Slytherin bewahren ihre Geheimnisse von Alabriss ================================================================================ Kapitel 21: ------------ Am gleichen Abend, in den Kerkern, Severus Snapes Privaträume. Harry und Severus beobachteten Draco, der wie ein Tier im Käfig immer wieder auf und ab lief, die Stirn in tiefe Falten gelegt. Hilfesuchend sah Harry zu Snape, aber dieser beachtete ihn gar nicht, sondern sah nur seinen Patensohn an, erwartungsvoll, aber auch besorgt. Er kannte die Geschichte, die Draco im Begriff war zu erzählen und er wusste um die Ängste, die dieser damit verband. Es war niemals leicht, Geheimnisse zu offenbaren und sein Patensohn trug kein kleines mit sich herum. Endlich blieb Draco stehen. Er hatte Harry den Rücken zugewandt und dieser konnte nur seine verkrampften Schultern sehen, seine geballten Fäuste. Unsicher rutschte Harry auf seinem Sessel hin und her. Er wusste nicht, worum es hier ging und wurde von Minute zu Minute nervöser. Immer neue, immer wildere Szenearien spielten sich in seinem Kopf ab, er erfand immer absurdere Möglichkeiten, was in Draco vorgehen könnte, ohne dass er seine Fantasie daran hindern konnte. Als er schon im Begriff war, Draco anzuschreien, ihm doch endlich zu sagen was los sei, ganz egal was es wäre, begann dieser schließlich zu sprechen. Seine Stimme war so leise, das Harry sich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen. „Ich war noch sehr klein, als ich es erfahren habe“ sagte er leise. „Erfahren? Was denn…“ Draco hob die Hand und Harry verstummte, obwohl Fragen in ihm hochsprudelten wie in einem Glas Kürbissaft. „Lass es mich einfach erzählen. Es fällt mir sehr schwer und ich will es einfach hinter mich bringen, okay?“ Harry nickte, dann wurde ihm bewusst, das Draco, der immer noch mit dem Rücken zu ihm stand, das nicht sehen konnte und er sagte: „In Ordnung. Ich höre zu.“ „Ich war noch klein, ich weiß nicht genau wie alt ich war, vielleicht sieben Jahre. Bis dahin hatte ich eine vollkommen normale Kindheit gehabt. Aber an dem Tag habe ich meinen Geburtstag gefeiert. Ich hatte Besuch von meinen besten Freunden, wir spielten. Plötzlich brach Streit aus, ich weiß nicht mehr, worum es genau ging, aber ich wurde wütend. Sehr wütend. Ich erinnere mich an Schreie. An die Panik in den Gesichtern meiner Freunde. Damals habe ich mich zum ersten Mal verwandelt.“ Harry saß starr in seinem Sessel, die Augen weit aufgerissen. „Ich werde niemals vergessen, wie sie mich angesehen haben. Voller Angst.“ Draco fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht, den Kopf gesenkt und Harry machte Anstalten aufzustehen, um zu ihm zu gehen, aber Severus hielt ihn auf. Als er den Professor fragend ansah, schüttelte dieser nur den Kopf und legte einen Finger auf die Lippen. Widerstrebend ließ Harry sich wieder zurücksinken. „Meine Eltern waren sofort bei mir. Mein Vater brachte mich auf mein Zimmer, während meine Mutter sich um meine Freunde kümmerte. Ich wusste nicht was los war, was mit mir passiert war. Ich weinte, weil die Angst meiner Freunde auch mir Angst machte. Und dann erzählte mir mein Vater das Geheimnis.“ Draco wandte sich um und Harry konnte nun sehen, dass seine Augen trocken waren, obwohl er geglaubt hatte, dass Draco weinen würde. Aber er hatte einen ernsten und entschlossenen Gesichtsausdruck aufgesetzt, die Lippen fest zusammengepresst. „Unsere Familie ist schon sehr alt. Man kann unseren Stammbaum über viele Generationen hinweg zurückverfolgen. Oder besser, man könnte, wenn es nicht ein solch großes Geheimnis wäre und wir nicht alles dafür tun würden, dass es nicht herauskommt. Eigentlich ist es eine Legende, ein Märchen. Vor langer, langer Zeit wurde das Land meiner Vorfahren von wilden Wesen bevölkert. Es gab magische Wesen, wilde Magie, Zauber war überall, aber auch Krieg und Angst. Nach und nach sind viele dieser Wesen entweder ganz verschwunden oder aber sie halten sich vor den Menschen versteckt, so wie es die Zauberer tun. Sie haben sich über die vielen Jahre hinweg verändert, haben Menschen geheiratet, haben Kinder bekommen, die nicht mehr so waren wie ihre Eltern.“ Draco hielt inne um Luft zu holen. Er sprach so hastig, das er sich beinah überschlug, weil er es unbedingt loswerden wollte, ehe ihn der Mut verließ. Immer wieder huschte sein Blick über Harrys Gesicht, erforschte seinen Gesichtsausdruck. „Ein Volk dieser wilden Wesen waren die Fomoraig. Es gibt viele Legenden über sie, sie traten in vielen Gestalten auf. Heute weiß man nicht, ob es sie überhaupt jemals gegeben hat. Sie werden auch in der Zauberwelt eher in die Mythologie eingeordnet.“ Wieder machte Draco eine Pause. Er atmete tief durch. „Aber es gab sie. Ich weiß das, denn ich bin ein Nachfahre und ich habe einiges von ihnen geerbt.“ Draco warf einen kurzen Blick zu Harry und sprach dann, mit gesenktem Kopf, schnell weiter. „Ich bin nach außen hin ein ganz normaler Zauberer, aber im Inneren… bin ich anders. Ich bin anders, Harry.“ Dracos Stimme klang gepresst und er hielt den Kopf gesenkt. Diesmal ließ sich Harry nicht aufhalten, er sprang auf und war mit wenigen Schritten bei Draco. Er ergriff sein Kinn und zwang ihn, ihn anzusehen. „Du hast mir verdammte Angst gemacht!“ Er ärgerte sich über seine Wortwahl als er sah wie Draco zusammenzuckte. „Nicht mit deinem Geheimnis, sondern weil ich dachte, es sei etwas Schlimmes! Ich dachte, Dumbledore hätte dir wieder etwas getan! Oder Voldemort! Ich habe mir die schlimmsten Dinge vorgestellt!“ „Aber du verstehst nicht, Harry! Das hier IST schlimm!“ Draco schrie beinahe. „Ich verstehe es nicht, also erklär es mir!“ Jetzt wurde auch Harry laut. „Du bist also der Nachfahre einer alten Rasse besonderer Wesen, okay. Aber du bist doch immer noch genau derselbe für mich. Das ändert doch nichts!“ „Es ändert einfach alles, Harry! Du müsstest mich sehen wenn ich… Was da in mir ist…“ Draco wusste nicht weiter. Er ließ sich schwer auf einen der Sessel fallen und verbarg sein Gesicht in den Händen. „Ich bin anders, Harry“ begann er erneut. „Wenn ich mich nicht beherrsche, wenn ich es nicht unterdrücken kann, lauert etwas in mir. Etwas Altes, Gefährliches. Ich kann mich dann nicht mehr steuern, es ist, als wäre ich nicht mehr ich!“ Harry ließ sich ebenfalls in einen Sessel sinken und starrte Draco an, als versuche er Antworten aus dessen zusammengesunkener Form zu lesen. „Was bedeutet das? Ich verstehe nicht, Draco. Ist es wie bei Remus oder…“ „Nein!“ unterbrach Draco. „Es ist anders. Remus wird einmal im Monat zu einem Werwolf. Meine andere Form ist immer bei mir. Es ist, als würden mich meine Wut oder meine Gefühle, wenn sie zu heftig werden, in etwas anderes verwandeln. Die Fomoraig waren von unterschiedlicher Gestalt. Monster, würde man sie wohl nennen. Tierformen mit Hörnern, Schwänzen, Klauen, alle anders. Das hat sich irgendwann aufgelöst, sie wurden immer menschlicher. Nur wenn… wenn meine Gefühle zu stark werden und ich mich nicht unter Kontrolle habe, dann verändere ich mich.“ Harry nickte wie aufgezogen. Er musste das alles erst einmal verarbeiten. Er war erst so spät in die magische Welt eingetreten, bis dahin hatten für ihn Zauberer, Vampire und Werwölfe in die Welt der Fantasie gehört. Dann war er eines Besseren belehrt worden und als er das gerade akzeptiert hatte, brachte Draco seine Welt schon wieder ins Wanken. „Aber du bist niemals auffällig geworden. Wir kennen uns nun seit Jahren, ich habe nie gehört, das irgendetwas über deine andere Form in die Öffentlichkeit gedrungen ist.“ „Mein Vater hat mich gelehrt, mich zu beherrschen. Das ist einer der Gründe, warum ich immer so arrogant erscheine. Ich beherrsche mich. Immer. Ich kann mir keine Gefühlsausbrüche leisten. Ich hätte mich niemals ernsthaft mit irgendjemandem derart bekriegt, wie ich es mit dir vorgetäuscht habe. Wären das meine wahren Gefühle gewesen, dann wäre früher oder später meine andere Form in Erscheinung getreten.“ „Also…deine andere Form, du hast dann keinerlei Kontrolle über dich? Das heißt, es ist, als wäre jemand Anderes in deinem Körper?“ „Ja, so in etwa. Ich kann mich danach nicht mehr erinnern, was ich getan habe, während ich verwandelt war. Aber es ist auch nicht, als wäre da noch etwas Anderes in mir, also ein anderes Bewusstsein. Es ist schwer zu erklären. Ich bin in dieser Zeit einfach nicht ich selbst. So, wie wenn Menschen einen schlimmen Wutanfall haben, das Herz schlägt wie verrückt, Adrenalin pumpt durch den Körper, man tut Dinge, die man sonst nicht tun würde. Nur ist es bei mir noch etwas extremer.“ „Und dein Äußeres?“ Unbehaglich rutschte Draco auf seinem Sessel hin und her, er hatte den Kopf zwischenzeitlich gehoben und Harry angesehen, jetzt senkte er ihn wieder und sah auf seine Hände. Er schwieg lange, ehe er leise antwortete: „Ich verändere mich. Ich…bekomme Klauen. Werde etwas größer, kräftiger, meine Haut ist anders, beinah schwarz. Meine Haare werden lang und weiß, ich habe…“ Er brach ab und vergrub den Kopf in den Händen. Seine Schultern begannen zu zucken und Harry konnte seine abgehackten Schluchzer hören. Schnell war er bei ihm, schlang die Arme um seinen Nacken, vergrub den Kopf in seinen Haaren. „Schhh! Nicht weinen, Draco. Schhh! Tut mir leid, tut mir leid, ich wollte dich nicht zum Weinen bringen!“ Er küsste sanft Dracos Haare und versuchte sein Gesicht anzuheben, um ihn ansehen zu können, aber Draco weigerte sich vehement. „Ich will nicht, dass du mich so siehst!“ schluchzte er. „Ich will nicht, dass du Angst vor mir hast oder dich von mir abwendest, weil du mich scheußlich findest! Du dachtest, es sei nicht schlimm, aber das ist es! Von meinen damaligen Freunden hat keiner mehr mit mir geredet nachdem sie mich so gesehen haben und ich will nicht…!“ Dracos weinte jetzt so heftig, dass er nicht mehr sprechen konnte und einige Anläufe brauchte, damit Harry ihn verstehen konnte. „Ich will dich nicht verlieren!“ Harry löste sich von Draco und trat einen Schritt zurück. Erschrocken hob Draco den Kopf, starrte aus verweinten Augen auf den Gryffindor, voller Angst, dass dieser sich nun umdrehen und gehen würde. Aber Harry stand einfach da, die Hände in die Seiten gestemmt und sah… wütend aus! Verwundert starrte Draco ihn an. „Draco Malfoy!“ ereiferte sich Harry. „Du denkst doch nicht wirklich, dass ich zu so etwas fähig wäre! Dass ich dich verlassen würde, nur wegen so einer Lappalie! Was denkst du nur von mir?! Ich kann es wirklich nicht glauben!“ Harry begann auf und abzugehen, beinahe so wie Draco es früher an diesem Abend getan hatte, nur dass er dabei wütend aufstampfte. „Du hast also ein besonderes Erbe! Na und? Du verwandelst dich! Na und? Du hast dich unter Kontrolle und lebst damit, du hast niemals jemandem etwas getan und du würdest auch mir niemals etwas tun, das weiß ich ganz sicher. Also besteht doch das große Problem hier nur darin, dass du denkst, ich würde…“ Weiter kam er nicht. Sein Sermon wurde von Draco unterbrochen, indem dieser aufsprang, Harry an sich riss und ihn küsste. Und zwar diesmal richtig. Auf den Mund. Heftig und leidenschaftlich. Harrys Beine gaben nach und er klammerte sich an Draco fest, um nicht umzufallen. Und weil er ihn schon umklammerte, entschied er sich auch gleich, seine Finger in dessen langen blonden Strähnen zu vergraben und ihn dichter zu sich zu ziehen. Keiner von ihnen dachte in diesem Moment noch an Dracos anderes Ich. Eigentlich dachte keiner von ihnen überhaupt etwas. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)