Es hätte alles so einfach sein können... von AkiProductions (Glaube an dich selbst!) ================================================================================ Kapitel 4: Der Schmerz der Erkenntnis ------------------------------------- Als ich die Augen aufschlug, war das Erste, was ich spürte eine angenehme, wohlige Wärme, was mich doch sehr wunderte, hatte ich mich doch davor in einem eher kalten, ungemütlichen Klassenraum befunden. Es war dunkel, doch nach einer gewissen Zeit hatten sich meine Augen daran gewöhnt und langsam setzte ich mich auf, um mich umzusehen. Ich saß auf einem breiten, gemütlichen Bett, umhüllt von einer dicken, weichen Decke. Es war vollkommen still. Durch die Vorhänge am Fenster schräg gegenüber drang schwach das Tageslicht in den eher spärlich möblierten Raum, in dem ich ganz alleine war. Die Türe, die an der Wandseite meines Bettes war, hatte jemand einen Spalt weit offen gelassen. Völlig verdattert fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare. Wo zum Teufel war ich? Ich versuchte krampfhaft, mich an das zu erinnern, was vor wahrscheinlich noch nicht allzu langer Zeit passiert war. Ich war zur Schule gegangen und hatte einen Test verhauen. Aber das war doch noch lange keine Erklärung dafür, in einem unbekannten Raum aufzuwachen! Plötzlich hörte ich draußen vor der Türe Geräusche. Sie klangen wie Schritte, die immer näher kamen. Mein Herz setzte aus, als ich sah, wer da durch den Türspalt linste. „Du bist ja wach!“, sagte Yusei überrascht, trat ins Zimmer, knipste das Licht an, ging um das Bett herum und hockte sich neben mich. Ich nickte langsam und sah ihn mit großen Augen an. „Alles klar bei dir?“ Seine Augenbrauen zogen sich besorgt zusammen. Genau DAS fragte ich mich gerade auch! „Öhm… ich glaube schon.“, murmelte ich und starrte angestrengt auf meine Hände. „Sag mal… was ist passiert? Wo bin ich?“ Er lächelte sanft. „Du bist in der Schule ohnmächtig geworden. Der Arzt meinte bei deiner Untersuchung, dass du wohl einfach nur überarbeitet wärst und ein paar Tage Ruhe nötig hättest. Und da deine Eltern nicht da sind, hat deine Lehrerin dich zu uns gefahren. Und das hier“, er machte eine Gestik, die klar machte, dass er den Raum meinte, „ist mein Zimmer!“ Ich ließ die Schilderung der Situation kurz auf mich wirken. „Warum sagen eigentlich immer alle, ich wäre überarbeitet?“, fragte ich schließlich fast schon gekränkt und ließ mich zurück in die Kissen sinken. Jetzt war alles wieder da; die Erinnerung an die Kopfschmerzen, daran, dass Frau Tudosa mich zu Yusei geschickt, und an die Dunkelheit, die mich auf einmal umgeben hatte. „Entschuldige, Aki, aber wenn ALLE das sagen, wird es wohl so sein.“ Ich schaute ihn an und zu meiner Verwunderung sah ich ein Grinsen auf seinem Gesicht. „Was ist so komisch?“, stieß ich überrascht aus. „Nichts.“ „Blöde Antwort!“ „Schon möglich…“ „Aber du sagst es mir trotzdem nicht?“ „Genau!“ Auch auf mein Gesicht legte sich ein Lächeln. Ich begann, in der Situation das Positive zu sehen. Ich lag in Yuseis Bett, unter Yuseis Decke, in Yuseis Zimmer und das Beste daran war- Yusei war bei mir. Und niemand sonst war in der Nähe! Warum konnte man in den tollsten Augenblicken des Lebens eigentlich nicht vor Glück schreien? Richtig. Weil der, der an dem Glück maßgeblich beteiligt war, meistens in der Nähe stand und wie in meinem Fall nicht wusste, was er Großartiges bewirkte! Ich quietschte fast, als Yusei sich den Handschuh auszog und seine Hand auf meine Stirn legte. „Mhm… ich glaub, du hast Fieber.“, murmelte er nachdenklich. „Der Arzt hat ein Thermometer hier gelassen, damit wir zwischendurch immer mal wieder messen können. Ich hole es schnell.“ Mit diesen Worten stand er auf und rauschte aus dem Raum. Irgendwie gefiel es mir, wie er „wir“ sagte. Ich wusste nicht wieso, aber es hörte sich so… richtig an. Keine 10 Sekunden später kam er wieder zurück. „Hier“, murmelte er und legte mir das Thermometer in die Hand. Ohne zu zögern nahm ich die Spitze vorsichtig in den Mund und schloss die Augen. Geschlagene 3 Minuten verbrachten wir so in dem Raum nebeneinander. Ich wusste um die Tatsache, dass Yusei neben mir stand und ich spürte, wie er mich beobachtete, doch ich wehrte mich innerlich mit Zähnen und Fäusten dagegen, die Augen wieder zu öffnen. Als das Thermometer piepste, nahm Yusei es mir vorsichtig aus dem Mund. Ich konnte nicht mehr. Meine Lider schnellten nach oben und ich sah in sein Gesicht, dessen Augen besorgt die Skala des Gerätes fixierten. „39,3°C.“ Er ließ seine Hand sinken, zog eine Augenbraue hoch und schaute mich an. „Das ist zu hoch!“ „Ich weiß.“, murmelte ich. „Trotzdem… um ehrlich zu sein, geht es mir schon wieder viel besser.“ „Nein, Aki, das meine ich nicht! Mag ja vielleicht sein, dass es dir besser geht, aber ich habe noch nie von einem Überarbeiteten gehört, dass er einzig und allein deswegen Fieber hat. Du etwa?“ Ich schüttelte den Kopf. „Aber wo liegt das Problem? Dann hab ich mir vielleicht eine Erkältung eingefangen, so dramatisch ist das auch nicht!“ Er seufzte und deutete mir an, dass ich rüberrutschen sollte. Bereitwillig gehorchte ich und machte ihm Platz. Vorsichtig setzte er sich auf die Bettkante. Erwartungsvoll sah ich ihn an. „Hast du schon mal davon gehört, dass es Dinge gibt, die das Immunsystem schwächen können?“ „Klar. Worauf willst du hinaus?“ Er atmete tief ein und aus, bevor er antwortete. „Aki, irgendwas stimmt nicht mit dir. Du bist anders als sonst, lächelst kaum noch, du bist durchgehend nervös wenn wir uns sehen… und ich habe mich gefragt, woran das liegt. Denn auch seelische Belastungen können eine Schwächung des Immunsystem hervorrufen, was dich logischerweise anfälliger für solche Sachen wie eine Erkältung macht.“ Und Crow hatte gesagt, Yusei hätte nichts gemerkt! Mein Herz begann zu rasen und ich hatte keine Ahnung, wie ich reagieren sollte. Doch irgendwas musste ich sagen, schließlich saß Yusei neben mir und wartete. „Ähm… ja… also…“, stammelte ich. „Ich kann mir denken, woran es liegt.“, murmelte er. „Echt?“ Ich traute meinen Ohren nicht. Konnte es wirklich sein, dass er… „Es liegt an deinen Eltern, stimmt´s?“ In seiner Stimme klang eine Mischung zwischen Bedauern und Traurigkeit mit. … Japp! So oder ähnlich hatte ich mir das in meinem tiefsten Innern vorgestellt! Ich spürte, wie mein Gesicht zu der eisernen Maske wurde, die ich in letzter Zeit immer aufsetzte, wenn Yusei in der Nähe war. „Aki?“, fragte Yusei plötzlich. „Lieg ich falsch?“ „Nein, du hast Recht.“ Jedes Wort tonlos, jedes Wort ohne Hoffnung. Seine Hand schloss sich um meine, die auf der Decke lag. Ich spürte sie kaum. In einem Moment himmelhoch jauchzend, im anderen zu Tode betrübt. Und ich hatte gedacht, die Pubertät wäre überstanden! „Nicky hat mir erzählt, dass es bei euch Zuhause oft Streit gibt und du sehr darunter leidest.“ Seine Stimme klang sanft, doch sie erreichte mich kaum. Aha. Nicky. Ich war so dumm! Wie konnte ich nur immer wieder auf sie reinfallen?! „Hat sie das.“ Es war keine Frage- mehr eine Feststellung. „Ja. Weißt du, ich finde sie sehr nett. Sie macht sich wahnsinnig viel Sorgen um dich. Du kannst wirklich froh sein, eine Freundin wie sie zu haben.“ „Ja, kann ich.“, sagte ich mit mechanischer Stimme. Eine Weile sagte niemand etwas. „Aber das bist du nicht.“ Zustimmend nickte ich. „Wieso nicht?“ Das war zuviel! „WENN DU DAS NICHT WEIßT, DANN SAG ICH ES DIR AUCH NICHT!“, fauchte ich ihn an, zog meine Hand aus seiner und drehte mich demonstrativ zur Wand. „Aki, was zum…“ „RAUS!“, schrie ich. „Aki…“ „VERSCHWINDE! HAU AB!“ Ich schnappte mir ein Kissen, das auf dem Bett lag und warf es dem flüchtenden Yusei hinterher, der die Türe schnell hinter sich zuzog. „VERDAMMT NOCH MAL!“, brüllte ich so laut ich konnte, zog mir die Decke über den Kopf, grub meine Fingernägel in meine Arme und biss die Zähne zusammen. Allerdings zerrte ich die Decke sofort wieder weg. Etwas fand ich irritierend: Seit wann wehte Wind in einem geschlossenen Raum? Es krachte, rumpelte und polterte ohrenbetäubend laut, als die wenigen Gegenstände des Zimmers durch die Gegend flogen, völlig unkontrolliert prallte der Schreibtisch gegen die eine Wand, gefolgt von einer kleineren Kommode. Die Türe wurde aufgerissen, zwei panische Gesichter sahen in den Raum, in dem ich mich befand und der Sturm immer noch toste. „AKI!“, schrie Crow, „WAS IST LOS? WAS MACHST DU DA? HÖR AUF DAMIT!“ Was? ICH sollte das hier bewerkstelligen? Meine Kinnlade klappte herunter. Ich wollte irgendwas sagen, wusste aber nicht mehr, wie man seine Stimmbänder richtig benutzte und stammelte stattdessen nur einige unartikulierte Worte. „VERDAMMT!“, rief jetzt auch Yusei, das Gesicht zu einer Grimasse verzerrt, eine Hand schützend über das Gesicht gelegt. „AKI! TU WAS!“ „UND WAS?“ Völlig verzweifelt drehte ich meinen Kopf in alle Richtungen, sah, wie die Wände allmählich Risse bekamen. Ich wollte das alles nicht! Ich würde jemanden verletzen, wenn ich so weiter machte! Und wenn ich Pech hatte, sogar Yusei. „NEIN!“ Der Wind legte sich schlagartig, keiner sagte etwas, die Stille wurde einzig und alleine durch mein Keuchen gestört. Ich starrte auf die Bettdecke vor mir, die Hände hatte ich zu Fäusten geballt, die Augen weit aufgerissen, unregelmäßig atmete ich ein und aus. „Aki…“, Crows besorgte Stimme ließ meinen Kopf hochfahren, die Angst stand ihm noch immer ins Gesicht geschrieben. „Was ist passiert?“ „Ich… ich weiß es nicht…“ Da war sie wieder, diese furchtbare Angst. „Du weißt es nicht…?“ Wie ich sie hasste! „Nein.“ Wie ich sie verabscheute! „Sicher? Können wir dir irgendwie helfen?“ Das Schlimmste, was die Angst mit sich brachte? „Nein. Lasst mich bitte alleine.“ Einsamkeit. Ich hatte das Gefühl, dass Yusei noch etwas sagen wollte, doch Crow packte ihn am Arm, schaute mich noch einmal an und zog ihn schließlich hinter sich aus dem Zimmer, bevor er die Türe zuzog. Mein Gehirn arbeitete überraschend schnell angesichts der Situation. Folgende Dinge waren mir sofort klar. Erstens: Ich hatte es mal wieder geschafft, meine Kräfte unbewusst wüten zu lassen. Zweitens: Mit Hängen und Würgen war es mir gelungen, größeren Schaden zu vermeiden. Und drittens (was meiner Meinung nach die schlimmste Feststellung war): Ich hatte ein Problem! Ein Großes, um genau zu sein! Denn der von mir so gefürchtete Ernstfall war eingetreten. Ich hatte tatsächlich Schwierigkeiten, mich und meine Kräfte zu kontrollieren. Meine Hände zitterten und Angstschweiß bildete sich auf meiner Stirn und in meinem Nacken. Und das lag nur an Yusei! Mit letzter Kraft warf ich die Beine über die Bettkante und stemmte mich hoch. Schlagartig überkam mich ein unangenehmes Hitzegefühl und mir wurde schwindelig. Ich taumelte langsam zum Fenster und öffnete die Gardinen. Die trügerisch friedlich scheinende Sonne warf ihre letzten Strahlen in mein Zimmer. Warum eigentlich trügerisch? Die Welt wusste nichts von dem Schmerz, den ich spürte. Sie konnte nichts dafür. Denn die Folgen meiner brillanten Erkenntnis machten mir zu schaffen. Wenn ich wollte, dass Yusei ein glückliches und (vor allen Dingen) UNGEFÄHRLICHES Leben führen konnte, blieb mir nur eine einzige Möglichkeit: Ich musste meine Hoffnungen endgültig begraben und mich von ihm fernhalten. Plötzlich stand Crow neben mir. „Wie lange willst du noch aus dem Fenster gucken? Man kann doch eh Nichts mehr erkennen.“, flüsterte er. Erst jetzt registrierte ich, dass ich so lange unverändert vor dem Fenster gestanden hatte, dass die Nacht hereingebrochen war. Wie ein Roboter drehte ich mein Gesicht zu ihm und sah in seine Augen, die mich voller Sorge fixierten. „Du bist krank, Aki. Leg dich ins Bett und schlaf dich aus.“ Als ich keine Reaktion zeigte, legte er einen Arm um meine Schulter und zog mich förmlich zum Bett. Dort angekommen drückte er mich mit sanfter Gewalt in die Kissen und deckte mich zu. „Nicht mehr weinen.“, nuschelte er und wischte die von mir völlig unbemerkten Tränen von meinen Wangen. Ich sagte immer noch kein Wort. Crow stand seufzend auf und sah noch einmal kurz auf mich herab, bevor er den Raum verließ. Dann ließ er mich alleine. Als er die Türe hinter sich schloss, umgab mich diese furchtbare Dunkelheit, die alles in sich verschlang. Und ich fiel. Ich fiel haltlos in ein tiefes, schwarzes Loch. Erneut zerbrach meine Welt. Und das aus einem Grund, der alle anderen Menschen dieser Welt glücklich machte, oder zumindest machen sollte. Weshalb war mein Leben eigentlich so voller Leid, Hass und Einsamkeit? Konnte nicht einfach mal alles so laufen, wie es sollte? Ich schloss die Augen, die stummen Schluchzer brachen nun hemmungslos aus mir heraus. Doch diesmal konnte mir keiner helfen. Aber es war gut, dass zu wissen. Dann wartete man nicht. Mir war schlagartig klar: Ich war erneut allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)