Der schwarze Flügel von Eros ================================================================================ Kapitel 1: Die erste schwarze Feder ----------------------------------- Schon wieder war ich am Boden. Im wahrsten Sinne des Wortes saß ich auf dem kalten Asphalt der Straße. "Siehst du, was du davon hast?", lachte ein Dummkopf aus meiner Klasse. Fast jeden Tag lauern sie mir nach der Schule auf, um mich wieder fertig zu machen. Warum sie das tun, lag für mich klar auf der Hand; sie waren neidisch auf mich, und auf meine Noten und meine Beliebtheit bei den Lehrern. Einer der Bande gab mir nochmal einen Tritt, sodass ich ganz am Boden lag. Sie lachten und ließen mich dort liegen... Kein Wunder, dachte ich. Diese Welt ist durch und durch verdorben. Plötzlich spürte ich, dass irgendjemand noch da war. Was? Sind sie immer noch nicht fertig mit mir? Ich blickte auf und sah eine Hand, bereit mir zu helfen. Wie war er unbemerkt so nah an mich heran gekommen? Ich schaute den Besitzer dieser Hand an. Er war ein Stück älter als ich, aber trotzdem erschien er mir irgendwo sehr kindlich. Sein Gesicht war wie aus Porzellan und seine Augen waren grüner als jeder Edelstein der Erde. Göttlich!, dachte ich mir und streckte wie hypnotisiert ebenfalls meine Hand aus, um mir beim Aufstehen helfen zu lassen. Nein! Was will er? Es klingelte bei mir Alarm. Wieso sollte er mir helfen? Ich sah ihn nochmals verwirrt an. Immer noch stand er da, ohne sich auch ein Stück bewegt zu haben, mit ausgestrecktem Arm stand er da. "Steh' nicht so dumm da herum!", schrie ich, stand blitzschnell von selber auf und lief so schnell ich konnte nach Hause. Es war mir so peinlich ... Als hätte ich mich selber bei einer Sünde ertappt. Ich habe ihn so bewundert... "Ich bin wieder da!", rief ich, als ich die Wohnung betrat. Niemand war Zuhause. Wie auch? Ich lebte allein. Vielleicht war dies eine dumme Angewohnheit von mir, dachte ich und tröstete mich damit. Als ich mein Zimmer betrat und meine unzähligen Formeln als Papierschnipsel an den Wänden sah, die vielen Reagenzgläser und Kolben, fühlte ich mich unwohl bei den Gedanken meine Mathehausaufgaben zu machen und fühlte mich noch unwohler dabei, als ich dies bemerkte. Sonst war dies mein einziger Trost; Naturwissenschaften studieren, der Welt Physik, Mathe und Chemie nahe zu bringen, damit die Leute nicht so verträumt in die Gegend starrten und gar von Liebe oder irgendeiner Gerechtigkeit träumten. Denn diese gab es nicht für mich. Die einzige Gerechtigkeit waren mathematische Formeln und diese hatten ihre festgelegten Gesetze; man brauchte nicht über sie diskutieren. Sie sind halt so. Ich blickte in die "verbotene Ecke". So nannte ich sie, denn dort war noch etwas von meiner Menschlichkeit zu finden: Eine Geige. Früher, als meine Mutter noch lebte, wollte ich unbedingt Geigerin werden - wie sie. Mich faszinierten die traumhaften Symphonien und Lieder ... Ich packte die Geige aus und sah sie an. Es überkam mich eine so gewaltige Lust darauf zu spielen, dass ich mir schon die alten Konzerte meiner Mutter vorstellte. Nein, lass mich! Lass mich in Ruhe. Ich will es vergessen!, schrie ich in den Raum. Ich schloss die Augen und hielt Inne bis mir eine Stimme in meinem Kopf sagte: "Du willst es nicht vergessen. Spiel' für mich. Spiel' für mich!" Ich nahm die Geige in die Hand und schrie sie an: "Nein, ich will nicht! Lass mich in Ruhe, egal, wer du bist!" Wie im Wahnsinn drehte ich mich schlagartig um. Er. Der Typ, der mir vorhin helfen wollte. "Wie bist du hier hineingekommen?!" Meine Stimme vibrierte und klang stotternt. Er stand einen Moment da, seine Augen waren kalt und zeigten kein Interesse. Plötzlich erblickte er meine Geige... Seine Augen wurden warm und sanft, er lächelte sogar kurz und setzte sich letzendlich und sah mich erwartungsvoll an. "Du willst also, dass ich spiele?", schoss es aus mir heraus. Er nickte. "Das kannst du vergessen!", schrie ich und aus Wut warf ich die Geige auf mein Bett. Er stand auf und trappte langsam zu meinem Bett und nahm die Geige. Seine Augen verrieten mir ein Gefühl, dass ich mir nicht erklären konnte: Leid. Mitleid? Bevor ich etwas sagen konnte, erklang eine wunderschöne Melodie. Er spielte auf der Geige, wie ich es nie zuvor gehört hatte. Ich träumte von der Zeit der Konzerte und Symphonien meiner Mutter und dachte an dem Glanz der Instrumente im Licht. Ich sah mich als Kind auf einen der purpurroten Zuschauerplätze und ich sah meine Mutter wie sie sich zu mir herunterkniete mir die Wangen streichelte und mir sagte: " Das habe ich nur für dich gespielt." Er hörte auf zu spielen und ich spürte wie Tränen meine Wangen hinunterschossen. "Hör auf!", schrie ich und schubste ihn zur Tür, "lass mich endlich in Ruhe! Ich will dich nie mehr wieder hier sehen!" Er legte die Geige auf meinen Tisch und seine Augen erhielten wieder diesen eiskalten Blick. Mechanisch drehte er sich um und ging zur Tür und verließ schliesslich meine Wohnung... Ich hoffte, dass mit ihm auch meine Erinnerungen davongingen... Auf Einmal spürte ich etwas Weiches an meiner Hand. Ich öffnete sie und sah eine Feder. Schwarz war sie; in meinem Zimmer waren die Fenster offen und der Wind wehte sie geradeaus auf meinen Tisch, genau auf die Geige... "Eine schwarze Feder?"... Bestimmt wollte man mich in den Wahnsinn treiben und ganz bestimmt war das ein Traum. Ich lege mich jetzt ins Bett, dachte ich, und wenn ich wieder aufwache, stelle ich fest, dass das ein blöder Traum war. So wie alle Träume. Kapitel 2: Die zweite schwarze Feder ------------------------------------ An die Freischalter: So, nun habe ich nach jedem Punkt und Komma und Sonstigem ein Leerzeichen gemacht. Ist es endlich richtig? Oô Ich atmete tief ein und öffnete meine Augen und sah zur Uhr: 19 Uhr. Habe ich so lange geschlafen? Vier Stunden war es also her, dass "er" bei mir war. Die Melodie, die er auf der Geige gespielt hatte, bekam ich nicht mehr aus meinen Gedanken heraus. Sie war unglaublich schön - und er übrigens auch! Ich ertappte mich, wie ich bei diesem Gedanken lächelte und stellte dies sofort ein. Ich hielt Inne. Das will ich mir gar nicht erst angewöhnen!, dachte ich. Aber wieder schwelgte ich in Erinnerungen ... und vermisste meine Mutter sehr. Ihre Zärtlichkeit fehlte mir sehr, ihre Liebe und Zuneigung. Dass ich mit meinen jungen 16 Jahren, kein einziges Elternteil mehr habe, erschien mir plötzlich unendlich grausam. Und meine kleine "Ich bin wieder da!" -Angewohnheit, die ich mache, wenn ich von der Schule Nachhause komme,obwohl ich weiss, dass niemand da ist,kam mir ebenfalls unendlich traurig vor ... Ich beschloss an die frische Luft zu gehen und meine Hausaufgaben für heute erstmal ruhen zu lassen. Es dämmerte schon , und ich dachte mir ich mache einen schnellen, kleinen Spaziergang um nicht bei Dunkelheit noch auf den Straßen rumlungern zu müssen. Ich machte einen unsicheren Schritt aus der Wohnung heraus. "Gefühlsduselei!", sagte ich laut , fasste wieder Mut und ging mit sicheren Schritten schnurstracks nach draußen, "Wenn ich ihn wiedersehe, sage ich ihm, dass er ein Idiot ist. Was weiss er schon?"Naja, wenigstens war meine "Ich bin wieder da!"-Angewohnheit nicht umsonst , denn er ist ja schon im Haus gewesen, bevor ich drin war. Oder? Plötzlich zupfte mich jemand an meiner Jacke und erschrocken wich ich ein Stück zur Seite: "Was zum ...?!" "Du hast das hier verloren", sagte mir ein kleines Mädchen und ob ich es haben wollte oder nicht, streckte sie mir die schwarze Feder entgegen, "Sie ist wunderschön!Pass auf , dass du sie nicht nochmal verlierst!" Sie bewegte den Kopf zur Seite , als sie lächelte und ihre kleinen blonden Löckchen wehten im Wind. Ich nahm widerwillig die Feder. "Wie heisst du?!" ,fragte sie mich fröhlich und hüpfte um mich herum. "Bist du dumm, oder so?", entgegnete ich verärgert. Es reicht, dachte ich. Ich wollte einfach meine Ruhe haben ... "Ja, ich bin voll blöd. Hihihi.", hüpfte sie quietschfröhlich weiter und fügte hinzu: "Woher hast du diese Feder und von wem?" "Ehhm... ", stotterte ich. Ich wollte mich gar nicht auf sie einlassen. Hätte doch nicht aus dem Haus gehen sollen. "Wieso gefällt es dir blöd zu sein?", fragte ich skeptisch, "mir gefällt es, wenn die Leute meine naturwissenschaftlichen Arbeiten bewundern und ich mit meiner Logik neue Systeme aufstelle und verstehe wie Physik funktioniert. " "Physik funktioniert auch ohne uns.", hörte sie auf zu hüpfen und ergriff einen bitterernsten Ton, "aber Vertrauen, Freundschaft und Liebe nicht. Und wenn du das blöd nennst, dann will ich blöd sein!" Die Betrübnis hielt nicht lange an, wieder fing sie an um mich herum zu hüpfen und fragte:"Willst du meine Freundin werden?" "Nein!", schrie ich, "auf keinen Fall ! Wer will schon mit so einer verrückten wie dir befreundet sein?" Sie schaute mich traurig und fragend an. "Ich dachte, wir passen gut zusammen..." Mir tat es irgendwie auch Leid ein so kleines Mädchen abzuweisen, aber für heute wollte ich erst einmal wieder Nachhause. Auch wenn das eigentlich kein Zuhause ist, dachte ich. "Wieso gehst du nicht einfach nach Hause?",fragte ich das kleine Mädchen. "Ich habe keins." Ich glaube, sie hatte Recht. Naja, vielleicht passten wir nicht zusammen, aber in dem Punkt hatten wir eine Gemeinsamkeit. Zum Teufel ... Ich wusste nicht, was in mich gefahren war, aber ich fragte sie tatsächlich: "Willst du zu mir nach Hause kommen? Ich wollte gerade Zutaten holen, um etwas zu kochen." Wie erwartet war die Antwort von ihr: "Jaaaaaaaaaaaaaaaaaa! Apfelkuchen, Apfelkuchen!" "Ich sagte kochen, nicht backen!" Und trotzdem kauften wir uns Äpfel ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)