Eragon - Kind des Mondes von Lawlya (Murtagh x OC) ================================================================================ Kapitel 7: Koda --------------- Das nächste Kapitel wird leider etwas kurz. Das kürzeste, das ich bis jetzt geschrieben habe (Ausnahme ist natürlich der Prolog ^__^) Dafür hat es aber einen wunderbaren Cliff-Hanger ... Glaub ich zumindest xDD Ich wollte es einfach teilen, es hat gerade so gut gepasst. Also nicht böse sein, wenn es kurz wird. Oder der zweite Teil ewig auf sich warten lässt (was eigentlich nicht passieren sollte, es wird langsam Zeit *kryptische Voraussage tätigt*) Ach so, und noch etwas: Bitte keine Spoiler zum vierten Teil. Ich warte auf den Schuber, mit dem ich alle vier Bände bekomme und werde ihn vorher auch nicht lesen!!! Vermutlich werde ich mit dem vierten Band sogar erst anfangen, wenn ich diese FF beendet habe (sonst sind alle Ideen futsch xD). DANKE!!! PS: Wenn der Anfang euch zu lang ist, überspringt einfach ein bisschen. Ich hab das so dahingeschrieben und konnte mich nicht entscheiden, es zu löschen (Und J.R. Ward sagt, man soll auf sein Bauchgefühl hören!!) xDD _________________________________________________________________________________ Während Araya noch versuchte, die Tatsache zu verarbeiten, dass wegen ihr drei Menschen sterben würden – durch Murtaghs Hand –, langweilte sich Dorn wohl, denn der große Drache war eingeschlafen und überließ sie ihren eigenen Gedanken. Diese Dienerin hatte sie selbst als Bedrohung angesehen, weil sie in Murtagh verliebt war. Aber Araya war es selbst nach langem reflektieren unmöglich zu ergründen, warum das Mädchen sie für interessant gehalten hatte. Araya spitzte nachdenklich die Lippen. Vielleicht hatte sie es ja daraus geschlossen, dass Murtagh so viel mit ihr zusammen war? Was allerdings lächerlich war, immerhin hatte sie keine Ausweichmöglichkeiten. Allerdings hätte sie auch kaum Murtagh befehlen können, sich ihr nicht mehr so oft zu nähern. Araya legte den Kopf auf die rechte Seite. Sie versuchte, sich vorzustellen, was sie getan hätte, wenn sich jemand dem Mann genähert hätte, in den sie verliebt war. Wenn er mehr Zeit mit ihr verbrächte als mit Araya selbst. Doch bald musste sie feststellen, dass das für sie unmöglich war. Arayas gespitzte Lippen entwickelten sich zu einem Schmollmund. Im Gegensatz zu dieser Dienerin hier musste sie jedes Mädchen fürchten, dass sie ebenjenem Mann näherte. Sie musste immer befürchten, nicht mehr zu genügen. Aber vielleicht hatte diese Dienerin auch einfach befürchtet, Murtagh könnte erst gefallen an ihr finden, weil sie fremd war, und sie ihr dann vorziehen. Was ebenso undenkbar war, immerhin hatten er und das Mädchen offensichtlich gar keine engere Beziehung. Andernfalls würde Murtagh sie doch niemals mit solch vehementer Wut zur Verantwortung ziehen wollen. Es sei denn, er besäße einen krankhaft stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Und Araya wusste, dass dem nicht so war. Sie seufzte tief. Nicht nur Dorn war langweilig, aber im Gegensatz zu ihm konnte sie nicht so einfach einschlafen. Ihr schwirrten viel zu viele Gedanken im Kopf herum. Nicht zuletzt, ob es Murtagh mit seinen Verletzungen wohl bald wieder gutgehen würde, und wie sie weiterhin seine Geheimnisse vor dem König schützen könnten. Und natürlich spukte ihr jetzt, wo das Adrenalin wieder aus ihrem Körper gespült war und ihr Blut nicht mehr zum Kochen brachte, Murtaghs seltsam schwermütiges Gesicht im Geiste herum. Sie hatte sich bei ihm bedankt, doch trotz seines Lächelns schien ihn irgendetwas zu belasten. Er hatte sie dabei angesehen, war sie also der Grund für seine Sorgen? Oder was auch immer es gewesen war … Abermals seufzend schaute sie an die Decke des Horts, von wo aus das künstliche Licht auf sie herabschien. Und musste dabei unwillkürlich lächeln, als Araya an ein Sprichwort dachte, das ihr ihr Bruder einmal gesagt hatte. Mit jedem Seufzer verliere man ein kleines Stück seines eigenen Glücks. Ihr Bruder hatte sich so etwas immer sehr zu Herzen genommen. Er hatte Seufzer tunlichst gemieden, um der glücklichste Mensch auf Erden zu werden. Araya konnte gar nicht anders, als laut zu lachen, als sie an seine enthusiastische Stimme dachte, die ihr seine kleine Weisheit erzählte. Er hatte sie immer irgendwie zum Lachen gebracht. Selbst jetzt noch, als er mit großer Wahrscheinlichkeit längst tot war. Wie alle anderen auch. Außer Saliha natürlich. Und irgendwie wurde Araya das Gefühl nicht los, dass Saliha im Moment eine Art Anker im Leben für sie war. Sie hatte keine Ahnung, wie sie sich eine Welt ohne ihre beste Freundin vorstellen sollte. Und das wollte sie auch gar nicht. Nicht einmal für einen kurzen Moment auch nur versuchen. Dann wäre alles weg. Alles in weite Ferne gerückt. Alles aus ihrem früheren Leben. Araya vermutete stark, dass sie ohne Saliha untergehen würde. Ihr Magen holte sie aus ihren Gedanken. Was nicht verwunderlich war. Immerhin hatte sie weder gefrühstückt – das hatten Murtaghs Verletzungen in den Hintergrund gerückt – noch auch nur den kleinsten Happen zwischen die Zähne bekommen. Dann noch die ganze Aufregung und Anstrengung. Und inzwischen war es bestimmt schon Mittag. Aber wer sollte ihr denn jetzt schon noch etwas zu Essen bringen? Ihre Dienerin war ja gerade dabei, angeklagt und bestraft zu werden … Nun ja, einen Tag ohne Nahrung sollte Araya eigentlich nichts ausmachen. Immerhin bekam man als normaler Bauer auch nicht immer jeden Tag etwas. Wenn die Ernte missglückte, konnte man nur von der Milch des Viehs leben. Oder teuer Nahrung im Dorf kaufen, denn andere Ernten waren bestimmt genauso schlecht ausgefallen. Wasser hatte sie ja genügend zur Verfügung. Wenn es zu sehr schmerzte, könnte sie ihren Magen immer noch mit Wasser beschäftigen. Auch, wenn Milch eindeutig besser funktionierte, da sie wenigstens etwas nahrhaftes Protein und Fett enthielt. Mit diesen Gedanken verharrte Araya bis zum Abend. Wie erwartet hatte keiner an sie gedacht. Was sie ja nicht sonderlich kurios war, immerhin war Murtagh beschäftig gewesen und dann sicherlich wie tot in den Schlaf gesunken. Er hätte sich mit seinen Verletzungen sowieso eher schonen sollen. Zwischendurch hatten sie die Krämpfe ihres Magens wirklich so sehr genervt, dass sie ihn mit Wasser beruhigt hatte. Auch, um Dorn nicht unnötig zu wecken. Obwohl es völlig sinnlos war, schaute Araya prüfend nach oben an die höhlenartige Decke des Drachenhorts. Ob es wohl schon dunkel war? Über die ganze Aufregung heute hatte sie keinesfalls den Vollmond vergessen. Auch, wenn sie keine rituellen Kräuter verbrennen konnte, sollte sie doch zumindest ein improvisiertes Gebet sprechen. Vielleicht wäre der Zorn der Göttin dann schon etwas besänftigt und sie würde sie nicht vollständig ignorieren. Mit diesen Gedanken erhob sich Araya und wünschte, sie könnte wenigstens so tun, als wolle sie etwas verbrennen. Aber es gab weder Holz noch sonst irgendetwas, womit man ein Feuer entzünden konnte. Sah man von dem großen Drachen ab, versteht sich. Und außerdem wollte sie sich eigentlich nicht selbst aus dem Hort ausräuchern, selbst wenn es irgendwo einen zweiten Ausgang gab. Sie streckte die Arme auf Taillenhöhe leicht angewinkelt aus, mit den Handflächen gerade nach oben. Es sah aus, als würde sie sich in die Sonne stellen und die Strahlen auf Gesicht, Armen und Oberkörper genießen. Im Grunde war das auch der Sinn der Haltung, nur ging es dabei nicht um Sonnenstrahlen. Araya hob das Gesicht weiter gen Decke und legte somit auch ihren Hals frei. Wäre der Felsen und das darüber liegende Gebäude nicht im Weg, hoffte sie, in den Mond zu schauen. Dann schloss sie die Augen und begann, mit feierlicher Stimme zu sprechen. „Dear goddess. I apologize for giving your herbs to a friend of mine but he was hurt and I wanted to help him. I hope you’ll forgive me. I’m in a foreign country now and can’t see you. I can’t even see the sky and your beautiful vestment called stars.“ Dorn regte sich. Anscheinend wunderte er sich, was sie hier redete, doch Araya schenkte ihm kaum Beachtung. Sie musste ihre Situation ausreichend erklären! „I don’t have a favour to ask of you for myself but for this friend of mine I told you before. He’s chained up by a man who’s forcing him to fight against his half-brother as well as against his human values. I don’t want him to be sad about this because he diverts me from my own situation. I’m happy in some way. Furthermore, I don’t want him to be harmed. Please protect him, that’s my wish. Thus it is.” Jetzt, wo sie allein war und nur Dorn ihr zusah, konnte sie eine der vielen Tränen, die sie heute schon zurückgehalten hatte, fließen lassen. Sie ließ sie als Beweis ihrer Aufrichtigkeit Louise gegenüber frei, und weil sie bedauerte, ihr nicht ins Antlitz sehen zu können. Eigentlich wollte sie nicht mehr weinen. Sie war es leid, so schwach zu sein, so verletzlich. Und umso entblößter fühlte Araya sich, weil sie genau wusste, dass Dorn ihre Tränen nicht vor Murtagh verheimlichen würde. Sie kehrte nur langsam zu ihrem Schlafplatz zurück, hoffte, irgendein Zeichen zu bekommen, dass man ihr verzieh und sie gehört hatte. Doch als sie vor dem dunklen Flecken plattgelegener Erde stand, war noch nichts geschehen. In der Hoffnung, vielleicht im Traum – sollte sie je wieder einen anderen als über diese Eishölle haben – eine Antwort zu finden, ließ sie sich langsam darauf nieder. Sie sollte Murtagh morgen fragen, ob er ihr Decken geben konnte, immerhin ruinierte sie sich so nicht nur ihren Körper, sondern auch noch ihre Gesundheit. Dann schloss Araya die Augen und versuchte, an nichts mehr zu denken. Die Göttin würde doch zu ihr kommen, oder? Dieses Mal weckte sie niemand. Aber sie träumte weder gut noch von ihrer Göttin. Es war der altbewährte Traum, der sie heimsuchte, und Araya war zutiefst enttäuscht, als sie ohne Antwort von Louise zitternd auf dem Boden erwachte. Hatte sie ihre Mondgöttin derart verärgert, dass sie nicht einmal mehr Bitten annahm, die gar nichts mit ihr selbst zu tun hatten? Ihre Mutter hatte Araya immer erzählt, Louise würde selbst Wünsche von Ketzern erfüllen, bäten die nur um das Glück eines anderen. War ihr Anliegen noch zu selbstsüchtig gewesen? Immerhin würde auch sie glücklich sein, wenn Murtagh nichts geschah. Sie hatte es ja selbst gesagt. Er lenkte sie von ihrem eigenen Schicksal ab: Hier gefangen zu sein und sich nicht einmal frei bewegen zu können. Nirgends. Seine Anwesenheit gab ihr Trost. Im Grunde teilten sie ihre Sorgen. Sei beide waren gefangen. Murtagh körperlich und seelisch, sie allerdings nur physisch. Allein deswegen hatte sie kein Recht, sich zu beschweren. Araya stolperte zu dem kleinen unterirdischen Fluss. Prüfend roch sie an ihrem Kleid und stellte fest, dass es wohl mal wieder Zeit war, sich nicht nur auf eine schnelle Wäsche zu verlassen. Immerhin schlief sie nicht nur in dem Ding, sondern lief damit den ganzen Tag herum. Leider konnte sie das Kleidungsstück nicht gleich mitwaschen, weil sie dann nackt herumlaufen müsste. Und das war ihr vor Dorn schon zu peinlich. Murtagh würde bestimmt auch vorbeikommen. Also zog sie es sich schnell über den Kopf, entledigte sich außerdem ihrer Unterwäsche und stieg so schnell es ihre zittrigen Beine zuließen, in den Fluss. Ihre Temperaturempfindung änderte sich – ihr wurde kalt –, aber das Zittern blieb dasselbe. Nur ein weiterer Beweis, wie sehr dieser seltsame Traum allmählich ihrem Körper zusetzte. Fahrig strich Araya mit den Händen über ihren Körper, um ihn vom gröbsten Schmutz zu befreien. Für den Rest blieb ihr nichts Anderes übrig, als ihn aufweichen zu lassen und zu hoffen, dass der Fluss ihn abspülte. Doch langsam aber sich hielt sie die Kälte nicht mehr aus! Um ihren Körper ein wenig zu überlisten und von ihren restlichen, schon ein wenig tauben Gliedern abzulenken, tauchte sie schnell unter Wasser. Nun war sie ganz auf ihr kaltes Gesicht konzentriert. Dadurch gewann sie einige Sekunde, bis sie die Kälte nicht mehr aushielt und keuchend wieder auftauchte. „Ah, da seid Ihr!“, ertönte plötzlich eine männliche Stimme ganz in ihrer Nähe. Erschrocken wirbelte Araya herum und erkannte eine sich vor ihr abzeichnende Silhouette. Die genau am Ufer des kleinen Flusses stand. Schreiend, ja schon kreischend, brach Araya den Versuch, aus dem Fluss zu steigen, augenblicklich ab und wich einige Schritte zurück, um sich mit dem Wasser zu bedecken. Das war ganz sicher nicht Murtagh! Araya erkannte etwas in seinen Händen, das nach Kleidung aussah. Vielleicht wurde ihr neue gebracht. Doch als sie den Boden absuchte, fand sie ihr getragenes Kleid nicht mehr. Er hatte es weggenommen. Araya zählte eins und eins zusammen und fauchte: „Verschwindet! Und lasst mein Kleid dort liegen!“ Sie schlotterte schon am ganzen Körper. Und Araya befürchtete, wenn er nicht bald gehen würde, zwänge die Kälte sie, vor seinen Augen aus dem Wasser zu steigen. Was sie nur über ihre Leiche tun würde – metaphorisch gesprochen natürlich. Denn Todessehnsucht hatte Araya eigentlich noch nicht. „Aber, aber … ich fand dieses Kleid und dachte, ich könnte Euch beim Ankleiden helfen. Wie es einer Dame gebührt“, erwiderte dieser fremde Mann mit einem höhnischen Lächeln. Sie sah es zwar nicht, aber man hörte es der Stimme an. Inzwischen schlugen schon ihre Zähne vor Kälte aufeinander. „Braucht Ihr nicht, und jetzt geht bitte!“, antwortete sie in einem so freundlichen Ton, wie es ihr noch möglich war. Allerdings bedeutete das nicht viel, denn sie klang immer noch ziemlich schroff. Und dann traute Araya ihren Augen nicht. Dieser Mann hatte tatsächlich die Nerven, den Kopf zu schütteln? „Es gibt auch noch ein kleines Morgenmahl für Euch. Das wollt ihr doch nicht verpassen, oder? Also kommt heraus oder ich nehme beides wieder mit!“ Arayas Augen weiteten sich. Beides? Mit dem Essen konnte sie leben, sie hätte ja Murtagh fragen können, ob er ihr etwas abgab. Aber das Kleid?! Wie konnte er nur! Sie musste sich geschlagen geben, immerhin brauchte sie ja Kleidung. Aber wer wusste schon, wozu er sie noch nötigen würde, wenn er erst Blut geleckt hatte? Allein aus diesem Grund schüttelte Araya den Kopf. Sie spürte ihre Zehen schon nicht mehr und hatte beide Arme um den Körper geschlungen, um sich wenigstens ein wenig zu wärmen. Sie war verzweifelt. Was sollte sie tun? Als der Diener, denn als nichts Anderes hatte sie ihn identifiziert – bei ihrem Pech war er ihr zugeteilt worden –, sich zum Gehen wandte, entkam Araya ein Schreckenslaut. Er drehte sich ihr wieder zu. „Ja?“, fragte er scheinheilig. „Habt Ihr es Euch anders überlegt?“ Sie konnte nicht mehr. Ihr war zu kalt. Die einzige Hoffnung, auf die sie bauen konnte, war, dass er nicht viel von ihr würde erkennen können, immerhin war es stockduster hier und sie selbst konnte nur Schemen von ihm sehen. Mit einem leisen, plätschernden Geräusch stieg Araya zitternd aus dem Wasser. Der Diener trat näher an sie heran, sodass sie seine Körperwärme spüren konnte. Doch anstatt sich über die Wärmequelle zu freuen, verstärkten sich die Schauder, die über ihre Haut zogen durch ihren Widerwillen, diesem Menschen nahe zu sein. Er stellte den mitgebrachten Korb ab und streckte die Hand nach ihr aus. Fast instinktiv wich Araya einen Schritt zurück und fixierte das Kleid in seinen Händen. „Wisst Ihr, ich sehe ja gar nichts. Wie fändet Ihr es, wenn wir ein wenig näher an die Lichtquelle gehen würden?“, fragte er bedauernd und versuchte, sie zu packen. Araya wich einen weiteren Schritt zurück und somit seiner Hand aus. Sie musste sich auf die Unterlippe beißen, um einen unflätigen Kommentar zurückzuhalten. Und fragte sich gleichzeitig, wo zum Teufel Dorn war, denn wenn dieser Diener dermaßen weit ging, gab es im Augenblick bestimmt keine Zeugen. Ihre Frage beantwortete sich, als die Pforte zum Hort mit einem vernehmlichen Geräusch aufglitt. Der Diener vor ihr zischte einen Fluch und warf ihr schließlich das weiße Kleid herüber. Araya fing es auf, doch dadurch verriet sie ihm, wo sie sich befand. Blitzschnell war er an ihrer Seite, griff ihr an die Kehle und brachte seinen Mund ganz nah an ihr Ohr. „Kein Wort, zu niemandem, hörst du! Du bist hier gar nichts wert, vergiss das nicht. Nur ein billiger Zeitvertreib für Leute wie mich, die »unausgelastet« sind, wenn du verstehst!“ Mit diesen Worten ließ er sie los und trat aus den Schatten, noch bevor die Neuankömmlinge den Ein- und Ausgang passiert hatten. Araya starrte ihn mit großen Augen an. »Unausgelastet«? Was meinte er damit? Beim Gehen wandte er ihr noch einmal das Gesicht zu und sie erkannte ungewöhnlich feine Züge für einen Mann. Er hatte relativ dunkle Haut, schwarze kurzgeschorene Haare und stechend giftgrüne Augen. Ihr schauderte. Er grinste noch einmal in ihre Richtung, dann wandte er sich endgültig dem Ausgang zu. Blitzschnell hatte Araya ihr Kleid übergezogen und den Korb ergriffen. Gerade, als Murtagh und der neue Diener aneinander vorbeigingen und er dem Drachen Platz machte, trat Araya aus den Schatten. Murtagh hatte sie unwissentlich schon wieder gerettet. Vor was auch immer, aber sicher vor einer großen Peinlichkeit. Doch als der Diene an Murtagh vorbeiging, starrte er den anderen Mann misstrauisch an. Er schien ihn zu kennen. Als Antwort darauf verneigte der andere sich und verließ schließlich den Hort. „Guten Morgen!“, rief Araya zu ihm hinüber, um ihn von dem Mann abzulenken. Sie ergriff den Korb an ihrer rechten Seite mit beiden Händen und näherte sich dem Drachenreiter. Allmählich wurde er wirklich schwer. Was hatte dieser komische Kerl da hineingetan? Es funktionierte. Murtagh wandte sich von dem Besucher ab und blickte zu ihr. Araya rang sich ein Lächeln ab und versuchte zu verdrängen, in was für eine Situation er da gestolpert war. Dorn hatte es seinem Reiter gleichgetan und stieß nun ein Knurren in Richtung des Ausgangs aus. Dann schaute er neugierig – soweit sie das in seinen Augen ablesen konnte – zu ihr. Sie wusste nicht, was die Neugier galt, dem Korb in ihrer Hand oder den Vorkommnissen gestern Nacht. Allerdings zweifelte Araya nicht, dass Murtagh Bescheid wusste. Soweit sie das bisher gesehen hatte, hatten die beiden keine Geheimnisse voreinander. Was sich Araya sehr beruhigend vorstellte. Immerhin war man nie wirklich allein oder einsam. Ihre Vermutung bestätigte sich nur, als Murtagh auf Dorns Beobachtungen zu sprechen kam. „Dorn hat mir erzählt, du hättest in der Nach mit dem Fels gesprochen“, begann Murtagh. Araya verzog das Gesicht. Mit einem Felsen geredet? „Ich habe gebetet!“, erwiderte sie etwas zu aufbrausend, aber was sollte das denn für eine Beschreibung sein? Aber Murtagh lächelte nur. „Ja, ich weiß. Aber ich habe leider wie immer nichts verstanden.“ Was ihr ganz recht war. Immerhin musste er nicht unbedingt wissen, dass sie für sein Heil betete. Er würde es ihr nur vorwerfen und sagen, er bräuchte keine Unterstützung von diesem »Unsinn«. Aber er erwartete anscheinend auch gar keine Antwort, denn Murtagh fuhr unbeirrt fort: „Dieser Diener eben …“ Araya verzog das Gesicht. Musste er das zur Sprache bringen? „Anscheinend wurde er mir neu zugeteilt“, antwortete sie hastig, um das Thema so schnell es ging zu beenden, doch Murtagh schien nicht gewillt, es fallenzulassen. „Nimm dich vor ihm in Acht. Er hat nicht den besten Ruf.“ Ja, das hatte sie auch schon in Erfahrung gebracht. Aber sie wollte nicht weiter über ihn reden. „Was meinst du, wollen wir sehen, was ich heute zum Speisen bekommen habe?“, fragte sie lächelnd und hielt wie zur Unterstützung den Korb in die Höhe. Sie musste ihn allerdings fast sofort wieder sinken lassen, weil er zu schwer für sie war. Murtaghs skeptischer Blick glitt über sie, dann schien er sich entschieden zu haben. „Dann her damit.“ Er streckte die Hand aus und nahm ihr ihn ab. Dann sah er sie noch einmal ernst an, sagte einen Namen und lächelte. Araya starrte ihn verwundert an. Wollte er ihr damit etwas sagen? Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. So musste der Diener heißen, der gerade gegangen war. Sie nahm ihn mit einem Nicken zu Kenntnis, während Murtagh aus dem Korb allerlei Brot und Früchte herausholte. Genug für sie, aber er sah enttäuscht aus. „Was ist?“, fragte sie ihn. Er verzog das Gesicht. „Kein Fleisch, kein Käse, keine Milch. Von was sollst du dich denn ernähren?“, fragte er missmutig. Obwohl es Araya durch den Vorfall nicht unbedingt bestens ging, musste sie doch lachen. „Also, für mich reicht es!“, verkündete sie und erntete dafür von Murtagh einen Blick, der wohl besagen sollte, dass sie wahrscheinlich verrückt geworden war. Araya aß allein. Immerhin hatte Murtagh, wie er sagte, schon in seinem Quartier ein reichhaltiges – wie er nicht müde wurde zu betonten – Morgenmahl genossen. Und dass er ihr beim Essen zusah, störte sie auch nicht sonderlich. Was sollte daran schon schlimm sein. Neid konnte sie ja ausschließen, nachdem Murtagh sich so bemängelnd über ihr Essen geäußert hatte. Irgendwann wurde es dem Drachenreiter anscheinend zu langweilig, denn er ging zu dem zusammengekauerten Dorn und lehnte sich mit geschlossenen Augen an ihn. Araya fragte sich erst, ob sie etwas falsch gemacht hatte, entschied dann aber, dass er sich ja auch anderweitig hätte beschäftigen können. Die große Tatenlosigkeit trat erst zwischen den Mahlzeiten ein. Die Zeit, in der die Langwierigkeit der Momente Araya erst richtig auffiel. Als sie fertig war, packte sie die Reste vorsichtshalber in den Korb zurück, den sie in die dunkle Ecke des Hortes stellte, damit man ihn ihr nicht noch wegnahm. Im Grunde legte sie Vorräte an, etwas, das ihr im Blut lag. Als sie einen Blick auf ihr Schlaflager warf, fiel ihr auch wieder ein, dass sie immer noch auf dem erdigen Boden schlief. Sie lief zurück ins Licht und näherte sich Dorn und Murtagh. Das dieser sich an den Drachen gelehnt und die Augen geschlossen hatte, beugte sich Araya leicht herunter und fragte vorsichtig: „Murtagh?“ Sie erntete zwar keinerlei Reaktion – wenn man davon absah, dass Dorn ein Auge öffnete –, aber sie war sich fast sicher, dass er nicht schlief. Immerhin hatte er ein gemütliches Bett in seinem Gemach, das hatte sie selbst gesehen. Und wenn nicht, war sein Chaiselongue immer noch hundertmal bequemer als der steinige Boden hier. „Ich wollte dich nach ein paar Decken fragen, damit ich sie als Lager verwenden kann.“ Erst rührte Murtagh sich nicht, und Araya fing schon ernsthaft an, an ihrer Theorie zu zweifeln, doch dann nickte er einmal langsam. Sie wartete auf eine weitere Reaktion, doch nach einer Weile gab sie es auf. Leicht beleidigt, dass er erst mit Dorn hier herunterkam und sich dann nicht um sie scherte, brachte sie ein wenig Entfernung zwischen sich und den Drachenreiter. Dorn hatte sein Auge bereits wieder geschlossen. Mit einen stoßartigem Ausatmen stand sie mitten im Drachenhort und wusste nichts mit sich anzufangen. Sie wollte jedoch nicht die ganze Zeit stehen bleiben, bis sich der Herr wieder dazu herabließ, mit gemeinem Fußvolk zu reden. Daher setzte sie sich und kritzelte mit ihrem Finger in der Erde herum. Das war als Kind weitaus interessanter gewesen. Mit einem leisen Seufzer ließ sie sich schließlich hintenüberfallen und starrte an die Decke. Wenn sie ihren Gedanken so freien Lauf lassen konnte, vermisste sie jedes Mal ihr Leben nahe Cyrianna. Weil sie an nichts Anderes denken konnte als an das, was sie verloren hatte. Womöglich für immer. Weil das Licht ihre Augen zum Tränen brachte, schloss sie sie und sah nunmehr ihre rotglühenden Augenlider. Und es erinnerte sie. Wieder konnte sie das Gras ihrer Heimat riechen, die Sonne auf ihrer Haut fühlen und den angenehm kühlen Wind über sich streichen spüren. Doch dieses Mal wurden die Eindrücke von einem jugendlichen Lachen begleitet. Als Araya die Augen aufschlug, konnte sie einen blonden, großgewachsenen und schlanken Jungen im Gras herumrennen sehen. Seine blauen Augen blitzten schalkhaft und warfen ihr einen schnellen Blick zu. „Diese Klippe ist wirklich schön!“, rief er ihr zu und rannte zur Meerseite. Araya setzte sich auf. „Werde ich schon nicht“, lachte der Junge, ungefähr im dreizehnten Lebensjahr. Erst jetzt begriff sie, dass sie ihn gewarnt hatte, nicht von der Klippe zu fallen. „Ich wollte ja nur sagen!“, lachte sie schließlich mit ihm. „Aber …“, zögerte er und sah sie aus den Augenwinkeln an, „wollten wir nicht eigentlich ins Dorf gehen? Die Händler sind doch jetzt wieder da! Es ist schon Mittag …“ Araya lächelte und erhob sich. „Gut, du hast Recht!“ Keine halbe Stunde später liefen sie durch die festgetretenen Straßen des in der Nähe gelegenen Dorfes. Der Junge strahlte übers ganze Gesicht, was auch Araya ein Lächeln entlockte. Sie war froh, dass es ihm so viel Spaß machte. „Danke, dass du mitgekommen bist“, schoss es plötzlich aus ihm heraus. Sie warf ihm einen unbestimmten Blick zu. „Ich meine, allein darf ich ja noch nicht …“, dabei zog er eine Grimasse, die ihr ein freies Lachen entlockte, „ … und du hattest bestimmt auch was Besseres zu tun. Weißt du, Araya, du bist richtig cool und nett. Schade, dass dich keiner haben will, nur weil du so aussiehst. Aussehen ist doch nicht alles!“ Araya ging das Herz auf. Unwillkürlich nahm sie den Jungen in den Arm und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Er sträubte sich heftig. „Danke, Koda!“, lächelte Araya schließlich, doch ihr wurde nur ein böser Blick zuteil. „Lass mich los, ich bin doch kein Kind mehr!“ Lachend folgte Araya und sah ihn mit funkelnden Augen an. „Ich weiß, du bist schon ein großer Junge“, lachte sie und zog das „groß“ dramatisch in die Länge. Sie wandte sich von ihm ab und ging ein Stück weiter, doch als sie bemerkte, dass der Junge ihr nicht folgte, drehte sie sich mit hinter dem Rücken verschränkten Händen zu ihm um und legte fragend den Kopf schief. Langsam näherte er sich ihr wieder und schließlich liefen sie wieder nebeneinander her. Koda schmollte. Doch dass er beleidigt war, vergaß er schnell, als die ersten Stände der Händler auftauchten. Er packte sie an der Hand und rief: „Schau mal, da sind sie!“ Er zog sie hinter sich her und Araya musste in Laufschritt verfallen, um ihm zu folgen. Dann blieb er unmittelbar am ersten Stand stehen, an dem ein Händler lederne Armbänder verkaufte. Koda suchte sich ein schwarzes heraus und legte es sich prüfend ums Handgelenk. „Sieh mal, das ist toll!“, rief er aus und schaute Araya fragend an. Als sie zustimmend nickte, kam gerade der Händler zurück. „Wie viel wollt Ihr dafür?“, fragte Araya höflich und deutete auf das Armband, das Koda in der Hand hielt. Der Mann schaute das Gewünschte prüfend an und nannte dann einen Preis in der gängigen Währung. Koda zog einen sehr unerwachsenen Schmollmund. „Zu teuer“, antwortete er traurig. Der Händler musterte erst ihn, dann Araya. Sie sah ihn verwirrt an. „Nun“, antwortete er, „mit gewissen Diensten könnte ich den Preis vielleicht etwas drücken.“ Sein Blick wanderte abermals über Araya, und Koda, der aufgesehen hatte, sah ihn ebenfalls. Er starrte den Händler wütend an und formte die Augen zu leichten Schlitzen, funkelte den Händler daraus an. „Mach sie nicht an!“, zischte er wütend, packte Arayas Hand, warf das Armband wieder auf den Stand und zog sie weg. „So toll ist es auch gar nicht!“, rief er dem Händler noch zu. Araya konnte ein Kopfschütteln nicht unterdrücken. Koda war immer so. Sehr loyal, was natürlich nichts Schlimmes war. Ein paar Stände weiter fand Koda einen weiteren Händler mit Bändern. Auch diese hier waren aus Leder gefertigt, doch es wirkte schon ein wenig abgenutzt. Was seinen ganz eigenen Charme versprühte, das musste Araya schon zugeben. Koda bestätigte dies, als er die Armbänder als „total cool“ betitelte. Sie konnte diesem Wort nichts abgewinnen. Als er sich abermals eines ausgesucht hatte, fragte diesmal er den Händler, wie viel es kosten sollte. Dieses Mal fiel die Summe zwar deutlich realistischer aus, doch Koda zog trotzdem ein Gesicht, als hätte er in eine saure Zitrone gebissen. „Was ist?“, fragte sie. „Ich hab vor drei Tagen etwas für Essen ausgegeben. Ich konnte die Kohlsuppe nicht mehr sehen … und jetzt habe ich nicht genug Geld!“, plapperte er mit einem jammervollen Ton. Araya lächelte und langte sich in ihren linken Ärmel. Sie zog ein paar Münzen raus und legte sie Koda in die Hand, in der schon sein kläglicher Rest Wochengeld lag. Er sah sie mit großen Augen an. „Das kann ich nicht annehmen! Das ist doch dein Geld! Ich werde einfach nach einem Vorschuss fragen“, lehnte er kopfschüttelnd ab, warf jedoch einen bedauernden Blick auf das Armband. „Ach was, ein großer Junge fragt seine Eltern nicht mehr nach Geld! Sieh es als Dankeschön für vorhin!“, antwortete Araya und schloss seine Hand um die Münzen. Kaum hatte Koda das Armband bezahlt, nahm sie es ihm aus der Hand, hockte sich vor ihn und band es ihm um. Dann platzierte sie einen Kuss auf seine Stirn. „Ich bin froh, dass ich dich habe!“ Sie war gerade wieder aufgestanden, als sie jemanden von hinten rufen hörte. Ein weiterer blonder Junge kam auf sie zu und kam staubaufwirbelnd vor ihnen zu stehen. Als er sie bemerkte, verbeugte er sich leichte und begrüßte sie. „Koda, mein Bruder hat mir was total Verrücktes erzählt! Komm, gehen wir zu uns.“ Er packte Koda an der Hand, doch der wehrte sich dagegen und warf einen Blick auf sie. „Geh ruhig“, antwortete sie auf die unausgesprochene Frage und Koda nickte. Er berührte mit Mittel- und Ringfinger seine Stirn und ging dann mit dem andern Jungen fort. Araya sah ihm lange nach, bis er verschwand. Doch dann hörte sie eine Stimme über sich. „Araya?“ Sie öffnete die Augen und sah Murtagh über sich gebeugt stehen. Er sah nicht sehr erfreut darüber aus, dass sie hier auf dem Boden lag. Seine Miene war finster und angespannt; er sah sie an, als hätte sie ihn beleidigt oder sonst irgendwie verletzt. Sie konnte seinen finsteren Gesichtsausdruck nur irritiert erwidern. „Ja?“, fragte sie. Was hatte er nur. Er hatte doch damit angefangen, sie zu ignorieren. Nahm er es jetzt persönlich, dass sie seinem Beispiel gefolgt war? Wie aus dem Nichts musste sie gähnen. Ihre Erziehung gebot ihr, ihren Mund mit der Hand zu verdecken, während Araya sich über ihren eigenen Körper wunderte. Sie war doch erst vor wenigen Stunden erwacht, wie konnte sie wieder müde sein? Murtaghs Gesicht verzog sich nur noch mehr, als sie ihre Müdigkeit unfreiwillig ausdrückte, und er legte erzürnt die Stirn in Falten. „Könntest du wohl damit aufhören, Erinnerungen zu senden? Oder bist du so naiv und glaubst, dass Galbatorix davon nichts mitbekommt?“, fragte er verstimmt klingend. Araya konnte ihn nur wieder anstarren. Sie wusste nicht, was er meinte. Senden? „Galbatorix hat einen sehr weitreichenden Geist, er wird alles mitangesehen haben. Du gibst ihm Macht über dich. Macht dir das Spaß?“, fragte Murtagh weiter und an der anschwellenden Lautstärke bemerkte sie, dass er immer wütender zu werden schien. „Was soll mir Spaß machen?“, fragte Araya und legte den Kopf schief. Sie begriff nicht und das frustrierte sie ungemein. Sie wollte Murtagh ein ebenbürtiger Gesprächspartner sein. „Die Erinnerungen an diesen Jungen auszusenden! Hörst du mir zu?!“, brüllte er jetzt fast und Araya schreckte zusammen. Woher wusste er, was sie gedacht hatte, an was sie sich erinnert hatte? Und warum war er wütend auf sie? „I-Ich begreife nicht. Tut mir leid“, erwiderte sie verschüchtert. Sie wollte ihn ungern noch weiter reizen. Doch sie musste wieder gähnen. Womit sie sicher einen reichlich desinteressierten Eindruck machte. Was Murtagh weiter erzürnte. „Du sendest dieses Erinnerung an den Jungen aus“, wiederholte er, Wort für Wort einzeln betonend, als sei sie schwachsinnig oder ein Kind, das ihm nicht zuhören wollte. Sie schüttelte nur den Kopf und sah ihn mit geweiteten Augen an. „Aussenden? Mei-Meinst du, wie eine Nachricht über einen Boten senden?“ Vor lauter Verunsicherung fing Araya an zu stottern. Sie zog ihre Beine unauffällig näher an ihren Körper, doch Murtagh fiel es trotzdem auf. „Hör mal, ich will dir nicht zu nahe treten, du kannst tun und lassen, was du willst. Aber du solltest damit-“ Er stoppte abrupt. Sie hatte sich nicht bewegt, jedenfalls nicht bewusst, allerdings schien sie der Störfaktor seiner Bekenntnisse zu sein, denn er starrte ihr in die Augen. „Merkst du es nicht?“, fragte er sie, jetzt deutlich ruhiger. Um das nicht zu verlieren, unterdrückte Araya den Impuls mehrmals zu blinzeln. Ihr fielen fast die Augen zu. Dennoch rang sie sich zu einem Kopfschütteln durch. „Ich konnte alles mitansehen. Alles, an das du gedacht hast. Ich habe mit deinen Augen diesen Jungen Koda gesehen und deine Gefühle gespürt“, erklärte er ihr. Araya wurde bleich. „Du bist ein meinen Geist eingedrungen?!“, rief sie erschrocken aus und schien ihn damit an einem wunden Punkt zu treffen, denn er stieß sofort ein barsches „Natürlich nicht!“ aus, das sehr empört klang. „Aber, wie-“, wollte Araya ihn fragen, doch er unterbrach sie. „Verstehst du nicht? Du hast mir das gesendet. Von dir aus. Aber anscheinend hast du es nicht bemerkt. Deshalb bist du so müde. Gedanken oder Erinnerungen so stark auszusenden, wie du es eben getan hast, kostet sehr viel Energie.“ Araya nickte. Sie verstand zwar immer noch nicht, warum sie das getan haben sollte, aber sie glaubte Murtagh, wenn er ihr sagte, dass es so war. Wem sonst? Er kannte sich mit solchen Dingen besser aus als sie. „Ich schätze mal, deine gefühlreichen Erinnerungen waren daran schuld. Du hast es einfach aus dir herausgelassen“, beruhigte er sie. Ihre Gefühle schienen sich auf ihrem Gesicht widerzuspiegeln. Abermals nickte Araya und konnte das schnelle Blinzeln nun nicht mehr unterdrücken. Sie könnte auf der Stelle einschlafen. „Und was machen wir dagegen?“, fragte sie schläfrig und sah Murtagh fragend an. Der seufzte. „So etwas Unbewusstes abzustellen braucht seine Zeit. Aber wir üben daran. Anscheinend musst du in einigen Situationen beginnen, deinen Geist noch schärfer abzuschirmen, als du es bisher tust.“ Araya starrte ihn an. „Aber ich mache doch gar nichts!“, versicherte sie ihm. Sie hatte dieses Gerede von ihrem abgeschirmten Geist noch nie verstanden. Murtagh öffnete fassungslos den Mund, schloss ihn dann jedoch sofort wieder und sah sie verdrießlich an. „Wirklich nicht!“, beteuerte Araya ihm, da sie dachte, er glaube ihr dies nicht. Doch wie auf Kommando nickte er. „So etwas nennt man bei uns wohl »Naturtalent«. Pech für Galbatorix. Dann musst du beginnen, deinen Geist in ähnlichen Situationen bewusst zu sperren. Denk einfach an etwas, das einer Mauer gleichkommt.“ Sie nickte. Das würde sie jetzt immer tun, sobald sie bemerkte, dass Erinnerungen sie einholten. Als sie wieder zu Murtagh sah, hatte sich sein Gesichtsausdruck gewandelt. Er sah sie auf eine Weise an, wie er sie noch nie angesehen hatte. „Sag mal …“, begann er, hielt kurz inne und sah zu Dorn, dann wandte er sich wieder ihr zu, „Wer war der Junge, den du da begleitet hast?“ Araya konnte seinen Tonfall nicht deuten, antwortete aber trotzdem. „Er heißt Koda“, sagte sie völlig ahnungslos, was Murtagh damit erreichen wollte, indem er nach ihm fragte. Doch er verengte nur seine Augen und zog ein wütendes Gesicht. „Das weiß ich auch; ich meinte, was er dir bedeutet. Wer ist er für dich?“ Verwirrt starrte sie ihm in die Augen. Was sollte Koda schon für sie sein? Sie verstand Murtagh einfach nicht. Ihr kam es so vor, als verwirre er sie die meiste Zeit, seit sie sich kennengelernt hatten. Araya öffnete gerade den Mund, als Dorn ein guthörbares Schnauben ausstieß und Murtagh dabei missbilligend anschaute. „Was hat er denn?“, fragte Araya und schaute zwischen den beiden hin und her. Während Murtagh ihn nicht einmal eines Blickes würdigte, starrte der Drache seinen Reiter in Grund und Boden. Hatten die beiden Streit? Als Araya eine Augenbraue bei Murtagh wütend zucken sah, vermutete sie eher, dass sie gerade diskutierten, ohne sie mit einzubeziehen. „Er ist beleidigt“, erklärte Murtagh schließlich mit einem recht genervten Gesichtsausdruck und funkelte sie dann böse an. „Und du lenkst vom Thema ab. Wer ist dieser Koda?“ Die letzten Worte Murtaghs vernahm Araya wie unter Wasser: Gedämpft, undeutlich und leicht verzerrt. Dann hörte sie, wie sich seine Stimme lauter anhörte, obwohl sie für sie immer leiser wurde. Letztendlich mischte sich Panik in sie. Dann kamen die Kälte und das Wasser. Sie berührte die Eisfläche über sich und wusste, sie war eingeschlafen oder ohnmächtig. Der Albtraum hatte sie zurückgeholt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)