Color of Twilight von Flordelis (Time of Death and Rebirth) ================================================================================ Kapitel 13: Kalt wie Eis ------------------------ Die trüben Straßenlaternen erhellten kaum den Boden. Im Dunkeln war der Mann nur schwer zu erkennen. Er machte dem Namen seiner Organisation wirklich keinerlei Ehre, was seinen Verfolger zwar störte, aber auch nicht weiter kümmern musste. Selbst im Dunkeln konnte er noch etwas sehen, nicht einmal die feinsten Konturen entgingen ihm, dank seiner kleinen Begleiterin. Es machte die Sache nur ein wenig schwerer als es sein müsste. Seine Begleiterin schwebte voraus und wies ihm immer wieder den Weg, wenn er den Verfolgten bereits aus den Augen verloren glaubte. Mit eleganten Bewegungen bewegte der silberhaarige Verfolger sich von Dach zu Dach, den Blick immer zwischen dem Boden und seiner Begleiterin hin und her wechselnd. Schließlich hatte er den Mann, der vermutlich nicht einmal wusste, wer ihn verfolgte, in eine Sackgasse gedrängt. Mit einer lässigen Bewegung sprang er auf den Boden und glich die restliche Distanz aus. „Sieh an, sieh an, wen haben wir denn da?“ Der Verfolgte fuhr herum. Ein blauer Schatten erschien hinter ihm, doch der Silberhaarige kümmerte sich nicht weiter darum. Stattdessen zog er ein silbern glühendes Katana, worauf sämtliche Farbe aus dem Gesicht des Verfolgten wich. „Hey, Mann, das willst du nicht wirklich tun, oder?“ Ein feines Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Silberhaarigen aus. „Doch, will ich.“ „Aber, hey, Zetsu, sind wir nicht... Kumpel oder so?“ Amüsiert hob Zetsu eine Augenbraue. „Kumpel? Seit wann denn das? Ich habe keine Freunde und brauche auch keine. Besonders nicht, wenn sie zu den Bringern des Lichts gehören.“ Der Verfolgte wich weiter zurück. Seine Hilflosigkeit war ihm deutlich anzusehen, auch das seltsame Shinjuu in seinem Rücken schien ihm nicht helfen zu können. „Wenn du still hältst, wird es auch nicht wehtun.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, wurde er von einer kaum sichtbaren Bewegung Zetsus getroffen. Im nächsten Moment löste sich sein Gegenüber in Manafunken auf, die ihn mit neuer Kraft erfüllten. Das fremde Shinjuu war verschwunden. Wir haben einmal miteinander gesprochen. Wie kommt der Kerl zu der Annahme, dass wir Freunde sind? Nanashi setzte sich auf seine Schulter, sie applaudierte. „Sehr gut gemacht, Meister.“ „Kleinigkeit“, erwiderte er arrogant. Aus dem süßen kleinen Jungen von damals war ein gutaussehender Jugendlicher geworden, der sein langes silbernes Haar in einem Pferdeschwanz trug und immer einen lockeren Spruch parat hielt. Er zog ein Dokument und eine Feder aus seiner Tasche. Auf dem Dokument standen fein säuberlich unzählige Namen in winzigkleiner Schrift verfasst. Die meisten waren bereits durchgestrichen, die anderen Namen dagegen wurden neugierig von ihm gemustert, um sein aktuelles Opfer zu finden. Schließlich erblickte er ihn. Mit einem zutiefst befriedigenden Gefühl strich er auch diesen Namen durch. Es blieben zwar immer noch einige zurück, aber diese würde er auch noch ohne Probleme schaffen – zumindest glaube er das. Aber es gab auch keinen Grund, das zu bezweifeln. Plötzlich verfinsterte sich sein Gesicht. Er verfolgte die Bringer des Lichts, um sich für den Mord an Jinmu zu rächen, aber zwischen all diesen unzähligen Gesichtern in den letzten fünf Jahren, war der Richtige noch nicht dabei gewesen. Zetsu hatte das Gesicht und das Shinjuu dieses Mannes nie vergessen, lediglich seinen Namen kannte er nicht, weswegen er die ganze lange Liste durchgehen musste. Die Liste, die er durch einen Zufall bei einem Kampf gegen ein Mitglied hatte ergattern können und die ihm dabei half, den Überblick zu behalten. „Bei meinem Glück ist es wirklich der Letzte auf den ich treffen werde“, meinte er trocken. „Seid doch nicht so negativ, Meister“, bat Nanashi. „Bestimmt ist der nächste, den wir treffen der Mörder von Jinmu.“ Er lachte, aber es war anders als sein früheres Lachen. Es war nicht mehr frei und unbeschwert, es war kalt, trocken und schien mehr eine erzwungene Maßnahme zu sein. „Das sagst du jedesmal, Nanashi.“ Empört pumpte sie Luft in ihre Backen. „Dann werde ich irgendwann auch einmal Recht haben!“ „Ja“, stimmte er schmunzelnd zu. „Spätestens, wenn nur noch ein Name auf der Liste ist.“ Die Möglichkeit, dass der Gesuchte aus welchem Grund auch immer, nicht gelistet sein könnte, wollte er gar nicht erst in Betracht ziehen. Sein Dickkopf ließ so etwas nicht zu. Er bückte sich noch einmal, um etwas aufzuheben. Schließlich wandte er Nanashi seinen Kopf zu. „Wollen wir dann?“ Sie nickte. Zetsu trat auf die Straße, auf der das Leben weiterging als ob nie etwas geschehen wäre. In unregelmäßigen Abständen fuhren Autos an ihm vorbei. Es war eine ruhige Gegend, aber von einer Straße mehrere Blocks entfernt, hörte er den tosenden Verkehrslärm der Rush Hour. Es war schwer für ihn gewesen, sich mit solchen Dingen anzufreunden, mit dem Lärm, dem Gestank und der Gefahr, die von solchen Dingen ausging. In fünf Jahren hatte er so viel in so vielen verschiedenen Welten lernen müssen, dass er stellenweise das Gefühl gehabt hatte, dass sein Gehirn überlaufen oder explodieren würde. Glücklicherweise war nichts von beidem geschehen, dafür hatte er schnell gelernt, sich anzupassen, egal, was er in einer neuen Welt vorfand. Seit er nicht mehr klein und süß war, musste er noch dazu in jeder Welt zusehen, dass er irgendwie an Geld kam, um zu essen und zu schlafen – und nebenbei musste er einen Bringer des Lichts finden und diesen zur Strecke bringen. In dieser Welt hatte er zu seinem Glück beide Pflichten miteinander vereinbaren können. Zetsu betrat die kleine Bar in einer Seitengasse. Verrauchte Luft und stimmungsvolle Klaviermusik empfing ihn. Trübes Licht ließ die traurigen Gestalten vergessen, wie erbärmlich sie sich normalerweise fühlten, in einer Ecke stand ein großer Flügel, an dem sich ein Pianist mit geschlossenen Augen seinem Spiel hingab. Noch immer bewunderte Zetsu ihn dafür. Er konnte keinerlei Instrumente spielen oder sich gar einer solchen Leidenschaft rühmen. Wenn überhaupt, dann übte er das Kämpfen fast schon leidenschaftlich aus, aber es war keinerlei schöne Kunst so wie dieses Klavierspiel. Er sah sich weiter um und entdeckte die gesuchte Person schließlich an der Bar sitzend, auf demselben Hocker wie bei seinem letzten Besuch. Spontan stellte er sich die Frage, ob sie überhaupt nach Hause gegangen war – und wie er bemerkte, ging es Nanashi ähnlich: „Glaubt Ihr, sie wohnt hier?“ Ich glaube kaum. Schau, ihre Kleidung ist anders als zuvor. Sie hat sich also umgezogen. „Stimmt...“ Geschlagen verstummte sie wieder. Zetsu ging näher an die Frau heran, die sofort aufsah. Als sie ihn erkannte, lächelte sie verführerisch. „Ah, wenn das nicht der Silberjunge ist~ Na? Hat alles funktioniert wie es sollte?“ Betont lässig zog er den Gegenstand von vorhin aus seiner Tasche und legte diesen auf den Tresen. Es war ein oval geschnittenes goldenes Amulett an einer hauchdünnen Kette. Die Frau nahm den Anhänger an sich und betrachtete ihn aufmerksam von allen Seiten. Ihr Gesicht hellte sich merklich auf. „Ah~ Genau das ist es. Du hast ihn wohl wirklich getötet, was?“ „Natürlich“, antwortete Zetsu tonlos. „Was hätte ich sonst tun sollen? Ihn freundlich bitten, mir den Gegenstand zu geben und so zu tun als wäre er tot?“ „So lustig wie immer.“ Sie kicherte leise. „Und was will mein Held jetzt als Belohnung?“ Demonstrativ streckte sie ihre Brust raus, so dass diese noch größer erschien als ohnehin schon. Zetsu rollte mit den Augen, aber sie tat als würde sie das nicht bemerken. „Du kannst entweder mich haben und eine aufregende, unvergessliche Nacht erleben...“ Um ihre Aussage zu unterstreichen, zwinkerte sie ihm verführerisch zu, was er mit einem erneuten Augenrollen quittierte. „Oder du nimmst mein langweiliges, ödes Geld, das du für absolute langweilige Dinge ausgeben kannst.“ Erwartungsvoll sah sie ihn an, in ihren Augen war eine seltsame Form von Hunger zu sehen. Zetsu blieb von diesem Anblick völlig kalt. „Ich nehme Geld, danke.“ Sie wirkte leicht verärgert, versuchte es aber noch einmal mit ihren Reizen, indem sie sich diesmal vorbeugte, damit er besser in ihren Ausschnitt sehen konnte. Doch auch dieser Anblick brachte Zetsu nicht aus der Ruhe. „Also, was willst du?“ „Das Geld“, erwiderte er trocken. Ihr entfuhr ein genervtes Seufzen, als sie sich wieder aufrecht hinstellte. Sie griff in ihre Tasche und knallte ein Bündel Scheine, das sie daraus hervorzog, auf den Tresen. „Erstick doch dran!“, knurrte sie, bevor sie mit dem Amulett in der Hand und hoch erhobenen Hauptes aus der Bar rauschte. Nanashi sah ihr fragend hinterher, doch Zetsu kümmerte sich nicht weiter darum. Als ob nichts geschehen wäre, zählte er die Scheine durch, bis er schließlich feststellte, dass es die richtige Summe war und sie einsteckte. „Hast du Hunger, Nanashi?“ Seine plötzliche Frage riss das Shinjuu aus ihren eigenen Gedanken. „Äh, was?“ Er lächelte warm, als sie ihn ansah, der absolute Kontrast zu seiner Gefühlskälte vorhin. „Hast du Hunger?“, wiederholte er seine Frage sanft. „Nein“, antwortete sie perplex. „Ihr wisst doch, dass Shinjuu nichts essen, Meister.“ Zetsu wandte sich dem Ausgang der Bar zu. „Vielleicht solltest du damit anfangen. Du verpasst ziemlich vieles, wenn du nichts isst.“ „Ich werde darüber nachdenken.“ Er verließ die Bar und betrat die Hauptstraße. Kaum setzte er einen Fuß darauf, wurden sie von Menschenmassen, lauten Geräuschen und grellen Lichtern umringt. Als ob jemand einfach einen Schalter umgelegt hätte. Zetsu lächelte nach wie vor, während er zwischen den Leuten hindurchlief. Ihn schockierte diese Masse nicht, er schien es sogar regelrecht zu genießen, was Nanashi absolut nicht verstehen konnte. Aber das lag möglicherweise auch an der Tatsache, dass sie um einiges kleiner war als er, so dass ihr die Menschen umso größer vorkamen. Erst als sie wieder in einen ruhigeren Bereich der Stadt kamen, entspannte das Shinjuu sich wieder. Zetsu steuerte direkt auf eine Ramenbude zu, die absolut fehl am Platz zu sein schien. Warmes Licht, so wie das Lachen vieler Menschen strömte daraus hervor und lud ihn geradezu dazu ein, sich dazuzusetzen und zu essen – was er auch sofort tat. Obwohl er keinen der Gäste kannte, wurde er sofort herzlich empfangen und in die Gespräche eingebunden. Nanashi betrachtete ihn dabei interessiert. Obwohl er lächelte, lachte und scherzte, schien das nur eine aufgesetzte Fassade zu sein hinter der sich Gleichgültigkeit verbarg. Sie wünschte, er würde das nicht tun, doch er hatte schon lange auf gehört, auf sie zu hören und ihr auch unmissverständlich klargemacht, dass sie auf ihn zu hören hätte und nicht umgekehrt. Seitdem schwieg sie dazu. Aus dem süßen kleinen Jungen von einst war ein arroganter eiskalter Jugendliche geworden. Hin und wieder wurde sein Verhalten von Phasen der Warmherzigkeit durchbrochen, aber er kehrte immer wieder zu seinem gleichgültigen Selbst zurück. Er sprach zwar immer wieder von Rache, doch langsam fragte Nanashi sich, ob in ihm nicht vielleicht einfach nur der Drang zum Töten erwacht war und ihn immer weiter nach vorne drängte. Aber was sollte sie tun? Sie war nur sein Shinjuu und hatte ihm zu gehorchen, komme was wolle. Nach dem Essen bezahlte Zetsu und verließ mit einem letzten Gruß die Bude wieder. „Was wollen wir jetzt tun, Meister?“ Nanashi schwebte wieder neben ihm und sah ihn gespannt an. Er dachte nach, während er weiterlief. „Ich glaube kaum, dass wir hier noch einen Bringer des Lichts finden. Wir sollten weiterziehen, sobald ich mich ausgeruht habe.“ Sie deutete eine Verbeugung an. „Sehr wohl, Meister.“ Er schenkte ihr noch einmal ein Lächeln, bevor seine Miene sich wieder verfinsterte. Wieder einmal trat er auf die belebte Straße, um sich seinen Weg zu einem Hotel zu bahnen, dort endlich in ein weiches Bett zu fallen und bis zum nächsten Morgen durchzuschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)