Bloody Destiny von Florentina (*~*Hilfe er will mein Blut*~*) ================================================================================ Kapitel 1: ~ Magische Kleinigkeiten ~ ------------------------------------- Kapitel 1… – Magische Kleinigkeiten– Meine Finger gleiten ruhelos über die Tastatur. Seit über einer Stunde sitz ich nun schon vor meinem Laptop, starre auf das leere Word Dokument und nippe an meinem Glas Rotwein. Das Letzte, wie ich bekümmert feststellen muss. Mein Leben liegt in Scherben vor mir, doch noch kann ich so tun, als wären es nicht meins, als würden die Scherben jemand anderem gehören und einfach nur zufällig hier vor mir liegen. Vielleicht lassen sie sich ja auch einfach unter den Teppich kehren. Vielleicht lösen sich all meine Probleme von selbst, wenn ich sie einfach nur lange genug ignoriere? Ich seufze schwer, nehme noch einen kräftigen Schluck und fange endlich an zu schreiben. „Sehr geehrter Damen und Herren, mein Name ist Elisabeth Stauber. Ich bin 26 Jahre alt, Single und arbeitslos. Nun, eigentlich bin ich arbeitssuchend, doch das Arbeitsamt macht da keinen Unterschied. Warum auch? Arbeit hab ich ja trotzdem keine! Im Moment reicht mein Geld gerade so aus, um über die Runden zukommen. Also um meine Miete zubezahlen und um was zu Essen zukaufen. Für den ganzen Rest reicht es jedoch kaum. Verstehen sie mich nicht falsch, ich bin nicht verschwenderisch, ich will einfach nur genug haben um wie ein ganz normaler Mensch Leben zu können und zwar ohne auf das Arbeitsamt oder auf die Unterstützung meiner Mutter angewiesen zu sein. Bis vor ein paar Wochen war ich dazu auch noch in der Lage. Denn, bis vor ein paar Wochen hatte ich noch einen gut bezahlten Job in einer renommierten Werbeagentur. Vor ein paar Wochen war ich noch glücklich! Doch dann machte ich zwei entscheidende Fehler, die am Ende alles Verändern sollten. Der erste Fehler bestand darin, meinen Chef nicht zu Daten, schlimmer noch, ich lehnte seine Einladung zum Essen höflich ab. Die plötzliche und unerwartete Wegrationalisierung meiner Stelle hat damit natürlich rein gar nichts zu tun!“ Meine Finger fliegen nur so über die Tastatur denn jetzt, wo ich einmal angefangen habe, tat es verdammt gut, sich all den Mist der vergangenen Wochen von der Seele zu schreiben. „Der zweite Fehler bestand darin, meinen besten Freund nicht genug zulieben.“ Ich beiß mir auf die Lippe und versuche den plötzlich aufkommenden Klos im Hals zu ignorieren. „Wissen sie, ich hatte nie viele Freunde, weder in der Schule noch in der Universität. Ich bin einfach nicht der kommunikativste Typ Mensch und lebe lieber zurückgezogen. Doch dann trat Noah in mein Leben. Er war witzig, klug und charmant. Alle liebten ihn und ich fühlte mich geborgen in seiner Nähe. Auch ich habe ihn geliebt, doch wie schon gesagt, war diese Liebe einfach nicht stark genug. Denn für mich war Noah einfach nur mein bester Freund!“ Ich blinzle um die Tränen zuunterdrücken. Ich habe in den vergangenen Wochen schon zu oft geweint. „Du muss endlich mit der ganzen Sache abschließen, Lith!“ Also schreibe ich weiter, auch wenn Tränen mir die Sicht verschleiern. „Vielleicht hätte ich es eher merken müssen, es eher erkennen müssen, dass seine Gefühle für mich stärker sind, dass er mehr empfindet, als bloße Freundschaft vielleicht hätte ich es dann verhindern können!“ Ich lehne mich zurück, unfähig weiter zuschreiben. Wie so oft in den vergangenen Wochen gehe ich die Ereignisse noch einmal Schritt für Schritt durch: Ich hatte Noah gerade gesagt, dass mein Chef mich zum Essen eingeladen hat, um mit mir über meine Zukunft in der Firma zusprechen. Ich weiß es noch als wäre es gestern gewesen. Wir saßen wie so oft in seiner Wohnung, aßen Pizza und schauten uns dabei irgendwelche Serien an. Ich liebte diese Abende, an denen wir stundenlang redeten und lachten. Er lachte und meinte, dass das ja wohl ein ziemlich plumper Versuch war, um mich zu einem Date zu überreden. Ich starte ihn darauf hin fassungslos an. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich auf so etwas nie gekommen wäre. Lange Zeit sagte Noah daraufhin nichts, doch dann ganz plötzlich, als ich gerade Fragen wollte was los sei beugte er sich zu mir her rüber und nahm mein Gesicht in seine Hände. „Du wirst es nie bemerken oder?“ Fragte er leise und bevor ich etwas erwidern konnte, küsste er mich auch schon. Es war wie in dem Lied tausendmal berührt, jedoch fehlte mir einfach der Zoom. Ich schob ihn von mir weg, gerade als er den Kuss intensivieren wollte. Nie werde ich den verletzen Ausdruck auf seinem Gesicht vergessen. Ich lachte verlegen und am Ende war vielleicht das mein größter Fehler, denn sein Gesicht wurde ausdruckslos. Doch ich wusste einfach nicht, wie ich sonst hätte reagieren sollen. Wir waren doch schon so lange befreundet. Er war doch wie ein Bruder für mich und doch hatte er mich so geküsst, wie ein Bruder niemals seine Schwester küssen würde. Ich war verwirrt und vollkommen überfordert mit der Situation! Und dennoch wusste ich, dass ich ihn nie auf diese Art lieben würde. Und das er es nun auch wusste, zeigte mir seine angespannte Haltung. Ich hatte ihn verletzt und als ich schließlich versuchte ihm meine Gefühle zu erklären, eskalierte die ganze Situation. Er war so wütend auf mich, so hatte ich ihn noch nie erlebt. Am nächsten Tag reagierte er nicht auf meine Anrufe und antwortete auch nicht auf meine SMS. Er distanzierte sich vollkommen von mir und mit ihm unsere Freunde. Keiner stand zu mir. Sie waren alle der Meinung, dass ich Noah die ganze Zeit nur benutzt hätte und das es meine Schuld war, dass ich nun keinen Freund mehr habe, der zu mir hält. Die Tränen haben sich derweil ihren Weg gesucht und laufen nun als heißer unaufhaltsamer Strom über meine Wangen. Und ich hasse mich dafür! Energisch wische ich sie mit dem Zipfel meines T-Shirts weg. Ich muss endlich aufhören mich selbst zu bemitleiden und nach vorne Blicken. Zwei Männer haben mir innerhalb von ein paar Wochen übel mitgespielt und trotzdem war es keiner von ihnen Wert, dass ich auch nur noch eine Träne wegen ihnen vergieße. Warum nur hatte ich ihnen erlaubt, mich so zu behandeln? Und warum hatte ich mich wegen diesen beiden, Scheißkerlen nur so lange verkrochen? Ich lehne mich zurück und fahre mir fahrig durch die Haare, eine nervige Angewohnheit, die in den letzten Wochen noch zugenommen hat. Dann straffe ich entschlossen die Schultern und leere mein Glas in einem Zug. „Ich bin eine starke unabhängige Frau! Naja nicht ganz so unabhängig wie ich gerne hätte aber das werde ich jetzt ändern!“ Ich halte die Delete-Taste gedrückt und beobachtete, wie die Wörter immer schneller verschwinden. Schade eigentlich, dass es so eine Taste nicht im wirklichen Leben gibt. Ein letztes Mal erlaube ich mir mich selbst zu bemitleiden, bevor ich die Finger wieder auf die Tastatur lege und endlich das tue, weshalb ich mich überhaupt an den Computer gesetzt habe. „Sehr geehrte Frau Angela Wicca, Durch die Agentur wurde ich auf ihre Stellenanzeige, in der Sie eine ausgebildete Verkäuferin für ihr Unternehmen suchen, aufmerksam gemacht. Da mich diese Stelle sehr anspricht, würde ich mich über die Einladung zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch sehr freuen.“ Die Zusage für die Stelle kommt wenige Tage später mit der Post und in Anbetracht meiner finanziell eher kritischen Lage, bin ich heil froh darüber. Natürlich ist es nicht das was ich mir gewünscht habe. Und natürlich ist es etwas ganz anderes als das was ich bei der Agentur für Arbeit angegeben habe. Doch was bleibt mir anderes übrig? Ich muss schließlich von irgendetwas leben! Nervös zupfe ich meine Kleidung zurecht. Ich bin spät dran, den der Laden liegt ziemlich versteckt im hintersten Teil einer Seitenstraße, die von der großen Haupteinkaufsstraße abgeht. „Bei der Beschilderung und Lage wird sich der Laden nicht lange halten können. Vor allem der eher schäbige und verwahrloste Anblick der Gasse schreckt potenzielle Kunden ab.“ Die Werbedesignerin in mir kommt sofort zum Vorschein. Innerhalb weniger Sekunden habe ich drei große Plakatwände entworfen, die die schäbige Mauer zum größten Teil abdecken. Sie hätten zum einen den Vorteil, dem Kunden als Wegweiser zu dienen, auf die Vorzuge der Gegend hin zuwiesen und zum anderen die Waren in den Himmel zulobten. „Vermutlich wäre ein großer Leuchtpfeil gut um ein bisschen Licht in diese Gasse zu bringen.“ Ich seufze innerlich und lasse die Schultern hängen. Ich hatte meinen Job wirklich geliebt und was noch wichtiger ist, ich war gut in ihm gewesen. „Schluss jetzt Lith, hör endlich auf zu jammern!“ rufe ich mich selbst zur Ordnung und straffte die Schultern. Auch wenn ich mir reichlich deplatziert vorkomm, in meiner hellblauen Bluse, dem dunkelblauen Blazer und der farblich darauf abgestimmten Stoffhose. Mein langes Haar habe ich ordentlichen zu einem Zopf zusammengebunden und meine Füße stecken in bequemen nicht allzu hohen Pumps. Möglichst selbstbewusst schreite ich auf die Person am Ende der Gasse zu und hoffe wirklich, dass es Frau Wicca ist und nicht irgendein dahergelaufener Herumtreiber. Wie wohl jeder moderne Mensch, habe auch ich versucht meine neue Chefin zu googeln. Leider blieb dieser Versuch vergebens, denn Angela Wicca ist im World Wide Web nirgends zu finden. Sie taucht auf keiner mir bekannten Social-Networkseite auf. Außerdem gibt es keinerlei Informationen zu ihrem Laden, keine Homepage, nichts! Die Adresse und eine kurze Wegbeschreibung habe ich dem Zusageschreiben entnehmen müssen und das zu Zeiten der Gelbeseiten-App. Aber seien wir doch mal ehrlich, selbst die ist schon mehr als antiquiert, oder? Das Einzige, was ich zu ihrer Person finden konnte, war ein dubios wirkender Eintrag in einem sogenannten Hexenzirkelforum. Bis dato ging ich jedoch davon aus, dass diese Frau nicht meine neue Chefin ist. Wie gesagt, bis jetzt! Denn Angela, wie ich sie nenne soll, sieht genauso aus, wie ich mir eine Hexe immer vorgestellt habe. Ihr dunkles Haar ist mit grauen Strähnen durchzogen. Im Nacken hat sie den Zopf mit einem Tuch umwickelt. Ihr Kleidungsstil gleicht dem eines Zigeuners, ein langer mehrlagiger, roter Rock, der am Saum ein außergewöhnliches Muster aus goldener Stickerei aufwies. Dazu ein schlichtes schwarzes Shirt und eine um so auffälligere verzierte lange Lederweste. Um ihren Hals hängen mehrere Ketten mit den verschiedensten Symbolen, sowie ein dicker Bergkristall der auf einem Pentagramm ruht. Angela mustert mich von oben bis unten, dann lächelt sie. „Ich habe die Karten nach dir befragt meine Liebe und die Mutter der Karten persönlich hat mir versichert, dass du eine gute Wahl bist.“ Dann greift sie urplötzlich nach meiner Hand, ihre Armreifen klieren als sie mit dem Finger über meine Handflächen streicht. „Oh! Meine Liebe, es sieht ganz so aus, als wirst du in meinem Laden deinem Schicksal begegnen.“ Sie zwinkert mir verschwörerisch zu, dann lässt sie meine Hand wieder los. Ich muss wohl ein sehr dämliches Gesicht machen, denn plötzlich fängt sie laut an zu lachen. „Komm rein, hier draußen holst du dir ja noch den Tod.“ Die untersetzte Frau drehte sich auf dem Absatz um und ich habe mühe ihr zu folgen. Ihr kleiner Laden, von außen machte er wirklich diesen Eindruck, entpuppt sich als riesengroßer Krimskrams Laden, vollgestellt bis zum letzten Winkel. Überall sind Regale angebracht worden, hoch aufgestellt, mit Leitern versehen, um auch an die Decke heran zukommen. Apropos Decke, von ihr hängen in dicken Bündeln, die merkwürdigsten Pflanzen. Ein paar von ihnen erkenne ich sogar: Rosen, Lavendel und ich glaubte auch Weihrauch in dem heillosen Gewirr ausfindig zu machen. Jedenfalls kann ich ihn riechen. Auch ein paar normale Küchenkräuter wie Rosmarin, Thymian oder Lorbeer kann ich entdecken. Die meisten dieser graugrünen Bündel sind mir jedoch gänzlich unbekannt. Wahrscheinlich auch kein Wunder, denn Kochen ist definitiv nicht meine Stärke und Kochen mit Kräutern? Egal ob getrocknet oder frisch, ist es für mich gänzlich unmöglich! Die fertige Salatkräutermischung ist so ziemlich das Einzige, was sich in meiner Küche, finden lässt. Aber zurück zum Laden. Angela hat es tatsächlich geschafft, jeden und ich meine wirklich jeden Winkel zu zustellen. Vielleicht hätte es mir jetzt schon auffallen müssen, dass sich Angela´s Laden stark von anderen Esoterikläden, die man manchmal in Kaufhäusern findet, unterscheidet. Denn auf den Regalen befinden sich, neben den Sachen die mir so gar nichts sagen, auch viele alltägliche Gegenstände, wie zum Beispiel goldene, silberne oder bronzefarbene Kochtöpfe in jeder nur erdenklichen Größe. Ich entdecke alte Apothekerwaagen, Löffel zum Abmessen, große und kleine Einmachgläser mit den verschiedensten Beschriftungen. Auf einem Regal glaube ich ein in Aceton konserviertes Insekt zu erkennen, bei dem ganzen Durcheinander ist das jedoch nicht klar zu sagen. Die typischen Holzbuddhas oder anderen Esoterik Dekofiguren suche ich derweilen vergebens. Dafür stapeln sich über all in den Gängen und in den sich unter der Last biegenden Regalen Bücher. Kreuz und quer aufeinandergestapelt liegen dicke in Leder gebundene Wälzer neben scheinbar wertlosen Papierdrucken. Der ordentlichste Platz im ganzen Laden ist der Ladentisch direkt gegenüber der Tür. Meine Augen bleiben jedoch nicht an der Theke hängen, sondern vielmehr an der altmodisch holzvertäfelten Wand hinter ihr. Die merkwürdig geformte Ausbuchtung und die seltsamen Verzierungen ziehen meinen Blick scheinbar magisch an. „Wären wir in einem Hollywoodfilm, ich schwöre, das wäre der perfekte Platz für einen geheimen Lagerraum!“Ich schieb die Gedanken beiseite und versuche mich stattdessen auf Angela zu konzentrieren, die mir ihrerseits versucht das System des Ladens zu erklären. Doch das scheint mir einfach unmöglich. „Als gute Verkäuferin muss man natürlich wissen, was man verkauft, und wofür man es verwenden kann.“ Erklärt sie gerade. Das versteht sich für mich zwar von selbst, war in diesem konkretem Fall jedoch problematisch. Ich habe zwar während meines Studiums im Einzelhandel gearbeitet und bin, wie ich finde auch nicht gerade weltfremd, jedoch gibt es in diesem Laden einfach so vieles, was ich überhaupt nicht kenne. Woher soll ich zum Beispiel wissen, wozu man eingelegte Insekten oder Agavenpulver benutzen kann? Trotzdem schreite ich aufmerksam an Angela´s Seite durch den Laden, versuche mir die diversen Benennungen und Verwendungszwecke zu merken. Dabei stolpere ich jedoch immer wieder über kuriose Namen wir, Drachenschuppen, Zwergenstein oder Schlangenhaut. Wobei Schlangenhaut wenigstens noch einen realen Gegenstand beschriebt. „Wo zum Henker bin ich hier nur Gelanden?“ „Ähm Angela, also ich muss dich das jetzt einfach mal Fragen, aber was ist das hier alles? Ich dachte du betreibst einen Esoterikladen. In der Stellenanzeige stand doch …“ Doch Angela unterbricht mich, bevor ich zu Ende reden kann. „Gott Nein, von diesem Kram halte ich absolut nichts! Die Leute, die diesen Plunder verkaufen, zeihen den Kunden doch lediglich das Geld aus der Tasche. Das sind richtige Scharlatane, ich dagegen bin seriös.“ Sie macht eine ausschweifende Geste. „Das ist alles zertifiziert.“ Ich blicke mich leicht verwirrt um. Wenn sie nichts von Esoterik hält, warum hat sie dann den ganzen Laden voll davon? Und von wem werden bitte schön Drachenschuppen verifiziert? Man kann ja wohl schlecht den Drachen fragen, oder? Mir grault es vor der Antwort, trotzdem muss ich einfach die Frage stellen. „Ähm entschuldige, wenn ich noch einmal nachfragen muss, aber ich verstehe dann leider immer noch nicht so genau, was für eine Art Laden du hier eigentlich betreibst.“ Angela sieht mich leicht verwunder an. „Ist das denn nicht offensichtlich, meine Liebe? Ich betreibe natürlich einen Hexenladen.“ Ich nicke verständnisvoll während ich mir im Geiste die Notiz: Total verrückt, mache. „Also bist du eine Hexe?“ frage ich vorsichtig weiter. Die verrückte Alte zwinkert mir verschwörerisch zu und antwortet: „Nein.“ Ich will schon erleichtert aufatmen, denn anscheinend besteht immer noch Hoffnung: „Wahrscheinlich ist Angela einfach nur eine brillante Geschäftsfrau, die den Verrückten das Geld mit gefälschten Drachenschuppen aus der Tasche zieht.“ Da fügt sie hinzu: „Ich bin viel mehr als eine einfache Hexe, ich bin eine Wicca.“ Für einen kurzen Moment blicken wir uns einfach nur an, während ich ein ungläubiges Schnauben zu unterdrücken versuche. Im Stillen fügte ich meiner geistigen Notiz ein: völlig übergeschnappt, hinzu! Nun, es ist Zeit für mich zu gehen! Hoffentlich versteht die Agentur für Arbeit diesmal, dass ich nicht für eine vollkommen Verrückte arbeiten kann. Zumal sich der Laden sowieso nicht lange halten wird, denn wer kauft schon eingelegte Eidechsen? Igitt! Anscheinend spiegelt mein Gesicht meine Gefühle wieder, denn plötzlich wird Angela ernst. „Du musst dir keine Gedanken über mögliche Gefahren machen, Elisabeth. Dieser Laden ist neutrale Zone. Jeder der ihn betritt weiß, dass er sich hier zu benehmen hat. Ansonsten wird der Bannkreis, den ich gezogen hab, ihm helfen sich wieder daran zu erinnern!“ Sie sieht mich aufmunternd an. „Aber mach dir keine Sorgen, den Kreis hab ich gestern erneuert, der hält also noch eine ganze Weile, und sobald ich wieder da bin, werde ich dir alles Weitere genauer erklären.“ Sie klatscht in die Hände vor Freude: „Ach, ich denke wir werden ein wunderbares Gespann, du als meine Schülerin und ich als dein Lehrmeister.“ Und dreht sich so schwungvoll um, dass sie fast eins der Gläschen mit ihrem Rock umgeworfen hätte. „Und die Schwestern des Schicksals haben mir eine so talentierte Schülerin geschickt. Ich kann es kaum erwarten.“ Plappert sie munter drauf los, während sie mit schnellen Schritten den Laden durchquerte. Warte, was hat sie gesagt?! „Wie, wenn du wieder da bist?“ „Ja natürlich. Hab ich das etwa noch nicht erwähnt? Du sollst mich in meinem Laden vertreten. Und ich hatte schon Angst, dass die Agentur mir eine vollkommen untalentierte Stümperin schickt. Ich hätte mich eben doch auf die Agentur verlassen sollen, sie weiß schließlich immer, was sie tut.“ Ist das hier versteckte Kamera? „Die Agentur für Arbeit soll wissen, was sie tut?!“ Diesmal kann ich nicht anders. Ich muss einfach laut loslachen. Das, ist mit Abstand das Verrückteste, was ich heute gehört hatte. Denn in meiner Vorstellung sitzt an einem total überladenen Schreibtisch ein Mann, auf einem ergonomischen Stuhl und an seine Handgelenke angepasste Tastatur, als vorbeuge gegen Arthrose, der keine Ahnung von den Leuten hatte, die er betreuen soll. Und sein Job besteht darin, den ganzen Tag lang wahllos Zettel aneinander zu heften. Immer eine Person und einen Beruf. Nur so kann ich mir erklären, dass ich vor nicht allzu langer Zeit, eine Stelle als Maurer annehmen sollte. Maurern, ich? Unmöglich! Und als ich dankend ablehnte, hatte ich keine drei Tage später die erste Abmahnung, mit der Androhung mir beim nächsten Mal die Unterstützung zu kürzen, im Briefkasten. Ich versuchte daraufhin vergebens meiner Beraterin klar zu machen, dass ich als Frau, Mitte 20 ohne praktische Erfahrung, gänzlich ungeeignet für diesen Beruf bin, was eigentlich offensichtlich ist, wenn man nicht nur ein Name auf einem lästigen Stück Papier für sie ist. „Nein Liebes, ich meine nicht die Menschen Agentur, ich meine natürlich die Agentur für magische Angelegenheiten, unsere Agentur.“ „Ach so, natürlich.“ Ich habe es mittlerweile einfach aufgegeben irgendetwas von dem verstehen zu wollen, was Angela mir anscheinend versucht zu erklären. Die selbst ernannte Hexe nickt zufrieden und blickt auf eine bizarre Uhr an ihrem Handgelenk. „Ach du meine Güte, schon so spät, dann muss ich mich aber beeilen.“ Und schon verschwindet sie eine Treppe hoch, die so zugestellt ist, dass sie mir erst jetzt auffällt. „Moment, wo wollen sie denn hin?“ rufe ich ihr mit leichter Panik in der Stimme nach. Verrückt oder nicht, diese Frau will mir wirklich ihren Laden überlassen. Es poltert und Angela kommt mit einem dicken, rot-schwarz kariertem Koffer die Treppe her runter. „Na zur Jahreskreismesse. Meine Vorräte sind erschreckend zu Neige gegangen. Außerdem soll August einen ganz wunderbaren neuen Weg zur Trublerzucht entdeckt haben.“ Ihre Augen nehmen einen seltsamen Glanz an „Wenn er recht hat, dann können wir den Ertrag um bis zu 10 Prozent steigern. Und 10 Prozent bei den Trublern, das wäre wahrlich wunderbar!“ Während Angela ihren beladenen Koffer um Regale und Gegenstände herumbalanciert, schreibe ich sie endgültig als verrückt ab. Wahrscheinlich merkt man gerade an dieser Stelle, dass ich in mancherlei Hinsicht wohl noch etwas naiv war. Denn ich hatte wirklich noch Hoffnung für Angela. „Und dann mach ich vielleicht noch einen kurzen Abstecher zur Walpurgisnacht. Ich war schon lange nicht mehr da. Aber keine Angst, am Freitag bin ich wieder da.“ Blanke Panik macht sich in mir breit. Das kann doch unmöglich ihr Ernst sein. Sie kennt mich doch gar nicht. Was wenn etwas passiert oder noch schlimmer, wenn tatsächlich Kundschaft kommt. „Angela! Ich glaube nicht ...“ versuche ich sie ein letztes Mal zur Vernunft zubringen, doch sie unterbricht mich erneut. „Ach papalapap, jetzt hör endlich auf dir Sorgen zu machen. Ich habe da vollstes Vertrauen in dich. Außerdem hab ich an alles Preise geheftet und unter der Theke ist ein Ordner, da stehen die Mengenpreise für Kräuter und Tinkturen drin. Ersatz ist entweder unter der Theke oder oben im Lagerraum.“ Mit entsetzen beobachte ich wie Angela Richtung Ausgang zusteuert, dann jedoch kurz stoppt, um einen langen Mantel vom Garderobenharken zu nehmen. Ich wartet, nun ernsthaft verzweifelt, immer noch darauf, dass von irgendwo her ein Kamerateam auftaucht und ein lustiger Moderator: „Reingefallen!“ schreit. Doch nichts der gleichen passiert. Stattdessen drückt Angela mir einen Schlüsselbund in die Hand. „Hier, das ist ab heute deiner. Ich verlasse mich darauf, dass du den Laden gut führst. Die Öffnungszeiten habe ich dir an der Kasse hingelegt, es reicht, wenn du ein wenig abkehrst und dann abschließt. Ach! Das hätte ich ja beinahe vergessen.“ Schnell stellt sie den Koffer hin und eilt auf das Bücherregal zu. „Wenn du Fragen hast, hier steht fast alles drin, was wichtig ist.“ Völlig verdattert nehme ich das Buch an mich. „Jetzt muss ich aber los sonst verpass ich noch meinen Flug. Also denk an das was ich dir gerade erklärt habe und mach dir keine Sorgen, du schaffst das schon. Bis in fünf Tagen!“ Und noch bevor ich auch nur ein Wort des Protestes einwerfen kann, fällt die Tür hinter ihr ins Schloss. „Scheiße verdammt. Angela!“ Endlich aus meiner Schockstarre erwacht, reiße ich die Tür auf, doch es ist zu spät. Das Letzte was ich von Angela sehe ist, wie sie freudig winkend ins Taxi stieg und davon braust. Das Buch noch immer in der Hand schließe ich die Tür hinter mir ab. „Magische Kleinigkeiten“ steht auf dem Einband des circa fünftausend Seiten dicken Wälzers. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)