Hospital Story von Heartsbane ================================================================================ Kapitel 3: night kiss --------------------- Sascha erwachte mitten in der Nacht. Schlaftrunken öffnete er die Augen, blickte in die schimmernde Finsternis, die das Zimmer einhüllte. Es gab keinen besonderen Grund wieso er aufgewacht war, kein Geräusch oder ähnliches. Doch gleichzeitig kam es Sascha vor, als wäre da doch etwas. Irgendwie hatte er ein komisches, unsicheres Gefühl im Bauch... Immer noch die Müdigkeit und Erschöpfung in den Knochen, richtete sich der Junge auf. Was war es bloß was ihn so störte? Als er sich im Zimmer umsah, bemerkte er nichts Außergewöhnliches. Nur Schatten, verursacht durch das helle Mondlicht, die sich streckten und wie lauernde Jäger in der noch so kleinsten Ecke verharrten. Und dann hörte er es endlich. Ein krankes, angestrengtes Röcheln, so leise und unauffällig, dass es kaum zu vernehmen war. Wo kommt das her...? Sascha lauschte angestrengter, sah hinüber zu Jannik. Er hätte gleich erkennen sollen, dass er es war, der dieses qualvolle Geräusch von sich gab. Immerhin war hier sonst niemand. „Jannik?“, flüsterte Sascha leise. Keine Antwort. „Jannik, ist bei dir alles in Ordnung?“ Das unwohle Gefühl in seinem Magen verstärkte sich, synchron zu dem Röcheln, das nun mehr wie ein Keuchen klang. Irgendetwas stimmte nicht. Davon war Sascha überzeugt. Entschlossen herauszufinden was da los war, warf er vorsichtig die Decke zurück. Seine Knochen schmerzten vom Fieber und das Stechen in seinem Kopf machte die ganze Sache nicht angenehmer. Wahrscheinlich war es wieder eine dieser Phasen gewesen, dass er sich die ersten beiden Tage so gut zusammennehmen konnte. Jetzt waren seine Energiereserven jedoch endgültig verbraucht. Langsam hob Sascha die Füße aus dem Bett, setzte einen nach dem anderen auf den blanken Fußboden und zuckte kurz erschrocken zusammen, als die unerwartete Kälte durch seine Haut fuhr. Ich will wieder schlafen... Ein Gähnen unterdrückend stand er auf, wartete kurz bis das schon gewohnte Schwindeln vorüber war. Dann erst tappte er wackelig auf den Beinen los. „Jannik, hast du mich nicht gehört? Fehlt dir was?“, fragte er mit immer noch leiser Stimme, während er sich dem Bett des anderen näherte. Er konnte seine Gestalt immer noch nicht ausmachen, da diese genau dort wo er liegen musste von der Finsternis förmlich verschluckt wurde. Sascha verzog etwas den Mund. Es war schon ein bisschen gruselig mit einem Schatten zu reden, der solche fast schon drohenden Geräusch von sich gab. Aber immerhin ging es hier um Jannik und es wäre unverantwortlich gewesen das einfach zu ignorieren. Immer noch kam keine Reaktion, weder eine Antwort, noch eine Bewegung. „J- Jannik...?“ Langsam aber sicher mach ich mir echt Sorgen... Sascha hielt inne. Wartete, lauschte. Nichts. Nichts außer dem knarrenden Röcheln und dem schweren Atmen. „Sag doch endlich etwas...“, sprach Sascha noch einmal. Seine Stimme war jetzt heller, aufgebrachter. Angstvoller. Es half alles nichts. Jannik antwortete nicht. Vielleicht ist er ja gar nicht wach und macht diese Geräusche einfach nur im Schlaf. Sascha hoffte schon fast auf diese Möglichkeit, denn dann wäre die Chance, dass ihm nichts fehlte um einiges höher gewesen. Glaubte er zumindest. „Jannik, ich... ich komm zu dir, ja?“ Der Junge wusste selbst wie blöd es war so etwas extra zu sagen, aber immerhin herrschte zwischen ihnen weiterhin eine gewisse Distanz und Janniks Charakter war auch nicht gerade auf Körperkontakt ausgerichtet, wie er annahm. Deswegen war Sascha sehr vorsichtig und zurückhaltend, als er neben dem Bett stand und die Arme langsam hob. An der Bettdecke, deren unteres Ende genau im Mondlicht lag, hatte er schon festgestellt, dass Jannik anscheinend aufrecht im Bett sitzen musste. Deswegen war er auch nicht überrascht, als er erst die Wand und dann endlich eine Schulter berührte. Jannik musste sich also angelehnt haben. „Jannik, ich bin´s Sascha. Hörst du mich nicht?“, fragte er dann eindringlich, innerlich aber mit gemischten Gefühlen. Einerseits war da die unheimliche Sorge um den anderen und gleichzeitig beschäftigte ihn allein das Erlebnis Jannik berührt zu haben. Den unnahbaren, abwehrenden Jungen, der niemanden an sich ranlassen zu wollen schien. Sascha meinte ein leises Seufzen gehört zu haben wie nach einer großen Anstrengung. Ermutigt durch diese winzige Reaktion, suchte er in der Dunkelheit nach Janniks zweitem Arm. Keinerlei Abwehr oder sonstige Bewegung kam, also traute sich der Junge einfach und zog den anderen nach vorne. Überrascht und geschockt zugleich hielt er die Luft an. Jannik war wie ein Sack Kartoffeln nach vorne gefallen, wirkte so, als wären sämtliche Muskeln in seinem Körper erschlafft. Jetzt erst konnte Sascha ihn erkennen. Den Kopf auf den unter der Decke ruhenden Knien saß oder vielmehr lag er da, sodass man nur seine schwarzen Haare und einen Teil seines Rückens sehen konnte. Sascha, der in der Aufregung einen Schritt zurückgewichen war, besaß nicht den Mut ihn noch einmal anzufassen, hatte Angst irgendetwas falsch zu machen. Zwar hätte er sich dafür ohrfeigen können, aber er brachte es einfach nicht über sich. „J- Jannik...?“, fragte er wieder einmal mit erstickter Stimme. Diesmal kam eine Antwort. Oder eher ein Versuch dazu, denn alles was zu vernehmen war, stellte zuerst ein gequältes Stöhnen dar, welches gleich darauf in einen heftigen Hustanfall überging. Als wäre ein unsichtbares Netz von ihm abgefallen, schritt Sascha eilig zu dem kranken Jungen und legte eine Hand auf dessen Rücken. Er konnte spüren wie sehr er unter dem leidigen Keuchen bebte. „Hey“, war alles was er im Moment herausbrachte, während er wartete bis das Husten vorbei war. Es herrschte Stille. Plötzlich kam ein erneutes Stöhnen aus der Kehle von Jannik und das erste Mal versuchte er sich aufzurichten. Doch mehr als ein paar fast unmerkliche Bewegungen nach links und rechts brachte er nicht zustande. Er hat absolut keine Kraft mehr! „Jannik, so sag doch was. Bitte... “ Sascha hätte heulen können. Er wusste nicht was er machen sollte und das nagende Gefühl in seinem Herzen machte die Sache nicht leichter. Sorgenvoll beugte er sich etwas vor, schob eine Hand unter den Oberkörper des anderen und hob diesen hoch. Ein leiser und doch schriller Schrei entfuhr ihm, als sein Blick auf die weiße Bettdecke fiel. Blut. Rotes, im Mondlicht schimmerndes Blut hatte sich in den Stoff eingraviert wie ein warnendes Signal vor Gefahr. „Das...“, stammelte Sascha, die Hände vor den Mund haltend, ohne wirklich zu wissen was er eigentlich sagen sollte. Jetzt hüllte ihn die Sorge erst recht ein, füllte seine Gedanken mit tückischen Ahnungen und ließ ihn leicht zittern. Das altbekannte Röcheln holte ihn wieder in die Realität zurück. Jannik hatte zumindest seinen Oberkörper in der Höhe halten können, sodass Sascha ihn wenigstens zu sehen vermochte. Allerdings hing sein Kopf schlaff nach unten, seine Haare bedeckten jeden noch so kleinen Flecken seines Gesichts und die Arme hatte er bewegungslos in den Schoß gelegt, als gehörten sie gar nicht zu ihm. „Was ist passiert?! Jannik!“, sprach ihn Sascha mit hektischer Stimme an, packte seinen Arm und schüttelte ihn leicht. Doch wieder nichts als ein einzelner, erschöpfter Ton. Jannik... Entsetzt starrte der Junge seinen Zimmergenossen an. Was war nur los mit ihm? Heute hatte es ihm doch noch blendend gegangen, hatte er geredet und sogar gelacht. Und jetzt? Jetzt war er in einem Zustand, der so jämmerlich und bemitleidungswürdig war, dass Sascha wirklich nahe dran war in Tränen auszubrechen. Vorsichtig, nicht wissend was er sonst tun sollte, hob er die Arme und legte beide Hände an Janniks Gesicht. Er spürte nichts außer weiche Haare, die er nun sanft zur Seite strich. Am liebsten hätte Sascha wieder geschrien. Glasige, teilnahmslose Augen blickten ihm entgegen. Ein leicht geöffneter Mund, umgeben von dunklen, unheilvollen Blutflecken, denen keine Worte, sondern kümmerliches Stöhnen entfuhr. Jannik war in einem schrecklichen Zustand. Er brauchte unbedingt Hilfe. Unbedingt. „Jannik, ich... Bitte halt durch!“, bat Sascha und schaute den Jungen vor sich verzweifelt an. Er wurde fast wahnsinnig vor Besorgnis. Jannik durfte nicht aufgeben, er durfte einfach nicht! „Ich hole schnell einen Arzt. Gleich bin ich wieder bei dir, bitte...“ Bitte was? Stirb nicht? Oh Mann, scheiße... Jannik halt einfach durch. Behutsam nahm er seine Hand vom Kinn des anderen, doch dessen Kopf fiel sofort wieder zurück auf seine Brust. Aber er hielt sich weiterhin aufrecht. Ich muss sofort Hilfe holen! Blitzschnell stürmte er davon, riss die Krankenzimmertür auf und hätte am liebsten lauthals geschrien, weil er nicht sofort und vor allem rascher auf die Idee gekommen war. Wie hatte er nur so verdammt verantwortungslos handeln können?! „Hey, Sie da! Schnell, ich brauche Hilfe!“, keuchte er schwer atmend, nachdem er den Korridor entlang gerannt und schon fast beim Aufenthaltsraum des Personals angekommen war. Eine Krankenschwester mit blonden, zu einem Dutt zusammengefassten Haaren war gerade aus dem Zimmer getreten und wollte ihren Weg fortsetzen, als sie fragend aufsah. „Was ist denn-“ „Kommen Sie einfach mit! Jannik, meinem Zimmergenossen geht es ganz schlecht. Er hat Blut gespuckt!“, erklärte Sascha schnell und packte sie am Arm, um sie mit sich zu ziehen. Doch die Dame riss sich los, ein ernster Gesichtsausdruck erschien auf ihrem Gesicht. „Warte hier, ich muss einen Arzt informieren.“ Mit diesen Worten rannte sie in den kleinen Raum mit den durchsichtigen Scheiben, in dem sich die Patienten anmeldeten und die gesamten Dokumente verwaltet wurden. Hektisch telefonierte sie mit jemandem. Geht denn das nicht schneller?! Verdammt, Jannik liegt in seinem Bett und spuckt Blut! Nervös trat Sascha auf der Stelle, ließ die Schultern fallen und hob sie wieder. Dann endlich kam die Krankenschwester zurück und zusammen hasteten sie zurück zum Zimmer. Sascha schaltete schnell das Licht an, während die Frau schon zu Jannik stürmte, der immer noch in derselben Position verharrte. „Jannik, hörst du mich?“, fragte die Schwester und nahm sein Gesicht zwischen die Hände. Vollkommen apathisch ließ der Junge den Kopf nach hinten fallen, bevor die Frau ihn wieder zu sich holte. Sascha stand währenddessen abseits, wollte nicht im Weg stehen. Es war nur wichtig, dass es Jannik wieder besser ging und alles was dieses Ziel behindert hätte musste vermieden werden. Plötzlich betrat Doktor Jensen den Raum. Mit wachsamem, orientierendem Blick bewertete er die Situation und hastete dann ebenfalls zum Bett des Kranken. Die Schwester wich zur Seite, um dem Arzt Platz zu machen. Dieser führte ein paar vergewissernde Handgriffe und Untersuchungen durch, bevor er sich an Sascha wandte. „Was genau ist passiert?“ „Ich...“ Sascha, der die ganze Zeit in das von Haaren bedeckte, schweißnasse und blutbefleckte Gesicht von Jannik gestarrt hatte, fühlte sich unfähig wegzusehen. Ohne den Blick abzuwenden antwortete er. „Ich bin aufgewacht und... wollte nachsehen was los ist, weil ich so ein komisches Röcheln gehört habe. Und dann... dann...“ Er konnte nicht weiterreden, schluckte, um die Tränen zu unterdrücken. Sascha wusste selbst nicht wieso er jetzt auf einmal nicht mehr standhalten konnte. Seine Hände zitterten, trotz allergrößter Anstrengungen kullerte ihm die erste Träne die Wange hinunter und sein Herz fühlte sich an, als hätte man tausende von Nadeln hineingestochen. Schwer atmete er ein und aus. Dem Arzt schienen seine Schilderungen zu genügen, denn er fuhr mit seinen Untersuchungen fort. Sascha suchte Janniks dunkle Augen und als er sie fand, den apathischen Glanz in ihnen sah, konnte er nicht mehr anders. Vorsichtig und so unauffällig wie möglich tappte er los, drängte sich an dem Doktor vorbei und stellte sich an die Wand gepresst genau neben das Bett. Jannik... Werd ja wieder gesund.... Bitte. Immer noch weinend fixierte er den Jungen mit den Augen, sah seine zermarterte und erschöpfte Gestalt in dem Bett sitzen. Und wieder ergriff ihn das Mitleid, verband sich mit der Sorge zu einer teuflischen Mischung, die ihm sein Herz so schwer werden ließ, dass er am liebsten dem Wunsch seiner Beine nachgegeben und sich an der Wand hinab gleiten lassen hätte. Nein, ich muss mich jetzt zusammenreißen. Jannik geht es viel, viel schlechter als mir, deswegen muss ich ihm helfen und nicht auch noch Probleme verursachen... Nur wie? Sascha schluckte hart. Und dann tastete er sich einem inneren Impuls folgend vor, spürte plötzlich die kalte, weiche Haut Janniks unter seinen Fingern. Zaghaft umfasste er dessen Hand und drückte sie leicht. Der Körperkontakt beruhigte ihn irgendwie, gab ihm wenigstens die Hoffnung den anderen irgendwie zu unterstützen. Die gesamte Zeit der Untersuchung und Behandlung ließ Sascha Jannik nicht los. Er beobachtete aufmerksam wie der Doktor ihm Medikamente verabreichte und langsam aber sicher schien der Junge auch wieder etwas an Bewusstsein zu gewinnen. Reaktionen gab es allerdings immer noch keine. „So, jetzt müsste es ihm bald wieder besser gehen“, verkündete Doktor Jensen auf einmal und lehnte sich zurück. „W-Wirklich?“ Sascha sah ihn mit tränennassen, aber gleichzeitig hoffnungsvollen Augen an. „Ja, es war gut, dass du uns gleich geholt hast. Sein Zustand war wirklich nicht gerade der Beste“, antwortete der Mann und sah kurz etwas sorgenvoll zu Jannik, dem die Schwester gerade half sich zurückzulegen. „Aber... das ganze Blut... und...“, begann Sascha von neuem. Er konnte nicht glauben, wollte sich vergewissern, dass Jannik tatsächlich wieder gesund werden würde, „Bluterbrechen ist ein gängiges, wenn auch heikles Symptom bei Gastritis. Seine Apathie rührt allerdings von einem Kreislaufschock her“, erklärte der Arzt und blickte wieder zu Sascha. „Jannik war von vorneherein nicht sehr kräftig, weshalb ich mir auch immer Sorgen um ihn gemacht habe.“ Sascha blinzelte verwirrt. Kreislaufschock.... „So, ich denke, ich kann jetzt guten Gewissens gehen. Man weiß ja nie, welche anderen Patienten heute auch noch meine Hilfe brauchen.“ Doktor Jensen stand auf und lächelte ihn freundlich an. „Gute Nacht, Sascha. Und danke.“ Der Junge nickte, sah dem Arzt hinterher, der nun das Zimmer verließ. Die Krankenschwester verabschiedete sich auch und verschwand ebenfalls mit den Utensilien, die sie während der Behandlung gebracht hatte. Nun war es wieder still im Zimmer. Sascha stand unsicher immer noch an die Wand gelehnt neben dem Bett und sah zu Jannik. Er war eingeschlafen, sein Atem ging regelmäßig. Jetzt, da die Schwester das Blut von seinem Gesicht entfernt hatte, sah er wieder genauso sanft aus wie am Morgen, als Sascha ihn schon einmal schlafend gesehen hatte. Zum Glück konnte ihm Doktor Jensen helfen. Ich hätte nicht gewusst was... was ich sonst gemacht hätte. Schniefend wischte sich der Braunhaarige die Tränen aus dem Gesicht. Ein zartes Lächeln zierte seine Lippen. Ich werde heute Nacht auf ihn aufpassen. Nicht, dass wieder so etwas passiert... Was wenn ich nicht aufgewacht wäre? Sascha verzog das Gesicht, wollte gar nicht daran denken. Er sah noch einmal zu Jannik, der friedlich dalag. Obwohl ersterer ein ungutes Gefühl dabei hatte auch nur einen Meter von der Seite des anderen zu weichen, stand er auf, ließ die Hand nach einigem Zögern los und holte sich einen Stuhl ans Bett. Nachdem er das Licht ausgeschaltet hatte, damit Jannik auch wirklich ohne Störung schlafen konnte, setzte er sich wieder zu ihm. Augenblicklich erfasste er erneut seine Hand. Schlaf schön, Jannik. Damit du morgen wieder genauso ekelhaft sein kannst wie sonst. Ein glückliches Schmunzeln flog über Saschas Mund, während er erleichtert in den milchigen Mond der Nacht blickte. Es waren nur zwei, drei Stunden vergangen, doch Sascha war schnell der Erschöpfung erlegen und eingeschlummert. Dösend war er auf seinem Stuhl zusammengesunken und atmete leise vor sich hin. Jedoch riss ihn plötzlich ein sanfter, fast unmerklicher Druck aus seinem Traumland. „Huh?“, machte er schläfrig und öffnete die noch fast blinden Augen. Erst nach einigen Sekunden klärte sich sein Blickfeld und er erkannte Jannik vor sich. „Jannik!“ Sofort war Sascha hellwach. „Was machst du denn da? Du sollst doch liegenbleiben!“ Besorgt runzelte der Jüngere die Stirn, als er bemerkte, dass sich Jannik aufgesetzt hatte. Es kam keine Antwort. Kurzes Schweigen. „Geht...“, begann Sascha dann zaghaft. „... geht es dir besser?“ „Ja.“ Janniks Stimme war leise, allerdings schien er wieder bei Kräften zu sein. „Dann bin ich aber froh“, erwiderte Sascha und atmete erleichtert aus. Der riesengroße Stein fiel ihm endlich vom Herzen, als er abwartend zu dem anderen Jungen sah. Dieser sprach nicht, sondern starrte ihn einfach nur an. Es war ein eine merkwürdige Situation. Sie beide, mitten in der Nacht in einem Zimmer, welches nur vom nebligen Licht des Mondes erhellt wurde. Sascha, dem das Ganze schon unangenehm war, überlegte gerade etwas zu sagen, als Jannik das für ihn übernahm. „Hast du dir Sorgen gemacht?“ Was..? Sascha blinzelte. Als er darüber nachdachte wie durcheinander er ein paar Stunden zuvor gewesen war und dass er sogar geweint hatte, wurde er ein wenig rot. „Ja, hab ich... Ziemlich Große sogar“, gab er schließlich mit leiser Stimme zu. Er blickte nur einmal kurz zu Jannik, bevor er den Kopf beschämt abwandte. Bestimmt krieg ich jetzt wieder einen blöden Kommentar zu hören... Doch es kam alles ganz anders. Gerade als Sascha bewusst wurde, dass er Janniks Hand immer noch hielt und er seine schon peinlich berührt wegziehen wollte, spürte er wie der andere sie bestimmt festhielt. Verwirrt sah Sascha auf, verstand nicht wieso er das tat. Und bevor er wusste was geschah, fühlte er Janniks andere Hand an seiner Wange. Die unerwartete Berührung der weichen Haut auf seiner löste ein angenehmes, wenn auch überraschtes Kribbeln aus. Was sollte das werden? So sehr Sascha sich auch eine Antwort wünschte, er konnte nicht sprechen. Nur wenige Sekunden vergingen, vielleicht fünf oder sechs. Aber alles was in diesem Moment interessant, wichtig war, das waren diese geheimnisvollen, dunklen Augen, in die der Junge nun blickte. Mit einem nicht deutbaren Ausdruck fixierten sie ihn, zogen ihn in ihren Bann. So bemerkte er auch viel zu spät, dass Jannik ihm immer näher gekommen war. Erst als er den warmen Atem des anderen in seinem Gesicht spürte und die fast schwarzen Augen sich schlossen, da begann er zu verstehen. Doch er war immer noch unfähig sich zu rühren. Sekunden später spürte er die sanfte Berührung von Janniks Lippen auf den seinen, die er unterbewusst schon erahnt hatte. Allerdings war die Empfindung ganz anders, viel... fesselnder. Der zarte Druck auf seinem Mund, er war unbeschreiblich. Wohlig und gleichzeitig irgendwie erschreckend. Wie gelähmt saß Sascha da, starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Leere, da sein Sehvermögen im Moment rein gar nichts mehr aufnahm. Alle Sinne in ihm waren nur auf eines ausgerichtet. Den Kuss. Janniks Kuss. Obwohl es Sascha wie eine halbe Ewigkeit erschienen war, zogen sich Janniks Lippen schon nach kurzer Zeit wieder zurück. Erst jetzt kamen anfängliche Gefühle zurück. Ein unerklärliches, verwirrendes Prickeln in seinem Kopf. Vielleicht der Schock oder die Überraschung. Sascha hatte keine Ahnung. Immer noch fassungslos blickte er in die mittlerweile wieder offenen Tiefen von Janniks Augen. Er war immer noch unfähig zu sprechen, konnte keine Reaktion von sich geben. Doch er wollte eine Antwort, wollte wissen warum. Einige Sekunden musterte der Schwarzhaarige ihn noch mit demselben forschenden Blick wie schon zuvor, dann drehte er sich plötzlich ohne ein Wort um und legte sich mit dem Rücken zu Sascha in sein Bett. Schlief wahrscheinlich bald darauf. Sascha unternahm nichts dagegen. Fragte weder nach, noch weckte er ihn nach den endlosen Minuten auf, die er bewegungslos einfach nur auf seinem Stuhl sitzend verbracht hatte. Stattdessen erhob er sich ungelenk, folgte nur einem innerlichen Befehl, den ihm sein erschöpftes Gehirn erteilte. Schlafen. Er musste schlafen. Wankend ging er zu seinem Bett, ließ sich darauf nieder und kauerte sich unter seiner Bettdecke zusammen. Nun endlich kamen seine Gedanken zurück, erdrückten ihn mit ihrem Drängen. Immer wieder schoss ihm eine Frage, nur eine einzige Frage in den Kopf. Warum nur hatte Jannik ihn geküsst? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)