu trinken, Narcissa“, stellt er aufmerksam fest. „Was darf ich dir bringen?“ Ganz der übereifrige Gentleman, der er nun einmal ist. „Ein Glas Elfenwein, vielen Dank, sehr liebenswürdig von dir“, bedanke ich mich ordnungsgemäß. Während er zum Buffet eilt, erdolche ich Lucius mit meinen Blicken. Wie konnte er es wagen, Greengrass mir aufzubürden. Eine Unverschämtheit. Er bemerkt meinen Todesblick, verzieht jedoch keine Miene, wendet sich gleichgültig ab. „Bitte sehr.“ Greengrass ist zurück. Ich danke ihm für die Umstände, die er sich meinetwegen gemacht hat. Wohlerzogen, wie ich nun einmal bin. „Gwendoline hat sich nach dir erkundigt“, erwähne ich nahezu beiläufig. Zu meinem Vergnügen wird er rot. „Wirklich?“ „Aber ja. Jeder weiß, dass sie eine Schwäche für dich hat.“ Das war glatt gelogen. Aber ich weiß, dass er eine Schwäche für sie hat. Vielleicht würde er so endlich den Mut aufbringen, sie zum Tanz aufzufordern. Und uns die Scharade ersparen. „Nicht doch.“ Greengrass schaut verlegen auf seine perfekt polierten Schuhspitzen. „Sie scheint ebenfalls nichts zu trinken mehr zu haben, vielleicht solltest du ihr den Dienst erweisen?“ „Meinst du?“ „Aber ja.“ „Und du hast nichts dagegen?“ Er zögerte. Natürlich. Die gute Erziehung verbat, dass man eine Dame einfach stehen ließ. „Selbstverständlich nicht.“ Mit einer Verbeugung verabschiedet er sich hoffnungsvoll. Erbärmlich. Allerdings kann ich mich einer gewissen Genugtuung nicht erwehren, zum einen, weil ich ihn rasch wieder losgeworden bin, zum anderen, weil ich eventuell eine Ehe gestiftet habe. Das würde Mutter gar nicht gefallen. Schadenfreude bleibt doch die schönste Freude. Wie herrlich Druella toben würde, wenn sie von der Verlobung erfuhr. Und auch noch Greengrass, ihr Favorit. Zu schade. Da niemand in der Nähe ist, gestatte ich mir ein hämisches Lächeln. „Dir ist langweilig“, schnarrt seine kalte Stimme plötzlich hinter mir. Mein Lächeln gefriert. Einen losgeworden, einen anderen gewonnen. Wunderbar. „Dir auch einen schönen guten Tag, Lucius“, erwidere ich ebenso eisig. Spöttisch macht er eine halbe Verbeugung. „Wie läuft die Brautschau?“, frage ich desinteressiert. „Wer sagt denn, dass ich auf der Suche bin“, fragt er ungerührt zurück. Wieso sollte er sonst hier sein? Offensichtlich verabscheut er die gesellschaftlichen Pflichten doch ebenso sehr wie ich. Nur dass ich keine Wahl habe. „Hast du nicht dringend einen Erben nötig?“ So als Todesser? „Möchtest du dich um die Stelle bewerben?“ Ich lächle zuckersüß. „Sicher nicht.“ „Lass es mich wissen, wenn du deine Meinung änderst.“ Ich forsche in seinen steifen Zügen nach der Ironie, dem Spott, dem Hohn, weil Mutter mich wie Fleisch verkaufen will. Doch seine Miene bleibt undurchdringlich. „Ich bin nicht die schlechteste Wahl, Narcissa“, sagt er leise. Nein, er ist ebenso gut wie jeder andere hier auch. Er tritt einen Schritt näher an mich heran. Ich recke mein Kinn und richte meinen Blick demonstrativ wieder auf die tanzenden Paare vor uns. Plötzlich spüre ich, wie sein Finger über meinen Handrücken streicht. Ich zucke erschrocken zurück. Aus dem Augenwinkel sehe ich ihn triumphierend die Lippen kräuseln. Unwillkürlich balle ich die Hand zur Faust. „Wovor hast du Angst?“ „Ich habe keine Angst.“ „So?“ Er nickt leicht und wir sehen dem Treiben eine Weile schweigend zu. Ich bohre unterdessen meine Fingernägel so tief in meine Handfläche, dass es schmerzt. Würde er doch endlich gehen. Die Leute redeten sicher bald. Sie hatten ja sonst nichts zu tun. Dieser unverschämte-! Und dann sind seine Finger wieder auf meiner Hand. Mein Körper versteift sich augenblicklich und ich sehe mich nervös um. Nicht auszudenken, wenn das jemand mitbekäme. Doch unsere Schultern berühren sich fast, unsere Hände sind hinter unseren Rücken gut verborgen. „Nimm deine Hand da weg, Malfoy“, presse ich höflich lächelnd hervor. Verdammte Etikette. Statt einer Antwort fährt er mit seinem Finger bedächtig die Konturen meiner Handknöchel nach. „Sofort!“, zische ich, immer noch mühsam lächelnd. Er fängt an, meine Finger nacheinander sanft aber bestimmt aus der Faust zu lösen. „Wieso?“ „Weil es mir missfällt.“ „Du sollst nicht lügen, Narcissa“, wispert er und biegt auch den letzten Finger auf. Die Machtlosigkeit weckt erneut meinen Zorn. Er berührt mich kaum und doch habe ich eine Gänsehaut. Ich wünschte, es würde mir weniger gefallen. Er würde mir weniger gefallen. Der Reiz des Verbotenen. Ich schaue mich verstohlen um. Niemand bemerkt, dass Lucius Malfoy gerade meine Hand massiert. Lucius Malfoy. Nein, sie führen ihre langweiligen Gespräche und nicken eifrig und lächeln dumm. Wenn die wüssten. Ich schließe für einen kurzen Moment meine Augen und konzentriere mich auf Lucius’ Finger. Ja, er weiß genau, was er da tut. Fährt bedächtig auf und ab, malt Kreise und Linien und regt meine Fantasie auf ungehörige Weise an. Ein Zittern fährt durch meinen Körper. Wie sich seine Finger wohl an anderen Stellen meines Körpers anfühlen würden? „Charmant wie du Greengrass vorhin losgeworden bist.“ Und wie sich wohl sein Körper unter meinen Fingern anfühlen würde? Diese unrühmlichen Gedanken lassen mich schamhaft erröten, aber sie ließen sich nicht verdrängen. „Sind deine Komplimente immer so fragwürdig?“ „Nein.“ Ich brauche meine Augen nicht zu öffnen, um sein Lächeln zu sehen. Eine wahre Seltenheit. „Narcissa“, höre ich ihn leise sagen, „wenn du wüsstest, dass-“ Er scheint zu zögern. Oder er macht eine Kunstpause. „Ja?“ Nicht aufhören. „Wenn du wüsstest, dass wir morgen - sterben werden“, ein Schauer jagt mir über den Rücken, „würdest du dann“, sein Finger hält in der Bewegung inne, „würdest du dann jetzt mit mir schlafen?“ „Nur wenn wir verheiratet wären“, platzt es ohne Nachzudenken aus mir heraus. Dann schießt mir das Blut in den Kopf. Nur wenn wir verheiratet wären? Hatte ich vorhin Notts Zwinkern wirklich als obszön empfunden? Dann müsste ich Malfoy jetzt ohrfeigen. Oder auf der Stelle vor Scham sterben. Wenigstens aber in Ohnmacht fallen. Er verschränkt seine Finger mit meinen, ehe ich ihm empört die Hand entziehen kann. „Das ließe sich einrichten.“ Er kommt meinen harschen Widerworten zuvor: „Denk drüber nach.“ Irgendetwas in seinem Tonfall klingt annährend wie eine Bitte, weshalb ich mein Nein für mich behalte. Vorerst. Anschließend drückt er kurz meine Hand und verabschiedet sich höflich. Lucius zieht sich so schnell zurück, wie er gekommen war. Während ich meinen Blick erneut auf die anderen Heiratskandidaten richte, fahre ich wie er zuvor meine Handknöchel nach und kann den Anflug eines Lächelns nicht unterdrücken. Schneid hat er ja. ~ „Mutter, was hältst du eigentlich von Lucius Malfoy?“, frage ich sie drei Wochen später fast beiläufig. Missbilligend schürzt sie ihre Lippen. Die Malfoys hat sie nicht im Griff, die hofierten sie nicht. Die hielten sich gar für ebenbürtig. „Wieso?“ Misstrauisch war sie schon immer. „Sind die Malfoys nicht furchtbar reich?“ „Ja.“ „Reicher als wir?“ Sie schnaubt verächtlich. „Natürlich nicht.“ Das ist glatt gelogen. „Und haben sie nicht unheimlich gute Beziehungen zu einflussreichen Leuten im Ministerium?“ „Das kann durchaus sein.“ Mutter knirscht mit den Zähnen. Sie weiß, dass Diplomatie nie eine Stärke des Hauses Black war. „Und Lucius Malfoy ist Alleinerbe?“ „Soweit ich weiß. Worauf willst du hinaus, Kind?“ Ebenso wenig wie Geduld. „Nun, ich gedenke, ihn zu heiraten.“ Stille. „Hat er dich denn gefragt?“ „Selbstverständlich.“ Stille. „Glückwunsch“, presst Druella schließlich gezwungen lächelnd hervor. Es fügt sich doch eins zum anderen. Nicht wahr, Mutter? ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)