Ausgeprinzt von mystique (∼ Das etwas andere Märchen ∼ SetoxJoey) ================================================================================ Kapitel 9: ... sich wehrte ... ------------------------------ „Und was tun wir jetzt?“ Seto blickte in den Himmel. „Ich weiß es nicht.“ „Dann sind wir gleich schlau.“ „Ein überflüssiger Kommentar, Mensch.“ Joey schlug dem Drachen gegen die Seite. Seto richtete seinen Blick gereizt auf ihn. „Was?“ „Joey“, knurrte der Prinz und funkelte den Drachen wütend an. „Wir sind über die Ich-bringe-den-Menschen-zum-Berg-um-ihn-dort-zu-opfern-Phase hinaus. Du kannst mich jetzt bei meinem Namen nennen.“ „Und was, wenn mir nicht danach ist?“ Joey verschränkte die Arme. „Dann sollte dir besser bald danach sein, sonst überlege ich mir das mit dem Drachenerlegen noch mal – und dann werde ich nicht zu deinen Gunsten entscheiden.“ „Als ob du eine Gefahr für mich darstellen könntest.“ Joey schwang sich in einer – durch die mehrtägige Reise – geübten Bewegung auf den Drachenrücken und klammerte sich von hinten an Setos Hals. „Das werden wir ja sehen!“ Der Drache betrachtete die kläglichen Versuche des Prinzen über seine Schulter mit einem belustigten Funkeln in den Augen. „Tu dir keinen Zwang an.“ Joey lockerte seinen Griff kein bisschen. Auch wenn er mit beiden Armen nicht den Hals des Drachen umfassen konnte, würde er nicht so bald aufgeben. Er starrte Seto provozierend an, woraufhin der Drache mit den Schultern zuckte – eine erschreckend humane Geste – und ein einziges Mal kräftig mit den Flügeln schlug. Der Ruck, der dabei durch den Körper des Wesens ging reichte aus, um Joey in hohem Bogen in die Lüfte zu schicken. Er sah den Boden bereits in rascher Geschwindigkeit auf sich zukommen, als Seto mit seinem Schwanz Joeys Beine umschlang und den Aufprall verhinderte. Wieder einmal. Joey gab einen genervten Laut von sich und verschränkte die Arme, während er wenige Zentimeter vom Boden entfernt in der Luft hin und her pendelte. „Das wird langsam alt, Drache“, murrte er. „Lass dir mal was Neues einfallen.“ Seto schmunzelte. Er hob Joey weiter in die Lüfte und beugte sich vor, bis seine Augen auf gleicher Höhe mit denen des Prinzen waren. „Es verliert aber nie an Reiz.“ „Was du nicht sagst.“ Joey streckte die Hand aus und tätschelte die Drachenschnauze vor sich. „Ich dich auch, Drache.“ Als er die Hand zurückzog stockte er, da etwas in Setos Blick lag, was vorher nicht dagewesen war. Erst jetzt wurde Joey bewusst, wie vertraut diese Berührung gewirkt haben musste. Unweigerlich spürte er, wie ihm Blut ins Gesicht strömte, doch es musste daran liegen, dass er noch immer kopfüber in der Luft hing. Dann hielt ihn plötzlich nichts mehr und mit einem überraschten Ausruf fiel er. Doch wieder landete er nicht auf dem Boden – dieses Mal wurde es von einer Drachenklaue verhindert, die jedoch nicht weniger hart war als der Boden. Joey rieb sich sein schmerzendes Gesäß und fluchte leise (etwas, das er von Bakura gelernt hatte). Dann blickte er zu dem Drachen auf. „Wofür war das denn?“ „Ein ganz schön schmutziges Mundwerk für einen Prinzen, findest du nicht auch?“ Seto stand auf den Hinterbeinen, zu seiner vollen Größe aufgerichtet, und Joey saß in mehreren Metern Höhe auf seiner ausgestreckten Vorderklaue. Der Prinz rappelte sich auf. „Und du bist ziemlich unverschämt für einen Drachen – mich einfach herumzuwerfen, wie ein Stück Holz.“ „Ich werfe dich nicht. Ich habe dich aufgefangen.“ „Oh, vielen Dank auch.“ Joey wandte den Blick ab. Seto so lange in die Augen zu sehen verursachte noch immer ein Gefühl des Unwohlseins, wenn er daran dachte, dass der Drache bereit gewesen war, ihn einfach so zu opfern. Auch wenn er Setos Beweggründe verstand, änderte es nicht daran, dass er Seto gegenüber misstrauischer war als vorher. Dem Drachen entging dieser Stimmungswechsel nicht. „Joey“, setzte er an und die alleinige Nennung seines Namens ließ den Prinzen aufblicken. „Ich werde dich nicht opfern.“ Joey setzte bereits zu einer spöttischen Erwiderung an („Na das beruhigt mich ja“, „Wie überaus großzügig von dir“), doch er schloss den Mund wieder, als er sich in Erinnerung rief, wie viel diese Aussage eigentlich bedeutete. Es hieß, dass Seto Mokubas Rettung für ihn aufgab. Der Prinz vergrub die Hände in seinen Haaren und schüttelte den Kopf. „Was soll ich nur mit dir machen, du dummer Drache?“, klagte er und kam sich selbst überaus theatralisch vor. „Auf einmal bin ich es wieder ,der in deiner Schuld steht, obwohl du mich opfern wolltest! Kannst du mir mal sagen, wie du das immer wider schaffst?!“ „Drachencharme.“ Joey blinzelte. „Das meinst du jetzt nicht ernst oder?“ Seto verdrehte die Augen. „Natürlich nicht, naiver Mensch.“ Joey funkelte ihn an und der Drache korrigierte sich sichtlich genervt: „Naiver Prinz.“ „Das müssen wir wohl noch lernen, was?“ „Sei still.“ Seto setzte sich wieder und ließ Joey von seiner Klaue steigen. Der Prinz betrachtete den Berg, der vor ihnen in die Höhe ragte. „Da du es ja so meisterhaft beherrscht, die Verhältnisse zu deinen Gunsten stehen zu lassen, muss ich mir wohl etwas überlegen, um Mokuba zu helfen.“ Zu seiner Überraschung jedoch sagte Seto: „Das musst du nicht.“ „Was?“ Seto wich seinem Blick aus. „Ich sagte, du musst es nicht Me- Joey. Du hast deinen Teil der Abmachung erfüllt – du bist mit mir gekommen – aber ich habe mein Versprechen beinahe gebrochen. Ich hätte es gebrochen, wenn du mich nicht zur Rede gestellt hättest. Du bist frei von jeglicher Schuld und kannst gehen.“ „Entschuldigst du dich gerade bei mir?“ Seto knurrte. „Du überinterpretierst meine Worte.“ Joey beugte sich vor. „Nein, ich glaube nicht. Du hast zwar versucht, dich von mir zu distanzieren, aber wenn ich mir dich jetzt so ansehe, dann wäre es doch nicht einfach so an dir vorbeigegangen. Ich bin dir nämlich gar nicht so unsympathisch, kann das sein?“ „Jetzt übertreibst du, Prinz.“ Joey hatte längst zu grinsen begonnen. „Nein, nein, nein. Du kannst es nicht leugnen, du magst mich.“ Setos Blick lag mit einem Mal stechend auf ihm und Joey zuckte zusammen. „Irgendwie“, fügte der Prinz etwas kleinlauter hinzu. Seto sah aus, als würde er am liebsten vehement verneinen, doch schließlich verzog er missbilligend das Maul und sagte: „Irgendwie. Man kann sich mit allem arrangieren.“ Joeys Mundwinkel hoben sich und er strich sich durch die Haare. „Keine Sorge, ich werde niemandem erzählen, dass der stolze, kalte Drache ein Herz hat. Und falls es dich beruhigt.“ Er zwinkerte. „Ich mag dich auch. Irgendwie. Ein bisschen.“ „Es beruhigt mich nicht.“ „Na und? Mir doch egal.“ Joey seufzte. „Ich werde jetzt nicht gehen“, sagte er schließlich. „Ich bin den ganzen Weg mit dir gekommen und auch wenn du mich – “ Er konnte es nicht einmal aussprechen. „Enttäuscht hat es mich schon, weißt du? Aber du hast recht, ich hätte an deiner Stelle – so ungern ich das auch zugebe – genauso gehandelt. Deshalb verstehe ich dich und nehme es nicht so persönlich, wie ich das unter anderen Umständen getan hätte. Nehme ich zumindest an ... Ich bin noch nie verraten worden. Wie auch dem – dir sei verziehen.“ „Ich weiß nicht, ob ich das jetzt Optimismus oder Idiotie nennen soll.“ „Dann lass es doch einfach. Und wie wäre es, wenn du mich ausreden lassen würdest?“ „Bitte. Fahre fort – ich kann es kaum erwarten.“ „Natürlich, Echse. Also, ich schlage vor, dass wir zu diesem Tempel gehen und mit der Priesterin sprechen.“ „Und da bist du ganz alleine drauf gekommen?“ Joey zog es vor, nicht zu antworten. Stattdessen setzte er sich in Bewegung und ging bestimmten Schrittes an Seto vorbei. Seto blickte ihm nachdenklich hinterher. „Ich weiß, dass meine Kehrseite nett anzusehen ist, aber du könntest mir ruhig folgen, Seto“, rief Joey über die Schulter. Der Drache grollte. „Eingebildet bist du ja gar nicht?“ Er setzte sich in Bewegung und war mit wenigen Schritten neben Joey. Prinz Joey hatte auf seiner Reise viel gelernt. Er hatte gelernt, dass sprechende Wölfe nicht gerne ihr Abendessen teilten und dass Sandelfen nachts nicht geweckt werden durften, wenn man an seinem Leben hing. Er hatte gemerkt, dass Magier mit einer zweiten Persönlichkeit nicht selten mit sich selbst sprachen. Er hatte gelernt, dass weiße Drachen einen unausstehlichen Charakter hatten und unangebrachte, spöttische Kommentare von sich gaben. Er hatte nicht gelernt, dass man ein Gebäude nur dann betreten sollte, wenn man sich sicher war, nicht in Gefahr zu schweben. Er hatte überhaupt nicht gelernt, vorsichtiger zu sein, wenn man vor wenigen Stunden noch geopfert werden sollte. Joey starrte sprachlos die Außenwände des Tempels hinauf. Majestätisch ragten schneeweiße Säulen links und rechts neben dem Eingang in die Höhe und auf ihrer Spitze thronten die marmornen Abbilder von Drachen. Drachen wie Seto, stellte Joey mit einem Blick zur Seite fest. Prinz Joey machte den Fehler, vor Seto den Tempel zu betreten. Kaum dass er die letzte Stufe der Treppe hinter sich gelassen hatte, fand er sich umzingelt von weiß gekleideten Gestalten wieder. Man ließ ihm keine Zeit zu reagieren, da packte man den Prinzen an den Armen und riss ihn von den Füßen. Joey wollte protestieren, doch ein Knebel verhinderte jegliche Worte. Dann raubte man ihm mit einem weiteren Stück Stoff die Sicht. Er spürte, wie er angehoben und getragen wurde. Jegliche Versuche, sich zu wehren wurden von starken Griffen um seine Arme und Beine verhindert. Dann lag er auf einem kalten, glatten Untergrund und spürte, wie man seine Arme und Beine fesselte, ihn bewegungsunfähig machte. Panik erfasste ihn und er bäumte sich auf, doch erfolglos. Er gab gedämpfte Laute von sich, versuchte nach Seto zu rufen und fürchtete, der Drache hätte ihn letztendlich doch verraten. Kalte Wut erfüllte ihn, und sein Widerstand gegen die Fesseln ließ nicht nach, gewann nur noch an Intensität. Mit einem Mal spürte er eine Person dicht neben sich und etwas Kaltes presste sich gegen seinen Hals. Selbst in seiner Aufregung nahm er wahr, dass es sich dabei um ein Messer handelte. Er erstarrte. „Ein Leben für ein anderes “, sprach eine Frau dicht neben Joey und die Klinge an seinem Hals ritzte in seine Haut. Er spürte ein warmes Rinnsal seine Haut hinab laufen und dieses Gefühl weckte seinen erstarrten Kampfgeist zu neuem Leben. „Du, der du das adelige Blut der Könige in dir trägst sollst –“ „Isis, halt!“ Joey zerrte an seinen Fesseln und das Reißen von Stoff erfüllte die Luft. Er hatte eine Hand freibekommen und riss sich die Augenbinde und den Knebel vom Gesicht. „Was zum -?!“, rief er zornig und brach dann ab. Er blickte direkt in die überraschten Züge einer fremdländischen Frau, die das Messer zum finalen Stoß über ihren Kopf gehoben hatte. Joey rollte sich im letzten Moment zur Seite. Die Klinge schlug in den Marmor des Altars, auf den Joey – wie er nun erkannte – gebunden worden war. „Isis!“, rief Seto erneut – dieses Mal mit deutlich schärferem Ton - und ein tiefes Grollen ließ die Frau erzittern. Joey starrte entsetzt auf die Klinge, die sich so dicht neben ihn einige Zentimeter in den Marmor gebohrt hatte. Wenn das Messer so scharf war, dass es Marmor durchdrang, dann wollte er sich nicht vorstellen, was es mit ihm angestellt hätte. Erst, als Setos Kopf unmittelbar neben ihm erschien und nicht minder scharfe Drachenklauen die verbliebenen Fesseln zerschnitten, wagte es Joey, den Blick wieder auf die Frau zu richten. Sie hatte sich von ihrer Überraschung erholt und bedachte den Drachen mit einem skeptischen Blick. Dann griff sie nach dem Messer und zog es aus dem Stein. Joey zuckte zurück und Seto zog den Prinzen mit einer Klaue zu sich, behielt diese jedoch zur Sicherheit zwischen Joey und der Frau. „Er wird nicht geopfert“, sagte er leise und Joey meinte, einen drohenden Unterton in der Stimme gehört zu haben. Erst jetzt bemerkte er, dass sein Atem in schnellen Stößen ging und dass er zitterte. Seufzend lehnte er sich an die schützende Drachenklaue. „Ich verstehe nicht“, setzte Isis an und richtete ihren Blick auf Joey. „Er erfüllt alle Voraussetzungen. Er ist derjenige, den du gesucht hast.“ „Ich weiß.“ Seto zog Joey dichter zu sich und der Prinz hätte über diese Reaktion gelächelt, wenn sein Herz ihm nicht noch immer bis in den Hals geschlagen hätte. „Aber trotzdem wird er nicht geopfert.“ Sekunden, die wie eine Ewigkeit schienen, verstrichen, ohne dass Isis den Blick von Joey nahm, dann ließ sie die Hand mit dem Messer sinken und trat einen Schritt zurück. Sofort entspannte sich die Situation merklich. Joey sah auf und begegnete Setos Blick. „Du kannst mich jetzt loslassen, Prinz“, sagte der Drache spöttelnd. Joey wollte ihm widersprechen, doch dann bemerkte er, dass seine Hände sich an die weißen Drachenschuppen gekrallt hatten. Peinlich berührt ließ er den Drachen los, welcher sich von ihm abwandte. „Wieso bringst du einen Menschen hierher, wenn du nicht vorhast, ihn zu opfern?“, fragte Isis, die an Seto herangetreten war. Der Drache blickte auf die Priesterin hinab. Joey, der sich die von seinem Kampf gegen die Fesseln wunden Handgelenke rieb, meinte, ihn leise sagen zu hören: „Ich weiß es selbst nicht.“ Der Prinz verdrehte die Augen. „Wir suchen nach einer Möglichkeit, Mokuba zu helfen, ohne mein Blut zu vergießen“, antwortete er an Setos Stelle. Isis drehte sich zu ihm um. „Es gibt keine andere Möglichkeit.“ Sie warf einen Seitenblick auf den Drachen. „Die Könige Pegasus und Dartz haben dies zu verhindern gewusst.“ „Ich kenne Dartz und Pegasus“, erwiderte Joey und erhob sich von dem Altar. „Und die beiden sind selbst gemeinsam nicht schlau genug, um jede andere Möglichkeit zu verhindern.“ „Ein adeliges Leben für das des jungen Drachen “, zitierte Isis. „Diese Forderung ist simpel und unmissverständlich.“ „Kann man das nicht anders auslegen?“ „Nein“, mischte sich nun auch Seto ein. „Das kann man nicht. Ich habe bereits alles versucht.“ „Aber du bist nicht adelig“, gab Joey unbeeindruckt zurück. Er deutete auf den Altar. „Dort muss es passieren?“ Isis nickte. Der Prinz trat einige Schritte näher und streckte die Hand aus. „Das Messer, bitte.“ Isis zögerte. „Was hast du vor?“ „Das Messer“, wiederholte Joey und nahm es der Priesterin ab, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Dann stellte er sich neben den Altar und streckte den Arm aus. „Vielleicht reicht das Blut eines Adeligen.“ Er legte die Klinge an seinen entblößten Arm und ohne auf die Mahnung von Seto zu hören, zog er sie mit leichtem Druck durch. Er zuckte beim dem Stechen, das seinen Arm durchfuhr und war froh darüber, dass er so zurückhaltend gewesen war. Er hatte Hemmungen gehabt und nicht so stark geschnitten, wie vorgehabt, doch die Messerklinge war noch schärfer als angenommen und der Schnitt in seinem Arm tief. „Ups“, entfuhr es Joey und er beobachtete gebannt, wie das Blut aus der Wunde drang, seinen Arm hinab lief und schließlich auf den weißen Marmor tropfte. Er wartete, doch nichts geschah, die Blutung ließ jedoch auch nicht nach. „Könnte ich ein Stück Stoff haben?“, fragte der Prinz in den Raum. Er hörte, wie Seto sich bewegte. „Törichter Mensch.“ Dann spürte er einen plötzlichen Windzug an seiner linken Wange und Setos Gesicht war unmittelbar neben seinem. Bevor Joey fragen konnte, was der Drache vorhatte, berührte die Spitze der Drachenschnauze die Wunde. Die Blutung stoppte augenblicklich. Seto zog sich zurück, sein Blick streifte den von Joey. „Was hast du damit jetzt bewiesen? Dass du erst handelst und dann denkst?“ „Nein“, entgegnete Joey und rieb sich die frisch verheilte Wunde. Sie kribbelte und überhaupt hatte er nicht gewusst, dass Seto diese Fähigkeit besaß. „Wie hast du das gemacht?“ „Drachenatem“, war Setos einzige Antwort, mit der Joey sich zufriedengeben musste. „Das Blut eines Adeligen allein reicht nicht aus.“ Isis war neben Joey getreten, den Blick auf die rubinroten Tropfen gerichtet. „Ein Leben im Austausch für ein anderes. Nicht mehr und nicht weniger.“ Joey atmete hörbar aus. „Dann waren die beiden Könige doch schlauer als angenommen.“ „Das habe ich dir gesagt“, bemerkte Seto von der Seite. „Du wolltest nicht hören.“ „Aber ich musste es ausprobieren, weil es vielleicht funktioniert hätte!“, fauchte der Prinz gereizt. Ihm gingen die Ideen aus. Er wusste nicht, was sie sonst probieren sollten. „Sieh es ein“, gab Seto gereizter als erwartet zurück. Joey zuckte bei dem wütenden Blick des Drachens zurück. „Es gibt keine andere Möglichkeit. Auch dir fällt nichts mehr ein.“ „Aber –“, setzte Joey an. „Hör auf“, befahl Seto ihm und der Prinz verstummte. Er ballte die Fäuste, brachte jedoch angesichts der Kälte in Setos Blick kein weiters Wort heraus. Der Drache wandte sich ab und verließ wortlos den Saal. Joey starrte ihm hinterher, dann wirbelte er leise fluchend herum und stürmte in die andere Richtung. Isis blickte ihnen stirnrunzelnd hinterher. „Was ist los mit mir?“, murmelte Joey und betrachtete wütend seine Hände. Der Drang, Seto wieder mit ihnen zu schlagen – auch, wenn der sturköpfige Drache es so gut wie gar nicht spüren würde - war stärker denn je und dennoch hatte er angesichts des wütenden Blickes nichts ausrichten können. Vor wenigen Tagen hätte es ihn nicht beeindruckt. Warum störte es ihn so sehr, dass Seto wütend auf ihn war? Er kam damit klar, wenn der Drache genervt von ihm war, sich über ihn beschwerte, aber angesichts dieser kalten Wut hatten ihm die Worte gefehlt. Warum war er so empfindlich? „Prinz?“ Er sah auf. Isis hatte ihn gefunden. Joey war blind in die entgegengesetzte Richtung von Seto gelaufen und hatte sich auf der anderen Seite des Tempels in einem hellen Garten wiedergefunden. Nun setzte sich die Priesterin neben ihm auf die ebenfalls weiße Bank. „Ich heiße Joey“, sagte er leise. „Ich entschuldige mich für mein Verhalten“, sagte Isis schließlich und als Joey sie ansah, lächelte sie. „Unsere erste Begegnung stand unter keinem guten Stern. Mein Name ist Isis, ich bin Magierin und die höchste Priesterin dieses Tempels. Ich bin diejenige, die Mokuba mit dem Fluch belegt hat.“ „Was?!“ Joey wich ungewollt vor ihr zurück. „Das warst du?! Aber ich - wie kann Seto -? Wie konntest du das tun?!“ Isis richtete ihren Blick in den roten Abendhimmel. „Ich stand in der Schuld der Könige, weil sie sich mir einst gnädig erwiesen haben und mich am Leben ließen. Mein Leben gehörte ihnen und ich hatte keine Wahl, als sie die Forderung stellen. Es war das schlimmste, was ich in meinem ganzen Leben getan habe und das mindeste, was ich tun kann, ist Seto zu helfen, seinen Bruder zu retten.“ „Oh. Ich verstehe.“ Tatsächlich verstand der Prinz gar nichts. Er wollte und konnte sich nicht vorstellen, wie es war, zu etwas gezwungen zu werden, dass schlecht war und von dem man wusste, wie schlecht es war. Grausam. „Tut mir leid.“ „Das muss es nicht. Seto hat sich mir gegenüber sehr verständlich gezeigt.“ Weil er sich in einer ähnlichen Situation befand. Auch er musste etwas tun, von dem er wusste, dass es moralisch falsch war. Dennoch war er bereit es zu tun. Er und Isis waren sich sehr ähnlich. „Ich komme mir so naiv vor“, sagte Joey so leise, dass er sich im ersten Moment nicht sicher wahr, ob Isis ihn gehört hatte. „Wie meinst du das?“ Er starrte auf den Boden. „Ich bin behütet im Schloss meines Vaters aufgewachsen, bekam immer, was ich mir gewünscht habe. Sorgen kannte ich nicht, ebenso wenig Leid. Als ich Seto und Mokuba kennenlernte und von Mokubas Schicksal erfuhr, verstand ich nicht, was das für die Seele von einer Perso-“, er korrigierte sich, „von einem Wesen bedeutet. Ich kann es selbst jetzt nur schemenhaft verstehen. Und dieses stückhafte Verständnis ist schon zu viel für mich. Wenn ich mir vorstelle, jemandem der mir nahesteht, ginge es so – ich würde nicht – ich könnte nicht ...“ Er brach ab. „Ich glaube, du missverstehst deine Empfindungen, Joey. Du behauptest, dass du nicht weißt, wie du dich fühlen würdest, wenn es jemandem so ginge, der dir nahesteht. Doch genau das tust du. Du weißt es. Seto und Mokuba geht es so und vielleicht kennst du die beiden nicht sehr lange, aber ihr Schicksal berührt dich. Es hat dich dazu gebracht, Seto hierhin zu begleiten. Du bist in diesen Tempel gekommen, obwohl du herausgefunden hast, dass er dich opfern wollte.“ „Woher weißt du das?“ „Er hat es mir gesagt.“ „Oh.“ „Du hast es ihm verziehen. Du verstehst sehr wohl, was es bedeutet, vor einer derartigen Entscheidung wie Seto zu stehen, obwohl du nicht selbst vor die Aufgabe gestellt bist. Also unterschätze dich nicht.“ „So, wie du es sagst, klingt es einleuchtend, dennoch glaube ich es nicht. Ich bin nichts weiter als ein verwöhnter Prinz, der die meisten Gefahren nicht erkennt, wenn sie vor ihm tanzen.“ „Ich kenne dich nicht lange genug, um das zu beurteilen. Doch als ich dir vorhin im Tempel zum ersten mal in die Augen geblickt habe, sah ich einen Mann, der zu allem entschlossen ist, um einem Freund von ihm zu helfen.“ „Nicht ganz. Ich hatte ziemlich Angst, als ich dich mit dem Messer gesehen habe.“ Isis schmunzelte. „Für diese Reaktion verurteile ich dich nicht.“ „Was ist mit Seto?“ „Er ist losgeflogen, um zu jagen. Er wirkte aufgewühlt.“ „Ich schätze, selbst er hat – auch wenn er es abstreiten würde - gehofft, ich würde noch eine andere Möglichkeit finden, Mokuba zu retten.“ Joey seufzte. „Ich habe ihn wohl ziemlich enttäuscht.“ „Du hast ihn beeindruckt, Joey.“ Der Prinz horchte auf. „Als du mit dem Messer an deinem Arm vor dem Altar gestanden hast, konnte Seto nicht den Blick von dir nehmen. Und als du dir den Schnitt zugefügt hast, hat er ihn für dich geheilt. Das tut er nicht für jemandem, der ihm egal ist.“ „Ich weiß, dass ich ihm nicht ganz egal bin. Dazu streitet er sich zu gerne mit mir.“ Joey grinste. „Wahrscheinlich hat er in den letzten Jahren niemanden gehabt, der ihm widersprochen hat. Ich schätze, ein Wesen mit einem Intellekt wie Seto sucht die Herausforderung. Und da ich ein geborener Dickkopf bin – wie ich sowohl von meiner Schwester als auch von meinen Freunden immer wieder zu hören bekomme – stoßen wir aneinander und es entsteht Spannung. Das reizt uns beide.“ Er wurde sich des aufmerksamen Blickes von Isis bewusst und errötete. „I-ich meine, das fordert uns heraus, weswegen wir miteinander – auf sprachlicher Ebene ...“ Er verhedderte sich in seinen Worten. „Interessant“, lächelte Isis. „Du verstehst das falsch“, wehrte Prinz Joey rasch ab und hätte sich eigentlich wundern sollen, weswegen er sich verteidigte. Doch er hatte das Gefühl, Isis würde annehmen er und Seto wären ... „Ich nehme einfach an, dass Seto nicht immer so genervt von mir ist, wie er tut und selbst wenn, dann stört es ihn nicht, weil er es eigentlich mag, dass ich ihm widerspreche.“ „Du musst dich nicht rechtfertigen. Ich verurteile nichts, Joey.“ „Da gibt es auch gar nichts zu verurteilen!“ „Wenn dem so ist.“ Isis erhob sich. „Seto wird bald zurückkehren. Gib ihm etwas Zeit.“ Sie wandte sich zum Gehen. „Joey.“ Der Prinz sah auf. Isis erwiderte seinen Blick amüsiert. „Unabhängig von dem, was er dir erzählt haben mag: Nicht selten sind entführte Prinzessinnen dem Charme der Drachen erlegen.“ Joey nahm an, dass sein Gesicht der Farbe der untergehenden Sonne entsprach und auch lange nachdem Isis verschwunden war, spürte er sein Herz schnell gegen seine Brust schlagen. Seto kehrte nicht bei Einbruch der Nacht zurück. Isis zeigte Joey die Gemächer, die für Gäste vorgesehen waren und der Prinz war mehr als dankbar über ein Bad und ein weiches Bett. Zum ersten Mal seit Tagen war er wieder ganz sauber. Von plötzlicher Müdigkeit überkommen ließ er sich auf das Schlaflager fallen und schlief sofort ein. Sein Schlaf war tief und traumlos. Er wurde durch die hastigen, panischen Worte von Isis geweckt. Als er die Augen aufschlug blickte er in das besorgte Gesicht der Priesterin, die sich über sein Bett gebeugt hatte und ihn schüttelte. „Joey – wach auf!“ Er richtete sich müde auf. Ihr Gesicht war in roten Glanz getaucht, doch als Joey sich umsah, erkannte er keine Fackel und auch keine Kerze. Das rote Licht stammte von einer anderen Quelle. Er wollte sie fragen, weswegen sie ihn weckte, doch als er zum Sprechen ansetzte, wurde sein Körper von einem Hustanfall geschüttelt. Die Luft war dick und schwer. Es roch verbrannt. Sofort war er hellwach. „Isis, was ist passiert?!“ „Sie sind hier“, flüsterte die Priesterin und in ihrem Blick lag für einen Moment Todesangst. „Wer?“, fragte Joey und sprang auf. Er griff nach seinem Hemd. „Die Könige. Sie sind gekommen. Sie haben den Tempel aus der Ferne angegriffen, doch nun kommen sie näher.“ Joey war zum Fenster geeilt und sein Blick fiel auf die brennenden Tempelgärten. Sie mussten unter den Beschuss von Feuerpfeilen geraten sein. „Wir müssen hier raus!“, rief er über das Geräusch der lodernden Flammen hinweg und eilte durch den Raum. Er griff nach Isis Arm und zog sie mit sich. Sie riss sich los. „Dann laufen wir ihnen in die Arme! Sie wollen, dass wir durch den Vordereingang fliehen.“ „Wenn wir es nicht tun, ersticken wir. Isis, ich brauche eine Waffe! Habt ihr Schwerter hier im Tempel?“ Die Priesterin nickte und Joey zog sie mit sich aus dem Raum. „Wo ist Seto?“, fragte er und presste sich im Laufen den Stoff seines Hemdes vor Mund und Nase. Es half nicht viel. „Er ist noch nicht zurückgekehrt“, antwortete Isis und hustete. Joey reichte ihr sein Hemd. Isis führte ihn zu einem verschlossenen Raum im Keller des Tempels. Sie murmelte einen Spruch und das Schloss prang auf. Joey erblickte einen Raum voller Waffen, von dem er nicht erwartet hätte, ihn in einem Tempel zu finden. „Was ist mit den anderen Priestern?“ „Es gibt einen geheimen Weg durch den Berg. Es haben sich alle im Kellergewölbe versammelt. Die Mädchen und Frauen werde ich anweisen, durch den Tunnel zu fliehen. Die Priester sind ausgebildet in der Waffenkunst.“ „Sie sind bestimmt wegen Seto und mir hier. Ihr müsst nicht kämpfen. Es ist nicht euer Kampf.“ Joey griff nach einem Schwert und wog es mit der Hand ab. Es war eine sehr gute Waffe. „Doch, das ist es.“ Als Joey ihr in die Augen blickte traf er auf Entschlossenheit und Kampfeswillen. „Wenn es Setos Kampf ist, ist es auch der meine!“ „Es wäre mir eine Ehre, eine Magierin zur Verbündeten zu haben.“ Joey neigte ehrbürtig den Kopf und Isis lächelte. Er verließ den Raum. „Ruf die kampfbereiten Priester zusammen. Ich werde vorgehen und versuche herauszufinden, wie viele es sind.“ Isis nickte und Joey eilte los. Er erklomm die Treppen in den Tempelsaal, versteckte sich im Schatten einer Säule und blickte nach draußen. Noch war niemand zu sehen. Er hörte das Knacken von brennendem Holz und das Züngeln der Flammen im Tempelgarten. Der Prinz atmete ein letztes Mal die brennende Luft ein, dann löste er sich von der Säule und verließ den Tempel. Als er die oberste Stufe der Tempeltreppe berührte, schlug ein Pfeil vor ihm in den Boden. Er machte einen Satz zurück und hob das Schwert. Links und rechts von ihm waren Soldaten erschienen. Einige Gestalten lösten sich aus den Reihen. Im Licht des Feuers hinter dem Tempel konnte er ihre Gesichter deutlich erkennen. Es waren König Dartz und König Pegasus. Jemand trat hinter ihn und schlang einen Arm um seinen Hals, drückte ihm die Luft ab. „So sieht man sich wieder, Prinz.“ Valon. Joey schloss die Augen. Jetzt hatte er ein Problem. tbc Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)