Ausgeprinzt von mystique (∼ Das etwas andere Märchen ∼ SetoxJoey) ================================================================================ Kapitel 1: Es war einmal ein Prinz ... -------------------------------------- Titel: Ausgeprinzt Pairing: SetoxJoey Serie: Yu-Gi-Oh! Disclaimer: Würde Yu-Gi-Oh! mir gehören, müsste ich dies hier dann etwa schreiben?! Warnung: Diese Geschichte enthält nicht nur Anspielungen auf Märchen, sie beinhaltet auch Abschnitte, die abgeändert aus Büchern/Sagen/Fabeln stammen und euch deswegen bekannt vorkommen können. Das ist bewusst so gemacht, weil es ein Märchen ist. „Es war einmal ein junger Prinz in dem fernsten Königreich des Ostens. Sein Name war Joseph und sein Haar war golden wie die Sonne, seine Augen braun wie –“ „Das geht ja gar nicht.“ Der Schreiber verstummte und seine Feder verharrte auf dem Papier. Joseph, der Prinz des Ostens, hatte die Arme verschränkt und sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt. „Wie darf ich das verstehen, Euer Hoheit?“ Der Prinz streckte die Hände gen Decke und gab ratlose Laute von sich. „Ich weiß auch nicht, aber auf jeden Fall nicht so. Das klingt nicht nach einem Prinzen, sondern nach einer Prinzessin. Meiner Schwester würde es vielleicht gefallen, aber ich möchte etwas anderes.“ Er erhob sich und begann, vor dem Schreiber auf und abzugehen. „Wie wäre es damit: Es war einmal ein stolzer Prinz des fernen Königreichs im Osten, dessen Anblick jeden seiner Feinde sich freiwillig ergeben – nein, streich das.“ Der Schreiber, der jedes der Worte mitgeschrieben hatte, machte eine rasche Bewegung. „Das klingt, als wäre ich so hässlich, dass sich meine Feinde freiwillig ergeben. Lieber so: Es war einmal ein strahlender Prinz aus dem östlichen Königreich, dessen Charme ihm die Herzen aller Prinzessinnen zufliegen ließ, dessen Stärke die Kapitulation seiner Feinde hervorrief und dessen –“ „Ego all seine Freunde in den Wahnsinn trieb.“ Prinz Joseph, von seinen Freunden Joey genannt, schnaubte. „Du verwechselst etwas, Tristan. Wenn ich von Ego sprechen würde, hätte ich nach einem Text über dich gebeten.“ Tristan, der beste Freund des Prinzen, war der Sohn einer Küchenhilfe und eines unbekannten Lords. Die königliche Familie hatte sich der Jungen Frau erbarmt, als sie hochschwanger vor neunzehn Jahren um Unterkunft gebeten hatte – die Königin, zu diesem Zeitpunkt ebenfalls kurz vor der Entbindung hatte diese Bitte aus Sympathie nicht abschlagen können - und Joey und Tristan waren gemeinsam aufgewachsen. Tristan war nicht nur Joeys bester Freund, er war auch sein Leibdiener, doch der junge Prinz machte niemals von dieser Hierarchie gebrauch. Tristan war viel zu sehr ein Bruder für ihn, als dass er ihn zum Diener degradieren konnte. „Ganz wie Ihr meint, oh unvergleichlicher Prinz mit goldenem Haar.“ Tristan feixte. Joey gab dem Schreiber einen Wink und dieser zog sich mit einer Verbeugung zurück, dann wandte er sich an seinen Freund. „Pass auf, werter Freund, sonst erzähle ich Serenity, dass du wieder versucht hast, die Küchenmädchen zu verführen.“ „Das ist nicht wahr!“ Tristan war bleich geworden. „Ich habe nicht – wer hat dir“ – Joey grinste ihn hämisch an – „du hinterhältiger Möchtegern-Prinz!“ Tristan stieß ihm halbherzig den Ellbogen in die Seite. „Denk dir nicht solche Märchen aus.“ „Täte ich nie.“ Beide setzten sich den Tisch in Joeys Gemach. Tristan griff nach einem Apfel in der gefüllten Obstschale. „Im Schloss herrscht Unruhe, Joey“, sagte er mit ernster Miene. „Die Dienerschaft ist aufgebracht und das liegt nicht an dem Festmahl, dass für heute Abend vorgesehen ist. Etwas anderes ... liegt in der Luft.“ Joey nickte. „Ich habe es auch gemerkt. Aber niemand spricht mit mir darüber. Ich habe den Schreiber herbestellt, weil ich mich ablenken wollte. Man hat mir untersagt, auszureiten und du warst nicht da.“ Tristan lächelte. „Du musst dich nicht verteidigen. Du bist der Prinz, es steht dir zu, die Zeilen, die dich bald definieren werden, selbst zu formulieren.“ „Ich weiß nicht, ob ich jemals Zeilen finde, die passend sind. Alles, was man sich ausdenken kann, klingt unecht.“ „Du wist deine Zeilen schon finden, Prinz des Ostens.“ Joey blickte verträumt nach draußen. „Zukünftiger König des Ostens.“ „Ganz wie du meinst.“ Der Abend brach an und es wurde zum Festmahl geladen. Die königliche Familie lud Adelige aus den umliegenden Ländereinen ins Schloss ein und während des Banketts amüsierten Tänzer und Gaukler die Anwesenden. Prinz Joey waren diese Festbankette lieber als politisch ausgerichtete Essen mit Adeligen oder Gesandten aus anderen Königreichen. Mit großem Interesse beobachtete er einen Jongleur und fragte sich, wie lange er brauchen würde, um dieselben Kunststücke ausführen zu können. Gleichzeitig sehnte er das Ende des Festmahls herbei, denn es begann ihn zu langweilen. Er warf seiner Schwester einen hilflosen Blick zu, welcher mit einem nachsichtigen Lächeln erwidert wurde. Ihr ging es nicht anders als ihm. Unvermittelt kehrte Stille im Festsaal ein. Der König hatte sich erhoben und alle Anwesenden waren verstummt, in Erwartung auf eine Ansprache. Der König hob die Arme und räusperte sich. „Ich danke euch dafür, dass ihr erschienen seid. Wie ihr wisst, erreicht mein Sohn, Joseph, im kommenden Monat sein zwanzigstes Lebensjahr.“ Joey horchte auf. Damit hatte er nicht gerechnet. „In diesem Königreich ist es seit jeher Brauch, dass der künftige Thronfolger zu Beginn seines zwanzigsten Lebensjahres eine Braut auswählt und ich bin erfreut, dass mich gestern ein Botschafter aus einem der Königreiche im Norden erreicht hat. Es ist dort die Rede von einer entführten Prinzessin in den Bergen, die von einem Drachen gefangen gehalten wird. Hiermit kündige ich an, dass mein Sohn, Prinz Joseph, sich auf die Reise begeben wird, die Prinzessin aus den Klauen des Drachen zu befreien, um sich dann mit ihr zu vermählen.“ Applaus erfüllte den Saal. Joey war aschfahl auf seinem Platz immer weiter in sich zusammen gesunken. Neben ihm griff seine Schwester besorgt nach seiner Hand. „Joey, komm zu dir.“ Der Blick des Königs ruhte voller Stolz auf seinem Sohn, die Anwesenden waren begeistert. Joey brauchte Minuten, um sich aus der Starre zu lösen. „Drache?!“, würgte er hervor, bevor er das Bewusstsein verlor und damit dafür sorgte, dass das Bankett in die Geschichte einging. oOo „Mach mich stolz, mein Sohn.“ „Pass auf dich auf, Bruderherz. Du wirst mir fehlen.“ „Tristan, ich schaffe das nicht.“ „Red keinen Unsinn, Joey. So schwer wird es schon nicht werden.“ Prinz Joseph umklammerte das Zaumzeug des Pferdes, hatte ganz vergessen aufzusteigen und führte stattdessen das Pferd hinter sich her. Sein bester Freund musterte ihn skeptisch. Die ganze letzte Woche, seitdem Joey von dem Plan seines Vaters erfahren hatte, hatte der Prinz sich anders als sonst verhalten. Seit er beim Bankett ohnmächtig geworden war, damit eine Panik ausgelöst hatte, die es lange nicht mehr am Hof des Königs gegeben hatte, und erst Stunden später wieder zu sich gekommen war, hatte er sich seltsam verhalten. Er war bei lauten Geräuschen zusammen gezuckt, hatte kein helles Tageslicht verkraftet und sich geweigert, sein Zimmer zu verlassen. Am Tag seines zwanzigsten Geburtstags war er in seinem Bett geblieben und hatte den König zutiefst erzürnt. Am Morgen des heutigen Tages waren Tristan und er aufgebrochen. Tristan hatte alles daran gesetzt, die Erlaubnis zu bekommen, mit Joey reisen zu dürfen. Joey hatte sich nicht um seine Reise gekümmert, so hatte es an Tristan gelegen, sie zu planen. Er hatte in der Stadt Karten des Nordreichs gekauft und durchreisende Kaufleute befragt, sodass er nun wusste, welchen Weg sie einschlagen mussten. Er hatte eine Liste mit Materialien und Proviant angefertigt und diese Dinge von anderen Dienen kaufen lassen und letztendlich die Waffen ausgesucht, die sie mitnehmen würden: Joeys bestes Schwert. Er selbst hatte Pfeil und Bogen dabei, außerdem besaß jeder von ihnen nun einen Dolch, den sie direkt am Körper trugen. „Tristan, ich soll gegen einen Drachen kämpfen!“ Dem besten Freund des Prinzen riss der Geduldsfaden. Er trieb seine braune Stute an, bis er auf gleicher Höhe mit dem Prinzen war, dann holte er aus und verpasste Joey eine Kopfnuss. Der Prinz schrie auf. „Verdammt, was soll das?!“ „Hör auf zu jammern und steig aufs Pferd“, fuhr Tristan ihn an und duldete keinen Widerspruch. Joey starrte ihn an, gehorchte jedoch wortlos und kam der Forderung nach, saß schließlich mitleiderregend kümmerlich auf dem Rücken seines Pferdes. Tristans Miene wurde weicher. „Beruhige dich, Joey. Du hattest eine Woche Zeit, dich mit dem Gedanken abzufinden. Ich bin sicher, du hast die letzten Tage nicht in deinem Zimmer verbracht, ohne über diese Reise nachzudenken und dich damit anzufreunden.“ Joey seufzte. „Natürlich nicht. Aber sieh mich doch mal an. Ich habe den Palast nie weiter als bis in die Stadt verlassen. Ich war nie außerhalb der Stadtgrenzen, geschweige denn der Grenzen unseres Königreichs!“ „Ja, ich weiß, du bist ein verwöhnter, verweichlichter Prinz.“ Die Worte erzielten die gewünschte Wirkung. Joeys Haltung straffte sich und der kämpferische Ausdruck kehrte in seine Augen zurück. „Was sagst du da? Verwöhnt und verweichlicht? Pah, das ich nicht lache! Ich bin Prinz Joey, meine Feinde werden vor meinem Namen erzittern! Ich werde diesen Drachen lehren, was für Folgen es hat, eine Prinzessin zu entführen!“ „Das will ich hören!“ Tristan lächelte ihn an. „Und jetzt hör auf dir Sorgen zu machen und freu dich lieber darauf, etwas mehr von der Welt zu sehen!“ „Die Welt wird sich an den Tag erinnern, an dem sie Prinz Joey erblickte!“ Der Prinz gab dem Pferd die Sporen, es bäumte sich auf und galloppierte los. Tristan hatte Mühe ihm zu folgen, war jedoch mehr als froh, Joey aus seiner Lethargie gerissen zu haben. Die folgenden Tage ihrer Reise über die Hochebenen des Königreichs waren ereignislos. Sie trafen auf reisende Kaufleute, die ihnen den Weg wiesen, kauften in Dörfern an ihrem Wegrand Proviant und sahen mehr von dem Königreich als jemals zuvor. Am fünften Tag ihrer Reise erreichten sie den Wald. Tristan hatte vor ihrer Abreise mit der Magierin des Königshauses gesprochen und erfahren, dass es ein magischer Wald war, der die Hochebene von den Bergen trennte. Ein dunkler, magischer Wald, nicht wie die Wälder im Süden, in denen Elfen und freundliche Kreaturen lebten. Tristan hatte bis jetzt nicht mit Joey über den Wald gesprochen, aus Sorge, Joey würde umgehend kehrt machen und ohne Rücksicht auf seinen Ruf zurück reiten. Doch nun, wo er den Wald am Horizont erkennen konnte und wusste, dass sie ihn bei Einbruch der Nacht erreichen würden, hatte er keine andere Wahl. Somit erzählte er es dem Prinzen. Welcher panisch wurde. „Was für ein Wald?!“ „Joey, beruhige dich!“ „Wie soll ich mich beruhigen, wenn wir einen Wald passieren müssen, in dem blutrünstige Monster wüten!“ „Das ist nicht bestätigt.“ „Aber nur weil die, die den Wald bis jetzt passieren wollten, nie wieder gesehen wurden!“ „Vielleicht haben sie einen anderen Weg genommen?“ „Das glaubst du doch selbst nicht! Gefressen wurden sie! Oder noch viel schlimmer – sie sind auch zu Monstern geworden!“ Tristan resignierte. Es machte keinen Sinn gegen Joey anzureden, wenn er panisch war. Er musste die andere Taktik wählen. „Schade, ich hatte gedacht, du wärst mutiger.“ „Ich bin mutig!“ Tristan lachte. „Davon zeigst du aber nichts. Wo ist dein viel besungener Mut? Wo ist deine Kämpfernatur? Joey, wenn du so weitermachst, wird nie ein anständiger König aus dir!“ Er wusste, dass Joey diese Worte verletzten, doch es musste sein, denn sonst würde er nie wieder vernünftig werden. Der Prinz zuckte zusammen und senkte den Blick. „Ich ... es ist nur ... Monster, Tristan. Ich habe noch nie ein echtes Monster gesehen.“ „Dann wird es höchste Zeit.“ Joey straffte seine Haltung und versuchte, optimistisch zu lächeln. „Wahrscheinlich hast du recht.“ Der Wald war düster. Und es beschrieb in diesem Fall nicht bloß die Lichtverhältnisse, düster beschrieb auch die Ausstrahlung des Waldes. Kaum dass sie ihn betreten hatten, hatten die Pferde begonnen, zu scheuen, doch mit viel guter Zuredung und besänftigenden Streicheleinheiten hatten sie die Tiere dazu bringen können, den Weg fortzusetzen. Noch immer waren sie unruhig, während sie durch den Wald geführt wurden. Ihre Ohren lagen waren nach vorne aufgestellt und ihre Nüstern waren aufgebläht. „Glaubst du, es gibt hier Chimären?“, flüsterte Joey, das Zaumzeug seines Hengstes in der einen, das gezückte Schwert in der anderen Hand. Er wusste, dass es ihm im Ernstfall kaum etwas nützen würde, da er sicherlich alles, was er während der Unterrichtsstunden am Schloss gelernt hatte, vergessen würde. Außerdem war das Schwert viel zu schwer für ihn. „Ich denke nicht. Chimären wurden bisher nur im Westen gesichtet. Hier im Norden gibt es höchstens Oger.“ „Na wunderbar. Jetzt fühle ich mich sicherer. Hätte man mir keinen Magier mit auf die Reise schicken können? Magie könnte mich besser beschützen als –“ „Als was?“, fragte Tristan gereizt. „Fängst du jetzt etwa an, dich zu beschweren? Ich fasse es nicht, wie kann man mich nur mit einem derart undankbaren ... Ignoranten strafen?“ Joey blieb stehen und wirbelte zu Tristan herum. „Ignoranten?! Was fällt dir ein!“ „Mir fällt ein, dass man mich mit einem nervigen, jammernden Kind auf eine Tortur von einer Reise geschickt hat!“ „Wenn es dich so sehr stört, dann geh doch zurück. Ich brauche dich nicht!“ „Du würdest keine Minute ohne mich überleben?“, gab Tristan aufgebracht zurück. „Ach ja? Ich werd’s dir zeigen: Ich werde den Drachen niederstrecken, die Prinzessin retten und glorreich zurückkehren und du wirst dir wünschen, ich hätte dich mitgenommen!“ Mit diesen Worten ließ Joey Tristan und die Pferde stehen und lief blind in den Wald hinein. Tristan rief ihm hinterher, versuchte ihn zur Rückkehr zu bewegen, doch Joey ignorierte ihn und lief weiter, bis die Stimme hinter ihm irgendwann verklang. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis er stehen blieb. Er sah sich um und erblickte Schatten und Dunkelheit zwischen den Baumstämmen. Hinter ihm raschelte es und er wirbelte herum, doch da war nichts. Er lachte über seine eigene Angst. „Wie lächerlich. Als ob mir etwas passieren würde. Ich habe zwar nie das Schloss verlassen, aber ich habe unterricht im Schwertkampf bekommen und weiß mich zu verteidigen.“ Langsam setzte er seinen Weg fort. „Ich habe schon Männer im Schwertkampf besiegt, die größer und schwerer waren als ich und ich bin nicht nur geschickt, sondern auch schnell.“ Rechts neben ihm knurrte etwas, doch als er in die Richtung sah, konnte er nichts erkennen. Er wurde von den neuen Eindrücken überflutet, daran musste es liegen. Hier war nichts. Er war allein. Allein. Allein! „Verdammt“, flüsterte er und begann zu zittern. Er hatte Tristan, die Pferde und den Proviant zurückgelassen. Er hatte nichts, abgesehen von dem viel zu schweren Schwert. „Nur keine Sorge“, murmelte er sich selbst zu. „Dir wird nichts passieren. Du weißt dich zu verteidigen, du bist ausgebildeter Schwertkämpfer und du bist ein Prinz. Prinzen haben keine Angst. Prinzen bekämpfen Monster.“ „Wie interessant.“ Joey erstarrte bei der tiefen Stimme so dicht an seinem Ohr. Ein kalter Schauer lief seinen Rücken hinab und der Schreib blieb ihm in der Kehle stecken, als sich ein Arm um seine Hüfte schlang und ihn an einen Körper hinter sich zog. Er spürte heißen Atem an seinem Ohr. „Wie ist es jetzt? Hat der Prinz jetzt Angst?“ Joey schloss überwältigt von einer Panikwelle die Augen und versuchte, sich zu sammeln. So musste sich Todesangst anfühlen. Langsam wandte er den Kopf und auch wenn er wusste, dass er es eigentlich nicht sehen wollte, blickte er hinter sich. Rot glühende Augen funkelten ihn amüsiert an, spitze Zähne zeigten sich in einem tödlichen Lächeln. „Hallo, kleiner Prinz.“ Ein Ruck ging durch Joeys Körper und er stemmte sich gegen den Griff. Das Schwert, das bis dahin nutzlos in seiner Hand gehangen hatte, erhielt seine Funktion zurück und er wollte damit nach dem Monster schlagen, doch ein fester Griff, der Knochen brechen konnte, hinderte ihn daran, den Hieb auszuführen. „Aber, aber. Wir wollen doch vermeiden, dass jemand verletzt wird.“ Er wand sich in dem unnachgiebigen Griff und trat nach dem Wesen, doch es zeigte sich unbeeindruckt von den Befreiungsversuchen und presste sich sogar noch enger an Joey. „Du riechst wirklich verlockend, Prinz. Hast du etwas dagegen, wenn ich von dir koste?“ Das Schwert war längst seiner tauben Hand entglitten und als sich eine Klaue um seine Kehle legte, spürte der Prinz zum ersten Mal das Gefühl, das einen Menschen überkam, wenn er kurz vor seinem Tod stand. Seine Gegenwehr verebbte in dem Moment, als ein heller Blitz die Dunkelheit durchbrach und das Wesen hinter ihm aufschrie und ihn losließ. Joey stolperte und hielt sich mit Mühe auf den Beinen. Als er sich umdrehte erblickte er einen in sich zusammengesunkenen Schatten auf dem Boden. Sein Atem ging stoßweise und sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Neben ihm raschelte es und er zuckte zusammen, wich zurück und stieß mit dem Rücken gegen einen dicken Stamm. „Alles in Ordnung?“ Die Stimme war viel zu freundlich, als dass sie zu einem weiteren Monster gehören konnte. Vielleicht war es aber auch nur eine Falle und Joey sollte sich sicher fühlen, damit das Wesen leichteres Spiel hatte. Er öffnete den Mund, doch kein Laut entwich seinen Lippen, während er langsam zu Boden sackte. Dann trat eine Gestalt vor ihn und Erleichterung erfüllte ihn. Vor ihm stand ein Junge, der keinesfalls in diesen Wald gehören konnte. Er hatte so helle Haut, dass sie beinahe in der Dunkelheit zu glänzen schien, zackige Haare in drei verschiedenen Farben und freundliche Augen. Joey atmete die angehaltene Luft aus. „Geht es dir gut?“, fragte der Junge und ging vor ihm in die Hocke. Er hielt einen Stab in der Hand, den Joey nun als Waffe eines Magiers erkannt. „Hat er dir etwas getan?“ Joey schüttelte den Kopf und die Sorge wich aus den halb im Schatten liegenden Zügen des Jungen. „Gott sei dank. Mit diesen Wesen ist nicht zu Spaßen. Es hätte dir die Kehle aufgebissen und deine Stimmbänder verspeist. Anschließend hätte es dir das Herz aus der Brust gerissen ...“ Ewas in Joeys Gesichts brachte den Jungen zum Schweigen. „Entschuldige, wie unhöflich von mir.“ Er griff nach Joeys Arm und zog ihn hoch. „Das ist bestimmt das Letzte, was du jetzt hören möchtest. Mein Name ist Yugi. Ich bin Magier, wie du bestimmt schon bemerk hast.“ „Joey“, krächzte der Prinz, räusperte sich verlegen und wagte einen erneuten Versuch: „Mein Name ist Joey.“ „Schön dich kennen zu lernen, Joey!“ Yugi lächelte und Joey kam nicht umhin, den Jungen sofort zu mögen. Es mochte allerdings auch daran liegen, dass Yugi ihm gerade das Leben gerettet hatte. „Danke, Yugi. Ohne dich ...“ „Wärst du jetzt Futter, ich weiß. Keine Ursache.“ Joey drängte die Übelkeit zurück, die sich bei den Worten in ihm ausbreitete. Er hatte noch immer ein flaues Gefühl im Magen. Was man darauf zurückführen konnte, dass es seine erste Nahtod-Erfahrung gewesen war. „Wie kommt es, dass du alleine im Wald bist, Joey? Hast du dich verlaufen?“ Nicht verlaufen. Weggelaufen hatte er sich. Er war der einzigen Person weggelaufen, die sein tagelanges Gejammer ausgehalten hatte. Seinem besten Freund. Wie konnte man so dumm sein?! „Das kann man so sagen“, murmelte er und blickte zu Boden. Er kam sich so kindisch vor. „Ich will dir keine Vorwürfe machen“, bemerkte Yugi nachdenklich, „aber es ist sehr unklug, alleine in diesen Wäldern herum zu wandern. Hier leben zu viele Wesen mit Bösem im Sinn.“ „Ich war mit jemandem unterwegs, aber wir wurden –“ Er unterbrach sich. Lügen brachten ihn nicht weiter. „Ich wollte ihm zeigen, dass ich ohne ihn zurecht komme und bin blindlings losgelaufen. Das war dumm.“ Er schüttelte den Kopf. Yugi musterte ihn aufmerksam, dann klopfte er ihm auf die Schulter. „Mach dir nichts draus, jeder möchte sich irgendwann beweisen. Leider ist dieser Wald nur der denkbar schlechteste Ort dafür. Weißt du, in welcher Richtung dein Weggefährte ist?“ Joey schüttelte den Kopf und Yugi hielt den Stab vor sich. „Auch nicht schlimm.“ Der Stab begann zu glühen und eine Lichtkugel brach aus seiner Spitze hervor, verharrte einige Sekunden in der Luft und flog dann nach rechts. „Das ist ein Fährtenleser“, erklärte Yugi und bedeutete Joey, ihm zu folgen. „Er wird deine Spuren finden und uns auf deinem Weg zurückführen.“ Nie war Joey dankbarer gewesen, dass es Magier gab. Sie folgten der Lichtkugel und arbeiteten sich durch dunkles Dickicht. Nun erst fiel Joey auf, was ihn die ganze Zeit gestört hatte. „Yugi, was machst du in diesem Wald? Du bist alleine – hast du dich auch verlaufen?“ Yugi lachte. „Nein, habe ich nicht. Dank meines Fährtenlesers und anderer nützlicher Tricks kann ich mich davor bewahren. Was mich betrifft: Ich wurde von einem Dorf hinter dem Wald am Fuß der Berge beauftragt, in dem Wald nach zwei verlorenen Kindern zu suchen.“ „Zwei Kinder? In dem Wald?“ Ein erwachsener Mann hatte in diesem Wald schon um sein Leben zu kämpfen, wie musste es dann Kindern gehen? Joey traute sich kaum, zu fragen. „Wie lange suchst du sie schon?“ Yugis Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Drei Tage.“ „Oh nein.“ „Man sollte die Hoffnung noch nicht aufgeben. Kinder haben bessere Möglichkeiten, sich zu verstecken, außerdem sind sie zu zweit.“ Das gab Joey nicht viel mehr Hoffnung, doch er schwieg. Sie setzten den Weg fort und nach etlichen Minuten hörten sie eine Stimme vor sich. „Joey?! Joey, hörst du mich? Hör auf damit, es reicht, wir haben ein Problem!“ „Das ist Tristan!“, entwich es Joey und er beschleunigte seine Schritte. Er wurde immer schneller, brach schließlich durch einen besonders dichten Strauch und stolperte auf eine Lichtung. Dort stand sein bester Freund. „Tristan!“ Mit wenigen Schritten war er bei ihm und zog ihn fest an sich. „Es tut mir Leid, ich war so unglaublich dumm. Ich schwöre dir, ich werde nie wieder so unüberlegt handeln, ich werde das nächste Mal meinen Kopf benutzen und mich nicht mehr kindisch benehmen.“ „Joey, beruhig dich. Zum Glück ist dir nichts passiert – jag mir nie wieder so einen Schrecken ein, verstanden?!“ Joey nickte und spürte, wie Tristan ihn von sich drückte. „Aber etwas ganz anderes. Wir haben ein Problem.“ „Problem?“, wiederholte der Prinz und blinzelte. „Was ist passiert? Sind die Pferde weggelaufen? Ist der Proviant ...“ Seine Stimme verklang als seine Blick auf zwei in Umhänge gehüllte kleine Gestalten fiel. Es stellte sich heraus, dass Tristan auf der Suche nach Joey beinahe über zwei am Boden kauernde Kinder gestolpert wäre. Rasch stellte sich heraus, dass die Kinder sich im Wald verlaufen hatten und seit mehreren Tagen nach einem Weg nach Hause suchten. Tristan hatte den hungrigen Kindern Essen und Trinken gegeben und ihnen versprochen, sie nach Hause zu führen, doch zuerst müsste er seinen Begleiter finden. Yugi war hellauf begeistert, die beiden Kinder zu sehen und erzählte ihnen, dass ihr Dorf ihn beauftragt hatte, sie zurück zu bringen. Joey hatte Tristan von seiner Rettung vor dem Monster berichtet und Yugi als seinen Retter vorgestellt. Nach einer Rast mit allgemeiner Stärkung waren sie aufgebrochen und hatten ihren Weg fortgesetzt, geleitet von einem Richtungsweiser Yugis, der sie genau nach Norden führte. Am Abend des nächsten Tages erreichten sie den Waldrand. Auf ihrem Weg war ihnen außer einer Riesechse, die sich als besonders friedlich herausgestellt hatte, kein weiteres Wesen über den Weg gelaufen. Vielleicht lag es an Yugis Ausstrahlung. Joey war es mehr als nur recht. In der letzten Nacht hatte er lebhaft von dem rotäugigen Wesen des vergangenen Tages geträumt und in seinem Traum war ihm Yugi nicht zu Hilfe gekommen. Beim Einbruch der Dunkelheit erblickten sie das Dorf und brachten den Jungen und das Mädchen ihren Eltern zurück. Die beiden Kinder hatten den mehrtätigen Aufenthalt im Wald gut überstanden – offenbar war ihnen kein dunkles Wesen über den Weg gelaufen, stattdessen berichteten sie von einem bizarren Haus aus Süßigkeiten. Es mochte an den Beeren liegen, die sie zum Überleben im Wald gegessen hatten ... Yugi, Tristan und Joey übernachteten in einem Gasthaus im Dorf und als die Sonne am nächsten Tag aufging, waren die Pferde gesattelt, die Wasser- und Essensvorräte aufgefüllt und Tristan und Joey aufbruchbereit. „Dürfte ich euch vielleicht begleiten?“, fragte Yugi, der mit ihnen vor dem Gasthaus stand. „Ihr sagtet, ihr müsst weiter in den Norden, in die Berge. Ich muss selbst in diese Richtung und alleine reisen ist doch etwas einsam.“ Er lächelte und weder Joey noch Tristan hatten irgendwelche Einwände. Yugis Stab begann zu glühen und der Magier wurde von einer lilafarbenen Aura umgeben, bevor seine Gestalt begann, sich zu verformen. Zwei Flügel brachen aus der Aura hervor und vor ihnen landete ein schwarz-gelb-roter Vogel von der Größe eines Falken. Es war das erste Mal, dass die jungen Männer eine Gestaltwandlung sahen. „Wow“, entwich es Tristan und er beugte sich auf dem Pferd vor, um einen besseren Blick auf Yugi zu erhaschen. „Kannst du auch andere Formen annehmen?“ Yugi erhob sich mit leichten Flügelschlägen und landete auf Tristans Schulter. „Ja, ich kann andere Formen annehmen, aber nicht viele. Ich habe mich auf zwei Tiere spezialisiert, nur hohe Magier schaffen mehr als drei verschiedene Gestaltwandlungen.“ „Was kannst du sonst noch werden?“ „Ein Hase, aber ich dachte, ein Tier mit Flügeln wäre angebrachter.“ „Du darfst gerne vorerst sitzen bleiben. Es gib so viel, was du uns noch erzählen kannst.“ Yugi klackerte mit dem Schnabel. „Das kann ich nur erwidern.“ So setzten der Prinz und sein Reisegefährte die Reise mit einem neuen Begleiter fort. Sie bemerkten nicht, dass sie verfolgt wurden. 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