Nur ein Stückchen Papier... von DJ-chan ================================================================================ Kapitel 2: Warten ----------------- Warten Tap.Tap.Tap. Unruhig klopfte ich mit dem Zeigefinger auf dem kühlen, lackierten Holz meines Tisches herum. Normalerweise war ich nie so nervös. Eigentlich konnte ich von mir doch behaupten, ich sei die Ruhe selbst. Doch nun hatte sich ein fremdes Gefühl in meinen Bauch geschlichen und es war fast unerträglich hier einfach sitzen zu bleiben. Würde ich eine Antwort erhalten? Es nervte mich, dass ich an keinem Fenster saß, nur zu gern hätte ich die alte Steinmauer beobachtet. Kreide knirschte über die Tafel. Für einen Moment durchzuckte mich so etwas wie Schuldbewusstsein, denn ich hatte mich schon seit geraumer Zeit nicht mehr auf den Unterricht konzentriert. Das wurde mir erst jetzt richtig bewusst. Mein Blick verfinsterte sich. Und das nur wegen dieses Fetzens! Hastig ergänzte ich meinen Hefteintrag, und das, was fehlte, war nicht wenig. Zum Glück war das Ganze nicht besonders schwierig. Ein paar einfache Gleichungen, für mich jedenfalls, denn alles was logisch war, war für mich ein Kinderspiel. Aber dass meine Gedanken ständig zu den letzten Ereignissen wanderten, wollte mir auf keinen Fall auch nur im geringsten Ansatz logisch erscheinen… „Kanda!“ Es war wie verhext… „Kanda! Schläfst du?!“ Die etwas schärfer gewordene Stimme des Lehrers ließ mich hochschrecken. Verduzt blickte ich in die Klasse. Die blickte genauso perplex zurück. Kein Wunder, grummelte ich in Gedanken, dass ich NICHT aufpasste ist ja noch nie vorgekommen… Da der Lehrer nun langsam etwas genervt immer noch ein Stück Kreide nach vorn hielt, nahm ich an, ich sollte die nächste Aufgabe vorrechnen. Also trottete ich nach vorne und zauberte die Zahlen auf die Tafel. Die anderen warfen mir immer noch ein paar verstohlene Blicke zu, ich konnte sie selbst in meinem Rücken spüren. So. Fein säuberlich unterstrich ich das Ergebnis doppelt. Das war zu leicht gewesen, das hätte ich sogar mit abgeschweiften Gedanken geschafft. Als ich mich umdrehte hob Rabi den Arm. Unaufgefordert meinte er nur: „Yu, das verstehe ich nicht. Wie hast du das gerechnet?“ Na typisch. Als ich gerade genervt zu einer Erklärung ansetzte, klingelte es zur Pause. Ich werde gleich mal nachsehen ob mein Zettel noch da ist, schoss es mir unbewusst in den Kopf und meine Laune besserte sich schlagartig, nur um noch tiefer abzustürzen. „Kanda, erklär das bitte noch“, forderte mich der Lehrer auf und pfiff die bereits aufgesprungenen Schüler zurück. Nicht wirklich, oder?! Ein leises, aber unüberhörbares Stöhnen ging durch die Klasse, welchem ich mich nur zu gern angeschlossen hätte, wenn es nicht so kindisch gewesen wäre. Missmutig ergab ich mich meinem Schicksal. „Du musst beide Seiten hoch zwei rechnen“ „Warum?“ Der Kerl machte mich noch wahnsinnig! „Weil du sonst die Wurzel nicht wegbekommst!“ „Dann wird also aus Wurzel aus 6 + x² gleich x² + 2 wenn man beide Seiten hoch zwei nimmt 6 + x² = x4 + 4?“ „Nein!“, ich warf einen verzweifelten Blick auf die Uhr. „Du musst die rechte Seite zusammen ins Quadrat nehmen, das steht doch da!“ „Hä?“ In mir brodelte es. War der do dumm, oder tat er nur so?! „Na (x² + 2)²!“ „Und wo ist da der Unterschied?“ Wenn es so weiterging, konnten wir die Pause vergessen. Und ich würde noch mal drei Schulstunden warten müssen! „Mit der Klammer ergibt das Ganze ausmultipliziert x4 + 2*2x² +4 und somit x4 + 4x² + 4!!! Und DAS ist ein Unterschied!“ „Ah!“ Endlich ging dem Kerl anscheinend ein Licht auf. Und die Pause war in wenigen Minuten vorbei! „Du hast es also verstanden!“, presste ich nur noch hervor und stürzte aus dem Klassenzimmer. „Yu?“ SO ETWAS hatte bei mir auch noch niemand gesehen. Ich hatte es nie eilig. Warum auch, hetzen hatte noch nie etwas gebracht…so hatte ich jedenfalls bis heute Morgen gedacht… Aber nun stürmte ich die Treppe hinunter, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter mir her. Ich wollte endlich wissen, ob mir der Unbekannte geantwortet hatte. Wo ich doch schon eisern eine Pause im Klassenzimmer ausgeharrt hatte, damit derjenige auch die Möglichkeit hatte etwas zu schreiben. Keuchend erreichte ich die alte Steinmauer nachdem ich über die riesige Pausenwiese gehetzt war. Etwas steckte zwischen den Steinen, kein Zweifel. Aber war es noch mein eigener Zettel? Mit pochendem Herz fingerte ich nach dem Stück Papier. Als ich es in den Händen hielt, wurde mir sofort klar, dass es nicht mehr mein eigener war. Unsauber hatte man erneut ein Stück aus einem Block herausgerissen. Schnell entfaltete ich das Ding. „Nochmals hi, wer immer du bist! ^^ Was ich will? Nun – etwas mit dir schreiben, jetzt wo wir uns doch schon „begegnet“ sind! Natürlich müsste ich dazu etwas über dich wissen! Frage 1: Was magst du?“ Unbewusst drehte ich den Zettel um, um mich zu vergewissern, das nicht mehr darauf stand. Ich hatte wirklich eine Antwort bekommen! Obwohl es mir nicht wirklich passte, freute ich mich darüber. Genau genommen war ich ein bisschen aufgeregt. „Ganz schön neugierig, der Bursche“, sprach ich laut zu mir selbst, als ich einen Stift mit Zettel zückte und wie immer mit der schönsten Schrift schrieb: „Was ich mag? Wind. Schatten. Und Ruhe. Ruhe ist wunderbar“ Langsam schien ich Gefallen an dem hier zu bekommen. Ich warf noch einmal einen Blick zu meinem Lieblingsplatz zurück und wusste, dass meine Antwort sicher bald wieder aus ihrem Versteck gezogen wurde. Dass es schon längst geklingelt hatte, vergaß ich in diesem Moment total. … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)