Zombie-Loan: Der schwarze Klan von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 8: Unter Feinden... --------------------------- Michiru schreit innerlich auf, als Chika die Klinge auf Shitos Herz zurasen lässt, doch ihr gelingt es nicht einen hörbaren Ruf über ihre Lippen zu bringen. Plötzlich erstarrt Chikas gesamter Körper mitten in der Bewegung und das glänzende Schwert landet mit einem fast schon melodischen Klirren auf dem Betonboden, nachdem er seine Hand hastig von ihrem Griff riss, so als hätte er sich daran verbrannt. Er krallt seine rechte Hand stattdessen mit schmerzverzerrtem Gesicht in seine Schulter. Shito nutzt die Gelegenheit und stößt ihn von sich herunter. Als er sich aufrichten will zuckt er allerdings sofort zusammen und presst eine Hand auf die tiefe Wunde auf seiner Brust. Ein leichtes Raunen scheint durch die Menge der Zombies um sie herum zu schleichen. Die Wesen wirken plötzlich um einiges unruhiger als zuvor. Chika greift erneut nach seinem Katana und quält sich leicht schwankend auf die Beine. Er versucht verzweifelt die Hitze in seinem Körper zu unterdrücken, doch sein Sichtfeld verschwimmt immer mehr vor seinen Augen, so als würde er von irgendeiner Kraft unter Wasser gezogen werden. Wie auf einen stummen Ruf hin, wenden die Wesen um sie herum ihre Köpfe Richtung Norden. Michiru hat für einen Moment den Eindruck sie würden nach etwas lauschen. Ohne irgendeine Vorwarnung setzen sie sich schließlich in Bewegung. Zwei von ihnen brechen durch ein weiteres der zugeklebten Fenster, durch das ihnen die Anderen kurzerhand folgen. Chika blickt ihnen schweigend nach, bevor auch er sich mit zögernden Schritten in Bewegung setzt, als würde ein unsichtbarer Strick ihn zwingen ebenfalls dem Norden zu folgen. Als Michirus Gefühl in ihre Beine zurückkehrt, springt sie ohne nachzudenken auf. „Chika! Warte!“ Er hält einen Moment lang inne und wirft einen Blick auf sie zurück. Seine roten Augen fixieren Michiru einige Sekunden ausdruckslos, bevor er sich schweigend von ihr abwendet und den Anderen durch das Fenster folgt. Michiru denkt einen Augenblick darüber nach ihm zu folgen, als ihr Blick den am Boden liegenden Shito streift. „Shito! Diese Wunde-...“ „...Ist halb so wild... Es schmerzt, aber von so was allein kann ich nicht sterben...“ Ihre Augen wandern mit zunehmender Besorgnis über die großflächige Blutlache, die sich am Boden unter ihm gebildet hat. „Bist du sicher? Wir sollten vielleicht trotzdem erstmal versuchen die Blutung zu stop-...“ „Ich sagte doch, ich sterbe nicht!“ Shito wendet sich entnervt von ihr ab und starrt stattdessen missmutig hinüber zu dem zerstörten Fenster, durch das ein feiner Schleier aus hellen Sonnenstrahlen in die triste Halle fällt. Seine Wut steigert sich noch weiter als ihm bewusst wird, dass es ihm nicht gelingt, seine sonst so zuverlässige Maske der Gelassenheit aufrechtzuerhalten. Doch was ihn am meisten irritiert, ist die Tatsache, dass ihn außer der Wut noch etwas völlig anderes quält... Etwas, das zu definieren er nicht im Stande ist... Michiru beobachtet Shitos Gesichtsausdruck sorgfältig und ein sanftes Lächeln legt sich auf ihre Züge. Nach all der Zeit, die sie damit verbracht hat, Chika und Shito davon abzuhalten sich gegenseitig zu bekämpfen, spürt sie einen Hauch Erleichterung angesichts dieses zaghaften Anzeichens dafür, dass ihre Bemühungen womöglich doch nicht ganz fruchtlos waren... Als Shito, der ihre Gedanken offensichtlich lesen kann wie ein Buch, ihr einen seiner klassischen tödlichen Blicke zuwirft, zerschmilz ihr Lächeln aber augenblicklich. Sie hilft ihm vorsichtig sich aufzurichten, als ein leises Klirren ertönt und sie erschrocken zusammenzuckt. „Heeey, Michiru! Wir sind's nur!“ Michiru atmet erleichtert auf, als sie Yuuta entdeckt, die dicht gefolgt von Bekkou durch das offene Fenster hereinklettert. Als Yuuta das Loch in Shitos Brust entdeckt, leuchten ihre Augen freudig auf und sie zückt ohne zu zögern den Erste-Hilfe-Kasten, den sie wie eine Handtasche bei sich trägt. Bekkou tritt gemächlich auf sie zu, rückt seine Brille zurecht und seufzt mehr als unerfreut auf. „Sieht ganz so aus, als wären wir reichlich spät...“ Michiru blickt fragend zu ihm auf. „Wie habt ihr uns überhaupt gefunden?“ „Meine Liebe, bis vor wenigen Minuten war dieses Gebäude noch von einer riesigen Horde hungriger Zombies umstellt... Er war nicht schwer zu erraten, das sich hier etwas Interessantes finden lässt...“ Er wirft einen Seitenblick auf Shito, der mit zusammengebissenen Zähnen Yuutas Behandlung über sich ergehen lässt. „Nun, was genau ist hier vorgefallen?“ Michiru zögert einen Moment, unschlüssig darüber, wie genau sie antworten soll. „Chika... er ist...“ Bekkou scheint jedes weitere Wort ihrerseits als unnötig zu erachten, und beschränkt sich darauf mit abwesendem Blick seine Brille mit dem unteren Rand seines Hemdes zu putzen. „Ich hatte befürchtet, dass das passiert... Es war nur eine Frage der Zeit, bevor er dem Einfluss des Steins nachgibt...“ Michiru starrt Bekkou wütend an. „Soll das heissen, du wusstest die ganze Zeit, dass es passieren wird und hast uns nicht gewarnt? Vielleicht hätten wir es verhindern können, wenn-...“ „Völlig ausgeschlossen! Die Wirkung des Steins liegt darin, das Bewusstsein der Betroffenen zu unterdrücken, indem er ihre animalischen Instinke verstärkt... Das menschliche Bewusstsein ist allerdings essenziell um eigene Entscheidungen zu treffen, weshalb diese bedauernswerten Seelen nicht in der Lage sind ihre Handlungen zu kontrollieren, was sie zu willenlosen Befehlsempfängern macht... Wenn das Bewusstsein erst einmal verloren ist, können auch äußere Einflüsse nichts bewirken, es sei denn-...“ Michiru starrt ihn mit großen Augen an, in gespannter Erwartung darauf, was Chika möglicherweise helfen könnte. „...Es sei denn, man besitzt den Stein, versteht sich...“ Sie kann förmlich spüren, wie in ihrem Inneren ein kleiner Kieselstein namens 'letzte Hoffnung' soeben in einen tiefen, dunklen See gefallen ist... Shito richtet sich mit einem grimmigen Gesichtsausdruck auf und beginnt damit gelassen sein Hemd zu zuknöpfen. „Tss, ich hatte ganz und gar nicht den Eindruck, dass Akatsuki nicht wusste was er tat... im Großen und Ganzen hat er recht ausführlich erklärt, warum er mich gern tot sehen würde...“ Bekkou zieht eine Augenbraue hoch und räuspert sich. „Nun, das liegt vermutlich daran, dass der Einfluss des Steins in Chikas Fall etwas anders wirken dürfte...“ „Ach ja? Inwiefern..?“ „Nun, Chika ist bekanntlich bereits ein echter Zombie, und seine Instinkte sind, dank des Vertrages mit mir, mehr oder weniger versiegelt, daran kann selbst der Stein nichts ändern... Was, auch wenn Ähnliches zu erwarten war, wirklich interessant ist, ist die Tatsache, dass der Fluch, der durch den Kontakt mit dem Stein an ihm haften geblieben ist, sich offenbar einen anderen Weg gesucht hat, um Einfluss auf Chika zu nehmen...“ Michiru lauscht Bekkou gespannt, auch wenn sie sich nicht ganz sicher ist, ob sie seinen Ausführungen auch folgen kann. „Anstelle seiner Zombie-Instinkte, setzt der Fluch seine menschlichen Emotionen gegen ihn ein...“ „...Ist so was wirklich möglich...?“ Bekkou schenkt Michiru ein mitleidiges Lächeln. „Es kommt täglich vor, dass Menschen ihr logisches Denkvermögen verlieren und völlig unbewusst die verrücktesten Dinge tun, und das nur durch die Macht ihrer eigenen Wut, oder Trauer... und das ganz ohne irgendwelche übernatürlichen Einflüsse... Ihr müsst euch nur die Nachrichten anschauen, und ihr bekommt ein gutes Dutzend Beispiele dafür geliefert...“ Michiru blickt betreten zu Boden „...Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass Chika Shito tatsächlich so hasst, dass er ihn töten will...“ „Das glaube ich auch nicht.“ Shito steckt die Hände in die Hosentaschen und starrt zu dem zerbrochenen Fenster am anderen Ende der Halle. „Wenn er mich wirklich töten wollte, hätte er schon mit dem ersten Hieb seines Schwertes auf mein Herz zielen, oder bei der ersten Gelegenheit meinen Hals durchtrennen können... Aber er hat's nicht getan...“ Michiru fixiert Shito gebannt. Auf seinem Gesicht liegt ein ihr völlig unbekannter Ausdruck, doch egal wie sehr sie sich bemüht ihn zu entschlüsseln, es will ihr nicht gelingen einen Anhaltspunkt auf Shitos Gedanken herauszulesen. Ohne Vorwarnung wendet er sich ab und geht zielstrebig auf das Fenster zu. „Was hast du vor, Shito?!“ „Was wohl, ich schulde dem Idioten einen Tritt für das Loch in meiner Brust!“ „Aber wie willst du ihn finden?“ Shito wirft ihr ein leichtes Lächeln zu und hebt seine rechte Hand, die offensichtlich im Begriff ist sich allmählich von seinem Arm zu lösen. „Ich werde es merken, wenn ich meinem Ziel näher komme...“ Michiru wirft einen Blick zurück auf Bekkou und Yuuta, bevor sie schnellen Schrittes zu Shito aufschließt, der sich bereits auf halbem Wege durch das Fenster befindet. Yuuta sieht ihr besorgt nach. „Sollen wir sie wirklich einfach so gehen lassen? Bekkou, du weißt womit sie es zu tun haben werden, oder? Du hättest ihnen noch einen Tipp geben können!“ „Das hatte ich vor, Yuuta... Wie dem auch sei, ich habe es mir soeben anders überlegt...“ Er erwidert ihren verwirrten Blick mit einem sanften Lächeln. „Ist dir Shitos Blick gerade aufgefallen?... Hier passiert gerade etwas sehr Interessantes und ich habe mich entschlossen mich einfach zurückzulehnen, nichts zu tun, und die Show zu genießen...“ Als die kühle Frühjahrsluft, die ihm ins Gesicht schlägt, nach und nach die verschwommenen Schatten vor seinen Augen klärt, das rasende Pochen in seiner Brust ein wenig mildert, und ihm plötzlich bewusst wird, dass er, ohne so recht zu wissen warum, einer großen Menschengruppe hinterherrennt, hält Chika keuchend inne und richtet seinen Blick auf die golden leuchtende Sonne, hoch über ihm. Die grellen Strahlen brennen schmerzhaft in seinen Augen und er wendet den Blick sofort wieder ab. Allmählich klingt die seltsame Taubheit in seinem Kopf ab und hinterlässt nichts als das quälende Beissen schlechten Gewissens. Auch wenn er, dank der dunklen Flecken, die sich durch seine jüngsten Erinnerungen ziehen, den Grund für dieses Gefühl nicht ganz nachvollziehen kann, so ist der darin steckende Schmerz so präsent, dass er ihn sogar physisch spüren kann, in Form eines beinahe unerträglichen Drucks in seiner Brust. Ohne dass es ihm zunächst bewusst ist, ruht sein Blick einige Sekunden auf seiner rechten Hand, bis er verwirrt feststellt, dass es tatsächlich seine eigene ist und nicht Shitos... Völlig automatisch sieht er sich suchend nach seinem Partner um, kann ihn aber nirgendwo entdecken. Er erinnert sich dunkel daran, mit Shito und Michiru in einen Lagerraum geflohen zu sein, doch alles andere kann er nur bruchstückenhaft und verschwommen vor seinem inneren Augen vorbeiblitzen sehen. Er glaubt sich vage daran zu erinnern einen Streit mit Shito gehabt zu haben, kann sich aber den Inhalt nicht zusammenreimen. Er ist sich nichtmal sicher ob diese Erinnerung wirklich aktuell ist, oder ob er einfach verwirrt ist, und gerade etwas mit einer ihrer anderen Streitereien durcheinanderbringt... genug Stoff für Verwechslungen dieser Art hat er auf jeden Fall... Völlig in Gedanken versunken trottet er die große Einkaufsmeile der Innenstadt entlang und er hat bereits die Passage der Edelboutiquen erreicht, ehe er bemerkt, dass seine Schritte immer schneller werden und er langsam aber sicher wieder zu den letzten Nachzüglern der Menschenmenge von vorher aufschließt. Einige von ihnen werfen hin und wieder einen prüfenden Blick zu ihm, doch auch wenn in ihren roten Augen eindeutig Misstrauen funkelt, so machen sie doch keine Anstalten ihn anzugreifen. Nach einigem Zögern entscheidet er sich dem unbestimmten Drängen in seinem Inneren nachzugeben und ihnen weiter zu folgen, auch wenn ihn das Gefühl beschleicht, dass er hierbei nicht ganz aus eigenen Stücken handelt... Nach einigen Minuten kommt das Ziel der Leute um ihn herum in Sichtweite. Chika fühlt ein leichtes Unbehagen, als sich der gigantische, mit glänzenden Scheiben verkleidete Wolkenkratzer in dem sich das City Center befindet, vor ihm erhebt. Er hatte das Gebäude zwar schon unzählige Male von weitem gesehen, nicht zuletzt in den lokalen Nachrichten, da sich auch das Büro des Bürgermeisters in den oberen Etagen befindet, doch er hatte es noch nie wirklich betreten. Der, für gewöhnlich von stricktem Wachpersonal beaufsichtige Haupteingang ist verlassen und Chika kann direkt in den kreisrunden Eingangsbereich des Informationsterminals blicken, was er allerdings augenblicklich bereut. Mehrere hundert der Zombie-haften Stadtbewohner haben sich in dem hellen Saal versammelt und eine unruhige, fast schon angespannte Atmosphäre liegt in der Luft. Die Spiegel, mit denen die Wände des Raumes verkleidet sind, lassen ihre Anzahl noch um ein vielfaches größer und bedrohlicher erscheinen. Chika kann spüren wie sich sein Herzschlag erneut beschleunigt, gleichzeitig verfliegt aber zu seinem Erstaunen auch seine Anspannung merklich. Das Adrenalin in seinen Adern wischt seine Bedenken einfach beiseite, genauso wie die Gedanken, die vor kurzem noch um Shito und Michiru kreisten. Plötzlich bekommt er einen Stoß von hinten, der ihn unsanft über die Schwelle ins Innere der Halle befördert. Als er den Kopf hebt, zuckt er mit einem leichten Schaudern zusammen, als er direkt in ein paar rot glänzender Augen starrt, die seinen Blick nicht minder erschrocken erwidern. Er hebt eine Hand und berührt mit leicht zitternden Fingern die eiskalte, glatte Oberfläche des Spiegels, durch den ihn sein eigenes Abbild fixiert, eine fehlerfrei identische Kopie von ihm und trotzdem ein so fremder Anblick, dass er sich beinahe selbst nicht erkannt hätte... Ohne jede Vorwarnung zerspringt das Glas des Spiegeln plötzlich unter einem ohrenbetäubenden Knall in tausend Stücke und nur dank seiner schnellen Reflexe gelingt es Chika rechtzeitig, mit einem Arm sein Gesicht vor den umherfliegenden Splittern zu schützen. Als er sich blitzschnell umdreht, starrt er direkt in den Lauf einer halb-automatischen Schusswaffe, die ruhig in Shirois linker Hand ruht. „Was zur Hölle hast du Penner hier verloren...?“ Als Chika den Blick hebt und in die wütend funkelnden Augen seines Gegenübers sieht, erscheint auf dessen Gesicht ein bitteres Lächeln. „Diese Augen... Bist du letztlich also doch zu einem dieser erbärmlichen Köter geworden, Akatsuki...“ Shiroi lässt, zu Chikas Erstaunen, die Waffe sinken und stößt ein hämisches Lachen aus. „Warum sollte ich mir die Mühe machen dich zu töten? Hehe... Jetzt wo ich dir einfach befehlen kann, es selbst zu erledigen!... Andererseits... Ich will meine Rache genießen, also sollte ich wohl nichts überstürzen... Schließlich habe ich jetzt mehr als genug Zeit, ein bisschen Spaß mit dir als willenloses Hündchen zu hab-... Argh!“ Chika hätte gerne noch einen zweiten Faustschlag auf ihn angesetzt, doch Ersterer kam für Shiroi so unvermittelt, dass er ihn, obwohl mit eher wenig Kraft ausgeführt, auf den gefliesten Boden und somit aus Chikas Reichweite befördert hat. Die Zombies um sie herum betrachten das Schauspiel mit ausdruckslosen Gesichtern, während Shirois Miene eine ganze Palette an Emotionen zeigt, von einem Hauch Verwirrung bis zu purem, bedingungslosem Hass. Chika blickt wütend zu ihm hinab. „Zuerst Shito und jetzt du..?! Soll das ein Running-Gag werden, oder warum werde ich in letzter Zeit ständig mit einem Hund verglichen?... Das nervt, kapiert?!“ Shiroi wischt mit seinem Ärmel die winzigen Blutstropfen an seiner Unterlippe beiseite und tastet hektisch nach seiner Waffe, die ihm während des Sturzes abhanden gekommen ist. „Du... du... Wie kannst du-...?“ „Du solltest allmählich lernen deinen Gegner besser einzuschätzen, Shiroi...“ Die ruhige, belehrende Stimme weckt in Chika ein ihm bisher unbekanntes Gefühl der Ehrfurcht, das sich noch verstärkt, als er zu dem Mann mit den eiskalten blauen Augen hinüberblickt, der sich mit stolzen Schritten seinen Weg durch die Zombie-menge bahnt. „... Es ist schließlich ganz offensichtlich, dass er sich in irgendeiner Form von den Anderen unterscheidet...“ Seine stechenden Augen ruhen einen Moment auf Chika, der automatisch einen Schritt zurückweicht, eine völlig unbewusste Handlung, nur durch einen unbestimmten, instinktiven Reflex ausgelöst. Der Andere quittiert diese Reaktion mit einem zufriedenen Lächeln. „Ich muss gestehen, ich bin überrascht dich hier zu sehen... Ich hatte nicht damit gerechnet, dass der Fluch noch so weit fortschreiten würde,... nicht nach den Begebenheiten der letzten Nacht... Du scheinst noch den größten Teil deines Bewusstseins behalten zu haben... und doch bist du meinem Ruf gefolgt... Sehr interessant... in der Tat...“ Er stützt sich grübelnd auf seinen schwarzen, edel wirkenden Spazierstock und mustert Chika einen Moment mit abwesendem, gedankenverlorenem Blick, ehe ein leichtes Zucken durch seine Miene fährt, gefolgt von einem strahlendem Lächeln. „Nun, wo du schon mal da bist, heiße ich dich herzlich willkommen zu unserem 'Grande Finale'!“ Shiroi zuckt leicht zusammen und tritt wütend einen Schritt nach vorn. „Was soll das heißen, 'Herzlich Willkommen'? Dank diesem Kerl ist meine rechte Hand jetzt völlig nutzlos, und du willst ihn einfach wie einen von uns behandeln?!“ Chika bemerkt erst jetzt die weißen Bandagen, die Shirois gesamten Unterarm umschließen. „Sorry, aber ich kann deine Unbesorgtheit nicht nachvollziehen, Meister...“ Er adressiert seinen Meister mit einer unüberhörbaren Portion Sarkasmus, was dessen Lächeln augenblicklich einfrieren lässt. „Du solltest darauf achten wie du mit mir sprichst, Shiroi... Ich dachte wenigstens das hätte ich dir beigebracht!“ „Aber, Vater! Ich-...“ Chika Augen schweifen leicht verblüfft von dem grimmig blickenden blauäugigen Mann, zu Shiroi, der mit einer eher verkrampften Körperhaltung und gesenktem Kopf dasteht und verzweifelt versucht seinen Zorn zu bändigen. „E-er... ist dein Vater?“ Shiroi blickt zornig auf, bleibt aber stumm, weshalb sein Vater an seiner Stelle das Wort ergreift. „Ich bin wirklich untröstlich, dass ich es bisher versäumt habe mich angemessen vorzustellen... Mein Name ist Sousuke Yagamito... und ja, ich bin in der Tat Shirois Vater...“ Er wirft Shiroi einen mehr als herablassenden Blick zu und wendet sich mit einem stillen Seufzen von ihm ab. „Er ist nicht perfekt, das muss ich zugeben... aber er hat nicht ganz unrecht... Es wäre sicherlich interessant zu erfahren, was der Grund für deinen unverhofften Sinneswandel ist... Keine Sorge, es wird keinesfalls weh tun, ich will nur... einen kleinen Blick... in deinen Kopf... werfen...“ Bevor Chika merkt wie ihm geschieht, erstarrt sein ganzer Körper und in seinem Kopf wirbelt ein bunter Sturm aus Bildern und Stimmen durcheinander, so erdrückend, dass er es kaum aushält, doch gleichzeitig zu flüchtig, als dass er auch nur einen Teil von ihnen Inhaltlich erfassen könnte. Als der Wirbel sich genauso schnell legt, wie er begonnen hatte, findet Chika sich mit weit geöffneten Augen auf den Knien wieder, wo er, kaum dass sein Gehirn wieder zum Denken in der Lage ist, nach Luft schnappt, da sein Körper nur Augenblicke zuvor offenbar sogar zum eigenständigen Atmen zu überfordert war. Er hebt keuchend den Kopf und blickt trotzig zu den Eisblauen Augen vor ihm auf, in denen ein schelmisches Glitzern zu erkennen ist. „Ausgezeichnet! Ich wünschte, ich hätte noch etwas gewartet bevor ich unsere Anhänger zusammenrief, aber ich konnte ja nicht ahnen, dass du im selben Moment dabei bist, deinen eigenen Partner zu töten!“ Er ignoriert Chikas Zusammenzucken und fährt unbeirrt fort. „Ich muss sagen, ich bin recht überrascht, Junge! Ausgehend von meinem ersten Eindruck von euch hätte ich nicht damit gerechnet, dass du bei einem Kampf der Überlegenere wärst, immerhin reden wir von dem ganzen Stolz der Xu Fu!... Ich muss sagen ich bereue es wirklich euren kleinen Kampf so früh unterbrochen zu haben...“ Chika blickt mit bleichem Gesicht zu ihm hoch, doch diesmal liegt eine Furcht in seinen Augen, die nichts mit der Überlegenheit seines Gegenübers zu tun hat. Was er jetzt wirklich fürchtet, noch mehr als die knurrenden, blutgierigen Zombies um ihn herum, sind die Lücken in seiner Erinnerung, die er vorhin noch kurzerhand ignoriert hatte, und die er jetzt umso verzweifelter zu entschlüsseln versucht. „Was... was hab ich getan?“ „Du erinnerst dich nicht? Oh, ein solcher Triumph sollte nicht in Vergessenheit geraten! Ich bin sicher du kannst dich erinnern, wenn du dich darum bemühst... so etwas vergisst man nicht... Du erinnerst dich sicher an das Gefühl, wenn alle moralischen Bedenken einfach ausgeschaltet sind, wie in einem Rausch!... Daran wie es sich anfühlt seinem ganzen Hass einmal freien Lauf zu lassen... wie es sich anfühlt, die Klinge noch etwas tiefer in die Wunde des Anderen zu jagen... zu wissen, dass nur eine kleine Handbewegung ausreicht, um sie das Herz durchtrennen zu lassen...“ „...Hör auf...“ Chikas Stimme ist eher ein Flüstern als ein überzeugte Aufforderung. Seine Augen sind wie gebannt auf seine rechte Hand geheftet...seine rechte Hand,... die sich inzwischen, ohne dass er es bemerkt hat, beinahe vollständig von seinem Arm gelöst hat... „... Es ist unmöglich... man kann Shito nicht einfach töten...“ „Wenn ich mich gerade nicht verhört habe, hast du selbst gesagt, dass es ausreicht ihn in Einzelteile zu zerlegen... Nachdem dein Schwert schon seine Brust problemlos durchbohrt hatte, gibt es keinen Grund an dieser Option zu zweifeln... Du solltest nicht so bescheiden sein...“ „...Du lügst...“ Ohne von seiner Hand aufzublicken, spürt Chika, dass Sousuke sich zu ihm beugt. Die Aura, die in den geflüsterten Worten, die an sein Ohr dringen mitschwingt, lässt Anspannung in jeden einzelnen seiner Muskeln fahren. „Ich bin sicher deine kleine Freundin wird es dir gerne bestätigen... „..Michiru..?“ „...Das heißt, wenn sie sich inzwischen wieder gefangen hat...“ Chika blickt auf und bemüht sich dem stechenden Blick des Anderen standzuhalten. In ihm tobt eine quälende Mischung aus Wut und Verzweiflung. „Die Arme hat doch tatsächlich das Gleichgewicht verloren, als du ihm die Brust durchbohrt hast...“ „...Hör auf...“ „...Ich muss sagen, dass ihr Gesichtsausdruck, als sie all das Blut sah, wirklich hinreißend war-...“ „Hör auf!!“ Das Feuer in Chikas Brust lodert mit einer Welle sengender Hitze, die sich rasend über seinen Körper ausbreitet, auf und visualisiert sich schließlich in dem grellen Lichtschein, der aus seiner rechten Hand erstrahlt und dessen Leuchten von den unzähligen Spiegeln im Raum hundertfach reflektiert wird, und die Wesen um sie herum dazu zwingt unter Schmerzensschreien ihre lichtempfindlichen Augen zu verdecken. Das Adrenalin in Chikas Körper verdängt sein logisches Denkvermögen vollkommen und so zeigt er auch keinerlei Zurückhaltung, als er die Klinge seines Katanas auf Sousukes Hals zuschnellen lässt. Der betäubende Rausch in seinem Kopf lässt sogar ein kleines Lächeln über seine Lippen flackern, als das Schwert auf Wiederstand trifft, und das kalte Lachen des Mannes hinter einem roten Vorhang aus Blut verschwindet... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)