Koi no Mega Lover von Yuu- ================================================================================ Kapitel 2: Wenn zwei sich streiten, lächelt die Wahrheit -------------------------------------------------------- „Lebe den Moment, denn Morgen kann bereits alles anders sein.“ Als meine Oma noch gelebt hat, sagte sie diese Worte oft zu mir. Ich habe nie wirklich verstanden, was sie damit meint. Jedenfalls nicht bis zu dem heutigen Morgen. Es ist wirklich erschreckend, wie sich tatsächlich alles über Nacht verändern kann. „Ich versteh nicht, wieso du dich so darüber aufregst. Es ist bloß eine Nummer. Du kannst gern mein Handy überprüfen, ich hab ihn ja noch nicht mal angerufen.“ „Aber du hast es vor, sonst hättest du sie ja wohl nicht aufgehoben!“ So geht das schon die ganze Zeit. SAN und Reita streiten sich, wegen Uruhas Handynummer, die der Nasenbandträger mehr durch Zufall in SANs Eigentum gefunden hat. Ich habe mich recht schnell dafür entschlossen, mich da besser nicht einzumischen. Ich meine, ich bin sowieso nicht der größte. Wenn ich mich einmische bin ich bestimmt einen weiteren Kopf kleiner. Wir bleiben vor Genkis Haus stehen und ich klingle, woraufhin Besagter stürmisch die Haustür öffnet und durch den Garten zu uns flitzt. „Morgen, ihr Freaks!“ begrüßt er uns wie jedes Mal und schließt das Gartentor hinter sich. Da er nur ein einziges „Guten Morgen“ zurückbekommt, weil sich SAN und Reita noch immer anschreien, sieht er mich fragend an, in der Hoffnung ich könne ihm das erklären. „Uruha hat Blue wohl seine Handynummer gegeben und Noseless glaubt, dass er ihn mit Uruha betrügen will.“ erkläre ich die Situation, soweit ich sie selbst mitbekommen habe. „Du hast Uruhas Handynummer?!“ Für einen Moment war ein Blitzen in Genkis Augen zu sehen, doch genauso schnell wieder verschwunden. „Ich meine…wie hast du den denn dazu gebracht, dir seine Handynummer zu geben?“ meint der Blondgebleichte und klingt schon desinteressierter als gerade eben noch. „Er hat sie mir einfach in die Hand gedrückt und ist dann gegangen.“ erklärt SAN knapp. „Ja, in der Hoffnung, du würdest dich melden und dich einmal kräftig von ihm durchnudeln lassen!“ wirft Reita ihm gleich wieder schreiend vor. „Na und wenn schon?! Ich HABE ihn ja NICHT angerufen, also WAS ist dein verficktes Problem?!“ „Mein Problem ist, das du es bestimmt noch getan hättest, sonst hättest du die Nummer ja nicht behalten, oder sehe ich das falsch?!“ „Mo-moment mal!“ mischt sich Genki wieder ein und sieht zwischen den beiden hin und her. „Wieso sollte jemand wie Uruha denn einen Freak wie Blue vögeln wollen?“ Na super. Von Genkis Art und Weise Streitereien zu schlichten, habe ich ja noch nie sehr viel gehalten. Aber besser er muss dran glauben, als ich. „Weil er ein Cheerleader ist. Cheerleader poppen alles, was nicht bei drei auf dem nächsten Baum ist!“ erklärt Reita noch immer in einer unangenehmen Lautstärke. „Aber keine Freaks.“ „Na scheinbar ja doch, sonst hätte er Blue ja nicht seine Handynummer gegeben!“ Als plötzlich an unserer aller Ohren das Geräusch von Papier, das zerrissen wird, dringt, sehen wir fragend in die Richtung. „Da, bitteschön. Ich hab die Nummer zerrissen. Bist du jetzt zufrieden?!“ meint der Blauhaarige schließlich gekränkt und lässt die Papierschnitzel vom nächsten Windzug davontragen. Reita grummelt etwas für mich Unverständliches, als er an SAN vorbei geht um den Schulweg anzutreten. Der Blauschopf schüttelt daraufhin verständnislos mit seinem Kopf und folgt seinem Freund schnellen Schrittes. Ich will dasselbe tun, wundere mich aber, warum Genki keine Anstalten macht, sich ebenfalls in Bewegung zu setzen. „Was ist denn los Tongue? Wir kommen noch zu spät wenn du nicht gleich einen Zahn zulegst.“ „Ach,…mir ist gerade eingefallen dass….dass… Ach ja, ich hab was zuhause vergessen! Geh schon mal vor und pass auf, dass die beiden sich nicht köpfen!“ Als ich mich zu besagten Streithähnen umdrehe und sehe, dass sie sich tatsächlich schon wieder anschreien, nicke ich und renne zu den beiden, um sie auseinander zu halten. Später im Klassenzimmer habe ich mich dazu entschieden, sicherheitshalber Reitas Platz, der nämlich neben SANs gewesen wäre, einzunehmen. In jedem anderen Fall hätten sich die beiden wohl tatsächlich noch die Köpfe eingeschlagen. „Kannst du verstehen, warum er sich über so etwas Bescheuertes aufregt?!“ flüstert mir SAN schließlich zu, kaum das der Unterricht begonnen hat. Ich überlege kurz, ehe ich meinen Kopf schüttle. „Ich verstehe nicht, warum er immer noch sauer ist. Wo du die Nummer doch entsorgt hast…“ „Ich verstehe nicht, warum er überhaupt sauer ist. Ich dachte, er würde mir vertrauen.“ Vertrauen, etwas sehr Wichtiges in jeder Beziehung. Wieder einmal übertrage ich die Situation meines Vorbildpärchens auf mich und meine unerwiderte Liebe. Könnte ich jemandem wie ihm vertrauen? Immerhin kursieren öfter mal Gerüchte um den heißen Cheerleader-Kapitän darum, dass er untreu sei und auch Daisuke schon betrogen habe. Ein zerknülltes Stück Papier, das gegen meinen Hinterkopf prallt, reist mich aus meinen Gedanken und ich drehe mich zu dem Werfer um. Es ist Reita, der nur ein genervtes „Na endlich“ von sich gibt, als ich ihn ansehe. Der Platz neben ihm ist noch immer leer. Komisch, normalerweise müsste Genki doch schon längst aufgetaucht sein. Sollte das nämlich nicht bis zur Pause geschehen, wird es mit absoluter Wahrscheinlichkeit eine Katastrophe geben. Immerhin kann ich mich nicht in der Luft zerreisen und für beide gleichzeitig da sein. „Kommst du nächste Stunde nach hinten?“ Ich nicke dem Nasenbandträger zu und drehe mich dann wieder nach vorne. „Was schreibst du da?“ frage ich meinen blauhaarigen Banknachbar und sehe ihn fragend an. „Wir sollen abschreiben was auf der Tafel steht.“, antwortet er knapp und deutet einmal nach vorne. „Kann ich ein Blockblatt haben?“ Die erste Stunde ist relativ schnell vergangen, weswegen ich mich schließlich erhebe und mich nach hinten zu Reita setze. „Was haben wir jetzt?“, will dieser gleich von mir wissen. Da haben wir den Stundenplan schon eine halbe Ewigkeit und der Kerl kennt ihn immer noch nicht. Das war so typisch. Immerhin kennt er ja noch nicht einmal die ganzen Namen unserer Klassenkameraden, und das, obwohl sich diese Klasse hier seit der Mittelschule kaum verändert hat. „Geschichte.“ Ich krame also in meiner Tasche nach meinem Geschichtsbuch und finde es schließlich, als der Lehrer zur Tür hereinkommt um den Unterricht wenige Minuten später zu beginnen. „Ich werde mit ihm Schluss machen…“ höre ich Reita plötzlich sagen und drehe mich ungläubig zu jenem um. „Aber wieso denn?“ Das darf nicht sein! Wenn SAN und Reita kein Paar mehr wären, würde das doch mein komplettes Weltbild von der perfekten, wahren Liebe zerstören. Außerdem, wer hilft mir dann dabei, meine Tagträume interessanter zu gestalten?! „Weil mich der Gedanke verrückt macht, dass er mich betrügen könnte. Und dann auch noch mit einem Cheerleader.“ „Aber Blue hat doch gar nichts getan. Findest du nicht, dass du gerade ein bisschen übertreibst?“ Seine Brauen ziehen sich gefährlich zusammen und seine Stirn liegt in Falten. „Du findest also, dass ich übertreibe?! War irgendwie so klar, das du zu Blue hältst.“, muss ich mir schon im nächsten Moment vorwerfen lassen. Ich will gerade erwidern, als die Türe aufgerissen wird und sich die Blicke aller auf den stürmisch eintretenden Genki richten. „Sorry, hab verschlafen.“ Mit diesen Worten setzt er sich auf den freien Platz im Klassenraum, welcher zu diesem Zeitpunkt der neben SAN ist. Dann dreht er sich zu mir um. „Streiten die etwa immer noch?“ Ich nicke ihm etwas verzweifelnd zu, sehe, wie Genki sich nach einem kurzen Nicken zu San dreht. Weil der Unterricht natürlich weiter geht, sind die beiden gezwungen, sich so leise wie möglich zu unterhalten, was zur Folge hat, dass ich kaum etwas davon mitbekomme. Andererseits habe ich mit Reita aber auch genug zu tun. Natürlich versuche ich ihm diese dumme Idee, die Liebe seines Lebens wegen so einer Kleinigkeit zu verlassen, auszutreiben. Aber je mehr ich sage umso sauerer wird er dabei auf mich. Also ein geborener Streitschlichter bin ich ja auch nicht gerade, das wird mir in solchen Momenten wieder klar. Deswegen entscheide ich mich dazu, aufzugeben und schweige stattdessen bedrückt. Endlich, der erlösende Klang der Pausenglocke. Die Luft hier ist nicht mehr auszuhalten, weswegen ich auch einer der Ersten bin, der das Klassenzimmer in Windeseile verlässt. SAN folgt mir zügig, während Reita sich Zeit lässt und Genki seinen Hintern gar nicht erst in Bewegung setzt. „Was hat Noseless dir gesagt?“ „Nichts…“, lüge ich, ohne dabei stehen zu bleiben, bis ich tatsächlich im Pausenhof angekommen bin. „Bommel?!“, nehme ich erneut SANs Stimme wahr, drehe mich dennoch nicht zu ihm. Ich kann ihn nicht ansehen, es geht einfach nicht. „Mh?“, gebe ich daher kurz und knapp von mir, suche einen Punkt den ich in aller Ruhe anstarren kann, nur um meinem Freund nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Reita will ihn verlassen, möchte sich wirklich von ihm trennen. Und das nur wegen einer dummen Kleinigkeit. Natürlich gebe ich mir selbst die Schuld daran. Wenn ich SAN nämlich nicht festgehalten und gebeten hätte, nicht von meiner Seite zu weichen, und wenn ich dann nicht panisch die Flucht ergriffen hätte, dann wäre es mit Sicherheit gar nicht erst so weit gekommen. Ich spüre, wie mich der Blauhaarige unsanft zu sich dreht und versucht, Augenkontakt herzustellen. „WAS hat Noseless zu dir gesagt?!“ „Ich habe ihm gesagt dass ich mich von dir trennen werde, Blue…“ Der Angesprochene zuckt leicht zusammen, als er so plötzlich Reitas Stimme wahrnimmt und seine Augen weiten sich schlagartig, als er sich über den Inhalt der Worte bewusst geworden ist. Eilig dreht er sich zu dem Nasenbandträger um, während mein Blick den Boden sucht. „Was?! A-aber das kannst du doch nicht machen…“ Dafür, dass er gerade verlassen worden ist, schlägt er sich tapfer. Seine Stimme ist nur leiser geworden. Ich dagegen kämpfe mit den Tränen. Wenn man bedenkt, dass ich deren Beziehung irgendwie indirekt mitgeführt habe, dann ist das auch gar nicht so absurd, wie es sich vielleicht anhören mag. „Du siehst doch, dass ich es kann.“, entgegnet Reita knapp. Man hört ihm an, dass er noch immer wütend ist. „Und das nur, wegen dieser dummen Nummer?!“ „Es geht hier ums Prinzip, Blue.“ „Was denn bitte für ein Prinzip?!“ Nun klingt auch SAN wieder wütend, verschränkt seine Arme. „Weißt du was? Mit jemandem, der mir kein bisschen vertraut, will ich gar nicht zusammen sein.“ „Na fein. Dann hat sich die Sache ja damit erledigt.“ Mit diesen Worten entfernt sich Reita von uns und verschwindet schließlich wieder im Schulgebäude. „G-Gomen…“ schluchze ich leise und wische mir die Tränen aus dem Gesicht, noch bevor SAN sie sehen kann. „Wofür entschuldigst du dich denn?“ Er sieht mich durchdringend an, ehe er mich kurz entschlossen in den Arm nimmt. „Du kannst doch nichts dafür. Außerdem…wir reden von Noseless. Der wird sich schon wieder beruhigen…“ Dass er selbst nicht an seine Worte glaubt, ist deutlich zu hören. Ich bin wirklich jämmerlich. SAN ist der Verlassene, derjenige, der jetzt Trost braucht. Stattdessen heule ich hier rum und muss mich von ihm trösten lassen. „Hör mal, ich krieg das schon wieder hin, ja Bommelchen? Ich glaube, ich weiß auch schon wie…“ Ich sehe auf und dem Blauhaarigen ins Gesicht, bevor ich seinem Blick folge. Schnell erblicke ich sein Ziel: den Cheerleader Uruha, der gerade neben dem beliebten Fußballer Daisuke sitzt und sich mit ihm unterhält. Wenn ich so darüber nachdenke, dann sehe ich diesen Anblick relativ häufig. Er wird Jui doch nicht etwa fremdgehen? Ich glaube ich müsste ihn töten, sollte ich etwas Derartiges mitbekommen. Aber vermutlich geht das gar nicht so tief. Er wäre ja auch schön blöd, wenn er so jemandem wie Jui betrügen würde. Ich habe zwar mal wieder nicht realisiert, dass sich SAN von mir gelöst und zu den beiden hinüber gegangen ist, aber zum Glück sind meine Augen gerade noch so gut, dass ich es sehen kann. „Wir müssen uns unterhalten.“ SAN baute sich vor Uruha auf und verschränkte wütend die Arme. Die Blicke Uruhas, als auch die Daisukes richten sich auf ihn. „Verschwinde, Freak.“, entgegnet Uruha gleich und deutet mit einer Handbewegung an, das SAN sich verziehen soll. „Aber er hat mich verlassen, deinetwegen.“ Der Blick des schwarzhaarigen Fußballers richtet sich auf Uruha. Ungläubig hebt er seine Augenbraue und sieht den Cheerleader an, als habe er ihn gerade in diesem Moment ebenfalls als Freak abgestempelt. „Ich weiß überhaupt nicht, wovon er spricht!“, versichert Uruha daher gleich, erhebt sich aber doch und schubst SAN im nächsten Moment von der Bank soweit weg, das sie sich unterhalten können, ohne das eben dieser mithören kann. „Was bildest du dir eigentlich ein mich in aller Öffentlichkeit anzusprechen? Glaubst du etwa, dass wir Freunde sind, nur weil wir gestern zusammen Eis essen waren??“ giftet Uruha gleich los und sieht sein Gegenüber verständnislos an. „Nein, aber mein Freund glaubt das und hat mich deswegen verlassen!“ Der Cheerleader hob ungläubig eine Augenbraue. „Du hast einen Freund?“ „Hast du mir nicht zugehört? Ich sagte ich HATTE einen Freund, der mich deinetwegen verlassen hat.“ Uruha hat seine Schwierigkeiten, dem zu folgen, was der Blauhaarige ihm sagt, da ihm die Blicke Daisukes irgendwie nervös zu machen scheinen. „Ach, und da dachtest du, du könntest vielleicht mit mir zusammen kommen, oder wie?“ „Bist du so doof oder tust du nur so?! Ich möchte, dass du Reita erklärst, warum du mir deine Handynummer gegeben hast.“ Sogar Uruha hört die Verzweiflung die in SANs Worten und hätte vermutlich auch darauf reagiert, wenn ihm DIE nicht im Nacken sitzen würde. So aber ist sein Ziel vor dem Fußballer möglichst cool zu wirken und cool ist man in so einer Situation nur, wenn man gemein und herablassend zu dem Freak ist. „Ich werde niemandem irgendwas erklären. Ernsthaft, was geht mich fremdes Elend an?!“ Mit diesen Worten dreht er SAN schließlich den Rücken zu und will sich wieder auf den freien Platz neben Daisuke setzen, als er relativ unsanft zurückgehalten wird. SAN hat nach seinem Arm gegriffen und zieht ihn zu sich. Dabei hat er wohl seine Kraft unterschätzt. Oder Uruha hat nicht mit so einer Zugkraft gerechnet. Auf jeden Fall landet der Cheerleader sanft auf dem Freak, während dieser unsanft auf dem Boden aufschlägt. Weil das verdammt schmerzhaft aussieht, zumindest für den armen SAN, kneife ich die Augen zu, blinzle nachdem ich keine Reaktion hören kann. Die beiden waren sich, dafür, dass sie sich nicht mal wirklich leiden können verboten nahe und sehen sich fest in die Augen. Fast schon panisch sehe ich mich auf dem Schulhof um und einmal hinüber zum Gebäude, den Blick über die Fenster schweifend. Fast schon erleichtert bin ich darüber, dass ich von Reita weit und breit nichts sehen kann. Denn würde er diesen Anblick erspähen, dann wäre es wohl endgültig aus. „Würdest du bitte HEUTE noch von mir runtergehen?!“ keift SAN schließlich, nachdem Uruha von sich aus keine Anstalten macht, sich zu erheben. „Wenn du nicht an mir gezogen hättest, wie ein Blöder, dann wären wir nicht in diese scheiß Situation gekommen.“, murrt der Brünette und klopft sich die Klamotten sauber, nachdem er sich erhoben hat. Dann dreht er sich erneut zu der Bank, um frustrierender Weise festzustellen, das Daisuke bereits verschwunden ist. Ist aber auch kein Wunder, denn schließlich ist die Pause schon seit wenigen Minuten zu Ende, stelle ich fest, als ich einen Blick auf die Uhr werfe. Also begebe ich mich zu meinem Freund und reiche ihm die Hand um ihm das Aufstehen zu erleichtern. Zusammen machen wir uns auf, dem Cheerleader zu folgen und zurück in unser Klassenzimmer zu gehen. Ich öffne die Tür zum Klassenzimmer und mache mich schon darauf gefasst, mächtigen Anschiss vom Lehrer zu bekommen, als ich erleichtert feststelle, dass er noch gar nicht da zu sein scheint. Mein Blick schweift zu unseren Plätzen. Reita sitzt auf seinem Platz und nimmt gerade einen Fineliner durch die Mangel, verzieht dabei wütend das Gesicht, während Genki eine Reihe weiter vorne saß und Papierschnitzel zusammen fügt. Dieser Anblick hat was von Beschäftigungstherapie im Irrenhaus. Irgendwie lustig. „Was machst du denn da, Tongue?“ Völlig verschreckt über SANs plötzliches Erscheinen schiebt der Angesprochene die Papierschnitzel zurück auf einen wirren Haufen und sieht den Blauhaarigen ertappt an. „G-Garnichts.“ Ich setze mich zu Reita. „Wo ist der Lehrer?“ „Freistunde.“ bekomme ich die knappe Antwort, während ich ihm weiter dabei zusehen darf, wie er den armen Fineliner misshandelt und dabei wütend zu SAN nach vorne sieht. „Alles in Ordnung…?“, frage ich besorgt und sehe den Nasenbandträger an. „Wie konntest du das zulassen?!“ „Was zulassen?“ Mein Blick wirkt verwirrt. Vermutlich, weil ich es auch bin. „Dass Uruha gleich über Blue herfällt. Wie konntest du dabei stehen und zulassen, dass ich so gedemütigt werde?!“ Na toll. Er hat es also doch gesehen. Und wieder ist er sauer auf …mich?! „Was hätte ich denn deiner Meinung nach machen sollen? Mich dazwischen werfen?!“ Langsam reist auch mir der Geduldsfaden. „Wäre zumindest eine Möglichkeit gewesen.“ „Reita, es reicht.“ mischt sich schließlich SAN ein und dreht sich zu uns um. „Glaub von mir aus, was du glauben willst, aber lass gefälligst Bommel da raus. Er hat nichts damit zu tun.“ Spinne ich oder ist SAN tatsächlich kurz vorm weinen? Seine Stimme klingt zumindest sehr danach und er hat Reita auch bei seinem Namen genannt, das tut er sonst nur wenn er wirklich angefressen ist. Der Blauhaarige erhebt sich und sieht starr zu Boden, kämpft krampfhaft mit seinen Tränen. „Ich geh ins Sekretariat und lass mich befreien. Mir geht es nicht gut.“ Wenige Sekunden später ist die Tür ins Schloss zurückgefallen und SAN durch diese verschwunden. Seufzend sehe ich ihm nach. Vor der Tür wischt er sich die Tränen ab und bleibt kurz stehen um sich zu besinnen, als sich just in diesem Moment die gegenüberliegende Tür öffnet und Uruha hinaustritt. Sofort verfinstert sich SANs Blick und Uruha sieht auf. „Na so was, du schon wieder. Wenn das so weiter geht, muss ich wohl wirklich langsam befürchten, dass du mich bestalkst.“, meint er scherzhaft und grinst blöd. „Halt die Klappe!“, keift SAN, sieht den Cheerleader abwertend an. „Du und deine dämliche Handynummer haben mein Leben zerstört!“ Der Beschuldigte hebt ungläubig eine Augenbraue. „Was habe ich? Meinst du nicht, das du jetzt ein bisschen übertreibst?“ „Ich übertreibe nicht!“, schluchzt SAN, kann seine Tränen nicht mehr zurückhalten. „Reita hat mich verlassen. Deinetwegen misstraut er mir. Ich hasse dich!“ Das sind die letzten Worte gewesen, die der Blauhaarige Uruha an den Kopf geworfen hat, ehe er so schnell seine Füße ihn tragen können in Richtung Sekretariat verschwunden ist. Dieser verschränkt grübelnd die Arme und sieht dem Blauschopf nach, bis er schließlich nicht mehr zu sehen ist. Dann seufzt er resigniert und verschwindet im Jungenklo. Als wir am Ende des Schultages das Schulgebäude zum Heimgehen verlassen, fällt mir ein Flyer an der großen Eingangstür auf. „Cheerleading Competition“. Stimmt ja, die ist ja auch bald wieder. Das dürfte auch erklären, warum mir der Traum meiner schlaflosen Nächte heute kein einziges Mal über den Weg gelaufen ist. Ich habe es bis jetzt nicht einmal bemerkt, wegen dem ganzen Stress um SAN und Reita. Auch wenn ich deren erneutes Zusammenkommen aufgegeben habe, so wünsche ich mir doch, dass die beiden wenigstens wieder Freunde werden können. Immerhin habe ich sie beide sehr gerne. Endlich macht es auch Sinn, das Genki am Anfang so gegen diese Beziehung war. Er hat wohl geahnt, dass es so enden wird. Dennoch wirkt auch er darüber überrascht. Kein Wunder, gestern hingen die beiden noch turtelnd aneinander und heute ist bereits alles vorbei, ein Universum zerstört. So einfach kann es gehen. Erschreckend. „He, du da. Warte mal.“ dringt plötzlich eine Stimme an unsere Ohren und wir drehen uns zu dieser um. „Uruha?!“ stellt Genki wieder mit diesem Glitzern in seinen Augen fest. Tatsächlich stehen der Cheerleader Uruha und der Fußballer Daisuke nun vor uns. „Ähhh…kennen wir uns?“ entgegnet der Cheerleader Genki mit gehobener Augenbraue. Dieser schüttelt daraufhin mit dem Kopf und geht einen Schritt zurück, sodass es den Anschein hat, als würde er sich leicht hinter Reita verstecken wollen. „Was willst du?“ frage ich Uruha ruhig. „Hugo, richtig? Ich wollte mir mal deinen Freund mit der Nasenbinde ausleihen.“ „Sprich nicht von mir in der dritten Person. Ich steh neben dir, du Arsch!“ regt sich Reita gleich wieder künstlich auf, stellt dabei einen Fuß nach vorne und ballt die Hände zur Faust, hält sie zudem in Brusthöhe. Eine eindeutige Angriffshaltung, die Genki Gott sei Dank dazu animiert, seine Hand auf die Schulter des aggressiven Nasenbandträgers zu legen und somit zu signalisieren, dass er sich doch bitte beruhigen soll. „Komm mal wieder runter, Kleiner. Ich muss mit dir sprechen. Alleine.“ Reita plustert sich demonstrativ auf. „Kleiner?! Du bist gerade mal n paar cm größer als ich!“ „Hör zu, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit und was ich dir sagen will könnte dich durchaus interessieren.“ Uruha verschränkt seine Arme und sieht Reita durchdringend an. Die Neugierde von mir und Genki hat er schon lange auf seiner Seite, doch Reita stellt sich noch immer quer. „Noseless komm schon. Du kannst ihn dir ja wenigstens mal anhören…“, schlage ich vor. „Ja, genau! Aber denk dran, ne Prügelei bringt dich auch nur in sofern weiter, dass du suspendiert wirst!“, wirft Genki mit ein. Reita sieht überlegend zu Boden und schweigt in sich hinein. „Uruha vergiss es. Das sind Freaks, mit denen solltest du dich sowieso nicht abgeben.“, meldet sich der bis eben stille Beobachter Daisuke, der Uruha gleich am Arm packt und mit sich mitzieht. „Wo du Recht hast. Da will man ihnen einmal einen Gefallen tun~“ „Halt warte!“ meint Reita schließlich, woraufhin Uruha stehen bleibt, während Daisuke nur ein „Ich hab für so was echt keine Zeit“ von sich gibt und weiter Richtung Turnhalle geht, letztendlich in dieser verschwindet. „Sag, was du zu sagen hast, aber tu es schnell.“ Uruha verschränkt daraufhin seine Arme und sieht erst Genki, dann mich mit viel sagendem Blick an. Da der Blonde allerdings nicht so wirklich zu verstehen scheint, greife ich nach seiner Hand und ziehe ihn mit mir. „Komm Tongue, sonst verpassen wir noch den Bus.“ Genki stolpert mir hinterher. „Aber wir fahren nie mit dem Bus!“ „Halt den Mund und komm einfach mit.“ „Also, du bist dann also Reita?“ meint Uruha schließlich, als wir außer Reichweite waren. „Wer will das wissen?!“, keift der Angesprochene gleich giftig zurück. „Ich, damit ich dem Richtigen sage, was ich zu sagen hab.“ „Keine Angst, Reita steht vor dir.“ Uruha nickt leicht, sieht sein Gegenüber dann fest an. „Ich habe SAN meine Handynummer gegeben, damit wir deinen kleinen Freund vermitteln können.“ Die Augen des Kurzhaarigen weiteten sich. „Shougo?!“ Uruha nickt. „War nicht zu übersehen, dass er auf Jui steht. Aber was das Cool-Sein betrifft, braucht er dringend Nachhilfe.“ „Das stimmt wohl, aber was interessiert es dich? Ich meine, was hast du davon? Das du jetzt einen auf Samariter machen willst, kauf ich dir nicht ab.“ Der Cheerleader verzieht wütend sein Gesicht. „Na hör mal. SO egoistisch wie du tust, bin ich nun auch wieder nicht.“ Auf die Aussage hin hebt Reita ungläubig eine Augenbraue und sieht den Anderen fest an. „Na schön, na schön. Du hast natürlich Recht. Mir geht es dabei um Daisuke.“ „Um Daisuke?!“ „Ja. Aber solltest du darüber ein einziges Wort zu irgendjemanden verlieren, bist du tot.“ Der Nasenbandträger zuckt mit seinen Schultern und sieht sein Gegenüber desinteressiert an. „Ist mir eigentlich vollkommen gleich was du tust und treibst, solange du meine Freunde in soweit raus hältst, dass sie am Ende nicht für deine Fehler gerade stehen müssen. Andernfalls kann ich dir nicht versprechen, dass dein Geheimnis bei mir sicher ist.“ Uruha nickt einwilligend und reicht Reita seine Hand. „Abgemacht.“ Reita greift nach der Hand um das ganze schließlich Offiziell zu besiegeln, zieht den Cheerleader dann aber an sich heran. „Aber lass deine Finger von SAN. Er gehört mir!“, wispert er drohend in Uruhas Ohr. Dieser nickt gelassen. „Dann solltest du jetzt aber auch zügig zu ihm gehen, und ihm sagen, dass es wieder so ist.“ „Gute Idee~“, meint der Nasenbandträger schließlich, löst sich von dem Anderen um dann zügig seinen Heimweg anzutreten. „Na ihr Hampelmänner, wie geht’s voran?“ Daisuke betritt die Turnhalle grinsend und sieht zu den Cheerleadern, die gerade mit ihren Ponpons rhythmisch zur Musik tanzen, als Jui abrupt stoppt und seinem Freund in die Arme stürmt, ihn zur Begrüßung küsst, ehe er ihm auf die gestellte Frage eine Antwort gibt. „Nicht so besonders. Ohne Uruha bringt das Training sowieso nichts. Aber was soll man machen? War eben ein schlechtes Timing, dass er ausgerechnet heute diese Klausur nachschreiben musste.“ „Klausur?“ Der Schwarzhaarige hob eine Augenbraue. „Aber Uruha hat heut gar keine Klausur geschrieben. Ich meine, ansonsten wäre er doch nicht normal in die Pause gekommen.“ Jui sieht seinen Freund ungläubig an. „Er…war in der Pause…?“ Dieser nickt. „Ja, wenn ich es doch sage. Ich mein ich muss es wissen, er hing nämlich die meiste Zeit bei mir ab.“ Der Cheerleader Kapitän löst die Umarmung zu seinem Freund und sieht irritiert und recht nachdenklich zu Boden, solange, bis DIE sein Kinn anhebt um erneut Augenkontakt herzustellen. „Hey, Süßer. Du wolltest mir doch noch irgendwas sagen, oder? Da wir das gestern ja wegen meines Trainings nicht mehr hinbekommen haben, wollte ich mal nachfragen, ob das noch irgendeine Relevanz hat.“ Es dauert eine Weile, bis Jui darauf reagieren kann, da er seine Gedanken erst einmal sortieren muss, um überhaupt wieder darauf zu kommen, was er gestern von Dai gewollt hat. „Achso!“, meint er schließlich und lächelt leicht. „Ich wollte dich fragen, ob du mit mir ein Eis essen gehst. Aber es hat sich ja dann doch noch jemand gefunden, der mich begleitet hat, also war das nicht so tragisch.“ Daisuke nicht verstehend und lächelt Jui dann wieder an. „Okay. Dann holen wir beide das eben heute nach, wenn du willst und hier rechtzeitig raus kommst.“ Er löst sich von seinem Freund und geht auf den Ausgang zu. „Ruf mich an, ja Süßer?! Und noch viel Spaß euch allen!“ „Tschau Daisuke!“ verabschiedet sich auch der Rest der Truppe von dem Schwarzhaarigen. „Was machen wir jetzt, Jui? Ich meine, wollen wir jetzt wirklich noch auf Uruha warten?“ will Miyavi wissen und sieht den Kapitän fragend an, bemerkt dabei nicht, dass sich sein Freund und Liebhaber von hinten nähert, ihm im nächsten Moment ein Haarreif mit Katzenohren aufsetzt und freudig „Neko!“ durch die Sporthalle ruft. Dieser zuckt im ersten Moment kreischend zusammen. „Boah, ich HASSE es wenn du das tust…“, murrt er leise und schmollt gespielt. Jui beginnt daraufhin zu kichern. „Nein, ihr müsst nicht auf Uruha warten. Geht ruhig nach Hause und amüsiert euch noch ein bisschen. Und bloß nicht wieder streiten, habt ihr verstanden?“ „YAY!“, entgegnet K.T darauf freudig und hängt im nächsten Moment schon an Miyavis Arm. Die Reaktion des Schwarzhaarigen war ähnlich. „Danke Chef!“ Die beiden setzen sich in Bewegung und schlendern Richtung Ausgang, als Miyavi nach dem Haarreif tastet, der noch immer seinen Kopf ziert. „Wo bekommst du so was eigentlich immer her?“ „Cosplay-Shop!“ „DAS hätte ich eigentlich wissen müssen!“ Rums. Die Tür ist zurück ins Schloss gefallen. Doch Jui ist nicht lange allein. Wenige Minuten später öffnet sich die Tür wieder und das vermisste Schaf tritt ein. „Sorry das ich so spät bin, aber ich musste noch was klären.“ Uruha sieht sich in der großen, leeren Sporthalle um. „Wo sind denn die Anderen?“ „Ich hab sie nach Hause geschickt. Wie lief die Klausur?“ Juis Stimme klingt verdächtig, doch das scheint Uruha nicht so wirklich zu bemerken. „Klausur? Achso. Na ja, hätte besser laufen können.“ Jui verschränkt seine Arme und sieht seinen Freund und Kollegen durchdringend an. „So, so.“ Dann schultert der Kapitän seine Tasche und geht an Uruha vorbei. „Wie dem auch sei. Geh nach hause – das Training ist vorbei.“ Im nächsten Moment fällt die Tür erneut ins Schloss und der Alleingelassene dieses Mal war ein verwirrter Uruha, der nicht versteht, warum Jui so extrem wütend darüber ist, dass er zu spät gekommen ist. Ist ja immerhin nicht unbedingt das erste Mal gewesen. Da sieht man mal, wie schnell verborgene Tatsachen ins Licht treten können. Wann immer das geschieht, ist die Veränderung in der Regel nicht mehr aufzuhalten. Aber hinterher sind wir bekanntlich immer schlauer, nicht wahr? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)