Ray Ban von Kai-Leng (FF zur Buchreihe S.T.A.L.K.E.R.) ================================================================================ Kapitel 21: Kapitel 21 ---------------------- Ort: die Zone Gebiet: Kordon Kontrolliert von: keine Fraktion David mochte Sidorowitsch nicht. Er verkörperte das klassische Beispiel eines schmierigen Halsabschneiders. Klar, der Händler war eine Koryphäe in der Zone und hielt sich hier schon seit vielen Jahren auf, doch das war kein Grund, gleich vor ihm auf die Knie zu fallen. „Ghost, du hast dich lange nicht mehr hier blicken lassen. Es tut mir sehr leid um deine Freunde. Aber es freut mich, dass du wohl auf bist.“ sprach er träge. Zähneknirschend nahm Ghost die Lieferung entgegen, die ihm der Händler auf den Tresen knallte. Sidorowitsch rechnete auch nicht mit einer Antwort. Schweigend verliess der Stalker den Bunker und verschwand im Stalkerdorf. David, der zurück geblieben war, schaute den Händler fragend an. Dieser bemerkte dies und setzte mehr als gelangweilt zur Antwort an, während er an einer Hähnchenkeule nagte. „Ghost hatte vor Kurzem seine Teamgefährten verloren. Zwei sind verschwunden, einer gestorben. Mehr weiss ich nicht. Und nun geh. Und viel Erfolg auf deiner Jagd.“ brummte er und lehnte sich wieder in seinen alten Stuhl zurück. Als David aus dem Bunker trat bemerkte er, dass Alexander und Igel miteinander tuschelten. Na so was. Jetzt vertrugen sie sich auf einmal. Auf alle Fälle war das besser als Streitereien. Der junge Stalker blickte in den Himmel und kniff die Augen zusammen. Den Rückweg nach Yantar würden sie bei Tag nicht mehr bewältigen. Nachts ging er ungern auf Wanderung, trotz seiner Fähigkeiten und eines perfekt eingespielten Teams. Die Wesen, die zu dieser Zeit aus ihren Löchern krochen, waren viel zu gefährlich. Es machte auch ohnehin wenig Sinn, überstürzt zum Labor zu rennen, die Anzüge würden sowieso noch nicht fertig gestellt sein. Er wandte sich an seine Gefährten. „Wir bleiben heute Nacht hier. Seid ihr einverstanden?“ Alexander zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts. Verlor David seinen Biss? Er hatte fest damit gerechnet, dass der kleine Hitzkopf darauf bestanden hätte, sofort wieder aufzubrechen. Igel hingegen nickte zufrieden. „Also gut, dann machen wir hier Rast.“ sagte Marinin und schlurfte mit einem Hustenanfall voraus. Allmählich brach die Nacht über das Dorf herein. Ebenso kamen einige junge Stalker von ihrer Erkundungstour zurück, die sich hier, im Kordon niedergelassen hatten. Weiter als bis zur Müllhalde trauten sich nur die verwegeneren Rookies oder Teams. Einige Stalker hatten aus einer Mülltonne ein Lagerfeuer gebastelt und erzählten sich Geschichten oder tauschten ihre heutigen Erlebnisse aus. Einer von ihnen spielte auf einer alten Gitarre, die schon einmal bessere Tage gesehen hatte. David und seine Gefährten gesellten sich ebenfalls zu ihnen und lauschten den fremden, traurigen Klängen. Nimble, ein junger Stalker, nicht älter als David, war gerade dabei, Ghost darum zu bitten, dass er von seinen Abenteuern erzählen sollte. Veteranen waren in allen Teilen der Zone stets gerne gesehen, besonders bei den Neulingen. Plötzlich stand Nimble auf und machte auf sich aufmerksam. „Alle mal herhören. Der Veteran Ghost wird uns von seinen Abenteuern erzählen. Ich bitte um Ruhe und Aufmerksamkeit.“ Um das Lagerfeuer wurde es innert Sekunden mucksmäuschenstill. Nur das Knistern des Feuers und das Hundegeheul in der Ferne konnte man noch hören. Ghost war zwar kein sonderlich guter Geschichtenerzähler, aber dennoch hingen die Stalker an seinen Lippen und verinnerlichten jedes seiner Abenteuer. Das waren Geschichten, aus denen Legenden geschmiedet wurden. Als Ghost schliesslich an die Stelle kam, in der sein Team Pripyat hinter sich liess und zum AKW vorstiess, konnte man die Spannung und Neugier förmlich riechen. Für David, der die ganze Zeit über schweigend zugehört hatte, wurde die angespannte Atmosphäre schier unerträglich. Die Gefühle der anderen prasselten unentwegt auf ihn herein und er bekam Kopfschmerzen. Am Liebsten wollte er aufstehen und sich so weit es ging von ihnen entfernen damit er wieder Ruhe hatte. Doch entgegen seiner Schmerzen hielt es ihn am Lagerfeuer. Wenn Ghost etwas über den Aufbau des AKWs sagen konnte, waren diese Infos für Kims Rettung mehr als Gold wert. Als Ghost geendet hatte, war die Menge schier aufgebracht. Ein dokumentierter Vorstoss zum AKW war für die meisten Stalker ein Ding der Unmöglichkeit. Einige von ihnen fingen an, den Veteranen über Details auszufragen, die er entweder bewusst ignoriert hatte, oder nicht detailliert genug erzählte. David kam es in gewisser Hinsicht so vor, als ob er gerade in einer Menge Teenies sass, die sich über einen Superstar hermachte, der ein Interview gab. Was in gewisser Hinsicht auch der Wahrheit entsprach. Die Stalker, die Ghost durchlöcherten, waren allesamt nicht älter als Mitte Zwanzig. Schliesslich erbarmte Nimble sich und fokussierte seine Aufmerksamkeit auf David. „Hey, hab schon die ganze Zeit studiert, woher ich dich kenne. Du bist David Rothe, nicht wahr? Du hast uns sicher auch interessante Sachen zu sagen. Die Nacht ist noch jung, also erzähl, wie war es denn hier, vor der Zeit der Stalker?“ David wollte automatisch zu einer Notlüge ansetzen und sagen, dass es sich um eine Verwechslung handle, doch es war zu offensichtlich, dass er wirklich der Echte war. „Kann schon sein.“ knurrte er verstimmt. Ihm war im Moment nicht danach über seine Vergangenheit zu reden. Es ging niemanden was an. Er stand auf und wandte sich zum Gehen. „Vielleicht ein anderes Mal.“ sagte er und verschwand in einem der Bunker. Nimble starrte dem Deutschen perplex hinterher. Danach wandte er sich Alexander. „Ein redseliger Kerl nicht wahr?“ fragte er ihn. Der Major nickte nur. Auch ihm war nicht nach Reden zumute. Apropos reden. Wo war das Plappermaul namens Igel wenn man es mal brauchte? Er hätte das gesamte Dorf die ganze Nacht über ohne besondere Anstrengungen unterhalten können. Irgendwie musste er sich klammheimlich abgesetzt haben. David wollte sich gerade auf einer ausgeleierten Liege schlafen legen, als es an der Stahltür klopfte. Hoffentlich war es nicht dieser Nimble. Er wollte im Moment seine Ruhe haben. Angesäuert schlurfte er zur Tür. „Wer da?“ rief er barsch. „Ich bin’s, Igel. Kann ich reinkommen ohne getötet zu werden?“ Rothe seufzte resigniert als er die Tür ein wenig öffnete. Vorsichtig schob sich der Igelkopf durch den Spalt und blickte sich um. „Was für Ehre in einem Bunker zu nächtigen.“ grinste er. David rollte die Augen. „Erspar dir deinen Humor, mir ist im Moment nicht nach lachen zumute.“ Igel hob beide Hände. „Okay, okay. Ist ja gut.“ David kam näher und schaute ihm direkt in die Augen, bzw. in die Ray Ban. Trotz des gedämpften Glühbirnenlichtes konnte er sich in den Gläsern spiegeln sehen. Tiefe Augenringe zierten sein Gesicht. Angewidert von seinem eigenen Antlitz nahm er vorsichtig Igels Sonnenbrille ab. Wie der Kerl in der Dunkelheit damit sehen konnte war ein Rätsel. Zum Vorschein kamen wolfsgraue Augen, die einem durch Mark und Bein fuhren. Ein stechender Blick, der einen vollkommen durchleuchtete. David konnte dem Blick nicht lange standhalten und schaute entrüstet auf den Boden. Er hasste solche Machtspielchen. Er merkte, dass Igel langsam näher kam. Und er wusste augenblicklich, was er vor hatte. Noch hatte David die Chance, ihn aufzuhalten. Doch wollte er das? Sein Verstand warnte ihn davor, jetzt nachzugeben. Doch sein Herz und sein Körper sahen das anders. Rothe hasste sich dafür, dass er anfing leicht zu zittern. Igel hob mit seiner rechten Hand Davids Kopf. „Schau mich an.“ flüsterte er. „Ich -“ Weiter kam der Blonde nicht. Igel hatte bereits seine Lippen mit den seinigen versiegelt. In dem Moment, als David in die Arme des Schützen geschlossen wurde und seine Nähe spürte, hatte er sich entschieden. Für Igel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)