Souleater von Creep (Hizumi x Tsukasa) ================================================================================ Kapitel 7: Thunderstorm ----------------------- Ja ich weiß. Ich bin wieder einen Tag zu spät. Schande über mich und meine Sippschaft, Asche auf mein Haupt. Aber nachdem ich gestern in "2012" war, war ich nervlich zu fertig, um noch etwas anderes zu tun, außer mich ins Bettchen zu flüchten. (Ich kann halt keine Katastrophenfilme gucken xD) Genug des Gewäschs. Hier ist es, brandneu und frisch aus der Beta, das neue Kapitel von "Souleater"! *tusch einblenden, bitte!* enjoy *-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-* Ich schließe das gekippte Fenster, obwohl es für meinen Geschmack viel zu heiß in der Wohnung ist. Zu allem Überfluss ist meine Klimaanlage kaputt, doch die Gefahr dass es mir den Wohnzimmerteppich voll regnet ist mir zu groß. Träge schlurfe ich in die Küche und bereite das Abendessen vor. Reis mit Gemüse und Fisch. Das geht schnell und liegt bei dieser Hitze nicht zu schwer im Magen. Während der Reis im Kocher blubbert, leiste ich dem wirren Kerlchen im Wohnzimmer Gesellschaft. Auch wenn er wirklich freundlich ist und mir mittlerweile gar nicht mehr so bescheuert vorkommt wie anfangs, traue ich ihm doch nicht komplett über den Weg. Er sitzt vor dem Fenster und betrachtet den Himmel. „Das wird sicherlich Gewitter geben.“, sage ich und werfe mich aufs Sofa. Meine Hand angelt nach der Fernbedienung, findet sie und schaltet den Fernseher an. Momentan läuft noch Werbung, aber der Videotext verrät mir, dass gleich die Nachrichten anfangen. Hizumi starrt erst auf den Fernseher, scheint dann jedoch gelangweilt und guckt lieber, mich vollkommen ignorierend, aus dem Fenster. Draußen fallen die ersten Tropfen. Endlich. Vielleicht bringt der Regen ein bisschen Kühle in diese widerlich schwüle Sommerluft. Ich strecke mich, meine marode Wirbelsäule knackst. Das kommt davon. Scheiß Bürojob. Sport würde ja dagegen helfen, aber dafür bin ich einfach zu faul. Der alltäglich Gang zur Arbeit und wieder zurück muss reichen! Eine Waschmittelwerbung flimmert über den Bildschirm und lässt mich müde werden. Der Tag heute war ziemlich anstrengend und ich bin froh, wenn ich mich gleich ins Bett schmeißen und endlich schlafen kann. Kurz werfe ich Hizumi einen Blick zu. Der hockt noch immer da, glotzt den Himmel, der mittlerweile am Horizont pechschwarz geworden ist, an und grabscht nach dem Löwenzahn in der Müslischüssel. Der hat sich erstaunlich gut erholt und treibt sogar eine zweite Blüte. Und mich wundert irgendwie, dass mich das alles mittlerweile so gar nicht mehr wundert. Ich schätze mal, das ist die Resignation. Was soll es auch sonst sein? Irgendwann findet man sich mit der Grausamkeit seines Schicksals ab. Was bleibt einem denn schon anderes übrig? Und eigentlich ist er ja wirklich pflegeleicht. Auf jeden Fall mal pflegeleichter als der Kater. Ein stupider Jingle signalisiert mir, dass die Abendnachrichten jetzt beginnen, also wende ich meine geballte Aufmerksamkeit, oder das was davon nach diesem ätzenden Tag noch übrig ist, der Glotze zu. Die Nachrichten sind, wie immer die gleichen. Irgendein Popsternchen hat einmal zu tief ins Glas geschaut und sich dummerweise dabei ablichten lassen, in einem weit entfernten Land herrscht Krieg und ein Mordfall an einem Kind erschüttert das Land. In der Reihenfolge. Doch dann, als die Nachrichtensprecherin, mit penetrant aufgesetzter Freundlichkeit eine weitere Meldung herunter betet, wird Hizumi hellhörig. Er dreht sich um und starrt auf den Bildschirm wie ein Reh in die grellen Scheinwerfer eines Fünftonners. „Die Polizei sucht nun nach dem genauen Herkunftsort des Mannes. Der etwa Fünfundzwanzigjährige, der mitten in der Nacht in der Nähe einer Bundesstraße kurz vor Tokyo aufgegriffen wurde, spricht kaum ein Wort und scheint geistig verwirrt zu sein. Auskunft über seine Herkunft konnte er bislang nicht geben, er trägt weder Ausweis noch Führerschein bei sich. Die zuständigen Ermittler vermuten, dass es sich um einen entlaufenen Klinikpatienten handelt. Bei Hinweisen auf die Person melden sie sich bitte bei der zuständigen Polizeidienststelle.“ Ein Foto wird am oberen Bildschirmrand eingeblendet. Es zeigt einen jungen Mann, der mit leeren Gesichtsausdruck in die Augen der Zuschauer blickt. Ein lautes Rumpeln reißt mich aus meinen Gedanken. Erschrocken fahre ich auf und schaue zu Hizumi, der scheinbar mit dem Rücken gegen das Sofa geknallt ist „Was zum Teufel treibst du eigentlich da unten?“, fauche ich ungehalten. Er scheint mich gar nicht zu bemerken, sondern starrt nur weiterhin auf den TV-Bildschirm, auf dem jetzt der Wetterbericht gezeigt wird. Das wird mir gerade zu bunt. „Hallo. Erde an Hizumi! Was ist los mit dir?“ Ich wedele mit der ausgestreckten Hand vor Hizumis Gesicht herum, in der Hoffnung wenigstens den Hauch einer deutbaren Reaktion zu bekommen. Natürlich bekomme ich die nicht. War klar. Ich steht seufzend auf und schüttelt den Kopf. Dann gehe ich in die Küche um den Rest des Abendessens vorzubereiten. Obwohl ich versuche mich mit allen fünf Sinnen auf das Gemüseschälen zu konzentrieren lässt mir Hizumis merkwürdiger Ausbruch keine Ruhe. Ein Gedanke schleicht sich ein. Der Bericht handelte von einem Mann ohne Herkunftsort, ohne Identität. Genau wie Hizumi. Doch das Foto zeigte eindeutig jemand anderen. Trotzdem weist die Geschichte dieses Mannes erschreckende Parallelen auf. Immerhin hat auch Hizumi keine Ahnung, woher er überhaupt stammt und wer er eigentlich ist. Er weiß ja nicht mal seinen wirklichen Namen. Je länger ich darüber nachdenke desto gruseliger wird die ganze Geschichte. Wieso tauchen fast zeitgleich zwei identitätslose Personen auf? Ist das nur ein dummer Zufall. Ist so etwas vorher schon einmal vorgekommen, mir aber nie wirklich bewusst geworden, weil ich selbst nichts damit zu tun hatte? Oder gibt es vielleicht einen Zusammenhang? Das ganze Grübeln lässt mein Gehirn weich werden und ich stopfe Gemüse und Fischstückchen in einen Topf, um sie zum Kochen zu bringen. Wieso passiert so was eigentlich immer den Leuten, die absolut nichts damit zu tun haben wollen? Für solche realitätsfernen Ereignisse sind Filme und Bücher da, aber nicht mein Leben! Während das Abendessen friedlich köchelt, wippe ich nervös vom einen Fuß auf den anderen. Ich habe keine Wahl, ich muss Hizumi löchern. Und zwar solange bis er mir Antwort gibt. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, ihn an einen Stuhl zu fesseln, eine Lampe auf ihn zu richten und dann Zero anzurufen, damit er mit mir dieses „guter Bulle, böser Bulle“-Ding abzieht. Aber ich schätze, dass Hizumi dann entweder heulen, oder gar nichts sagen würde. Ich kippe Reis und Fischgemüse zusammen in zwei Schüsseln, die ich ins Wohnzimmer trage. Hizumi hat sich keinen Millimeter gerührt und lässt den Fernseher nicht aus den Augen. Genervt stelle ich die Schüsseln auf den Tisch und schalte das TV aus. Erst diese Handlung scheint ihn aus seiner Trance zu erwecken, denn jetzt gilt Hizumis Blick allein mir. „Abendessen ist fertig. Und beim Essen wird kein Fernsehen geguckt.“, stelle ich klar. Wenn der wüsste. Ich gucke immer beim Essen Fernsehen. Was soll man sonst als Dauersingle auch machen? Ist ja keiner zum Unterhalten da. Und immerhin zählt die Mattscheibe ja zur „Unterhaltungselektronik“. Ich möchte gerne mal wissen, welcher Sarkast sich das mal wieder ausgedacht hat. Als wir beide fertig mit essen sind, räume ich die leeren Schüsseln zurück in die Küche und setzte mich neben Hizumi auf den Boden. Scheinbar hockt er ja lieber auf dem selbigen herum, als sich auf Stühle oder, Gott bewahre, Sofas zu setzen! Er sieht mich fragend an und scheint zu ahnen was ihm blüht. „Also, Kleiner. Ich erwarte jetzt, dass du mir antwortest, sonst schmeiß ich dich nämlich raus.“ Ich hoffe er kauft mir das ab. Tut er scheinbar, denn sein Blick bekommt etwas Ängstliches. „Was weißt du über diesen Bericht heute in den Nachrichten?“ Er sieht mich verständnislos an. „Du weißt genau was ich meine. Der Bericht über den Mann, der nicht weiß wo er herkommt und wie er heißt. Den, den sie nachts an der Straße gefunden haben. Kommt dir da nicht was bekannt vor?“ Jetzt senkt er den Blick und zuckt mit den Schultern. Langsam wird mir die Sache echt zu bunt. „Verdammt nochmal, Hizumi! Ich weiß, dass du reden kannst! Jetzt mach es gefälligst mal wenn ich dich darum bitte. Wieso hat dich die Meldung so schockiert?“ Unweigerlich erhebe ich die Stimme. Die Wirkung folgt auf dem Fuße. Hizumi weicht ängstlich vor mir zurück. Auch wenn mir mein kleiner Ausbruch jetzt schon wieder Leid tut, entschließe ich mich dazu, mich nicht zu entschuldigen. Erst will ich Antworten haben, dann gibt’s ne Entschuldigung! „Also, was ist jetzt?“ Er sitzt da wie ein Häufchen Elend und beißt sich auf der Lippe herum. Ich kann förmlich spüren, wie es in seinem Kopf arbeitet. Dann schürzt er die Lippen, bleibt jedoch stumm. Das übliche Prozedere vor jedem gesprochenen Satz. Gleich wird er etwas sagen. „Ich kenne ihn.“ Mein Gehirn fühlt sich an, als fiele genau in diesem Augenblick ein zwanzig Kilo schwerer Block Gelatine darauf. „Wie, du kennst ihn? Woher?“ „Er war auch da wo ich war. Aber nicht im gleichen Raum.“ Eigentlich hätte ich es mir ja denken können, aber jetzt, wo es ausgesprochen worden ist, erhält dieser Satz einen merkwürdigen Nachgeschmack. Wo zum Henker kommt dieser Typ wirklich her? „Woher weißt du überhaupt, dass er auch da war, wenn du dein Zimmer nie verlassen hast?“, harke ich nach. „Ich hab ihn durch die Tür gesehen.“ Das wird ja alles immer bescheuerter hier. Durch die Tür gesehen. Schon klar. Wieso nicht gleich durch die Wand? Wobei... Wenn es eine Glastür war? Ich stelle fest, dass ich Kopfweh habe. „Und wieso ist er jetzt nicht mehr da wo er hingehört?“ „Weiß nicht.“ In Hizumis Blick sehe ich deutlich, dass das Gespräch jetzt beendet ist. Mehr scheint er wirklich nicht zu wissen. Also erhebe ich mich langsam und schlurfe ins Bad. Ich brauche dringend eine heiße Dusche. Das viel zu heiße Wasser lässt meine sonst eher blasse Haut eine rötliche Färbung annehmen. Ich streiche mir die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und versuche mich wenigstens für den Moment zu entspannen. Das misslingt mir allerdings schändlich. Meine Gedanken schwirren unaufhaltsam um Hizumi. Ich sollte besser nicht noch einmal erwähnen, dass ich gerade unter der Dusche stehe. Für Außenstehende könnte es komisch wirken, wenn ich berichte, wie ich allein unter der Dusche an einen anderen Kerl denke. Also vergessen wir die Sache mit der Dusche und konzentrieren uns darauf, dass ich an Hizumi dachte. Ohne Dusche, dafür aber mit Klamotten. Irgendetwas war verdammt faul an der Sache. Ich würde noch gleich morgen zu Zero gehen und ihn darauf ansprechen, vielleicht war er zur Abwechslung mal klüger. In ein Handtuch eingewickelt tapse ich ins Badezimmer, das sich zum Glück nur durch mein Schlafzimmer erreichen lässt, was eine „Hizumi-Gefahr“ gänzlich ausschließt. Wenige Sekunden später verlasse ich den Raum in T-Shirt und Shorts gehüllt. Alles andere wäre zu warm. Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Erst halb neun. Wäre es peinlich schon um diese Uhrzeit ins Bett zu gehen? Irgendwie schon. Zumindest in meinem Alter. Eigentlich ist hier ja niemand, vor dem mir das peinlich sein müsste. Hizumi zählt nicht, der weiß nicht mal was „Peinlichkeit“ überhaupt ist. Der Kater ist momentan auch nicht da. Ich schätze mal er ist jetzt draußen und reißt ein paar heiße Miezen auf, dieser Womanizer. Zugegeben, ich beneide ihn. Ja, ich beneide meinen Kater. Ich hatte nämlich bis jetzt erst zwei Beziehungen und keine von ihnen hat lange gehalten. Ich bin halt echt nicht der Frauentyp. Zu schüchtern, zu normal und zu nett. Vielleicht behandele ich die Frauen auch einfach ganz falsch. Die stehen ja eher so auf die Arschlochtypen. Und auch, wenn ich gerne so ein cooler Arschloch-Typ wäre, leider bin ich eben der totale Normalo, der Frauen gleichberechtigt behandelt und ihnen auf die altmodische Art den Hof macht. Inklusive 'Schwiegermutter besuchen' und 'Nicht-den-Geburtstag-Vergessen'. Aber da stehen die in der heutigen Zeit wohl nicht mehr drauf. Was ich paradox finde. Auf der einen Seite beschweren sie sich, wenn Männer etwas haben das sie nicht haben. Sei es nun der besser bezahlte Job, der Fußballabend mit Freunden, oder die schmalere Hüfte. Ich bin gespannt, wann sie uns um den Dreitagebart beneiden! Auf der anderen Seite schnürt sich die Damenwelt jedoch selber in Gesellschaftsklischees ein. Der Rock kann nie zu kurz, der Ausschnitt nie zu tief sein. Aber sobald man sie auf Titten und Arsch reduziert, hassen sie dich und betiteln dich als frauenfeindlich. Ich glaube, ich werde schwul. Seufzend wuschele ich mir ein letztes Mal mit dem Handtuch durch die noch feuchten Haare und gehe ins Wohnzimmer. „Also mir egal was du jetzt machst. Ich bin müde, ich geh schlafen.“, verkünde ich dem braunhaarigen Rätsel dort auf dem Boden. Er schaut mich an und nickt. Gut, dass wir das jetzt geklärt hätten. Peinlichkeit hin oder her. Ich bin müde, ergo werde ich mich jetzt in die Falle hauen! Immerhin muss ich morgen ja schon wieder um halb sieben aufstehen. Was gäbe ich nicht gerade für eine Zeitmaschine, die mich innerhalb von Sekunden zum Freitagnachmittag befördern könnte. Nach meiner kurzen Stippvisite im Wohnzimmer kehre ich in mein Schlafzimmer zurück und schließe die Tür. Ich schmeiße mich aufs Bett, alle Viere von mir gestreckt und starre an die weiße Zimmerdecke. Meine Hand greift nach der Fernbedienung für die Stereoanlage, Jalousien und Lichtschalter. Ja, das ist eine der wenigen coolen Sachen die ich besitze. Diese Allroundfernbedienung! Ich knipse also mit einem kurzen Handgriff das Licht aus, ohne dafür aufstehen zu müssen und versinke sekundenschnell in einen bleiernen Tiefschlaf. Ein lauter Knall reißt mich aus meinen undefinierbaren Träumen, ich sitze von jetzt auf gleich aufrecht im Bett. Verwirrt und noch im Halbschlaf sehe ich mich um und stelle zu erst einmal fest, dass ich die ganze Zeit auf der Bettdecke geschlafen habe, anstatt darunter. Mein Blick schweift zum Wecker. 03.26 Uhr. Er wandert weiter durch den nächtlichen Raum und bleibt schließlich am Fenster hängen. Draußen geht die Welt unter. Zumindest für den Moment. Wieder zerreißt ein Donnerschlag die Nachtluft, kurz darauf folgt ein Blitz, der mein Schlafzimmer in kaltes Licht taucht. Abartige Schattenbilder zucken über die Wände. Nach einer Sekunde ist alles vorbei und der Spuk beginnt von neuem. Ich frage mich, wie ich bei diesem Lärm jemals wieder einschlafen soll. Dann bemerke ich meine trockene Kehle. Reflexartig fasst meine Hand neben das Bett, wo im Normalfall immer eine Wasserflasche herumsteht. So auch jetzt. Allerdings ist die so leer wie der Schädel meines Chefs und bringt meinem trockenen Hals dementsprechend wenig bis gar nichts. Kurz versuche ich den Durst auszublenden, aber je mehr ich es versuche, desto schlimmer wird er. Der nächste Blitz zuckt durch den schwarzen Himmel. Das Einzige was fehlt ist der Regen. Auch, wenn am gestrigen Abend ein paar vereinzelte Tropfen gefallen sind, hat es sich nicht eingeregnet. Ganz im Gegenteil. Die Luft ist schwüler als vorher. Scheiß Gewitter. Ich zerre mir das T-Shirt vom Leib. Es ist schlichtweg zu warm hier. Ächzend erhebe ich mich, reibe mir kurz über die Augen und schleiche auf Zehenspitzen in Richtung Küche. Als ich das Wohnzimmer durchquere, halte ich den Atem an, um Hizumi nicht zu wecken. In der Küche angekommen mache ich mir nicht die Mühe ein Glas zu suchen, sondern trinke das Mineralwasser direkt aus der Flasche. Zur Sicherheit werde ich die auch gleich mal mitnehmen. Ich schleiche also zurück in mein Zimmer, als ich plötzlich einen erstickten Laut höre. Da ich nicht nur ein Normalo, sondern auch ein schreckhafter Feigling bin, setzt mein Herz für eine Sekunde aus. Dann wieder. Ein leises, aber durchaus wahrnehmbares Geräusch. Erst kann ich es nicht einordnen, doch dann begreife ich, dass es vom Sofa kommt. Ich stelle die Flasche ab und meine Füße tragen mich wie von selbst zu dem Deckenhaufen auf der Couch. Von Hizumi ist nichts zu sehen, außer einem Büschel dunkelbrauner Haare, die unter dem oberen Rand der Decke hervorlugen. Mit größter Vorsicht hebe ich die Decke ein kleines Stück an. Daraufhin geht ein heftiges Zucken durch den darunter befindlichen Körper. Erschrocken lasse ich die Decke fallen. „Hizumi? Bist du wach?“, wispere ich ins Dunkel. Wieder rollt draußen der Donner, kurz darauf folgt der Blitz. Der Deckenhaufen zuckt. Langsam wird mir die Sache hier etwas suspekt. Ich greife nach der Decke und ziehe sie einige Zentimeter nach unten. Hizumis Kopf und ein Teil seiner Schulter kommen zum Vorschein, er liegt zusammengerollt auf der Seite. „Alles ok?“, frage ich, ohne zu wissen ob er nun wach ist oder nicht. Ruckartig dreht er seinen Kopf zu mir, so dass es scheint, als habe er mich vorher nicht einmal wahrgenommen. Hat er nun doch geschlafen? „Oh. Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken. Ich dachte nur, weil du-“ Mir bleiben die Worte im Hals stecken. Das wenige Licht, dass die Straßenlaternen vor der Wohnung durchs Fenster werfen reicht aus, um schemenhafte Umrisse erkennen zu lassen. Hizumi hat die Augen krampfhaft geschlossen, die Hände fest vor sein Gesicht gedrückt und bei genauerem Hinsehen bemerke ich, dass etwas auf seinen Wangen glitzert. „Sag mal weinst du?“ Wie zur Bestätigung schnieft er leise. Ein Laut, der den Eindruck macht, als sei er bereits zu lange unterdrückt worden. Meine Überforderung ist komplett. Vollkommen verunsichert knie ich mich neben das Sofa und weiß nun nichts Rechtes mit mir anzufangen. „Was hast du denn? Wieso weinst du?“ Ich rechne nicht mit einer Antwort. Zumindest nicht mit einer verbalen. Eine Antwort ganz anderer Art erschließt sich mir allerdings kurz nach dem beenden meiner Frage. Wieder donnert es und Hizumi fährt zusammen. Endlich dämmert es mir. Er hat Angst. Er hat schlichtweg Angst vor dem Gewitter. Grübelnd betrachte ich die schmale Gestalt, die zusammengerollt auf meinem Sofa liegt, die Hände vors Gesicht gepresst, lautlos vor sich hin weinend. Wer weiß, wie lange er schon so da liegt. Vorsichtig lege ich meine Hände auf Hizumis Handgelenke und ziehe sie so sachte wie möglich weg von seinem Gesicht. Er leistet keinerlei Widerstand und blickt mich schließlich aus geröteten und noch immer tränennassen Augen an. „Das ist nur ein Gewitter, das tut dir nichts. Morgen ist es wieder vorbei.“, versuche ich zu erklären. Er schaut mich nur an. Ich unterdrücke ein Seufzen. „Ach man, Hizumi. Was mach ich bloß mit dir?“, murmele ich, mehr zu mir selbst als zu irgendwem sonst. Ich kann nicht leugnen, dass ich momentan ehrliches Mitleid mit meinem kleinen Spinner habe. Wahrscheinlich ist das hier das erste Gewitter, das er jemals erlebt hat, kein Wunder dass ihm das Angst macht. Ich lasse seine Hände los. „Schlaf jetzt weiter, ok? Das da draußen ist wirklich nichts Schlimmes.“ Mit einem letzten Blick auf die tränenden braunen Augen, stehe ich auf und gehe zurück ins Schlafzimmer. So Leid er mir auch tun mag, ich bin wirklich überfordert. Ich habe keinen Plan, wie um alles in der Welt ich ihn jetzt hätte trösten sollen. Dazu kenne ich mich einfach nicht genug aus mit den Menschen. Kaum liege ich auf dem Bett, stellt sich da schlechte Gewissen ein. Eigentlich war es ziemlich fies, ihn einfach so weinend im dunklen Wohnzimmer allein zu lassen. Bevor ich mich dafür selbst hassen kann, bewegt sich meine Tür ein Stück. Erst denke ich, dass es Francis ist, der von seiner wilden Parytnacht wiederkommt, doch da irre ich mich gewaltig. Ein Kopf schiebt sich langsam durch den Türspalt und ehe ich mich versehe steht Hizumi neben meinem Bett. Ich ahne schreckliches. „Was denn?“, frage ich etwas unwirsch. „Tsukasa?“, beginnt er stockend. Mir schwahnt Übles. „Ja bitte?“ „Darf ich hier schlafen?“ Da ist er ja, der bis jetzt als vermisst gemeldete Hammer vor den Kopf! Gerade will ich Hizumi ein „Hast du sie noch alle?!“ an den Kopf werfen, doch dann setzt das schlechte Gewissen wieder ein. Dieses Biest in Menschengestalt nutzt das natürlich aus und setzt einen Bambiblick auf, der sogar Stalins Knie erweicht hätte. Und bevor ich etwas dagegen unternehmen kann, wird aus dem geplanten „Hast du sie noch alle?!“ ein „Von mir aus“. Zugegeben, es ist ein sehr unwillig klingendes „Von mir aus“, aber das scheint Hizumi nicht zu stören, denn er krabbelt ohne ein weiteres Wort zu mir unter das Bettlaken. Ich rücke ein Stück zur Seite, bemüht ihm nicht näher als nötig zu kommen. Ich liege also jetzt halbnackt mit einem anderen Kerl im Bett. So schlimm steht es also um mich. Wenn das Mama wüsste. Bei der Vorstellung muss ich grinsen. Ihre Reaktion wäre sicherlich verdammt amüsant. Kurz spiele ich mit dem Gedanken sie demnächst einmal einzuladen und Hizumi als meinen neuen Freund vorzustellen. Vielleicht hört sie ja dann auf mir Primanien oder Müslischüsseln zu schenken. Während ich so nachdenke, setzt die bis dato verdrängte Müdigkeit wieder ein. Ich werfe noch einen kurzen Blick auf Hizumi. Der liegt jetzt neben mir, hat sich zusammengerollt, den Kopf in meine Richtung. Seine Augen sind geschlossen und scheinbar weint er nicht mehr. Na immerhin. Mit beruhigtem Gewissen döse ich ein. Irgendwann bemerke ich im Halbschlaf, wie sich etwas Warmes an meinen Oberkörper drückt, doch bevor ich mir darüber Gedanken machen kann, zieht mich der Schlaf in seine Abgründe... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)