Ray Ban von Kai-Leng (FF zur Buchreihe S.T.A.L.K.E.R.) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Ort: Die Zone Gebiet: Wächterlager Kontrolliert: Duty Fraktion David fluchte, als er ein Kühlpad auf seine frische Beule legte, die bereits in allen Farben florierte. Wütend schaute er sich in seiner vorübergehenden Unterkunft im Lager der Wächter um. Blanke graue Wände, ein schmutziger Betonboden und ein stark mit Rissen durchzogenes Fenster starrten ihm entgegen. Deprimierender ging es wohl kaum noch. Und dieser Raum war noch obendrauf noch eine Art Suite für die Elite der einkehrenden Stalker. Die hiesigen Wächter der Fraktion Duty stellten jedem Stalker eine temporäre Bleibe zum Ausruhen und Erwerb neuer Ausrüstung zur Verfügung, der es bis in das Gebiet der Bar schaffte und Schutz, Erholung und einen Händler suchte. „Wenn ich etwas mehr hasse, als diese verdammten Sektenmitglieder der Monolithfraktion, sind es die Banditen von der Müllhalde!“ spie er in ätzendem Ton aus, während er ein leuchtendes Artefakt, das aussah wie ein Strang voll Perlen, in der Hand hin und her wiegte. Es hiess deshalb nicht umsonst Mamas Perlen. „Hoffe, dass dieses Artefakt es Wert war, dass wir diese Strapazen auf uns genommen hatten und der Erlös beim Händler stimmt. Sonst gibt es Tote.“ Neben ihm auf einem alten Holzstuhl, dessen Lehne bedrohlich bei jeder Bewegung knarrte, sass der Mitt-Vierziger Alexander Marinin, ein ehemaliger ukrainischer Kriminologe, der nun allerdings als Major im Dienst der Speznas stand. Auch er hatte seine Familie an die Zone verloren und brannte förmlich darauf, endlich Licht in die vermutlich grösste Verschwörung der Weltgeschichte zu bringen, um seinen ersehnten Frieden zu finden. „Reg dich nicht auf, David. Hätte schlimmer kommen können.“ sagte er und zündete sich eine ungefilterte Zigarette an. Es dauerte eine Weile, da er sich nur unter Schmerzen bewegen konnte. Er hatte sich an einer Brenner Anomalie verbrannt, als er auf der Flucht unaufmerksam wurde und den Ausläufer streifte. Zudem hatte er sich die rechte Schulter bei einem üblen Sturz ausgekugelt. Doch die Verbrennung und seine Schulter waren seine kleinsten gesundheitlichen Probleme. Durch das jahrelange ständige Rauchen war er von Krebs gezeichnet und hatte wohl nicht mehr lange zu leben. Die Artefakte aus der Zone konnten zwar sein Leben verlängern und seine Schmerzen lindern, aber ihn vollständig zu heilen, das konnten sie nicht. Zum Glück hatten beide noch Artefakte mit heilender Wirkung in ihren Taschen und Marinin hielt sich Steinblut an seine Schulter, das vor sich hin leuchtete, während es seinen Dienst tat und allmählich die Wunden schloss. David hingegen verzichtete darauf, sich Artefakte zum Heilen seiner Beule an die Stirn zu legen. Für solche minimalen Verletzungen wie eine Beule und ein paar Schürfwunden waren sie einfach zu kostbar und schwer aus den Anomalien, die sie hervorbrachten, zu bergen. „Siehs mal von der positiven Seite an, der Prügelknabe, der dir dein hübsches Feilchen verpasst hatte, hat unsere Ärsche vor den Kötern gerettet, die hinter uns her waren nachdem wir das Artefakt geborgen hatten.“ Der blonde Deutsche mit den blauen Augen grinste bei diesen Worten schief. „Auch wieder wahr, da hatten die Tölen anstatt deutsche Bratwurst und ukrainische Salami, Bandit a la Carta…“ Marinin brach in schallendes Gelächter aus, brach aber gleich wieder ab, als es ihm seine Schulter mit eine stechenden Schmerz vergalt. „Der war gut! Dein Zynismus wird nur noch von deinen Psi-Fähigkeiten übertroffen, David.“ Der Jüngere wurde auf einen Schlag hin wieder ernst. Ihn auf sein Psi-Talent hinzuweisen war im Moment keine gute Idee. Sie erinnerten ihn an Kim Raika. Kim. Tochter der grossen Marina Volchanova, die vor ein paar Jahren spurlos verschwand. Von ihr hatte sie ihre übernatürlichen Fähigkeiten vererbt. Und wegen diesen, wurde sie vor ein paar Tagen von der Monolith Fraktion verschleppt. Wie es ihr wohl im Moment ging? David war fast krank vor Sorge um sie. Marinin musste ihn mit aller Gewalt zurückhalten, als sie vor seinen Augen gefangen genommen und weggeschafft wurde, damit er nicht blauäugig hinterher rannte und riskierte, ebenfalls zur Geisel zu werden. Glücklicherweise erleichterte ein Hochgeschwindigkeitsprojektil eines Monolith Scharfschützen, das David lahmlegte, seine Arbeit ungemein. Nun befanden sie sich im Wächterlager der Duty Fraktion um sich Informationen und eine neue Ausrüstung zu besorgen. Aber wer konnte ihnen verlässliche Infos geben oder sich sogar anschliessen? David und Alexander misstrauten grundsätzlich jedem Menschen. Hier in der Zone war das eines der obersten Gebote. Traue niemandem. „Ach hier seid ihr! Hab schon das halbe Lager nach euch abgesucht! Der Wachposten namens Plichko hat mir gesagt, dass ihr wieder zurück seid.“ Ausser einem. „Igel.“ Munter plapperte besagter Stalker, der gerade durch die ausgeleierte, knarrende Metalltüre kam, weiter. „Na? Habt ihr das Artefakt für die Startgebühr gefunden? Habt ihr unterwegs ein Picknick gemacht oder weshalb wart ihr solange weg? Ich hab uns alle bereits angemeldet. Die Arena öffnet ihre Pforten morgen um 20:00. Naja, bei Dunkelheit kämpfen ist nicht so mein Ding, aber wird schon werden. Wollt ihr beiden euch schon aus Ohr hauen oder gehen wir noch einen heben?“ David schaltete bereits nach 2 Sätzen ab und meinte nur noch dass er gerne schlafen wolle. Igel, der seinen Namen durch seine Haarfrisur zu verdanken hatte, redete einfach zu viel, wenn er gute Laune hatte und der Tag lang war. Deshalb war ihm Alexander als Partner lieber, zumindest, wenn er auf Artefaktjagd ging. Marinins ruhige und in sich gezogene Art gefiel ihm wesentlich besser. Das machte wohl das Alter aus. Alexander hingegen fand Igels Angebot, noch einen trinken zu gehen, verlockend. Allerdings ging es ihm weniger darum, sich so schnell wie möglich die Birne wegzuknallen und lallend im Lager rumzutorkeln. Oh nein. Dies war die ideale Gelegenheit den jungen Stalker ein bisschen auszuhorchen. Seit ihrer ersten Begegnung hatte Marinin jedes Mal ein mieses Gefühl, wenn der Stachelkopf in der Nähe war. David meinte zwar, dass man ihm trauen konnte, aber Marinin machte sich da lieber selbst ein Bild. Irgendetwas stimmte nicht mit Igel. Und er würde herausfinden was. David hingegen traute er. Damals, vor langer Zeit, als Alexander seine Familie beim zweiten Blowout der Zone verloren hatte, war der junge Deutsche das einzige, was ihm lieb war. Trotz anfänglicher Differenzen wuchs das Vertrauen und die Freundschaft mit jedem Abenteuer und jeder Gefahr, die sie zusammen bestanden. Nach so vielen Jahren waren keine Worte untereinander mehr notwendig um sich zu verständigen. Ein Blick oder eine Geste genügte schon und der andere wusste Bescheid. Oh ja, der kleine Rothe war für ihn wie sein eigener Sohn. Im Prinzip fühlte sich Alexander innerlich zerrissen. Einerseits liebte er David wie ein Familienmitglied und adoptierte ihn innerlich als Sohn, andererseits verglich er ihn ständig mit seinen verstorbenen Söhnen. Obwohl das ein völliges Absurdum war. Rothe unterschied sich nicht nur charakterlich von seinem ältesten Sohn Wasili, sondern auch im Aussehen. Honigblonde statt schwarze Haare, azurblaue Augen statt braune Rehaugen, kleiner als sein Ältester und schliesslich eine schlankere Figur, die jedoch durchtrainierter war. Im Charakter gab es zwar einige Gemeinsamkeiten, allerdings verflüchtigten diese sich sofort, wenn sich David wieder den Gefahren der unbarmherzigen Zone stellte. Machte Rothe in einem Augenblick noch einen trotzköpfigen, kindischen Eindruck, verschwand dieser sofort von einer zur anderen Sekunde hinter der klassischen Stalker-Gasmaske sobald Gefahr im Verzug war. Der grösste Unterschied zu Wasili waren Davids übernatürlichen Fähigkeiten. Der Junge fühlte die Emotionen seines Gegenübers, konnte dessen Gedanken lesen und sogar sein Handeln zeitweise kontrollieren. Telepath und Empath in einer Person vereint. Doch konnte der junge Stalker seine empathischen Fähigkeiten nicht gezielt nutzen. Zumindest noch nicht. Und solange war er für Monolith ein gefundenes Fressen. Alexanders Gedanken wanderten gegen seinen Willen zum schlimmsten Feind der Zone. Nicht die abscheulichen und zugleich bemitleidenswerten Kreaturen. Die grösste Gefahr ging von den Anhängern der mysteriösen Sekte Monolith aus. Fanatiker, ja so konnte man sie bezeichnen, die an einen geheimnisvollen Monolithen im Zentrum der Zone, auch Wunschgönner genannt, glaubten, der einem alle Wünsche erfüllen konnte. Und die an Ausserirdische glaubten, die die Zone erschaffen hatten. Typische Fanatiker. Aber sie waren gefährlicher als jedes andere Wesen oder Anomalie, die in der Zone ihr Unwesen trieb. In Sachen Ausrüstung hatten sie nur das Beste vom Besten. Wie zum Beispiel die beiden Sturmgewehre GP37 und FT200M. Oder die Ausführungen der Dragunov. Wie die SVD, ein tödliches Scharfschützengewehr. Alexander konnte auch schwören, dass er einmal einen Monolith Scharfschützen, der sich zufällig in der Nähe ihrer Routen aufhielt, mit einer neuartigen Waffe gesehen hatte, deren Funktion und Name ihm unbekannt war. Als Major des Militärs kannte er sich mit vielen Waffentypen aus, die weltweit gehandelt wurden, aber diese Spezifikation war ihm fremd. Seine Nackenhaare stellten sich auf als er daran dachte, was für hübsche Überraschungen Monolith sonst noch im Ärmel haben könnte. Und was passieren könnte, wenn sie David in die Finger bekam, genauso wie sie die junge Telepathin Kim nun in ihrer Gewalt hatten. Kim Raika. Wie es ihr wohl im Moment ging? Schliesslich wurde sie von diesen Fanatikern gegen ihren Willen verschleppt und die Tiefen der Zone, vielleicht die Geisterstadt Pripyat oder zum Zentrum des Übels, das AKW von Tschernobyl selbst, gebracht. Marinin glaubte allerdings nicht, dass sie ihr etwas antun wollten. Sonst hätten sie die junge Frau auf der Stelle getötet. Aus einem noch unerklärlichen Grund grasten Agenten dieser Fraktion die gesamte Zone nach Stalkern ab, die telepathische Fähigkeiten aufwiesen und entführten sie. Doch zu welchem Zweck? Für wissenschaftliche Experimente? Alexander hörte auch Gerüchte, dass in letzter Zeit auch angesehene Wissenschaftler und Ärzte ausserhalb der Zone spurlos verschwanden. Irgendwas braute sich im AKW zusammen. Etwas Gewaltiges und Unberechenbares. Irgendwas… „Hey! Herr EX-Major Marinin! Träumst du oder was? Los, lass uns einen trinken gehen!” Der ältere Mann hätte sich beinahe an seiner, zur Hälfte abgebrannten russischen Papirossi verschluckt und schier einen Herzinfarkt erlitten, als Igel ihn unsanft aus seinen Gedanken riss. Hatte er schon erwähnt, dass er diesen jungen Stalker nicht leiden konnte? Alexander knurrte etwas Unverständliches und folgte ihm zur wohl berüchtigtsten Schenke der Ukraine. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)