Aoi no Kitsune von the-suicide-circus (Warrior of Desire) ================================================================================ Kapitel 1: Ouvertüre -------------------- Der Tag, an dem mein Leben sich von Grund auf verändern sollte, begann wie jeder ganz normale Wochentag: Mit dem schlimmsten und nervtötendsten Geräusch, das die Menschheit kennt. Dem Wecker. Jedes einzelne Piepen hörte sich in meinem Kopf an, als ob man mir mit einem Hammer in schön regelmäßigen Abständen eins überziehen würde. Ich sah aus dem Fenster, es schien ein schöner Tag zu werden. Ein lauter Seufzer verließ meine Lippen, langsam richtete ich mich auf und griff nach dem immer lauter werdenden Gerät, am liebsten hätte ich es gegen die Wand geschmissen, um es abzuschalten. Genervt und immer noch müde ließ ich mich wieder auf die Matratze fallen. Hätte ich doch nur gestern ein oder zwei Bier weniger getrunken, warum mussten diese Idioten auch unbedingt mitten unter der Woche einen draufmachen? Und warum ließ ich mich dann auch noch dazu nötigen, mitzumachen? Abermals richtete mich auf, stand auf und verließ mein Zimmer in Richtung Bad, wo ich mich erstmal unter die kalte Dusche stellte, um wach zu werden. Wie jeden Morgen betrachtete ich eine Weile mein Spiegelbild, bevor ich begann, meine fast schulterlangen, stufig geschnittenen Haare zu kämmen. Eigentlich waren sie hellbraun, doch im Licht hatten sie einen leichten Rotstich. Es war wirklich nicht so, dass ich eitel war. Aber als Sportler musste ich eben auf mein Aussehen achten, viele sahen das als selbstverständlich. Aber eigentlich war es nur ein Klischee, das alles Sportschüler gut aussahen. Und das einzige Merkmal an mir, das nicht in dieses Klischee passte, waren meine Augen. Sie waren hellgrün, schon fast gelblich, wie die einer Katze. Noch nie in meinem Leben hatte ich jemanden mit einer ähnlichen Augenfarbe gesehen; das machte sie irgendwie einzigartig. Und trotzdem war ich nicht mehr als ein gut aussehender Schüler der Sénshu- Highschool mit durchschnittlichen Noten und einer Begabung für Basketball und Fußball. Das war’s. Daraus bestand mein Leben. Nachdem ich in meine Schuluniform geschlüpft war und meinen Rucksack gepackt hatte, ging ich die Stufen runter und wurde von meiner Tante Akiko Izui freudig begrüßt, die ihrem Ehemann Shota gerade einen Teller Omelett auf den Tisch stellte. „Morgen“, grüßte ich zurück, schenkte mir ein Glas Milch ein und setzte mich neben meinen Onkel. „Möchtest du denn nichts frühstücken?“, fragte mich dieser, behielt seinen Blick jedoch weiterhin auf der Zeitung in seinen Händen. Ich wollte gerade verneinen, als meine Cousine Tanako die Treppe hinunter rannte um mir einen guten Morgen zu wünschen, sie stand oft ein wenig früher auf, um mich ja nicht zu verpassen. Meine Tante behauptete immer, sie wäre mein größter Fan. Die Kleine war auch einfach niedlich und ich war ja mittlerweile schon so was wie ein großer Bruder für die Achtjährige geworden, seit ich vor fast einem Jahr zu ihnen zog. Der Grund dafür war der Autounfall meiner Mutter letzten Juli, ein Betrunkener drängte sie von der Straße und sie krachte gegen einen Baum. Mutter starb im Krankenhaus noch in derselben Nacht. Damals hatten mich meine Tante und mein Onkel aufgenommen, weil ich nicht zu meinem Vater wollte. Ich wusste kaum etwas über ihn und eigentlich war er mir auch ziemlich egal. Ich wusste nicht einmal den Grund, warum er sich von Mutter getrennt hatte. Nur mit meiner Großmutter hatte ich noch ein wenig Kontakt, wir schrieben uns manchmal Briefe. Aber in denen ging es meistens nur um die Schule oder sie erzählte mir über ihr Dojo auf dem Land. Gerade, als ich meinen Rucksack nehmen und mich verabschieden wollte, klopfte es an der Haustür und wie gewohnt stand Kairi Tónbo davor, um sich mit mir gemeinsam auf den Weg zur Schule zu machen. Und wie gewohnt nörgelte sie rum, dass wir mal wieder viel zu spät dran waren, als wir zu zweit aufbrachen. Und das seit ungefähr zehn Jahren jeden Schultag. Als ich mit meiner Mutter noch in der Himawari-Straße wohnte, zogen Kai und ihre Eltern in das Haus neben unserem, als ich 6 Jahre alt war. Wir sind praktisch wie Geschwister aufgewachsen und das Verhältnis hat sich nach über zehn Jahren kaum geändert, nur dass sie seit einem Jahr eben ein wenig weiter gehen muss, um mich abzuholen. Die Tatsache, dass sie ein Jahr jünger war als ich, hatte mich noch nie gestört. Kai war der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ich liebte sie. Und auch, wenn wir kein Paar waren, unsere Mütter waren immer der Meinung, dass wir irgendwann heiraten würden; und ehrlich gesagt hatte ich selber oft mit dem Gedanken gespielt. In unserer Schule galten wir lange nicht mehr als das „Traumpaar“ schlechthin, genauer gesagt seitdem raus gekommen war, das Kai in Yusaki Kanagawa verknallt war, einem Musterschüler aus meiner Klasse. Wenn man sie darauf ansprach, reagierte sie immer total aggressiv; was ich allerdings von ihr gewohnt war. „Weißt du, was ich mich immer wieder frage?“, fing sie plötzlich an, als wir gerade in die nächste Straße einbogen. „Hm...?“, hakte ich nach, da sie nicht weiter sprach. „Wie kann es eigentlich sein, dass der berühmte Ryuya Kitsunei, der so ziemlich beliebteste und vom weiblichen Schülerkomitee gewählte, gut aussehenste Schüler an der Sénshu-High, im Alter von siebzehn Jahren seit Monaten keine Freundin hat?“, beschwerte sie sich und sandte mir einen empörten Blick von der Seite. Und um das alles noch zu unterstreichen, stemmte sie auch noch ihre Hände in die Hüften. Ich seufzte genervt, dachte aber gleichzeitig nach, wie ich darauf antworten sollte. „Vielleicht“, begann ich schließlich, „weil ich genau auf solche Mädchen, wie die, die mir diesen bescheuerten Titel verpasst haben, keinen Bock mehr habe. Ich hab’s satt, wie sie mir alle ‚Ryuya-sempai’ hinterher flöten und ein Date oder alles Mögliche von mir wollen. Und ich hab’s vor allem satt, dann auch noch eifersüchtige Blicke von den anderen Jungs einstecken zu müssen.“ Kai schwieg daraufhin einige Sekunden, bis sie schließlich meinte, ich habe auch an allem immer etwas auszusetzen. „Kann schon sein...“, wir bogen in die nächste Straße ein, „aber das, was ich haben will, ist eine ernsthafte Beziehung. Diese ganzen Möchtegern-Tussis können mir gestohlen bleiben, ich will ein Mädchen, mit dem ich reden kann, schöne Momente verbringen kann und das mich mag, so wie ich bin. Und nicht nur, weil ich in der Schule beliebt bin.“ Ich blieb stehen und sah sie an. „So jemanden wie dich eben.“ Schnell wandte ich mich um. Ich hätte gern ihr Gesicht in diesem Moment gesehenen, ihre Reaktion. Doch ich konnte sie nicht ansehen. „Ryu...“, ihre Stimme war sanft, sie machte einen Schritt auf mich zu. Langsam hob ich meinen Kopf und blickte sie an. Ihr kurzes, manchmal leicht gelocktes, schwarzes Haar wehte im Wind. Die Schuluniform stand ihr besonders gut, in ihrer Freizeit trug sie nie Röcke. Sie war vielleicht nicht so gut gebaut wie andere Mädchen an unserer Schule, aber sie war durchaus hübsch. Und ihre dunkelgrünen Augen passten besonders gut zu ihrer hellen Haut. Ich konnte nicht mehr, alles in mir verkrampfte sich. Ich musste es loswerden. „Nur nicht so zickig und aggressiv. Und vor allem sollte sie einen besseren Kleidungsstil haben, sie sollte auf jeden Fall weiblicher sein. Du ziehst dich ja an wie ein Junge...“, mit schnellen Schritten und einem fetten Grinsen im Gesicht ging ich weiter und ließ die völlig verwirrte Kai mitten auf dem Gehweg stehen, bis ein Wut entbrannten Schrei hinter mir erklang. „Ryuya Kitsunei, ich hasse dich!“, schrie sie und betonte dabei jede Silbe einzeln. Sie ist einfach viel zu naiv, dachte ich mir und musste dabei einen Lachkrampf unterdrücken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)