Living Memories von abgemeldet (Epilog geht online) ================================================================================ Kapitel 11: ------------ Sein Körper fühlte sich schwer an und dennoch spürte er, wie er angehoben wurde. Wer war das? Was war hier eigentlich los? Doch er schaffte es nicht, sich zu bewegen. Reita nahm ihn auf den Arm und trug ihn an Uruha und Aoi vorbei. Und genau in diesem Moment öffnete er kurz die Augen und erblickten Uruha. Mit letzter Kraft streckte er die Hand nach ihm aus, doch sofort entwich sie wieder und der Arm sank einfach wieder nach unten. Dann entschwand er in die Dunkelheit. Aoi dagegen nickte nur. Auch wenn er Kai dafür hasste, dass er von Uruha immer so angesehen wurde. Er war sein Freund und Bandkollege. Hastig eilten sie zu Aois Auto und verfrachteten Kai dort hinein. Reita wandte sich an Ruki und Uruha. "Ihr bleibt hier und wir bringen Kai zu einem Arzt. Ich melde mich, sobald wir etwas wissen, hai?" Mit diesen Worten fuhren sie los und ließen die beiden anderen einfach zurück. Aoi saß am Steuer des Wagens und starrte stur geradeaus. Warum tat er das eigentlich? Ganz recht, weil er Kai zwar nicht sonderlich mochte, aber kein schlechter Mensch war. Leuten mit Problemen musste man helfen und das tat er auch. "Reita? Wie geht es ihm?", fragte er wie beiläufig, da Reita mit Kai hinten auf der Sitzbank saß. Uruha war auf die Knie gesunken und starrte auf den Boden. Kai hatte so leblos ausgesehen... War er tot? "Ich wollte mit...", wimmerte er leise. Reita schaute ihn an. Eigentlich war er sauer auf den Schwarzhaarigen. Ruki hatte ihm von Aois Tat erzählt und was Kai getan hatte und vor allem, warum er das getan hatte. "Er sieht schlecht aus. Ich glaub, er hat Fieber." Eine Hand legte er prüfend auf die Stirn Kais. "Und es scheint ziemlich hoch zu sein." Es machte ihm Sorgen. Kai tat ihm so unendlich leid und Aoi? Aoi würde er zwar liebend gern den Hals umdrehen, aber das würde jetzt ziemlich unpassend sein. "Wir müssen uns beeilen." Ruki kniete sich neben den Gitarristen. Einen Arm legte er um ihn und versuchte, ihn wieder auf die Beine zu ziehen. "Reita passt schon auf ihn auf." Er zog ihn mit sich zurück in den Proberaum. "Das wird schon wieder, Ruha. Kai ist ein Kämpfer. Das weißt du doch." Aois Augenbrauen zogen sich zusammen. Leicht besorgt trat er etwas mehr aufs Gaspedal und schaffte es, in Rekordzeit und sogar ohne Unfall zum Krankenhaus zu gelangen. Sofort stieg er aus und öffnete die Tür, damit Reita den Drummer wieder auf seinen Arm heben und ohne Probleme aussteigen konnte. Er würde Kai jedenfalls nicht auf den Arm nehmen und tragen. Schnell betraten sie das Krankenhaus. Zusammen mit Ruki kuschelte er sich auf das Sofa und schloss die Augen. Seine Gedanken kreisten einzig und allein um Kai und die Angst um ihn machte ihn schier wahnsinnig. "Hoffentlich... Ich will zu ihm..." Misstrauisch beäugte er den Gitarristen. Er tat, als wäre nichts passiert. Für so mies, hätte er den Älteren gar nicht gehalten. Aber das war jetzt nicht wichtig. Jetzt zählte Kai. Zielstrebig gingen sie zum Eingang. Sofort nahm man ihnen Kai ab und kümmerte sich um ihn. Nach einer halben Stunde kam ein Arzt zu ihnen und meinte, dass ihr Freund eine schwere Lungenentzündung hatte. Er würde wohl die nächsten Tage auf Station bleiben müssen. Reita seufzte. Na toll. Kaum war Kai da, da musste er wieder ins Krankenhaus. Irgendwie kam ihm das bekannt vor. Aber gut, dann wusste er wenigstens, dass der Drummer vor Aois Attacken und Eifersüchteleien sicher war. Ruki verdrehte die Augen. "Weißt du eigentlich noch, was du willst?" Seine Stimme klang härter, als sie sollte. Aber er sollte Uruha wohl doch mal mit ein paar wesentlichen Dingen konfrontieren. Mürrisch saß er zusammen mit Reita im Warteraum und blätterte gelangweilt in irgendwelchen Zeitschriften. Was tat er eigentlich hier? Er sollte jetzt bei Uruha sein und sich um ihn kümmern. Er war sich fast sicher, dass er sich jetzt wieder die Augen ausheulte. Die kleine Heulsuse.. Er seufzte schwer und fuhr sich durchs Haar. "Sollten wir die anderen auch mal anrufen?" Erschrocken zuckte er zusammen und sah weg. Was sollte er jetzt sagen? "Na-Nani?", stotterte er sich zurecht und sah Ruki verständnislos an. Reita schaute ihn an. "Und was willst du ihnen sagen?" Er formte seine Augen zu kleinen Schlitzen. "Dass es dir zu verdanken ist, dass Kai eine Lungenetzündung hat? Oder wie?", warf er ihm vor. Zwar wusste er, dass das sicher nicht Aois Schuld war, doch irgendwie musste er ja seinem Frust Luft machen. Und jetzt waren sie ja mal alleine. "Tu nicht so, als wüsstest du nicht, worum es geht. Du musst dich entscheiden Uruha. So, wie es jetzt ist, tut es weder dir, noch Aoi, noch Kai gut. Insbesondere Kai leidet darunter." Auch wenn er Kai versprochen hatte, niemandem von ihrem gestrigen Gespräch zu erzählen, hatte er es doch noch am gleichen Abend gebrochen. Er hatte Reita alles erzählt und nun sollte auch Uruha davon erfahren. Schließlich ging es doch um den Gitarristen und um niemand anderem. Verdattert starrte er den Bassisten an. Noch nie hatte ihn Reita so feindselig angesehen. Wirklich noch nie und das war wirklich mehr als ungewohnt. "Re-Reita... Was ist denn in dich gefahren? Wieso ist es meine Schuld, wenn sich der Trottel eine Lungenentzündung einfängt? Der ist kein Baby und kann auf sich selbst aufpassen." Er schnaubte und sah zur Seite. "Ich... Ich weiß aber nicht, was ich tun soll, Ruki... Ich liebe Aoi, aber ich glaube, dass ich Kai auch immer noch liebe... Mein Herz schlägt furchtbar schnell, wenn ich Kai sehe. Ich will doch keinen von beiden verletzen." Er sah zu Boden. Er hätte wissen müssen, dass Ruki ihn nicht verstand. Wie denn auch? Er verstand sich selbst ja nicht einmal. "Frag nicht so doof.", brummte er. "Ich weiß, was du dir gestern geleistet hast. Und ohne Kai würde Uruha dir wahrscheinlich den Laufpass geben. Es scheint so, als wollte er das schon tun, doch der Kleine hatte es verhindert. Und weißt du warum?" Irgendwie war er mies drauf. Aoi is manchmal ein richtiges Arschloch, aber so schlimm hatte er ihn noch nie erlebt. "Da reicht er dir den kleinen Finger und du nimmst gleich die ganze Hand. Ein toller Freund bist du." Dann stand er auf. "Ich ruf Ruki jetzt an." Und schon ging er zum Ausgang, um zu telefonieren. "Uruha. Du musst dir über deine Gefühle bewusst werden. So kann das nicht weitergehen. Ihr macht euch kaputt. Vor allem Kai, der Trottel.", seufzte er. Mit offenem Mund starrte er Reita hinterher. Wie konnte er ihm so etwas nur sagen? Es war doch nicht seine Schuld! Kai hätte ja nicht so dämlich sein und ihm helfen müssen. Da war er doch selbst schuld. Also wirklich... Er verstand nicht, wieso sich Reita da so aufregte. Es war ja schließlich nicht seine Schuld! "Aber was soll ich denn machen, huh?", fragte er und hickste auf. Er weinte mal wieder. "Ich will beide nicht verlieren..." Nach seinem Telefonat kam er zurück. Er brummelte. "Was ist? Willtst dich mal wieder ausschweigen was? Keine schlechte Idee. Könnte ja sonst sein, dass ich dir eine reinhaue. Und Uruha tut mir echt leid, dass er gerade dich als Freund hat. Lügst ihn ungeniert an und lässt es zu, dass er einen Freund, nein, einen Menschen, den er so sehr liebt, mit bösen Blicken bewirft. Du merkst aber auch echt gar nichts." Seine Blicke schienen den Gitarristen auf der Stelle töten zu können. So gut, wie sie sich auch kannten, Aoi war heute mehr als unmöglich. Ein richtiges Arschloch war er. Benahm sich wie ein pubertierendes Schulmädchen. Der Sänger seufzte. "Dich entscheiden. Für wen empfindest du mehr? Wer tut dir mehr gut? Und was fühlst du, wenn du bei ihm bist." Er wuschelte ihm durch´s Haar. "Ich will nicht, dass du traurig bist. Mit einem Lächeln auf den Lippen gefällst du mir viel besser. Tränen stehen dir einfach nicht." Dann seufzte er abermals. "Tu mir einen Gefallen und frag Aoi danach, was gestern wirklich passiert ist. Und lass dich nicht für dumm verkaufen. Hier geht es schließlich um dich und nicht um irgendwen. Und... einem von beiden wirst du das Herz brechen müssen. Also wird es so oder so schwer werden. Aber wir stehen zu dir." Nun ließ er Uruha erst mal alleine zurück, denn sein Handy klingelte und er ging auf den Flur hinaus. Es war Reita und ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. "Hör auf, mich die ganze Zeit so anzumachen! Das geht dich doch einen total feuchten Dreck an, was ich mache! Uruha gehört nur mir, da ist es selbstverständlich, dass ich sauer werde, wenn Kai Uruha einfach so küsst und das hat er getan, als er geschlafen hat! Uruha ist MEINER!" Er stand auf und schritt ein wenig auf und ab. Er war auf hundertachtzig. Was fiel diesem Nasenbär eigentlich ein?! Als Ruki ihn allein ließ, zog er die Beine an den Oberkörper und schlang die Arme darum. Was sollte er denn bitte machen? Einem von beiden musste er ja das Herz brechen. Nur wem? Das war einfach zu schwer... Aoi war für ihn zwei Jahre lang dagewesen und hatte ihn beschützt, doch so langsam tat er, als würde Uruha sein Eigentum sein und das fand er gar nicht gut. Und Kai...? Der war so lange nicht dagewesen und hatte sich nicht um ihn gekümmert, doch irgendwie hatte Uruha ein seltsames Gefühl in der Magengegend, wenn er Kai ansah. Gleich würde ihm der Geduldsfaden reißen. Aoi war heute aber auch echt ein richtiger Mistkerl. An seiner Schläfe pochte schon regelrecht eine Ader, so wütend war. Am liebsten würde er Aoi einfach an die Wand drücken und ordentlich eins reinwürgen. Auch wenn er Kai kaum kannte, so wusste er jetzt, dass Uruha wohl doch besser bei dem Drummer aufgehoben war als bei diesem verdammten Egoisten. "Mach so weiter und ich garantiere für nichts mehr. Ich wünschte, Uruha würde sich für Kai entscheiden, denn der denkt mit jeder Faser seines Körpers an ihn und nicht an sich selbst. Für so egoistisch und kaltblütig hätte ich dich nie gehalten. Das ist nicht der Aoi, den ich kenne." Er drehte ihm den Rücken zu. Wollte ihn nicht mehr sehen. Eine ganze Weile ließ er ihn alleine. Er wollte ihm Zeit geben. Auch wenn er damit rechnete, dass er sich jetzt noch nicht entscheiden konnte, so sollte er sich doch so langsam mal damit auseinander setzen. Wenn er das jetzt genauer betrachtete, so war Kai wohl wirklich der bessere Gegenpart von Uruha. Er ließ nichts Böses an Uruha und genau das würde dem Gitarristen mehr als gut tun. Vor Wut schnaubend stampfte er laut auf und sah Reita hart an. "Wie kannst du es wagen? Ich dachte, wir seien Freunde, Akira! Verdammt nochmal! Du fändest also wirklich, dass Uruha besser zu Kai passen würde als zu mir? Was bist du denn für einer, huh? Uruha gehört mir und nicht Kai! Ich werde nicht zulassen, dass er sich mit ihm einlässt! Darauf kannst du Gift nehmen!" Am liebsten wäre er jetzt zu Kai gegangen und hätte ihm so lange ins Gewissen geredet, bis dieser sich freiwillig von Uruha abwenden würde. Uruha saß immer noch auf dem Sofa des Proberaums und haderte mit sich selbst. Was sollte er bloß machen? Er wollte wirklich niemandem das Herz brechen. "Es wäre besser, es würde mich nicht geben...", murmelte er leise vor sich hin. "Ich verbreite wirklich nur Unglück..." Tränen der Verzweiflung rannen seine Wangen hinab und er schluchzte auf. Sollte er bei Aoi bleiben? Oder doch zu Kai? Jetzt konnte er sich wirklich nicht mehr zusammenreißen. Ruckartig packte er ihn am Kragen und stieß ihn kraftvoll an die Wand. Sein Blick durchbohrte den Schwarzhaarigen förmlich. "Du bist mein Freund, ein sehr guter sogar, aber du verhältst dich Uruha und Kai gegenüber wie der letzte Arsch auf Erden. Du merkst scheinbar nicht, dass du Uruha so verdammt weh tust mit diesem kindischen Verhalten.", zischte er. Ruki griff nach der Klinke, doch hielt kurz inne. Er vernahm ein leises Schluchzen. Uruha hatte es gerade wirklich nicht leicht. Vorsichtig betrat er den Raum und setzte sich zu ihm auf das Sofa. Freundschaftlich legte er den Arm um seine Schultern. "Uruha. Du musst nicht jetzt schon eine Entscheidung fällen.Lass es langsam angehen. Es ist nicht leicht und das versteh ich auch, aber... es wird dich zerreißen, wenn das so weiter geht." Aufkeuchend fand er sich an der Wand wieder und kniff schmerzerfüllt ein Auge zu. Sein Rücken hatte gerade harte Bekanntschaft mit der Steinwand gehabt. Er packte Reitas Hände und versuchte, sie von seinem Kragen zu bekommen. "Na dankeschön. Du bist kein echter Freund, wenn du dich so gegen mich stellst.", presste er hervor und funkelte den Nasenbandträger feindselig an. "Ein echter Freund würde mich jetzt unterstützen und mir helfen, Uruha davon zu überzeugen, dass nur ich ihn wirklich liebe." Weinend kuschelte er sich an seinen langjährigen Freund und wischte sich die Tränen aus den Augen. Gott, was war er für eine Heulsuse. Aber was sollte er denn auch tun? "Ich will mich nicht entscheiden... Am liebsten würde ich ja beide haben, aber das geht nicht...", murmelte er leise. "Ich kann doch keinem von ihnen sagen, dass ich mich gegen ihn entschieden habe. Und Kai geht es gerade sowieso so schlecht!" "Du bist ein Arsch. Was glaubst du, was Kai tut? Ihn nur deswegen so ansehen, weil er kein Interesse an ihm hat?" Er schüttelte den Kopf. "Kai hat die ganzen fünf Jahre gehofft, Uruha wieder zu sehen. Hat die ganze Zeit auf ihn gewartet. Zeigt das nicht, dass er ihn liebt?", knurrte er. Auch wenn er eigentlich der Gefühlskrüppel schlechthin war, aber das hatte selbst er begriffen. "Er nimmt sogar dich, Idioten in Schutz, weil er so hofft, dass Uruha glücklich wird." Reita verstand einfach nicht, warum Aoi sich so aufführte. Ruki nickte. Ja, Kai ging es wohl gerade überhaupt nicht gut. Das hatte ihm Reita eben auch am Telefon gesagt. "Na ja, es ist zwar nicht so gut, dass er jetzt im Krankenhaus bleiben muss, aber da muss er jetzt durch. Wir wollen ja nicht, dass die Lungenentzündung ihn noch mehr schwächt. Das kann er jezt wirklich nicht gebrauchen. Aber sag mal..." Er lächelte ihn beruhigend an. "Warum bist du eigentlich gestern in seinem Schlafzimmer so zusammengebrochen? Was war da los?" Ja, das konnte er sich nämlich wirklich nicht erklären. "Ich und ein Arsch? Was ist denn dann Kai bitteschön? Er ist derjenige, der meinem Freund schöne Augen macht und es ausnutzt, dass er schläft. Er hat ihn gestern einfach geküsst und ihm Ich liebe dich gesagt. Das hat mir echt gereicht. Er will mir bloß Uruha ausspannen, weil er es nicht ertragen kann, dass Uruha mich liebt und nicht ihn. Er ist eifersüchtig hoch zehn auf mich." Er schubste Reita grob von sich und richtete seine Sachen wieder. "Und jetzt lass mich gefälligst in Ruhe. Ich gehe jetzt zu Uruha zurück und bringe ihn nach Hause." Uruha schaute betreten zu Boden und spielte mit seinen Fingern. Es war wirklich etwas überzogen, was er da gestern gemacht hatte. Aber alle Gefühle waren auf einmal auf ihn hereingebrochen und hatten ihn verzweifeln lassen. "Weißt du... Kai hat mir zum Abschied einen Verlobungsring geschenkt. Ich war so überglücklich deswegen. Aber als er sich nach drei Jahren immer noch nicht gemeldet hatte, hatte ich einfach genug von ihm und habe den Verlobungsring ganz weit weggepackt, damit ich ihn nie mehr ansehen muss. Und gestern hab ich Kais Ring auf seinem Nachttisch gesehen und deswegen bin ich zusammengebrochen. Er kann diesen Ring jeden Abend ansehen... Was habe ich ihm bloß angetan? Ich bin ein so verdammt schlechter Mensch..." "Vergiss es!", knurrte er. "Du lässt Uruha jetzt schön bei Ruki. Und keine Widerrede!" Reita wusste, dass er stärker war als Aoi. Das hatte er ihm schon mehrmals bewiesen. Und wenn es nötig war, dann würde er es ihm wieder deutlich vor Augen halten. "Lass ihm wenigstens Zeit, um sich wieder zu finden und seine Gefühle zu ordnen. Wenigstens das kannst du deinem Freund gönnen, wenn du es ihm schon nicht erlaubst, mit Kai normal umzugehen." Ihm war nicht entgegangen, dass der Schwarzhaarige den anderen immer festhielt, wenn Kai den Raum betrat oder ihm näher kam, als er ihm gestatten wollte. Das war so offensichtlich gewesen. "Sollte Uruha wegen dir noch ein einziges Mal weinen müssen, dann Gnade dir Gott. Und das mein ich verdammt ernst!" Mit diesen Worten ließ er ihn vorbei. Ein unangenehmer Schauer breitete sich in ihm aus. Kai hatte Uruha einen Ring geschenkt gehabt? Das war so süß. Das hätte er dem schüchternen Kerl gar nicht zugetraut. Nun musste er lächeln. Auch wenn es eigentlich nicht zur Situation passte. "Ich möchte dir nicht vorschreiben, welche Entscheidungen du treffen sollst, aber... es gibt auch eindeutige Zeichen, auf die du achten solltest. Vielleicht fällt es dir dann leichter, auf dein Inneres zu hören." Uruhas Geschichte ging ihm wirklich nahe. "Ich habe ihm ja wohl sehr viel Zeit gegeben. Fünf Jahre lang hatte er Zeit, sich zu entscheiden. Er meinte, er hat sich für mich entschieden und nun? Nun taucht dieser Idiot wieder in unserem Leben auf und meint, Uruha den Kopf verdrehen zu müssen. Das ist einfach nur unfair. Uruha sollte wissen, dass ich ihn über alles liebe. Viel mehr als Kai. Aber anscheinend ist Uruha dafür ja zu blöd." Er wusste, dass es unfair war, was er sagte, jedoch war er gerade so wütend, dass es ihm langsam wirklich egal wurde. "Uruha gehört verdammt nochmal mir! Nur mir ganz allein und niemand hat das Recht, ihn mir wegzunehmen. Ich gehe jetzt zu ihm und dann kommt er gefälligst mit mir nach Hause." "Zeichen?", fragte er verwirrt. "Was für Zeichen, Ruki? Ich verstehe es nicht... Ich liebe Aoi zwar, aber er benimmt sich mir gegenüber, als wäre ich ein Gegenstand, den nur er haben darf. Das ist ungerecht. Und bei Kai habe ich ein total komisches Gefühl im Bauch, wenn ich ihn sehe. Ich glaube, ich bin wirklich nicht mehr ganz normal..." Was sollte er denn noch machen? Aoi stellte sich total quer. Was war eigentlich in seinen Kumpel gefahren? Er benahm sich wie eine eifersüchtige Ehefrau. Nein, wie eine betrogene Ehefrau. Er erfüllte gerade voll die Klischees. Aber scheinbar war diesem Kerl das überhaupt nicht bewusst. Resigniert hob er die Hände vor die Brust und schüttelte den Kopf. "Tu, was du nicht lassen kannst, aber wunder dich nicht, wenn Uruha sich so wirklich von dir abwenden sollte. Du bist wirklich nicht der Aoi, in den er sich verliebt hat. Ganz sicher nicht. Und... Kai ist zwar wieder hierher gekommen, aber ganz sicher nicht, um dir Uruha wegzunehmen." Damit beendete er das Gespräch und ließ Aoi abziehen. Der Kleine kicherte. "Ja, Uruha. Es gibt immer ein Zeichen, das dich lenkt. Nur hast du noch keines gefunden. Aber wenn du schon merkst, dass du ein komisches Gefühl hast, wenn Kai da ist, dann würde ich sagen, solltest du diesem komischen Gefühl auf den Grund gehen. Aber du wirst das schon hinkriegen." Er wuschelte ihm durch das Haar. "Und nun Kopf hoch. So können wir doch unmöglich Kai einen Krankenbesuch abstatten, hai?" "Lass mich einfach. Ich bin immer noch der Alte, das kann ich dir versichern. Ich lass mir nur nicht von einem Kerl wie Kai den Mann ausspannen. Gewiss nicht." Er wandte sich von ihm ab und stieg in seinen Wagen ein. Er würde jetzt sofort zu Uruha fahren und ihn mit nach Hause nehmen. Er würde es nicht zulassen, dass Uruha Kai zunahe kam. Nie und nimmer. Uruha schenkte ihm ein zögerliches Lächeln und stand zusammen mit Ruki auf. "Danke, Kleiner. Du bist wirklich der beste Freund, den man sich nur wünschen kann. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen sollte." Er beugte sich runter, um Ruki ein Küsschen aufzudrücken. Dann zog er sich seine Jacke an, als plötzlich die Tür aufgestoßen wurde und ein vor Wut schnaubender Aoi in der Tür stand. "Uruha! Du kommst jetzt sofort mit!" Reita war am Ende. Jetzt wusste er wirklich nicht mehr, wie er den Trottel da aufhalten sollte. Ohne ein Wort zu verlieren, ging er einfach. Aoi würde schon merken, wenn Ruki ihm ordentlich den Marsch blasen würde. Auch wenn man es dem Zwerg nicht zutraute, Ruki konnte konsequent und ziemlich hartnäckig sein. Und seine Schlagfertigkeit war auch nicht zu unterschätzen. Schnell zückte er sein Handy und schrieb seinem Schatz eine SMS, dass Aoi auf dem Weg zu ihnen war. Sicher war halt sicher. Und so gab er Ruki die Chance, schon mal etwas Kraft zu tanken. Innerlich schmunzelte er und wünschte Aoi bei seinem Versuch, Uruha mit zu sich zunehmen viel Glück. Einfach würde es sicher nicht werden. Dann begab er sich wieder zu Kai. Der Drummer sollte nicht alleine sein, wenn er aufwachen würde. Man gut, dass Ruki doch schon darauf vorbereitet war. Sofort stellte er sich schützend vor Uruha und verschränkte die Arme vor der Brust. Mit seinem allseits gefürchteten Deathglare musterte Aoi. "Vergiss es!", schnaubte er. "Uruha entscheidet selbst, was er macht. Du hast hier niemandem etwas vorzuschreiben, du eifersüchtiges Kindergartenkind. Kannst es wohl nicht haben, wenn etwas nicht nach deiner Nase läuft, was?" Er brauchte wirklich nicht lange, um in Rage zu kommen. Mit Reita hatte er ja genug Übung gehabt. "Aber bevor du ihn mitnimmst, erklärst du ihm mal, was du für ein lieber netter Freund bist." Aoi würde schon wissen, worauf er anspielte. Uruha verkrampfte sich leicht, als Aoi plötzlich wutschnaubend in der Tür stand und Ruki sich schützend vor ihm aufbaute. Gut, dass er saß, ansonsten würde das nicht wirklich viel bringen. Uruha war schließlich viel größer als Ruki. Er war verwirrt. Was sollte das Ganze? Wieso versuchte Ruki, ihn vor Aoi zu beschützen? Was wurde hier gespielt? "Ruki, Aoi, was...?", fing er an, doch er wurde sofort harsch von Aoi unterbrochen. "Ruki! Geh mir aus dem Weg. Ich schreibe Uruha nichts vor, ich werde meinen festen Freund ja wohl mit nach Hause nehmen dürfen. Du musst nicht so tun, als würde ich ihn dann verletzen wollen. Und was soll das überhaupt heißen? Uruha weiß, dass ich lieb und nett zu ihm bin!" Er wusste, worauf Ruki anspielte, aber er wollte es nicht vor Uruha zugeben. Nie und nimmer. Der Kleinste kniff die Augen zu kleinen Schlitzen und funkelte den Älteren an. "So, wie du hier aufkreuzt und Kais Gutmütigkeit und Liebe zu Uruha ausgenutzt hast, bist du nicht wirklich lieb und nett zu ihm. Also vergiss es. Uruha bleibt hier und solange du dich so aufführst, wirst du ihn nie wirklich bekommen.", knurrte er. Ruki war sauer und wenn er das war, dann Gnade dem Gott, der ihn in Rage gebracht hatte. Und dieses Mal war es Aoi. Nie hätte er das für möglich gehalten. Doch jetzt war es wirklich so. Auch wenn er einen Schritt zurückwich, war das noch längst kein Zeichen dafür, dass er aufgab. Eher im Gegenteil. Der Sänger machte sich bereit, um zum Angriff über zu gehen. "Fordere mich nicht heraus, mein Lieber!", fauchte er. "Nun hör mir mal ganz genau zu, Kleiner. Ich. Werde. Uruha. Jetzt. Mitnehmen. Hast du das jetzt kapiert? Ich lasse nicht zu, dass er mir von irgendeinem dahergelaufenen Drummer weggenommen wird. Uruha gehört mir und niemandem sonst. Raff es endlich und geh mir aus dem Weg." Der kleine Sänger hatte ihm körperlich nichts entgegenzusetzen. Gegen Ruki war selbst Uruha, der sonst wirklich nie jemanden schlug, stärker. Da würde Aoi noch hundertmal gegen ihn gewinnen. "Fordere du mich mal lieber nicht heraus, Takanori. Oder willst du genauso wie Kai im Krankenhaus landen? Du bist ein guter Freund, aber das lasse ich mir nicht bieten. Keiner von euch hat das Recht, über mich zu richten." Mit diesen Worten schubste er den kleinen grob davon und packte Uruha am Handgelenk. "Komm endlich." Diese Drohung ließ er sich ganz bestimmt nicht gefallen. Alles konnten sie mit ihm machen, aber nicht sowas. Das würde Aoi noch bitter bereuen. Sofort erhob er sich wieder und kam zischend auf den Schwarzhaarigen zu. Auch wenn der andere größer war als er und vielleicht auch etwas kräftiger und stärker, er würde niemals zulassen, dass er Uruha weh tat. "Ja genau, wegen dir ist Kai im Krankenhaus. Wegen dir hat Uruha Kai so böse angeschaut. Wegen dir geht hier alles drunter und drüber. Wegen dir wird Uruha niemals glüklich werden. Du bist es doch gewesen, der es ausgenutzt hat, dass Kai die Schuld auf sich genommen hat, obwohl du den Streit angezettelt hast. Du trampelst auf den Gefühlen von zwei Menschen rum! Du bist ein verdammter gefühlskalter Krüppel, der nur an sich denkt!" Ruki platzte gleich vor Wut. Und jetzt musste er einfach alles raus lassen. Auch wenn Kai das nicht gewollt hätte. Nun wandte er sich an Uruha und zeigte mit dem Finger auf den schwarzhaarigen Gitarristen. "Aoi hat Kai geschlagen, weil dieser nicht wollte, dass er dich weckt und dir wieder eine Szene macht. Kai hat versucht, dich zu beschützen. Vor ihm." Entsetzt und ängstlich zugleich starrte er von Ruki zu Aoi, bei dem er einige Zeit hängen blieb und dann wieder zurück. Sein Körper fing leicht an zu zittern und wieder einmal füllten Tränen seine Augen. Wie oft hatte er in letzter Zeit geweint? Wie oft hatte er sich die Schuld an allem gegeben? Wie oft wurde er schon belogen? Wie oft...? "Aoi...", hauchte er mit kraftloser Stimme und starrte ihn an. "Bitte... Sag mir jetzt, dass das alles nicht wahr ist... Aoi, bitte... Sag mir ins Gesicht, dass du das nicht getan hast!" Nun liefen wirklich wieder die Tränen. Doch diesmal besiegten die Wuttränen die Trauertränen und ließen seine Sicht verschwimmen. Als Aoi dann auch noch wegsah, ihm nicht in die Augen sehen konnte und beharrlich schwieg, war es Uruha, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen werden und er schwankte einige Schritte zurück. Kopfschüttelnd starrte er Aoi an. Das konnte doch jetzt alles nicht wahr sein... Mit einem Ruck befreite er sich aus Aois Klammergriff und stürzte Hals über Kopf aus dem Proberaum. Aoi versuchte noch, ihn festzuhalten, doch Uruha war zu schnell. Weinend lief er durch die vielen Gänge der PSC, bis er draußen auf der Straße angekommen war. Aoi starrte entsetzt auf die Stelle, an der eben noch sein Freund gestanden hatte und ballte die Hände zu Fäusten. "Na warte..." Innerlich entschuldigte er sich gerade bei Uruha dafür, dass nun er wieder der Leidtragende war. Eigentlich wollte er ihm zur Seite stehen und jetzt hatte er ihn wieder in ein Gefühlschaos geworfen, dass wirklich nicht ganz ohne war. Aber er musste doch Aoi endlich mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Ihm zeigen, dass Uruha auch nur ein Mensch war, der Gefühle hatte und Zuwendung und Liebe wollte. Doch Aoi schien in ihm immer nur einen Gegenstand zu sehen, den er unbedingt behalten wollte. Um alles in der Welt. Er spürte den finsteren Blick des Schwarzhaarigen, doch das störte ihn recht wenig. Uruha wusste jetzt, was los war. Und das zählte für ihn. Uruha rannte. Er rannte, so schnell ihn seine Beine trugen. Wohin wusste er ja selbst nicht so genau. Ihm war es auch reichlich egal. Er wollte einfach nur weg. Weg von allen und vor allem weg von Aoi. Wie hatte er ihn so eiskalt anlügen können, ohne mit der Wimper zu zucken? Wie konnte ihm Aoi so etwas antun? Schwer atmend stoppte er und blickte auf. Er fand sich direkt vor dem Krankenhaus wieder, in welchem er das letzte Mal vor fünf Jahren gewesen war, als Kai diesen schrecklichen Unfall gehabt hatte. Alles in ihm zog sich bitter zusammen. Sollte er...? Nur schwer schaffte er es die Augen zu öffnen. Seine Sicht war verschwommen und nur langsam wurde das Bild klarer, dass sich vor ihm abspielte. "Rei...Reita?", fragte er fast tonlos. Es fiel ihm schwer. Sein Brustkorb tat weh und jeder Atemzug verursachte noch mehr Schmerzen. Was war denn nun schon wieder passiert? Und wo befand er sich hier? Zögerlich drehte er den Kopf zur Seite und schaute sich im Raum um. Jetzt wurde ihm bewusst, wo er war. Er lag im Krankenhaus. Aber? Wieso lag er hier? Eben war er doch noch bei seinen Freunden und hatte sich auf dem Hof hingesetzt, um frische Luft zu schnappen. "Was...Wieso bin ich hier?", fragte er verwirrt. Langsam und vorsichtig schritt er die Gänge entlang. Man hatte ihm gesagt, wo sich Uke Yutaka befand. Aber er durfte nur etwa eine Viertelstunde bleiben. Der Patient brauchte dringend Ruhe, hatte es geheißen. Uruha schluckte. Stand es wirklich so schlecht um Kai? Schüchtern klopfte er an die Tür und betrat das Zimmer. Sofort fiel ihm Reita ins Auge, der an einem weißen Krankenhausbett saß und eine schmale, blasse Hand hielt. Sein Blick wanderte höher und er erkannte Kais Gesicht. Er war erschreckend blass und hatte Augenringe. Uruha traten wieder die Tränen in die Augen und zaghaft trat er näher. "Hey..." Kai schluckte. Das war doch Uruhas Stimme oder? Hatte er sich verhört? Wieso kam er hierher? Er hasste ihn doch. Warum also kam er zu ihm? War er überhaupt wegen ihm hier? Er versuchte ein kleines Lächeln. Uruha sollte ja nicht mitbekommen, wie schlecht es ihm gerade ging. Reichte ja, wenn er ihn hasste. Da musste er ihn ja nicht auch noch aus Mitleid besuchen kommen. "Hey...", krächzte er und auch Reita begrüßte ihn lächelnd. "Was machst du denn hier, Uruha? Und... wo hast du Ruki gelassen?" Der Bassist musterte ihn argwöhnisch. "Alles okay bei dir?" Der Drummer lag nur schweigend da. Er hatte den Blick zum Fenster gewandt und schaute scheinbar interessiert nach draußen. Sich fest auf die Lippen beißend stand er einige Meter vom Bett entfernt und sah zu Boden. Was machte er überhaupt hier? Er hätte nicht herkommen sollen. Das machte alles doch noch viel schlimmer. Er hatte Kais Leben schon genug verpfuscht. "Ich... Ich sollte wieder gehen... Ich wollte bloß sehen, wie es Kai geht... Aber er ist ja wach, da brauch ich mir keine Sorgen machen... Bai..." Schnell drehte er sich um und wollte fluchtartig den Raum verlassen, als er zwei starke Arme um seine Taille spürte, die ihn festhielten. "Nichts da. Du redest jetzt mit Kai.", hörte er Reitas Stimme an seinem Ohr und fing an zu zappeln. Es interessierte ihn nicht wirklich, was um ihn herum geschah. Brauchte es doch eigentlich auch gar nicht. Er lag in einem Bett im Krankenhaus und musste erst mal wieder gesund werden. Mehr konnte er doch eh nicht mehr verlangen. Sein Leben war eine einzige Katastrophe. Erst ein paar Tage in der Stadt schon hatte er Freunde, die zu Feinden wurden und lag in einem Krankenhaus. Und wenn er es nicht besser wüsste, würde er sogar behaupten, dass es das Gleiche war, in dem er schon vor fünf Jahren gelegen hatte. Welch Ironie? Er seufzte und schloss die Augen. Es war ein beschissener Start in dieser Stadt. Damals war es viel einfacher gewesen für ihn. Doch jetzt? Jetzt war doch eh schon alles im Eimer. Uruha wehrte sich verbissen und fing an zu zappeln. Wieso ließen ihn die anderen denn nicht einfach in Ruhe? Wieso konnten sie ihn nicht verstehen? Er hatte keine Lust, Kais traurigen Blicken zu begegnen. Er wollte ihn nicht so sehen. Doch gegen Reita hatte er einfach keine Chance. Der Bassist hob ihn einige Zentimeter in die Luft und schleifte ihn zu Kais Bett hinüber. Er drückte ihn auf den Stuhl, auf dem bis eben noch er selbst gesessen hatte und verschwand. Die beiden sollten sich erst mal aussprechen. Uruha saß zusammengesunken auf dem Stuhl und starrte ins Leere. Was nun? Kai schien ihn ja zu ignorieren. Anscheinend wollte er nicht mit ihm sprechen. Schüchtern und verlegen zugleich drehte er sich nun um. Er dachte, dass Reita noch immer auf dem Stuhl neben ihm saß. Dass er sich da geirrt hatte, musste er auch so gleich feststellen. Er hatte nicht mitbekommen, wie Reita Uruha dort hingesetzt hatte und dann verschwunden war. "Uruha?", fragte er leise und mit zittriger Stimme. "Wie geht´s dir? Alles in Ordnung? Und... wo hast du Aoi gelassen? Du hasst doch Krankenhäuser." Eigentlich waren es total dämliche Fragen, die er ihm stellte, aber er wollte ihn ja auch nicht unnötig anschweigen. Ein klitzekleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Seine Finger verkrampften sich in seinem Schoß und er kniff die Augen zusammen. Kai hatte recht, er hatte tierische Angst vor Krankenhäusern. Das war einer der Gründe, weshalb er eben so schnell weg wollte. Aber Kai war ebenfalls einer der Gründe. Er wollte ihm nicht noch mehr Kummer bereiten. "Wie sollte es mir schon gehen? Mir gehts ehrlich gesagt total beschissen...", murmelte er und sah ihn an. "Und wo Aoi in diesem Moment ist, ist mir ehrlich gesagt egal. Der soll mir ja nie wieder unter die Augen treten..." Er wischte sich eine Träne weg. "Geht´s dir denn wieder besser?" "Nani?" Irgendwie verstand er nicht so ganz, was Uruha damit meinte. Wo Aoi war, war ihm egal? Hatte er etwas verpasst? Scheinbar. Auf die letzte Frage reagierte er gar nicht erst. Es ging ihm ehrlich gesagt nicht sehr gut. Aber das musste er ihm ja nicht sagen. "Darf ich fragen, was los ist? Oder ist dir das zu persönlich? Ihr liebt euch doch. Wieso klingst du dann so niedergeschlagen?" Kai machte sich Sorgen. "Lieben?", er schnaubte. "Aoi ist total besessen. Ich kann es immer noch nicht fassen. Ruki hat mir erzählt, was vorgefallen ist. Ich hasse Aoi dafür, dass er dir sowas angetan hat. Das ist unverzeihlich, wirklich." Er hickste leicht auf. Verdammt, was tat er hier eigentlich? Was trieb ihn dazu, jetzt so mit Kai zu sprechen? Er wollte es ihm doch nicht so schwer machen... "Kai... Ich sollte lieber wieder gehen... Verzeih, dass ich dich gestört habe..." "Uruha?" Er schaffte es nicht, sich aufzusetzen und dennoch versuchte er, den anderen am Gehen zu hindern. "Bleib doch noch hier. Ich würd mich freuen. Und... wenn du reden willst, dann hör ich dir gerne zu." Er seufzte. "Und... sei ihm nicht böse. Er liebt dich und hat halt Angst um dich." Auch wenn er das nicht ganz verstand. Uruha liebte ihn doch auch. "Sei ihm doch nicht böse deswegen." Er biss sich auf die Unterlippe. Musste Kai es ihm wirklich so schwer machen? "Nein, Kai... Aoi ist besessen von der Idee, dass ich ihm alleine gehöre. Da steckt meiner Ansicht nach keine wahre Liebe hinter. So schrecklich ich es auch finde... Ich denke, es wird das Beste sein, wenn ich Aoi verlasse und mich für eine Weile zurückziehe.", er schniefte. "Ich tu euch allen damit einen Gefallen, glaub mir. Ich mache euch alle doch bloß unglücklich und ganz besonders dich, Kai. Und das ist das, was ich am wenigsten will." Kai hob eine feingeschwungene Augenbraue. "Wieso ganz besonders mich?" Gut, er war wirklich etwas durcheinander, seit er wusste, dass Uruha mit dem anderen Gitarristen zusammen war. Aber das änderte doch auch nichts daran, dass er sich damit abfinden musste. Uruha war und blieb wohl immer seine erste große Liebe und dennoch gönnte er ihm sein Glück. "Bist du dir sicher, dass du ihn einfach aufgeben kannst? Er ist zwar ganz schön eifersüchtig, aber das ist doch auch ein Zeichen, dass er dich liebt oder nicht?" Irgendwie ergaben seine Worte selbst für ihn keinen richtigen Sinn. "Gib ihm eine Chance. Er kann es dir sicher erklären, warum er so gehandelt hat. Ich kann es ihm nicht verübeln." "Wenn er mich wirklich lieben würde, dann würde er eben nicht so eifersüchtig sein, verstehst du? Er würde mir vertrauen und nicht versuchen, jeden auszuknocken, der mich schief ansieht. Das ist doch dann keine Liebe!" Er stand auf und ging nervös auf und ab. Was sollte er denn jetzt machen? Zu Aoi zurück wollte er erst mal nicht. Wieso war er überhaupt hergekommen? Das brachte doch eh alles nichts. Er würde nie mehr mit jemandem zusammenkommen können, der ihn von Herzen liebte. Zu Kai konnte er jetzt auch nicht mehr. Das wäre, als wäre Kai bloß ein Platzfüller. Das konnte er ihm einfach nicht antun. "Es tut mir leid. Es war dumm, herzukommen. Mir is schlecht...", murmelte er und tapste zur Tür. "Warte!", rief er ihm nach und hoffte, dass er stehen bleiben oder gar zurück kommen würde. Er hoffte es wirklich sehr. Auch wenn er sich keine Hoffnungen machen brauchte und das wusste er, so würde er doch versuchen, Uruha glücklich zu machen. Egal wie. "Bitte bleib noch. Es ist so einsam hier. Onegai." Seufzend schüttelte er den Kopf. "Es tut mir einfach nur noch leid, Kai... Ich vermiese euch allen doch bloß das Leben. Wenn es mich nicht gäbe, wärt ihr alle doch viel besser dran." Dieses Gefühl erinnerte ihn an vor fünf Jahren, als er blutend im Badezimmer gelegen hatte und sich umbringen wollte. Die Narbe hatte er immer noch, sie erinnerte ihn immer an seine Fehler. Plötzlich ging die Tür auf und der Arzt trat ein. In der Hand hielt er eine Spritze und ging damit auf Kai zu. Uruha wurde augenblicklich leichenblass und schwankte. "Gott, ich muss hier raus...", das war alles zuviel für ihn. "Uruha!", rief er ihm noch nach, doch da war der andere auch schon verschwunden. Verdammter scheiß Arzt. Musste der denn gerade jetzt hier aufkreuzen? Hätte er nicht noch ein paar Minuten warten können? Wie sehr er doch dieses beschissene Timing der Monster in weiß hasste. Augenblicklich funkelte er den unschuldigen Arzt finster an. Der sollte am besten gleich zur Hölle fahren. "Uruha!", schrie er dann quer durch das ganze Zimmer. War ihm doch egal, was die alle von ihm hielten. Er hatte einfach nur Angst um Uruha. Diese Worte kamen ihm so bekannt vor. Und Uruha sollte es nicht wieder tun. Kein zweites Mal würde er ihn so sehen wollen. Wankend lief er durch die langen Gänge des Krankenhauses. Jede Ecke sah für ihn gleich aus und er wusste schon längst nicht mehr, wo er war. Doch es war ihm egal. Alles war ihm egal. Jeder war ihm egal... Jeder... Außer Kai... "Kai...", schluchzte er verzweifelt auf und sank auf die Knie, vergrub sein Gesicht in den Händen. Was hatte er falsch gemacht? Wieso strafte ihn Kami-Sama bloß so? Wieso er immer derjenige war, der Unglück über andere brachte? Die anderen wären alle so viel besser dran ohne ihn. Sie könnten wieder lachen und sich einen Partner suchen, den sie lieben konnten und der sie nicht verletzte. Hastig schlug er die Spritze weg und warf die Decke zur Seite. Zu groß war die Angst um Uruha. Wer wusste denn schon, auf was für eine dämliche Idee der Kerl nun schon wieder kam. Das wollte er nicht riskieren. Also machte er sich auf die Suche. "Kouyou!" Immer rief er den Namen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass der andere noch hier im Gebäude war. Wie er darauf kam, wusste er selbst nicht, aber war doch auch völlig egal. "Kouyou!" Die finsteren Blicke und das ständige Gezeter der Schwestern und Ärzte ließen ihn kalt. Er wollte Uruha finden. Egal wie. Und dann blieb er wankend stehen. Da saß er. Erschrocken hob er den Kopf und sah aus tränenverschleierten Augen auf den Menschen, vor dem er eigentlich flüchten wollte. Kai stand dort in seinem weißen Krankenhauskittel, schwer atmend, mehr als nur leichenblass und sah auf ihn hinab. Uruha musste ein schreckliches Bild abgeben. Er saß zitternd und weinend auf dem kalten Krankenhausboden und war schier am Verzweifeln. Ruckartig erhob sich sein Körper und er wankte auf Kai zu. Als er bei ihm angekommen war, fiel er ihm schon fast in die Arme und drückte ihn fest an sich. "Es tut mir so leid, Kai... Das alles... Ich hab dein Vertrauen so missbraucht...", murmelte er verstört. Dann hob er den Blick, überwand die letzten paar Zentimeter und drückte Kai einen hauchzarten Kuss auf den Mund. "Es tut mir so leid..." Verwirrt war gar kein Ausdruck mehr. Warum tat Uruha das jetzt? Wieso küsste er ihn? "Uruha?" Er legte die Arme um ihn und strich ihm sanft über den Rücken. "Ganz ruhig. Was ist denn passiert? Und bitte... entschuldige dich nicht immer. Du hast doch gar nichts falsch gemacht." Was sollte er denn jetzt tun? Uruha sah so verzeifelt aus. "Mir tut aber alles so furchtbar leid...", nuschelte er vor sich hin und strich Kai vorsichtig über den Rücken. "Wie kannst du mich immer noch mögen, nach allem, was ich dir angetan habe? Ich hab dein Leben ruiniert, Kai... Das habe ich nicht gewollt... Zwei Jahre lang dachte ich, dass ich mit Aoi meine große Liebe gefunden habe... Aber ich hab mich getäuscht, Kai... Ohne dich..." Seine Stimme brach und er sackte in sich zusammen. "Ohne dich kann ich einfach nicht leben... Es geht nicht..." Geschockt schaute er auf den zitternden Körper in seinen Armen. Uruha sagte was? Was war es, was er ihm eben gesagt hatte? Gedanklich rügte er sich. Nun aber mal ganz ruhig, Kai. Uruha ist einfach nur verzweifelt, mehr nicht. "Beruhige dich. Es wird alles wieder gut." Er zog ihn vorsichtig mit sich und sie setzten sich auf die Besucherstühle, die in dem ziemlich verlassenen Gang standen. "Und jetzt noch mal tief durchatmen." Als sie saßen, schmiegte sich Uruha sofort an Kais wärmenden Körper und schniefte auf. Gott, er war wirklich so ein Weichei. Selbst Kai weinte nicht, obwohl er in Uruhas Augen allen Grund dazu hätte. Er würde jedenfalls ganz sicher weinen, wenn ihn jemand so enttäuschen würde, wie Uruha es bei Kai getan hatte. Er atmete tief durch, wie Kai es ihm sagte und versuchte, seinen zitternden Körper zu kontrollieren. Dann hob er den Kopf und rang sich zu einigen Worten durch. "Kai... Kannst du mir nochmal verzeihen? Ich bin der größte Idiot, der jemals auf Erden gelebt hat. Bitte... Auch, wenn du mich nicht mehr lieben kannst, was ich ja verstehe, aber bitte sei mir nicht böse..." Uruha wurde langsam immer mehr klar, was das für ein Gefühl war in seiner Magengegend, wenn er Kai ansah. War es vielleicht... Liebe...? Kai schluckte. Was sollte er davon halten? Uruha wollte, dass er ihm verzieh? Was sollte er ihm denn verzeihen? Es gab doch nun wirklich nichts, was ihn dazu bewegt haben könnte, auf den Größeren böse zu sein. Es gab doch gar nichts zu verzeihen. Sanft strich er ihm eine Strähne aus dem Gesicht und lächelte ihn an. "Sagst du mir auch, was ich dir verzeihen soll? Ich wüsste nichts. Es gibt doch gar keinen Grund, warum du dir darüber so viele Gedanken machst. Ich war und bin dir nie böse gewesen. Das könnte ich doch gar nicht." Verwirrt blickte er ihn an. Kai war gar nicht böse auf ihn? Aber wieso nicht? Er hatte doch soviel falsch gemacht. "Naja... Ich hab dein Vertrauen doch total missbraucht. Ich hätte auf dich warten sollen, anstatt mich gleich dem erstbesten Mann an den Hals zu werfen. Ich war einsam, Kai... Dabei hast du auch fünf Jahre in Einsamkeit verbracht und auf mich gewartet. Das tut mir so leid." Er kuschelte sich ganz vorsichtig an den warmen Körper des anderen und schloss die Arme um ihn. Er haderte mit sich selbst. Sollte er Kai von seinen Gefühlen erzählen? Uruha hatte schon recht. Er hatte wirklich die letzten fünf Jahre alleine gelebt. Es gab ja auch niemanden, der sein Interesse geweckt hatte. Oder besser es wecken konnte. Für ihn war schon klar, dass er Uruha wollte. Deshalb hielt er die meisten Menschen auch auf Distanz. Aber Uruha brauchte sich wirklich überhaupt keine Vorwürfe zu machen, nur weil er sich einsam gefühlt hatte und sich nach jemandem gesehnt hatte. Er konnte das durchaus verstehen. "Ich war nicht einsam.", lächelte er liebevoll an. "Ich war nicht eine Sekunde lang einsam." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)