Die Geschichte des legendären Sullivan O'Neil von Izaya-kun (Das Tagebuch eines Gesuchten) ================================================================================ Kapitel 39: Wem folgt Ihr? -------------------------- Ich schwieg lange, ehe ich Nevar eine Antwort geben konnte. Natürlich hatte er völlig Recht, man konnte Böse nur schlecht von Gut unterscheiden. Aber gar nicht? Ich empfand mich selbst als gut, doch dann fielen mir Kai und der andere Matrose ein. Die Tatsache, dass ich oft gelogen hatte und auch, wie ich ohne Zögern bereit gewesen wäre, Nevar und Philipp zu töten. Mit einem Mal fühlte ich mich schlecht und hassenswert, verachtenswürdig. Als ich ihn wieder ansah, zitterte ich ein wenig und ungewollt bekam ich es wieder mit der Angst zu tun. Angst vor der Hölle, Angst vor den Folgen, Angst um meine Seele. All das, was mir in den zehn Jahren im Kloster anerzogen worden, war kam wieder in mir hoch. Nevar sah es mir an. Die ganze Zeit über hatte er schweigend vor mir gestanden, nun ließ er sich wieder auf den Tisch sinken und lächelte leicht. „Was meint Ihr?“, fragte er leise, als hätte er meine Gedanken erraten. „Kommt Ihr nach Eurem Ableben in Himmel oder Hölle?“, ich schwieg. Er nahm es als Antwort und stellte abermals den Kopf schief. Als würde er in mir forschen und nach Antworten, nach Geheimnissen suchen, drangen seine eisblauen Augen in meinen Geist. „Ich komme in die Hölle. Ich hab gemordet. Und auch wenn es…nur zu meinem eigenen Schutz war, so war es doch Mord, das weiß ich. Dieser Gedanke ist befreiend, findet Ihr nicht?“ „Nein.“, zischte ich bitter und sah weg. „Ganz und gar nicht.“ „Ihr klammert Euch an Eure Erziehung, Sullivan. Ihr macht Euch zu einer Marionette. Nein, Ihr lasst Euch dazu machen. Wenn Ihr einmal glaubt, in die Hölle zu kommen, gibt es kein zurück mehr.“, Nevar strich über das Holz neben sich. Ein wenig verträumt fuhr er fort: „Man wird jeden Tag daran denken. Und egal was man tut, man wird niemals wissen, ob man dem Himmel wieder gerecht wird. Sullivan.“, eindringlich sah der Fremde mich wieder an. „Ihr werdet davon nie mehr erlöst werden. Ihr werdet niemals erfahren, wohin Ihr kommt und ob es diese Orte wirklich gibt. Befreit Euch davon.“, schweigend hob ich den Blick und sah ihn an. Er hatte Recht und dieser Fakt ließ mich Schwäche fühlen. Ich wollte schlafen gehen und nie mehr mit ihm sprechen. Nevar stellte mich vor die Gedanken, die ich seit Wochen verdrängt hatte. Er fuhr ernst und leise fort: „Die katholische Kirche hat Macht über die Menschen, weil sie ihnen Angst macht. Angst vor dem Ungewissen. Der Mensch wird niemals wissen können, ob es das Paradies wirklich gibt und wenn ja, dann niemals, ob er dieses betreten darf. Diese Angst nutzt sie für sich aus und die Idioten folgen dem. Irgendwann wird es das nicht mehr geben. Menschen wie ich werden überall sein, Sullivan. Menschen die darauf pfeifen. Keine, die an andere Dinge glauben – Menschen, die an nichts glauben.“ „Das ist unmöglich.“, ich wurde skeptisch und schüttelte den Kopf. „Eine Welt, in der es keinen katholischen Glauben gibt, ist gar nicht möglich. Niemand würde mehr arbeiten, alle würden lügen. Die Welt würde untergehen.“ „Nein.“, Nevar verschränkte die Arme und schmunzelte amüsiert. „Irgendwann wird es keine Scheiterhaufen mehr geben. Und ohne diese Angst davor, wird es immer mehr geben, die nicht mehr in die Kirche gehen. Sonntagsmessen werden ablaufen wie Beerdigungen, die heilige Schrift wird in immer weniger Häusern vertreten sein, vielleicht wird man irgendwann sogar über die Kirche spotten und Witze machen über Gott und Teufel. Nicht heute, nicht morgen… Aber vielleicht in einhundert, zweihundert Jahren. Und dann merken sie daran, dass die Welt eben nicht untergeht, dass es auch ohne Gott und Teufel voran geht. Immer mehr wenden sich ab, Sullivan. Und Ihr solltet es auch tun. Ansonsten setzt Ihr Euch freiwillig in einen Käfig, aus dem Ihr nicht mehr hinauskommt.“ „Ihr seid ein Lästerer.“, flüsterte ich. „Ihr sprecht blasphemische Dinge und schämt Euch nicht einmal dafür.“, aber aufstehen tat ich nicht. Ich hätte hinausgehen müssen und beten für das, was ich gehört hatte. Stattdessen saß ich auf dem Bett und starrte ihn an, nicht glauben wollend, was ich da hörte. Nevar schwieg einige Sekunden, dann zuckte er gelangweilt mit den Schultern. „Wie oft habt Ihr einen Neuanfang versucht?“, ich antwortete nicht, sondern starrte ihm trotzig entgegen. Nevar genügte mein Schweigen. „Egal wie oft Ihr es noch probiert. Solang ihr es auf einem religiösen Gerüst aufzubauen versucht, wird es scheitern. Denn Eure Religion unterstützt diesen Neuanfang nicht.“ „Das weiß ich.“, seufzend sah ich auf das schwarze Buch in meinen Händen. „Ihr habt Angst, dass Gott Euch strafen wird, wenn Ihr Euch abwendet. Vielleicht sagt Ihr es nicht offen, aber in Eurem Innern ist diese Angst vertreten.“, fuhr Nevar im Plauderton fort. „Und so lange das so ist, werdet Ihr Euch immer und immer wieder selbst an den Pranger stellen.“ Mit belegter Stimme fragte ich: „Und was schlagt Ihr vor?“ „Lasst das Thema Religion endlich sein und folgt den Wegen, denen ich folge. Ich kenne Euch zwar nicht gut, aber gut genug, um zu wissen, dass Ihr mehr könnt, als im Staub zu kriechen, wie ein Wurm.“ „Ich krieche nicht im Staub!“, zischte ich ihn etwas aggressiver an. Nevar grinste etwas. „Ihr seht nicht so aus, als wärt Ihr stolz und ehrenhaft. Eher wie ein Lump, der vor einem Ofen schläft, den Boden wischt und Kartoffeln schält. Ist das Eure Version von einem freien Leben?“, er ließ seine Worte, indem er in aller Ruhe zum Schrank ging. Ganz nebenbei öffnete er ihn und warf das blutige Tuch vom Boden achtlos hinein. Dann schloss er die Tür leise und machte sich abermals an seinen Haaren zu schaffen. Wütend starrte ich zu Boden. Es griff meinen Stolz an, dass er über mich redete, als wäre ich irgendein Bettler. Aber am meisten, dass es stimmte, was er sagte. Ich hatte mir Freiheit anders vorgestellt, ganz anders. Vor meinem inneren Auge war ich durch Wälder und Wiesen gestreift, hatte fremde Städte gesehen und die köstlichsten Speisen genossen. In Wahrheit hatte ich mich selbst in ein Wirtshaus gesperrt und musste nun Männer in roten Röcken fürchten. Nevar glättete seine widerspenstigen Haare so gut es ging, leckte leicht seinen rechten Daumen und strich sich seine linke Augenbrauen gerade. Noch mitten darin vertieft sah er wieder zu mir. „Ich weiß nicht, was genau Ihr mit der Tollen vorhabt. Aber solltet Ihr es überleben, bin ich bereit, Euch zu helfen.“ Verwirrt starrte ich ihn an. „Was?“ Nevar richtete sich wieder auf und lehnte sich rücklings an das Fenstersims. „Ich frage Euch, ob Ihr Interesse habt, für mich zu arbeiten.“ „Wieso solltet Ihr das tun?“, erwiderte ich misstrauisch. „Ihr seid einer der Gesuchtesten Männer. Ihr wisst es vielleicht nicht, aber O’Hagan gräbt die gesamte Stadt nach Euch um. Und er wird nicht Ruhe geben, ehe er Euch findet.“, Nevar sah kurz zur Kerze, als diese besonders stark flackerte. Doch sie blieb an und so sah er beruhigt wieder zu mir. „Er denkt, dass Ihr etwas besitzt, was ihm gehört.“ Verwirrt zog ich die Stirn kraus. „Was soll das sein?“ „Das weiß ich nicht.“ „Ich auch nicht.“ „Das wiederum weiß ich.“ Nevar kratzte sich den Nacken. „Wenn Ihr es hättet, wärt Ihr auf seine Verfolgung schließlich vorbereitet gewesen und hättet sicherlich nicht unmittelbar neben dem Rotrock gestanden. Jedenfalls seid Ihr aufgrund dessen sehr gefragt… Sagen wir, es wäre nicht in meinem Interesse, wenn er Euch jetzt schon kriegen würde. Hättet Ihr Interesse, für mich zu arbeiten?“, er sah mich an und ich starrte unsicher zurück. Die Dinge in meinem Kopf überschlugen sich etwas und mir fehlten die Worte. Ich wusste nicht einmal, was dieser Mann für eine Arbeit hatte, wie sollte ich ihm da helfen können? Mir war nur klar, dass er etwas nicht Legales tat und das könnte bedeuten, dass er Möglichkeiten für mich kannte, unterzutauchen. Allerdings gefiel mir seine Einstellung nur teilweise und seine offene Art und Weise weckte mein Misstrauen. Erst war er mir ausgewichen und hatte kein Wort gesagt und nun offenbarte er mir seine religiöse und politische Einstellung? Er gab mir Zeit zu antworten und als er merkte, dass meinerseits kein einziges Wort kam, nickte er verständnisvoll. „Es kommt plötzlich, das gebe ich zu. Vieles versteht Ihr nicht. Dies ist eines der wenigen Dinge, die Ihr in Kauf nehmen müsstet.“ „Was noch?“, schoss es aus mir heraus, ein wenig übereilt vielleicht. Wenn ihm mein Misstrauen nicht aufgefallen war, so hatte ich es ihm nun wohl mitten ins Gesicht geschlagen. „Ihr werdet Aufträge erfüllen, von denen Ihr nur das Nötigste wisst. Seht es so: Umso weniger Wissen, desto weniger Risiko.“, dann wurde es schwarz im Raum. Der Docht der Kerze hatte sein Ende erreicht und die Flamme war mit einem leisen Zischen erloschen. Ich spürte, dass Nevar an mir vorbei ging und hörte, wie er eine neue zu suchen begann. Dafür tastete er den Schreibtisch ab, öffnete die linke Schublade und holte sie heraus. Es dauerte einige Sekunden, ehe er die Kerze auf den Ständer gesteckt hatte und auch entzündet. Er ließ sich allem Anschein nach Zeit. Nebenbei erklärte er völlig ruhig und leise: „Ihr habt mein Wort, dass Euch nichts geschehen wird, wenn Ihr Euch an alles haltet, was ich Euch sage. Zudem bekommt Ihr genug Geld, um davon leben zu können. Fünf Silberlinge pro Auftrag. Ich lasse Euch vorerst verschwinden, so dass die Rotröcke Eure Spur verlieren und Ihr dürft mit mir zusammen von hier fort gehen.“, die Kerzenflamme erhellte wieder den Raum und Nevar drehte sich zu mir. „Da Ihr keine Informationen kennt, seid Ihr für niemanden eine Gefahr und könnt jederzeit aus dem Geschäft aussteigen.“ Ich sah ihn an, dann zu Boden und murmelte: „Ich…bin nicht sicher.“ „Nehmt Euch ein paar Minuten. Noch habt Ihr Zeit.“ „Ihr setzt mich unter Druck, um ein schnelleres und womöglich falsches Ergebnis zu erzielen.“, flüsterte ich und stand auf. Entschlossen sah ich ihn an. „Ich sage nein. Mir ist gleich, ob Ihr mich tötet oder verratet oder sonst etwas in dieser Art. Ich möchte ein freies Leben, das ist wahr. Aber kein Leben als Verbrecher und das seid Ihr.“ Nevar ließ mich eine Zeit lang im Raum stehen und kurz wusste ich nicht, ob ich einfach gehen sollte. Dann stellte er sich aufrecht und sagte leicht amüsiert: „Ihr zieht es in Erwägung, dass ich Euch umbringen könnte und dennoch sagt Ihr nein?“ „So ist es.“, ich nickte entschlossen. „Und allein die Tatsache, dass Ihr nicht widersprecht zeigt mir, dass Ihr ein Verbrecher seid. Vielleicht habt Ihr anfangs getötet, um Euch zu wehren, aber mittlerweile ist dem sicher nicht mehr so. Ehe ich nicht weiß, wer Ihr seid oder was Ihr tut, werde ich Euch auch nicht unterstützen. Erst wollt Ihr nichts von mir wissen, dann sucht Ihr plötzlich eine Partnerschaft?“ „Dann ist dies wohl Eure Entscheidung.“, Nevar wirkte weder enttäuscht, noch sonderlich überrascht. Er sah mich wartend an und wieder machten seine Augen mich unsicher. Sie waren berechnend und kalt und irgendwie fremdartig. Als wären es nicht seine Augen, sondern etwas ganz anderes. Eine Art höhere Macht, die nach mir griff und mich auseinander nahm. Er blinzelte nicht und ich schaffte es ebenso wenig. Ich fühlte mich schwach und nackt, wie ein hilfloses Bündel und wollte weg, einfach nur weg. Doch dem konnte ich unmöglich nachgeben. Ich hatte zu viele Fragen im Kopf und zu wenig Antworten erhalten. Irgendwann ließ Nevar mich los und musterte die Flamme neben sich. Etwas erleichtert sank ich zurück auf das Bett. In meinem Innern zitterte ich und ich spürte, dass mir leicht fröstelte. „Ich möchte noch etwas wissen.“, begann ich zögernd. Da Nevar mir keine Antwort gab, fragte ich irgendwann einfach: „Woher wisst Ihr diese Dinge von mir? Die Dinge, mit der Tollen? Und mit dem Rotrock, neben dem ich stand?“ Nevar wog den Kopf. „Ich war zufällig im Flur, als Ihr mit Jack gesprochen habt.“ „Ich habe geflüstert!“, zischte ich ihn an. Amüsiert sah er mir entgegen. „Oh, habe ich gar nicht bemerkt.“ „Bitte macht Euch nicht über mich lustig, Nevar. Ich weiß Eure Künste zu schätzen und bin mir sicher, ihr beherrscht viel mehr, als ich bisher gesehen habe. Dennoch wäre es nur gerecht, mir wenigstens das zu beantworten!“ Er nickte nach einigem Überlegen. „Sagen wir, ich bekomme fast alles mit, was in diesem Haus hier passiert. Ich höre fast jedes Gespräch und kenne fast jedes Geheimnis. Das ist in meinem Geschäft einfach wichtig.“ „Was ist das für ein Geschäft?“, drängte ich ihn. „In was wollt Ihr mich hinein ziehen? Gehört Ihr einer Gilde an? Arbeitet Ihr wirklich nicht für O’Hagan?“, ich zeigte mit dem Finger auf seine überfüllten Bücherregale. „Was sind das für Bücher? Und was hatte die Karte von Annonce zu bedeuten? Bitte gebt mir doch bitte einen Hinweis darauf, wer Ihr seid oder was Ihr tut…! Wie sollte ich Euch da folgen können?“, doch Nevar gab keine Antwort, sondern sah mich nur geduldig an. Er hatte scheinbar keine Lust, sich ein weiteres Mal zu erklären und so wartete er, bis ich selbst begriff, dass er nicht antworten würde. Seufzend ließ ich den Kopf hängen und sah auf den Teppich. Seine rote Farbe war wunderschön und obwohl er sehr alt schien, hatte er etwas Adeliges. „Alles, was Ihr wissen müsst, ist, dass ich heute Abend etwas erfahren habe, was mein Interesse an Euch weckte.“, sofort sah ich ihn wieder an, doch Nevar sprach bereits weiter: „Ich gebe zu, anfangs erschient Ihr mir nicht sonderlich interessant. Schon, die Rotröcke suchen die Stadt nach Euch ab, aber so etwas tun sie öfters. Heute jedoch habe ich etwas gehört, was mich Euch helfen lässt. Ich möchte Euch helfen, zu überleben. Für eine gewisse Zeit. Dass Ihr darauf nicht vertrauen könnt, weiß ich. Ich hätte Euch für einen Idioten gehalten, wärt Ihr ohne Zögern auf mein Angebot eingegangen. Aber mehr kann und werde ich nicht sagen. Und Ihr solltet es dabei belassen.“, Nevar schloss kurz die rechte Hand. Ich hörte, seine Finger leise knacken. Ohne von mir weg zu sehen, flüsterte er: „Hört auf zu fragen. Noch ist Euer Tod unwichtig für mich. Geht, so lange es noch so ist.“ Ich erhob mich langsam und nickte. „Und wie lange wird das noch so sein? Dass mein Tod unwichtig für Euch ist?“ Das brachte den Mann zum schmunzeln. „Ich denke, das werdet Ihr dann schon merken.“ „Und ich hoffe, bevor es zu spät ist.“, scherzte ich. Er grinste nur und nickte Richtung Tür. Ich verstand den Wink. Langsam öffnete ich sie, ging hinaus und schloss sie hinter mir, ohne mich noch einmal umzudrehen. Kaum stand ich im Flur, begann mein Herz zu rasen. Ich war erleichtert, ungemein erleichtert. Wahrscheinlich hatte ich die ganze Zeit unterschwellig Angst vor ihm gehabt, wissen tat ich es aber nicht. Während des Heruntergehens sang die Treppe fast lauter, als die Türglocke, aber zumindest war die Küche angenehm warm. Ich setzte mich auf meine Decke, hielt die Hände vor die warme Ofentür und lauschte angespannt. Ich fand die gesamte Nacht kaum Schlaf, aus irgendeinem Grund fühlte ich mich in diesem Haus nicht mehr sicher. Erst einige Stunden später beruhigte sich mein Herz ein wenig, doch da war es bereits viel zu spät zum Schlafen. Die Sonne begann aufzugehen und von Jack gab es nirgends eine Spur. Ich war die ganze Nacht wach geblieben und das scheinbar völlig umsonst. Kaum war die Sonne dabei alles zu erhellen, vernahm ich Philipps schwere Schritte. Seufzend erhob ich mich, um seinen unfreundlichen Tritten auszuweichen, mit denen er mich für gewöhnlich weckte. Er staunte nicht schlecht, als er sah, dass ich bereits wach war. Jedoch, zu meinem Vorteil, dachte er, ich wollte ihm damit meine Zuverlässigkeit beweisen. Mit einem Stück Brot und einem Teller Brei setzte ich mich in die hinterste Ecke, stocherte herum und schlief samt einem Bissen in meinem Mund ein. Ich wurde erst wieder wach, als mich jemand unfreundlich, mehrmals am Arm ruckte. Irgendwann rutschte ich, knallte mit dem Gesicht auf die harte Tischplatte und war wach. Im Schlaf hatte mich Nevar verfolgt und ich konnte nur erahnen, was er vor gehabt hatte. Selbstverständlich wusste ich es nicht zu hundert Prozent, jedoch gab er mir mehrere, gut deutbare Hinweise. Zum Beispiel schrie er immer wieder: „Ich bringe dich um! Ich bringe dich um, Sullivan O’Neil!“, wobei er mit einem blutigen Messer wedelte. Umso erschrockener war ich, als der Wirtssohn mich mit seinen hellblauen Augen anstarrte und mit Nachdruck sagte: „Sir! Sir, so wacht doch endlich auf! Es ist dringend!“ „Was ist denn los?“, fragte ich heiser und rieb mir die schmerzende Stirn. Nur langsam registrierte ich, wo ich mich befand. „Es geht um diese Mary-Ann!“, Jack saß vor mir, in der Kleidung der Rotröcke und starrte mich eindringlich an. Neben ihm lag sein beißend roter Hut. Ich sah ihm verständnislos entgegen und setzte mich langsam auf. Das Brot in meinem Mund war völlig vertrocknet und meine Mundinnenseiten waren filzig und spröde. Bevor ich antwortete nahm ich einen tiefen Schluck des Bieres neben mir. Es schmeckte schal und war wärmer, als ohnehin schon. Angewidert würgte ich es hinunter und hustete. Der Junge packte mich an den Schultern. „Sir, sie lebt! Aber nicht mehr lange…! Ich habe wie Ihr wolltet herum gefragt. Die Wachen am Tor haben für mich jene aus dem Gefängnis gefragt und die wiederum sagten, die Pest würde umgehen. Sie wollen sämtliche Tolle verbrennen, um ihre Seelen zu erretten!“ Nun war ich wach. Geschockt fuhr ich zusammen und erstarrte. „Ist das dein Ernst?! Das macht doch keinen Sinn!“ „Ja, O’Hagan soll die Papiere noch heute Abend unterzeichnen!“ Ich sprang auf und registrierte nur weit im Hinterkopf, dass es bereits mittags war. Ich hatte den gesamten Vormittag verschlafen und nicht einmal Philipp hatte sich die Mühe gemacht, mich zu wecken. Hals über Kopf wollte ich zur Tür hinausstürmen und ohne einen weiteren Gedanken zum Tollhaus rennen. Ich musste Mary-Ann retten, so schnell wie möglich! Jack hielt mich fest. Er riss mich zurück und zischte: „Wartet! Sie werden Euch töten, wir müssen uns etwas ausdenken!“ „Dafür ist keine Zeit!“, zischte ich zurück und riss mich los. Verständnislos starrte der Junge mich an, aber wie sollte er auch verstehen? Er konnte nicht wissen, dass der Zuchtmeister nur auf eine Gelegenheit gewartet hatte, Mary-Ann zu verbrennen. Ihre Verhandlung hätte lange gedauert, viel zu lange und sicherlich hätte es hohe Kosten gegeben. Sie aufgrund von Pestverdacht mitzutöten war das idealste, was ihm passieren konnte! Doch ehe ich ein weiteres Wort an Jack zu richten schaffte, hörten wir Schritte. Nicht die eines einzigen Mannes und auch nicht die von Zweien oder Dreien. Gut zehn Leute kamen durch die Straßen und der Junge zischte: „Die Rotröcke!“ Panik überfiel mich und nun war ich ganz und gar nicht mehr denkfähig. Ich starrte zur Tür, dann zur Treppe und ohne zu zögern rannte ich hinauf. Philipp kam gerade in den Schankraum, um mich zu warnen. Jack wollte mich zurückhalten und rief: „Nein, dort werden sie Euch finden!“, zu spät. Die Tür zum schwarzen Kater wurde aufgerissen und die Katze darüber ertönte laut und schmerzhaft. Etwa zehn Rotröcke traten ein. Ich hechtete die Treppe hoch, wie ein Besessener und warf fast die Vase um, die in der Windung stand. Die Katze quietschte, als würden die Männer sie zerreißen, Stühle polterten, Tische schabten über den Boden und Männerstimmen lachten laut über den Lärm. „Bring uns dein bestes Bier!“, grölte einer von ihnen. „Jack, mein Junge, sei so gut und bring uns Eure Suppe!“, ein anderer. Und ein Dritter rief mit donnernder Stimme: „Los, fünf Mann nach oben. Wenn wir den Bastard erst einmal haben, dann können wir feiern, bis wir am Boden liegen!“ Noch ehe ich oben ankam, packte mich eine Gestalt und mit einem harten und festen Ruck knallte ich mit dem Rücken gegen die Wand. Nevar hatte mich am Kragen gepackt und sah mich ernst an. Er hielt seinen Finger vor seinen Mund, um mir zu deuten, still zu sein. Er trug wieder seinen pechschwarzen Umhang und ich erkannte sein Gesicht kaum. Schritte näherten sich und begannen hinauf zu gehen. Sofort starrten wir hinunter. Wir hörten, wie Jack sie bat unten zu bleiben, da seine Mutter schlief. „Halt den Rand!“, schrie man ihn dafür an und dann krachte er wohl gegen einen der Tische, denn wir hörten ihn aufschreien. Nevar zögerte nicht lange. Er riss mich mit sich und schlich eilig durch den Flur. So leise er war, so laut war ich. Eine weitere Tür ging auf, die mittige auf der linken Seite. Eine verwirrte, stark geschminkte Frau sah uns an – Jacks Mutter. Wie ihr Junge hatte sie helle, blaue Augen. Dazu trug sie eine rote Perücke, passend zu ihren roten Lippen auf blasser, gepuderter Haut. Ihr Dekolleté war bis zum Äußersten geschnürt und ihr rotes Mieder drohte zu platzen, wenn sie sich bewegte. Keiner von uns achtete aber wirklich auf sie. Nevar riss die Tür seines Zimmers auf, stieß mich hinein, folgte und schloss sie wieder. Dann blieb er mit dem Rücken zum Holz stehen und lehnte das Ohr daran. Keuchend sah ich ihn an und zischte: „Wieso helft Ihr mir?!“ „Wieso nicht?“, er schloss ab, ohne sich umzudrehen und hockte sich vor den Teppich. Verwirrt sah ich zu, wie er die Ecke umschlug und durch ein winziges Loch im Boden sah. Ich verstand, wie er mich hatte beobachten und alles mitbekommen können. Dann blickte er auf und flüsterte: „Da unten ist die Hölle los, wir müssen einen anderen Weg nehmen.“ Tatsächlich hörte man lautes Poltern und Lachen. Die Soldaten randalierten in der Schenke wie es ihnen passte und verlangten nach Bier und Fleisch. Ich wollte mir nicht ausmalen, was für ein Chaos dort herrschte. Ruhig hob er eine andere Ecke an, sah auch dort durch und flüsterte mehr zu sich selbst: „In der Küche ist auch einer. Wenigstens hat Philipp Euer Lager versteckt.“ „Ich sagte, ich will nicht mit Euch zusammen arbeiten!“ Leise zischte er mir zu: „Ich will Euch nicht verlieren, dafür seid Ihr mir noch zu wichtig. Also werdet Ihr mitkommen, ob Ihr wollt oder nicht!“ Jemand rüttelte an unserer Tür und ich fuhr zusammen. Nevar hingegen ignorierte es, stand auf und packte kleinere, wichtigere Sachen in einen schwarzen Sack. Ich starrte ihn ungläubig an, so viel Ruhe war mir unerklärlich. Man konnte hören, wie die Rotröcke die Zimmer absuchten und die Gäste aufscheuchten. Jacks Mutter schrie erschrocken auf, als man sie Beiseite stieß und damit begann ihr Hab und Gut zu verwüsten. Dann rüttelte es erneut an unserer Klinke. Sie versuchten hinein zu kommen, schafften es aber nicht auf Anhieb. Anschließend krachte es, da sie sich gegen das Holz warfen. Panik stieg in mir hoch. „So beeilt Euch doch!“, drängte ich Nevar. „Sie sind jeden Moment hier!“, aber er ließ sich nicht hetzen, sondern befahl mir ruhig: „Schiebt das Bett vor die Tür. Ich habe zu tun, wie Ihr seht.“ Ich gehorchte zögernd und mit großer Mühe. Hatte ich eine andere Wahl? Das Gestell wollte erst nicht über den Teppich, dann nicht bis vor die Tür. Nachdem er alles gepackt hatte, machte er sich am Fenster zu schaffen. Nevar riss den Vorhang hinunter und öffnete die Fensterläden leise. Es wurde etwas heller im Zimmer und ich erkannte das Haus gegenüber. Die Gasse auf dieser Seite des Gebäudes war eng, gerade mal einen Meter breit. „Kommt oder sterbt.“, sagte Nevar ruhig, warf mir den grauen Umhang zu und kletterte über das Sims hinaus. Jemand schrie im Flur, dass die Tür nicht aufginge und dass sie Hilfe bräuchten. Panisch sah ich zu ihr, dann zu Nevar, aber er war verschwunden. Ich ging nur zögernd zu dem Fenster hinüber und sah hinunter. Das Haus war wirklich nicht hoch, aber bei dem Gedanke daran, dass man nun scheinbar hinaus klettern sollte, erschien es mir um einiges höher. Meine Knie wurden weich und zitterten leicht. Ich spürte, wie kalter Schweiß sich an meinen Schläfen sammelte. Alles, was ich sah, war feuchter Boden und verriegelte Fenster. Das Haus gegenüber stand scheinbar leer. Nirgendwo war ein Rotrock zu sehen und auch keine Passanten. Dann sah ich nach rechts. Nevar stand auf dem Geschossgesims des ersten Stockes und winkte mir, ihm zu folgen. Noch ehe ich verstehen konnte, kletterte er weiter die Wand entlang. Ich schluckte schwer, schloss den Umhang und kletterte gehorsam hinaus. Das alte Gestein bröckelte unter meinen Füßen und ich spürte kleinere Steine in meine Fußsohlen stechen. Hätte ich Philipps Schuhe doch bloß zum Schlafen angelassen! Stattdessen hatte ich nun wunde Stellen von ihnen, so wie Blasen an Zehen und Hacken. Diese platzten auf, durch die von der Wetterung zerfressenen Bauteile. Unbeholfen klammerte ich mich an die Pilaster, die zwischen Dach und Sims angebracht waren. Auch diese bröckelten und ich musste mehrmals zupacken, ehe ich wirklich Halt fand. Ich wagte es nicht nach oben zu sehen. Der Wind blies mir um die Ohren und mit jedem Schritt wurde mir schwindeliger. Als ich mich traute, den Blick nach links zu wenden, erkannte ich Nevars flatternden Umhang. Er hatte ein Seil erreicht, das nach oben zum Dach ragte. In kleineren Abständen war es verknotet, so dass man es als provisorische Leiter nehmen könnte – und zu meinem Schrecken tat er das auch. Nevar begann daran hinauf zu klettern. Als auch ich das Seil erreichte, starrte ich ungläubig nach oben. Meine Haare versperrten mir die Sicht und meine Hände drohten loszulassen. Nevar hockte auf der Rinne des Daches und hielt mir die Hand entgegen. Dadurch, dass das Gebäude ein Walmdach hatte und er unter einer der Traufseiten hockte, wirkte die Höhe umso imposanter für mich. Ich musste den Kopf senken und schloss die Augen. Verzweifelt klammerte ich mich an die Wand und sandte ein Stoßgebet gen Himmel. Mein Körper war völlig bewegungsunfähig. „Sullivan!“, zischte er mir zu. „Nun kommt schon!“ „Ich kann nicht!“, flüsterte ich heiser und kniff die Augen zusammen. „Ich kann da nicht hoch!“ Nevar hörte mich nicht, aber er konnte sich denken, was ich sagte. Dann krachte etwas laut. Die Rotröcke hatten die Tür endlich durchbrochen und ein rotes, braunhaariges Gesicht sah zum Fenster hinaus. „Da ist er!“, brüllte der Mann. Ich zuckte so sehr zusammen, dass ich fast abrutschte und instinktiv das Seil umklammerte. Hilflos starrte ich den Rotrock an, dann hinauf. Nevar war verschwunden. „Rühr dich nicht vom Fleck!“, brüllte mir mein Jäger entgegen, dann nahm er unbeholfen meine Verfolgung auf. Wie gelähmt starrte ich ihm entgegen. Der Rotrock folgte meinem Beispiel und kam immer näher, doch er war wesentlich dicker als ich. Immer wieder verlor er fast das Gleichgewicht und wenige Meter vor mir gab er fluchend auf und wollte zurück. Sein Bauch ließ es nicht zu, dass er sich umdrehte. Hätte er sich falsch bewegt, wäre er in die Tiefen gestürzt. Da ich das Seil unmöglich hinauf klettern konnte, ohne hinunter zu stürzen, kroch ich weiter nach links, bis ich das Wandende fast erreichte. Unter mir befand sich weit unten eine tiefe, schmale Mauer. Daneben bog das Haus ab zum Hinterhof, in dem der Heuwagen stand. Würde ich den erreichen, dachte ich, könnte ich hinein springen und vielleicht fliehen. Ein weiterer Rotrock schaute hinaus und erkannte mit Schrecken, was sein Kollege dort trieb. Doch statt auf deren Hilfeschreie zu hören, verschwand sein Kopf wieder. Ohne Frage würde er nun die anderen von meiner Flucht in Kenntnis setzen und nicht mehr lange, dann würden auf dem Boden sämtliche Soldaten versammelt sein. Hilflos klammere ich mich an das Seil und sah erneut nach oben. Die Sonne wurde immer schwächer, der Himmel immer dunkler. Mir kam es vor, als wär dies ein Zeichen für mein Ende. Schritte waren zu hören und wurden immer lauter, anschließend rief jemand direkt unter mir: „Da oben ist der Mistkerl!“ Ich schloss die Augen wieder und blendete alles aus. Jetzt ist es vorbei, jetzt ist es zu Ende. Ich würde fallen und sterben und wenn nicht, dann im Laufe der nächsten Tage. Mary-Ann mit mir. Etwas flog unmittelbar neben mir gegen die Wand und Putz rieselte in kleinen Staubwolken hinunter. Die Rotröcke lachten und suchten neue Steine, um mich hinunter zu holen. Zwei andere machten sich auf den Weg, Bogenschützen zu organisieren. „Komm runter!“, brüllte einer zu mir hinauf. „Wir haben was für dich!“ Etwas hartes traf mich in den Rücken und ich rutschte ab vor Schmerz. Meine Füße verloren den Halt, der Stein unter mir gab nach und meine Hände packten instinktiv nach dem Seil. Verzweifelt versuchte ich mit den Füßen Halt zu finden, aber immer wieder rutschte ich ab und immer neue Steine krachten laut zischend neben mir in die Mauer. Mein ganzes Körpergewicht war gegen mich. Es zog mich in die Tiefe und ich musste alle Kraft aufbringen, um mich wieder hoch zu ziehen. Doch kaum stand ich aufrecht, sackte ich erneut nach unten. Es half alles nichts, ich musste hinauf. Irgendwie musste ich es schaffen! Dann gab das Sims nach. Erst bröckelte es nur, gefolgt von einer großen Staubwolke und ehe ich mich versah, hing ich schreiend in der Luft. Das Seil schnitt mir ins Fleisch, aber ich konnte nicht los lassen. Die Rotröcke brüllten erschrocken auf, als das Gestein sich über ihnen ergoss. Sie verfluchten mich lautstark und der Steinregen wurde härter. Der Fette Soldat neben mir brüllte immer lauter: „Holt ihn endlich herunter, ihr Idioten! Der haut ab!“, auch er versuchte wieder an mich heran zu kommen. Seine dicken Finger suchten nach mir und wollten meinen Umhang zu fassen bekommen. Ich hatte dafür keinen Gedanken frei, meine Aufmerksamkeit galt nur dem Knoten vor mir. Ich umklammerte ihn und schwankte hilflos hin und her. In meinem Kopf herrschte Chaos. Panikattacken und –visionen von ausgekugelten Schultern und abgerissenen Oberarmen machten mir Angst und ich fürchtete, mein Körper würde mich zerreißen. Wie ein Käfer auf dem Rücken strampelte ich, aber das Seil war nicht lang genug, als dass ich es mit den Füßen berührt hätte. Dann fasste ich Fuß. Mit der wunden Sohle berührte ich die Wand, stützte mich hoch und griff das Seil etwas weiter oben. Ein Stein, ein Schrei und ich rutschte ab. Erneut schrie ich, als ich mit dem Fuß gegen die bröckelige Stelle knallte und mir den Nagel des großen Zehs einriss. Er war übergeklappt und der Schmerz schoss mir wie Blut in den Kopf. Verzweifelt versuchte ich es erneut. Dann erkannte ich im Augenwinkel sich nähernde Bogenschützen. Sie sahen sich verwirrt um und ließen sich hektisch zeigen, wie ich die Flucht versuchte. Immer mehr Steine trafen mich und die Bogenschützen bezogen Stellung. Sie waren nervös und unbeholfen, scheinbar waren nur junge Soldaten in der Nähe gewesen und dies war ihr erster Einsatz. Mir genügte allein die Aussicht auf einen Pfeil im Rücken um mir noch mehr Panik zu machen – ganz gleich wie erfahren die Schützen waren. Ich zog mich immer weiter hoch, Stück für Stück, rutschte ab und schnitt mir tiefer in die Handflächen. Ich hatte das Gefühl sie würden bald vollends durchgeschnitten sein und meine Finger fielen dann in die Tiefen. Alle vier auf einmal, wie ein makaberer Kamm. Nach den etwa zwei Metern bekam ich die Rinne zu fassen, klammerte mich fest und merkte, dass ich nicht kräftig genug war, mich hoch zu ziehen. Ich hatte weder die Muskeln, noch die Übung von Nevar. Hilflos gab ich mir alle Mühe, nicht los zu lassen. Zu meinem Nachteil hatte es in der Nacht geregnet. Das Moos der Rinne war feucht und löste sich unter meinen Griffen. Ich rutschte und musste erneut zupacken, was mich immer mehr Kraft kostete. Ein besonders harter und spitzer Stein schoss mir ins Kreuz. Ich wimmerte leise vor Schmerz, schloss die Augen und gab auf. Ich schaffte es nicht hinauf zu kommen. Nevar war viel schneller, stärker und besser als ich, in so vielen Dingen. Niemals könnte ich seinen Stand erreichen. Und ohne diesen Stand war ein Sieg gegenüber den Rotröcken unmöglich. Ich hätte Ja sagen sollen. Ich hätte ihm folgen und begleiten sollen, ohne Fragen zu stellen. Wie viel hätte ich gelernt…! Wie viel hätte ich eines Tages gekonnt…! Nun war es zu spät. Ich hatte ihm gesagt, ich wollte seine Hilfe nicht und er hatte es akzeptiert. Das Seil war das Mindeste gewesen, allein schon seine Flucht ins Zimmer. Mehr konnte ich nicht von Jemandem erwarten, mit dem ich keine Zusammenarbeit wollte. Ein Pfeil schoss durch die Luft, dann rammte sich dessen Spitze nur wenige Millimeter neben meinem Ohr ins Holz. „Nicht auf den Kopf, du Idiot!“, wurde der Schütze angefahren. „Wir brauchen ihn lebend!“ „Ich gebe auf…“, flüsterte ich leise. Meine linke Hand ließ nach, ich hatte keine Kraft mehr. Egal wie oft ich die Rinne neu packte, sie erschien mir nur umso rutschiger und schwerer zu greifen. „Ich gebe auf!“ Dann ließ ich los. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)