Nullpunkt von Memphis ================================================================================ Kapitel 20: Die meisten Menschen brauchen mehr Liebe, als sie verdienen. ------------------------------------------------------------------------ Der Körper neben mir war ungewohnt warm und irgendwie weicher, als sonst. Ich brauchte einen Augenblick, bis mir klar wurde, dass nicht Nico neben mir lag. Seltsam, wie schnell man sich an jemand gewöhnen konnte. Da Angelika noch schlief, blieb ich einfach liegen und starrte an die Decke. Der gestrige Tag war defnitiv nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt hatte. Nicht mal den Sex hatte ich so genoßen, wie ich es erwartet hatte. Sie war nicht er und sowieso viel zu zimperlich. Ich hatte mich zusammenreißen müssen. Unter Kontrolle bleiben, wenn man es am wenigstens wollte. Ihre Körper so nah an meinem wurde mir zu viel. Ihre Haut brannte auf meiner und das Bett war von dieser Nähe überhitzt. Ich schob mich vorsichtig aus dem Bett, achtete darauf, dass sie nicht aufwachte. Ich wollte jetzt einen Kaffee, den ich dann genüßlich am offnen Fenster in der Küche trinken würde. Die kühle Luft würde mir sicher gut tun und mir wieder etwas Ruhe geben. Als ich in der Küche stand, fiel mir erstmal auf, das hier was fehlte, die Kaffeemaschine. Stimmt ja, die hatte Nico für mein Wohl weggeräumt. Ob das Kaffeeverbot unter diesen Umständen auch noch galt? Das unruhige Rumoren in meinem Magen sagte mir, dass es ihm ziemlich egal war, ob Nico hier war oder nicht. Er wollte keinen Kaffee, ich schon, aber ich wiederum wollte nicht in sein Zimmer gehen. Also nahm ich mir einen Naturjoghurt aus dem Kühlschrank, dessen Verpackung sich angenehm kühl auf meiner Haut anfühlte, allerdings ziemlich bescheiden schmeckte. Warum hatte ich aus lauter Geiz auch unbedingt einen ohne Geschmack gekauft?! Das war doch widerlich. Unzufrieden löffelte ich den Becher in drei Bissen leer und schmiss den Joghurtbecher, samt Löffel in das Spülbecken. Ich würde das nachher noch wegräumen. Ich wollte gerade wieder ins Zimmer, als sich der Schlüssel im Schloss drehte und mir ein etwas überrascht aussehender Nico gegenüber stand. Er hatte wohl nicht gedacht, dass ich gerade im Flur stehen würde. Ich für meinen Teil war irritiert, dass er überhaupt hier war. Ich merkte, dass ich immer noch einen leichten Ärger in mir spürte, vor allem, weil ich Eddy gestern nicht mehr erwischt hatte. Aber es war lang nicht mehr diese unbändige Wut, die mir selbst manchmal Angst machte. „Morgen“, grüßte er mich und mied dabei meinen Blick. Der Streit gestern war definitiv häßlich gewesen, es war irgendwie unangenehm ihm jetzt so gegenüber zu stehen. Ich fühlte mich kurz aus einem unerfindlichen Grund schuldig, einfach weil Nico aussah, als hätte er eine bedeutend schlimmere Nacht gehabt, als ich. „Morgen“, würgte ich schließlich auch heraus und wir standen unbehaglich im Flur. Jemand musste etwas sagen, die Situation entschärfen. Normal hatte ich dieses Problem mit Nico nicht, ich musste bei ihm nicht sensibel sein und es war immer egal gewesen, was ich gesagt hatte. Aber zur Zeit war irgendwie nichts mehr normal. Es schien mir einfach alles aus dem Ruder zu laufen und wie ich jetzt vor Nico stand, er mit seinen unwilligen, grimmigen Gesichtsausdruck, ich mit Kratzspuren von Angelikas Nägeln auf dem Rücken, hatte ich das Gefühl, als würde in meinem Leben gerade etwas gehörig schief laufen. „Uhm... könnte ich vorbei ins Zimmer, ich bin müde“, sagte Nico schließlich. Offensichtlich wollte er im Moment keine wichtigen Unterhaltungen führen, sollte mir recht sein. Ich ging ein Schritt bei Seite und beobachtete mit einem dumpfen, leeren Gefühl, wie er die Türklinke zu meinen Zimmer runterdrückte und den Raum betrat. Ich hätte „Halt“ rufen sollen, ich hätte ihn davon abhalten sollen, den Raum zu betreten. Angelika lag dort noch nackt im Bett. Ich tat es nicht, stand nur im Flur und rührte mich nicht. Er sagte etwas zu ihr, sie antwortete ihm. Es drang nicht richtig zu mir durch, was sie miteinander sprachen. Er verließ den Raum, schloss die Türe leise und ging in sein Zimmer ohne den Blick zu heben, er schaute mich nicht mal mehr an. Erst, als seine Tür ins Schloss fiel, kamen die Geräusche zurück. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was jetzt los war. War er verletzt wegen Angelika, noch sauer wegen Eddy? Gab es Grund dazu? Oder wollte er einfach nicht stören? Er wusste doch, dass wir nie mehr gewesen waren als, naja, Kumpels, die mal Sex hatten. Es war nie etwas verbindliches gewesen, Angelika durfte nicht das Problem sein. Ihre Kratzer brannten auf meinem Rücken. Ich schüttelte kurz den Kopf. Nico musste seine Grenzen kennen und ich war irgendwo immer noch angepisst wegen der Eddy-Sache. Er hätte sich wenigstens bei mir entschuldigen können. Ihm hätte doch klar sein müssen, wie wichtig das alles für mich war. Und das Angelika hier war, war mein gutes Recht. Ich hatte ihn ja auch nicht gefragt, was er letzte Nacht so getrieben hatte oder mit wem. Ich blieb trotzdem noch mal kurz vor seinem Zimmer stehen und starrte die Tür für einen Augenblick an, dann wandte ich mich um und ging zu Angelikas Wärme. Sie lächelte mich verschlafen an, ihre brünetten Haare standen ihr wild ab und es blitzte nackte Haut unter der Decke hervor. „Dein Mitbwohner war ganz schön schlecht drauf...“, meinte sie und ich würde ihr gerne sagen, dass sie die Klappe halten sollte. Aber das konnte ich nicht zu ihr sagen, sie war nicht Nico und sie meinte es nicht böse. Ich legte mich wieder zu ihr unters Bett und zog sie an mich. Ihr Körper schmiegte sich weich an und mich umhüllte ihr sanfter Mädchenduft. Ich schloss die Augen und versuchte einfach den ganzen Ärger zu verdrängen. Es war noch viel zu früh am Morgen, ich wollte mir im Moment über nichts Gedanken machen. Probleme hatten sowieso die Angewohnheit sich nicht von selbst zu lösen, also war es egal, ob ich mich jetzt darum kümmerte oder nicht. Im Moment konnte ich wenigstens noch diesen Körper an meinem genießen. Ich schreckte irgendwann aus meinem leichten Schlaf auf, als sich Angelika neben mir rührte. Sie hatte mir einen kurzen Kuss auf die Wange gegeben und saß jetzt aufrecht im Bett, trug aber schon ihre Unterwäsche. „Hey“, murmelte ich müde und rieb mir über die Augen. Ich fragte mich, ob Nico überhaupt hier gewesen war. Ich fühlte mich so, als wäre ich gerade erst aufgewacht. „Guten Morgen!“ Angelika strahlte mich gut gelaunt an und ich beneidete sie ein bisschen darum, dass sie direkt nach dem Aufwachen so fit war. Ich war eigentlich noch zwei Stunden später kaum ansprechbar. Ich erwiderte ihr Lächeln, einfach weil ich ihre Anwesenheit gerade als sehr angenehm empfand. Sie war wirklich okay und offensichtlich unkompliziert. Sie hob ihr schwarzes Shirt vom Boden auf und zog es leider schon über. Sie hätte ruhig noch eine Weile ohne rumsitzen können, dagegen hätte ich definitiv nichts gehabt. Gerade als sie ihre Haare aus dem Kragen gezogen hatte, viel ihr Blick auf meinem Zeichenblock, der immer griffbereit neben meinem Bett lag. „Darf ich?“, fragte sie mich, während sie den Block schon auf ihren Schoß legte. „Klar.“ Dafür waren Zeichnungen schließlich da, dass sich das jemand angucken konnte. Ich hasste Zeichner mit falscher Bescheidenheit, ich mochte es, wenn sich andere für meinen Kram interessierte. Immerhin war das etwas, worauf man stolz sein konnte. Ich setzte mich auf, um ihr über die Schulter zu sehen, während sie durch den Block blätterte. Sie blieb an der gleichen Aktzeichnung hängen, wie damals die Typen bei der Mappenberatung. Offensichtlich ein Eye-Catcher. „Ist das dein Mitbewohner?“, kam es etwas irritiert von ihr. Allerdings nahm sie das Bild ziemlich genau unter Augenschein. „Jub“, bestätigte ich ihr. Es freute mich, dass sie ihn erkannt hatte. Das sprach definitiv für die Arbeit. „Hm, okay... ist das nicht etwas schräg seinen Mitbewohner nackt zu zeichnen?“ Sie blätterte weiter, so dass sich ihr noch mehr Zeichnungen zeigten. Ich mochte es wirklich ihn zu zeichnen, stellte ich fest. Ich hatte sonst nur von Ekatarina soviele Bilder, selbst von Eddy gab es weniger. Aber ihm war das immer peinlich, wenn ich versuchte ihn zu porträtieren. „Nico und ich haben was miteinander, da ist das nicht so das Ding.“ Ich dachte mir nicht viel dabei, als ich Angelika das erzählte. Sie machte einen lockeren Eindruck auf mich, außerdem hatte sie mit meinem Freundeskreis rein gar nichts zu tun und ich musste mir keine Sorgen machen, dass sie es irgend jemand weitererzählte. Als Reaktion bekam ich auch nur ein amüsiertes Lachen. „Okay, das kam unerwartet, siehst nicht nach so einem Typ aus. Er ist aber ganz schnuckelig.“ Gerade war sie bei dem Bild angekommen, auf dem er schlafend zu sehen war. Naja, die Zeichnung beschönigte einiges. „Hm, ich weiß nicht, ob es das ganz trifft...“ Nico war zwar klein, aber sonst weder von der Art noch von seinem Äußeren irgendwie niedlich. Wahrscheinlich hätte ich ihn dann auch nicht angerührt. Ich stand nicht auf niedlich, auch nicht bei Mädchen. Ich wollte jemand mit Selbstbewusstsein und Charakter und davon hatte Nico manchmal zu meinem Leidwesen mehr als genug. „Er is aber nicht schlecht drauf wegen mir, oder?“, kam es plötzlich etwas besorgt von ihr. Ich schüttelte aber den Kopf. Nein, Nico war definitiv nicht deswegen so mies gelaunt. Ich wollte ihr aber nicht eklären, an was es lag. Das ging sie dann doch nichts an. „Okay, dann is ja gut. Ich will hier ja niemand dazwischen funken, oder so.“ Es klang sogar ehrlich gemeint. Irgendwie machte sie das sympathischer. „Nee, keine Sorge, das passt schon.“ Nico und ich waren ja nicht zusammen, also alles bestens. Niemand musste sich wegen der Sache irgendwie Gedanken machen. Angelika klappte den Block schließlich zu und legte ihn wieder zurück auf das Nachttischchen. Dabei fiel wohl ihr Blick auf den Wecker, da sie plötzlich hektisch aufsprang und nach ihrer Hose griff. „Verdammt, ich komm zu spät!“, fluchte sie und schloss den Knopf ihrer Jeans. Dabei konnte man ihren hellen, flachen Bauch sehen und ich fand es etwas Schade, dass sie jetzt schon weg musste. One-Night-Stands eben, sie machte ihren Standpunkt klar. Sie suchte noch schnell den wenigen Kram, den sie dabei gehabt hatte, zusammen und ich bekam nicht mal einen Abschiedskuss, als sie ging. „Hat Spaß gemacht mit dir!“ Und weg war sie. Ich seufzte und ließ mich wieder ins Bett fallen. Wurde ich langsam sentimental, dass ich es jetzt als Schade empfand, dass sie einfach gegangen war? Ich hätte gerne noch jemand gehabt, mit dem ich etwas kuscheln konnte oder zumindest zusammen fernsehen. Klang total nach Weichei, das wurmte mich und der Umstand, das Nico weiterhin in seinem Zimmer schmollte. Er war so albern. Gut, wir hatten uns gestern gestritten, aber das war doch kein Grund sich jetzt weiter im Zimmer zu verkriechen. Ein Sorry von seiner Seite und die Sache wäre erledigt. Aber schön, wenn er sich lieber alleine auf seiner Matratze flänzte, als mit mir fernzusehen war das seine Sache. Wahrscheinlich verpestet er sowieso gerade seine Luft mit Zigarettenqualm. Mir immer vorhalten, wie ungesund ich lebte und sich selbst mit dem Rauchen vergiften, soviel zu Doppelmoral. War mir doch egal. Ich würde jetzt bestimmt nicht zu ihm rüber gehen und ihn um Gesellschaft anbetteln. Vielleicht war ich manchmal ein bisschen armselig, aber so tief würde ich dann doch nicht sinken. Zu dem sollte er sich bei mir entschuldigen und nicht andersrum. Ich merkte, wie meine Verärgerung wuchs, je länger Nico in seinem Zimmer saß und nicht zu mir kam. Was sollte das überhaupt? Wir waren doch keine kleinen Kinder mehr, die nicht miteinander reden konnte. Wütend zappte ich durchs Programm, als könnte es etwas für Nicos Verhalten, hatte meine Augenbrauen zusammen gezogen, war genervt von den stupiden Sendungen. Ich schmiss die Fernbedienung frustriert auf das Nachttisch und starrte angepisst auf die Mattscheibe. Gott, wenn er nicht gleich rüber kommen würde... das war doch lächerlich. Er war schon drei Stunden in seinem Zimmer, in dem es nichts gab außer dem Aschenbecher und meinen häßlichen Malereien. Das musste doch langweilig sein. Es war eigentlich fast schon kränkend, dass er dieses dumme Zimmer mir vorzog. Ich trat den Nachttisch schlecht gelaunt, stieß dabei den Wecker um, der mit einem empörten Pieps auf den Boden prahlte und stand dann auf. Das war kein Zustand, wenn er nicht zu mir kommen wollte, würde ich eben zu ihm gehen. Ich riss seine Tür mit viel Schwung auf und setzte dazu an, ihn anzublaffen. Aber dafür hätte jemand im Raum sein müssen. Nico war nicht im Zimmer. Kurz fühlte ich mich verwirrt, war er im Badezimmer oder in der Küche? Ich lauschte beunruhigt in die Wohnung, nichts zu hören. Ich ging in den Flur, vielleicht war er nur leise. Auch hier empfing mich nur Stille. Ich klopfte an die Badezimmertüre, bekam keine Reaktion, drückte die Türklinke nach unten und ohne Widerstand öffnete sich die Tür. Der Raum war leer. Das konnte doch nicht sein. Ich stürmte in die Küche, wo mich nicht mal mehr das Ticken der Uhr begrüsste. Das war nicht sein Ernst! „Nico?!“, rief ich schließlich laut nach ihm und in der Hoffnung, dass ich ihn irgendwie übersehen hatte. Keine Antwort. Ich fuhr mir gestresst durch die Haare, er musste doch hier sein. Schließlich schaute ich im letzten Raum dieser Wohnung nach, dem ehemaligen Schlafzimmer meiner Großeltern. Es war so kahl und kühl, wie immer. Ich spürte wie sich ein Kloß bei mir im Hals bildete und sich das Gefühl, das dieses Zimmer verursachte auf mich übergriff. Ich schmiss die Tür wieder zu, es wurde aber nicht besser. Nico war nicht da. Okay, beruhig dich, Enno. Vielleicht war er nur kurz Zigaretten kaufen, oder so. Hätte ich nicht mitbekommen, wenn er die Wohnung gerade verlassen hatte? Vielleicht war ja der Fernseher zu laut. Es konnte ja auch sein, dass er vor einer Weile für einen kleinen Spaziergang rausgegangen war. Sowas konnte doch mal vorkommen. Ich musste mir keinen Kopf machen, oder? Ich ging nochmals in seinem Zimmer, schaute mich mit klopfenden Herzen um. Ich wollte die Bestätigung, dass alles noch in Ordnung war und stellte fest, dass Sachen fehlten. Seine Sporttasche mit den Klamotten war nicht mehr da, genau wie ein paar Bilder nicht mehr an den Wänden hingen. Fuck. Ich schlug mit der Faust gegen die Wand, spürte nur ganz dumpf der Schmerz, der dadurch entstand. So eine verdammte Scheiße. Meine Augen brannten und ich rieb mir mit der anderen Hand darüber. Nico konnte nicht weg sein, er durfte doch nicht einfach gehen. Warum sollte er überhaupt abhauen? Ich merkte, wie meine Glieder schwer wurden und mich wieder dieses wahnsinnige Gefühl von Wut und Frust ergriff. Wie konnte er einfach verschwinden ohne ein Wort zu sagen?! Ich machte einige Schritte in das Zimmer, sah mich wieder um. Er musste doch irgendeinen Zettel geschrieben haben. Irgendwas! Ich riss die Decke von der Matratze, schaute unter das Kissen, durchwühlte meine Malereien und trat schließlich gegen die Kaffeemaschine, die hier noch immer stand und mich gerade richtig ankotzte. Er hatte sie in das Zimmer gestellt, damit ich auf meine Gesundheit achte. Als hätte ihn das jemals interessiert, verlogener Bastard. Wenn ich ihm wichtig gewesen wäre, hätte er sich nicht einfach verpisst, bloß wegen so einer Kleinigkeit wie einem Streit. Feigling, Arschloch... Ich verpasste der Kaffeemaschine noch einen Tritt, so dass sie laut schepperend umfiel. Dann verließ ich das Zimmer, ich ertrug es einfach nicht. Im Flur blieb ich stehen und atmete tief durch. Ich wollte immer noch etwas zerstören und laut schreien. Wie konnte Nico mich so verarschen?! Erst als ich zu fest in meine Lippe biss und den Schmerz spürte, wurde mir überhaupt klar, dass ich auf ihr rumgekaut hatte. Der leichte Schmerz holte mich aber aus meinen Gedanken. Ich musste irgendwas tun. Ich musste zu Eddy! Warum war ich nicht gleich zu ihm gegangen, als Angelika weg war? Warum hatte ich Idiot eigentlich darauf gewartet, dass Nico zu mir kommen würde? Ich war doch total bescheuert. Was wollte ich mit Nico, wenn Eddy doch die einzige Person war, die mich verstand?! Abgesehen von dieser dummen Sophie-Sache, die sich ja mittlerweile erledigt hatte. Bestimmt hatte er deshalb angerufen. Ich zog mir meine Schuhe an, nahm mir die Jacke von der Garderobe, checkte ob ich die Wohnungsschlüssel eingepackt hatte und machte mich auf dem Weg zu ihm. Warum auch anrufen? Sonntags war er so gut wie immer daheim und ich musste ihn jetzt wirklich sehen. Ich hätte auch nicht gewusst, zu wem ich sonst sollte. Mich empfing draußen ein Schwall kalte Luft und ich zog meine Jacke fröstelnd zu. Ich kam mir dumm und verlassen vor, als ich den Weg zu Eddy ging. Dumm, weil ich mich verlassen fühlte. Ich sollte mich nicht über Nico aufregen. Es war doch schon immer klar gewesen, dass er nur hinter meiner Wohnung her gewesen war. Ich erinnerte mich vage an das erste Gespräch mit ihm, bei dem wir uns nicht beschimpft hatten. Er hatte nach meiner Wohnung gefragt, das er selbst ausziehen wollte. Gut, vielleicht stand Nico auch ein bisschen auf mich, aber er hätte bestimmt auch Robert flach gelegt, wenn der eine eigene Wohnung gehabt hätte, oder? Naja, vielleicht nicht unbedingt Robert, der schien nicht zu ihm zu passen. Eher noch Jonas? Keine Ahnung, ich fühlte mich mies und ich wollte heulen. So erbärmlich das klang, ich brauchte eine Umarmung von Eddy. Dann sah die Welt immer gleich wieder besser aus. Ich wusste nicht so genau, was ich ihm sagen sollte, worüber wir reden mussten. Es war viel passiert, irgendwie. Ich erinnerte mich mit Horror an das Gespräch im Bus und daran, dass er Sophie in Schutz nahm. Damals, als die Sache mit Ekatarina war, hatte ich nichts zu ihm gesagt. Ich hatte sie für ihn verlassen und nicht mal über ihn gelacht, als nichts aus ihnen geworden war. Hätte er Sophie verlassen, wenn ich ihm das gesagt hätte? Ich schüttelte den Kopf, schlechte Gedanken, dumme Gedanken. Eddy hatte angerufen, weil jetzt wieder alles gut war. Bestimmt. Er würde es mir verzeihen, dass ich mir einen dummen Punk und Schnorrer in die Wohnung geholt hatte, um mit ihm zu vögeln und ich würde einfach ignorieren, dass Sophie jemals existiert hatte. Genau so funktionierte Freundschaft, oder nicht? Du würdest doch lieber ihn vögeln. Dieser Satz schlug wie ein Bombe in meine Gedanken ein, eigentlich schon längst verdrängt und jetzt viel zu präsent. Eddy vögeln, ficken, ihn flach legen, mit ihm Sex haben, den Geschlechtsverkehr vollziehen, kopulieren, Liebe mit ihm machen... Liebte ich Eddy auf eine völlig kaputte, verquere Art? Ich bekam Magenschmerzen, wenn ich daran dachte. Es stimmte schon, er war wichtig für mich, der wichtigste Mensch für mich, der noch lebte. Hieß das gleich, dass es auch eine körperliche Anziehung sein musste? Ich würde mit Eddy schlafen, er müsste nur ein Wort sagen und ich wäre dafür bereit. Der Gedanke erschreckte mich und doch war er nicht zu leugnen. Ein Freund mit dem man Sex hatte? Oder wäre es eine Beziehung? Liebe. Was für eine Scheiße. Ich würde niemals versuchen Eddy zu irgendwas in diese Richtung zu bewegen. Dafür war er mir zu wichtig und Sex zu banal. Ganz davon abgesehen, dass es schon deswegen nie dazu kommen würde, da Eddy nicht auf Kerle stand, er war nicht mal im Ansatz bi. Ihn würde der Gedanke regelrecht anwidern. Das wusste ich schon immer, oder? Das ich bei ihm auf verlorenen Posten stand. War ich deswegen immer mit diesen Kleinigkeiten zufrieden gewesen? Wenn er mich glücklich anstrahlte, wenn er mit mir auf dem Bett saß, wir Bier tranken und schlechte Filme schauten, wenn er mich im Arm hielt, genau in den Momenten, in denen ich am liebsten sterben wollte. Er war viel zu wichtig, als das ich jemals für ein unbedachtes Verlangen alles zerstören würde. Ich musste ihn sehen. Ich wusste, dass ich nichts mehr unter Kontrolle kriegen würde, wenn ich ihn nicht mehr zurück gewinnen konnte. Vielleicht war die Vorstellung ja aufregend, reißerisch, einsam und allein nur mit der Kunst in einer verlassenen Wohnung zu leben. So stellte man sich das doch vor, exzentrische Künstler. Aber ob ich wollte oder nicht, ich konnte nicht alleine sein. Ich war so ein erbärmlicher Idiot, wenn sich die Einsamkeit heranschlich. Ob Nico das gewusst hatte? Hatte er diesen Umstand ausgenutzt?! Ich hätte ihn niemals in meine Wohnung gelassen, wenn nicht diese komische Sophie-Sachen zwischen Eddy und mir vorgefallen wäre. Bedeutete das nicht auch, dass ich Nico überhaupt nicht mehr brauchte, wenn mit Eddy alles im Lot war? Der Gedanke beruhigte mich auf eine abstruse Art und Weise. Es war egal, dass Nico weg war, nicht weiter von Bedeutung, völlig irrelevant. Ich brauchte nur Eddy, nur ihn, niemand sonst. Nur einen einzigen Menschen, für mich allein. --------------- PS.: Ich hab gestern Nacht endlich das letzte Kapitel (Kapitel 27) geschrieben und heute Mittag schon mal ein ausführliches Nachwort angefangen. Falls ihr Fragen für das Nachwort habt, was euch schon immer auf der Seele gebrannt hat zu meiner Person, zur Story, oder irgendwas anderes, einfach her damit, das wird dann alles beantwortet. XD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)