Aus den Augen, in den Sinn von Ur (Lavi x Yuu | Du weißt erst, was du hast, wenn es nicht mehr da ist) ================================================================================ Kapitel 4: Frost ---------------- So, eigentlich wollte ich schon vor einer Ewigkeit im Bett sein, aber ich konnte nicht schlafen und mir war langweilig, also hab ich mich ans vierte Kapitel gesetzt. Ich hoffe, es gefällt euch. Es ist schon das vorletzte. Danke für 25 Favoritennehmer und 22 Kommentare bisher. Liebe Grüße und eine gute Nacht wünscht _____________ Wie konnte ein einziger Mensch sein Leben so durcheinander bringen? Erst war er anderthalb Jahre wütend auf sich selbst und die Welt und auf Lavi, dann tauchte Lavi auf und stürzte ihn in ein wahren Gefühlschaos und nun hatten sie sich geküsst… und er fühlte sich taub und leblos, weil er nicht verstand, was Lavi damit hatte bezwecken wollen. Wollte er ihn nun bestrafen, weil Kanda damals einfach gegangen war? Aber Lavi konnte unmöglich wissen, dass Kanda in ihn verliebt war. Nun ja… jetzt wusste er es vielleicht. Denn die Verzweiflung und die Sehnsucht, mit der Kanda den Kuss erwidert hatte, musste Lavi aufgefallen sein. Er fuhr sich übers Gesicht und lehnte sich in seinem Sofa zurück. Diese ständigen Gefühlsschwankungen waren so anstrengend, es wäre ihm am liebsten, wenn er einfach gar nichts mehr fühlen müsste, das wäre am einfachsten. Und dann könnte er sich auch wieder auf sein Studium konzentrieren. Denn es stellte sich heraus, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit war. Ständig lief er Lavi über den Weg. Der Rotschopf schien ihn sogar zu verfolgen und das machte es Kanda nicht einfacher, den Kuss irgendwie in seinen Hinterkopf abzuschieben. Fast jede Nacht träumte er von Lavis Küssen, dann wachte er morgens auf und fühlte ein Prickeln auf den Lippen, als hätte Lavi ihn gerade noch wirklich geküsst. Vermutlich war er bereits am Durchdrehen und reif für die Klapsmühle. Aber er würde sich von Lavi fernhalten. Immerhin war der Armleuchter immer noch mit seiner strahlenden, brünetten, hübschen, weiblichen Freundin zusammen und auch wenn Lavi ihn geküsst hatte… was sollte das schon groß heißen? Draußen hatte mittlerweile eine Art Schneeregen eingesetzt und drückte seine Stimmung zusätzlich. Jedes Mal, wenn Lavi auf dem Gang auf ihn zukam und ihn mit den Worten »Yuu, ich muss mit dir reden!« zur Seite nehmen wollte, wandte er sich ab und hastete davon, flüchtete in einen Hörsaal oder in die Bibliothek, oder er verschwand kurzfristig auf dem Klo. Ein paar Mal sah er Lavis Freundin und er wusste sehr wohl, dass sie die bösen Blicke irritierten, die er ihr zuwarf, aber diese dumme Kuh hatte zu wissen, wieso er sauer auf sie war. Sie hatte Lavi. Sie hatte ihm Lavi praktisch weggenommen – eine absolute Übertreibung und Verschleierung der Wirklichkeit, wie er sehr genau wusste – und somit hatte sie ein paar wütende Blicke sehr wohl verdient. Es war das einzige Ventil, das ihm blieb, um ein wenig Dampf abzulassen und so nutzte er es, wann immer er konnte. Lavi zu ignorieren und ihm die kalte Schulter zu zeigen, war zwar schwierig, aber besser für sein Seelenheil, wie er beschlossen hatte. Kein Lavi mehr. Keine Küsse. Nichts dergleichen. Er hasste all diese Gefühlsduseleien ohnehin. Also wieso sollte er sich weiter damit herum schlagen? »Manchmal frage ich mich, wie es in dir drin so aussieht, Yuu.« »Soll heißen?« »Na ja, du weißt schon. Gefühlsmäßig und so. Vielleicht bist du innen drin ja gar nicht so frostig, wie du nach außen hin immer tust.« »Hast du niemanden, den diese hirnlosen Gedanken interessieren? Was in mir drin ist geht dich einen Scheißdreck an, Baka- Usagi!« Lavi hatte schon Recht gehabt. Das war es immer gewesen, was Kanda an dem Rotschopf so merkwürdig fand. Obwohl er ihn immer und immer wieder abwies und beleidigte, er wich einfach nicht von seiner Seite. Und das schien nun wieder genauso zu sein. Egal wie frostig er sich Lavi gegenüber benahm, der Vollidiot ließ nicht locker und bat ihn bei jeder Gelegenheit um ein Gespräch. Nicht zu fassen. Vielleicht sollte er sich in seiner Wohnung einschließen und dort bleiben. »Wieso rennst du mir nach?« »Wieso rennst du vor mir weg?« Murrend schleuderte er eins seiner Sofakissen in die nächstbeste Ecke. Zum Teufel mit Lavi und seiner dümmlich lachenden Freundin, die wunderbar zu ihm passte. Sollte sie doch heiraten und sechs Kinder kriegen und sich in eine ekelhafte Bilderbuchfamilie verwandeln. Er wollte, dass es ihm egal war und er würde definitiv daran arbeiten. Am nächsten Tag war der Himmel immer noch widerwärtig grau und trist. Es war ziemlich kalt draußen und der Wind blies Kanda beißend ins Gesicht, als er sich zu Fuß auf den Weg zur Uni machte. Es war Mittwoch – er konnte gar nicht oft genug betonen, wie sehr er diesen Tag hasste – und das hieß, er hatte nur eine Vorlesung. Es war sehr merkwürdig. Normalerweise konnte er es nicht leiden, so wenige Vorlesungen zu haben, aber nun, da Lavi ihm nachstellte und unbedingt mit ihm reden wollte, war es ihm eher recht, dass er so wenig Zeit in der Uni verbringen musste. Denn dann konnte Lavi ihm weniger nachrennen. Er stapfte mit finsterer Miene durch die Gänge, erwiderte keinen der Grüße seiner Kommilitonen wollte eine Treppe hinauf steigen, als ihm auf halber Höhe zwei Menschen Händchen haltend begegneten, die er nicht hatte sehen wollen. Schon gar nicht Händchen halten. Einen Moment starrte er eisig auf die verhakten Finger von Lavi und seiner dümmlich drein schauenden Freundin, dann hob er den Blick und durchbohrte den Vollpfosten mit seinem Blick, ehe er kehrt machte und die Treppe hinunter eilte. »Wer war das denn?«, hörte er Lavis Freundin noch fragen. Ja, wer genau war er eigentlich? War er Mr. Knutsch-mich-wenn-deine-Freundin-grad-nicht-zur-Verfügung-steht? Er hätte gern eine Antwort auf diese Frage, aber das würde bedeuten, dass er mit Lavi reden musste. Und das wiederum wollte er nicht. »Wieso rennst du vor mir weg?« »Wer war das denn?« »Ich bin seit über zwei Jahren verliebt in dich, Yuu.« Es schien ein wenig so, als hätte der Frost, den er Lavi gegenüber auszustrahlen versuchte auch sein Gehirn erreicht, denn sein Kopf tat ihm ziemlich weh, als er an diesem Tag vor seiner Haustür ankam. Gelangweilt öffnete er den Briefkasten und zog drei Umschläge daraus hervor. Eine Rechnung, ein Werbebrief seines Telefonanbieters und… ein Brief ohne Absender, auf dem lediglich in krakeliger Schrift, die ihm sehr bekannt vorkam, »Yuu« stand. Sein Herz klopfte heftig und er starrte den weißen Umschlag an, dann hastete er die Treppe hinauf, schloss rasch die Tür hinter sich und nahm sich noch nicht einmal Zeit, seine Schuhe auszuziehen, sondern ging mit dem Brief ins Wohnzimmer, warf sich auf die Couch und riss den Umschlag nicht gerade umsichtig auf. »Ich hoffe, dass du den Brief nicht wegwirfst, ohne ihn zu lesen und ich hoffe, dass du ihn bis ganz zum Ende liest, Yuu. Vor über einem Jahr hab ich dich das letzte Mal gesehen, um genau zu sein das letzte Mal am Abend von unserem Abschlussball, im Regen. Ich weiß das alles noch ganz genau und ich muss immer noch ständig daran denken. Ich dachte, jetzt oder nie, weil ich es dir nie vorher gesagt habe. Ich dachte, dass du vielleicht auch ein bisschen etwas für mich empfindest. Als du einfach gegangen bist, war ich sicher, dass ich mich geirrt hatte. Und was hab ich dich vermisst. Ich hab es kaum ohne dich ausgehalten, ich hab mir vorgenommen jedes Studium und jeden Job über Bord zu schmeißen, falls ich raus finden sollte, wo du hin gegangen bist. Aber ich hab es nicht raus gefunden und ich hab ein Jahr lang gejobbt, um mir überhaupt ein Studium leisten zu können. Jetzt bin ich hier gelandet, ohne gewusst zu haben, dass du auch hier bist und als ich dich wieder gesehen hab, da hat mich fast der Schlag getroffen. Ich hab über ein Jahr lang versucht, dich zu vergessen, aber ich hab es nie wirklich geschafft. Ich dachte, wenn ich mich ablenke, mit wem auch immer, dann würde es besser werden. Und jetzt bin ich hier, auf der gleichen Uni wie du auch und ich wollte dir nicht wehtun. Dieser Kuss, der hat mir klar gemacht, dass immer noch alles da ist. All die Gefühle für dich. Alles ist wieder hochgekommen und ich weiß nicht, wohin damit. Ich hab Angst, dass du wieder wegläufst, aber ich will dich gleichzeitig auch nicht gehen lassen. Ich dachte, vielleicht hast du mich auch vermisst. Immerhin hast du mich zurück geküsst. Yuu, wenn du immer noch liest… bitte, ich will mit dir reden. Ich dreh durch, wenn wir das nicht klären können. Lavi« Mit bis zum Bersten hämmernden Herzen starrte er auf das krakelig beschriftete Stück Papier in seinen Fingern, das leicht zitterte, da er es nicht schaffte, seine Finger ruhig zu halten. All die Gefühle waren noch da? Er schluckte. Mit einem leisen Rascheln flatterte der Brief zu Boden, als er sich nach hinten lehnte, den Kopf unter den Armen verbarg und mit rasenden Gedanken, die sich nicht ordnen ließen. Was um alles in der Welt sollte er jetzt machen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)