MICHI von Sunrisepainter (Geh deinen Weg) ================================================================================ Kapitel 12: Du bist nicht allein -------------------------------- KAPITEL 12: Du bist nicht allein Hinter den Kindern und ihren Digimon war ein junger Mann mit braunen Haaren und in einer weiten Robe aufgetaucht. Yuna hätte nie gedacht, dass es wirklich so etwas wie Menschen in der Digiwelt gab und dann auch noch Erwachsene. »Wer ist das?«, fragte sie Miyako leise, die ihr am nächsten stand. »Das ist Gennai – sensei«, flüsterte diese ihr zu, »er behauptet, er sei eine Ansammlung von Daten, genau wie die Digimon. Er hilft uns immer, wenn wir nicht weiterkommen und scheint viel über die Geschichte der Digiwelt zu wissen. Er ist eine Art Mentor.« Yuna konnte sich schwach daran erinnern, dass Koshiro ihn mal am Rande erwähnt hatte. »Ihr solltet erstmal wieder in eure Welt zurückkehren bevor ihr euch dem Herrscher der Finsternis entgegenstellt. In eurer Welt könnt ihr neue Kräfte sammeln und euch eine Strategie überlegen.« »Aber es gibt doch keinen Fernseher durch den wir zurückreisen könnten«, jammerte Mimi. Gennai lächelte: »Aber denk doch mal nach. Wie seit ihr bei eurem ersten Besuch in der Digiwelt wieder zurück in eure Welt gekommen?« »Das Tor?«, fragte Sora. Gennai nickte: »Es ist wieder geöffnet. Ich weiß nicht warum, aber es scheint, als wolle die Digiwelt euch damit helfen. « »Dann lasst uns so schnell wie möglich dort hin«, erklärte Takeru, »bevor es sich wieder schließt.« »Halt, halt, einen Moment«, schaltete sich Taichi ein und wandte seinen misstrauischen Blick nicht von Gennai ab, »was wissen Sie über diesen Kerl dort in der Burg?« Der junge Mann räusperte sich und hockte sich dann mit einem Seufzen auf den Boden. »Ich kann versuchen es zu erklären, aber es wird euch nicht gefallen.« Die Digiritter wechselten einen Blick und setzte sich dann in einem Halbkreis ihm gegenüber auf den Boden. »Alles begann damit, dass es immer wieder kleinere Erdbeben gab bei denen Digimon einfach so verschwanden. Erst waren es die schwächeren, auf einem niedrigen Level, aber dann waren auch Champion- Digimon plötzlich unauffindbar. Es verschwanden von Tag zu Tag mehr und teilweise sind bereits ganze Dörfer unauffindbar. Und dann tauchten sie auf. Die dunklen Schatten, die sich in unserer Welt reflektierten. Erst sehr spät haben wir bemerkt, dass sie aus der realen Welt stammen. Die Schatten der Gebäude und Pflanzen. Und dann wurde uns klar, dass jemand versucht beide Welten miteinander zu verschmelzen.« »Aber wie und warum?«, unterbrach Daisuke ihn ungeduldig. »Das ist die große Frage gewesen. Bisher sind wir soweit mit unseren Forschungen gekommen, dass der Herrscher der Finsternis, wie er genannt wird, seine eigenen erschaffenen Digimon, wie das Sidmon, durch den Untergrund kriechen lässt, um andere Digimon gefangen zu nehmen. Deshalb die Erdbeben. Wir können davon ausgehen, dass er die Datenströme der Digimon nutzt, um etwas anzutreiben, dass das Verschmelzen möglich macht. Doch wir wissen nicht, um was es sich dabei handelt. Vielleicht um etwas, dass aus der gleichen Materie geschaffen ist, wie die schwarzen Türme. Dunkle Datenströme, die sich im Inneren des Erdkerns befinden, oder etwas anderes.« »Dunkle Datenströme?«, wiederholte Hikari nachdenklich. Als sie daran dachte und an all die verschwundenen Digimon, fuhr ihr ein Schauer über den Rücken. »Was passiert mit den Digimon, wenn er ihre Daten genommen hat?«, sprach Palmon die Frage aus, die allen durch den Kopf ging. Gennai senkte den Kopf und sagte nichts. Doch sein Schweigen war Antwort genug. Alle Blicke richteten sich gleichzeitig auf den Jüngsten in der Gruppe. Ioris Hände begannen zu zittern. Eine einzige Träne rollte über seine Wange. Freundschaftlich legte Takeru ihm eine Hand auf die Schulter. Für einen Moment herrschte bedrücktes Schweigen, doch Taichi hielt es nicht länger aus: »Dann müssen wir kämpfen!« »Ja, aber jetzt seid ihr noch zu schwach. Um den Kampf bestehen zu können, müsst ihr noch viel lernen und vor allem euren Zusammenhalt stärken. Außerdem seid ihr nicht vollständig.« »Ja, leider«, seufzte Sora und bekam wieder diesen glasigen Blick, den sie immer bekam, wenn sie an Yamato dachte. Taichi biss die Zähne zusammen, so als hätte er Mühe seine Wut zu unterdrücken. »Ich werde das mit diesem Verräter jetzt ein für alle Mal klären«, knurrte er und sprang auf seine Beine. »Taichi-nii«, seufzte seine Schwester und ihr bester Freund schüttelte nur den Kopf. »Wenn ihr hierbleiben wollte, dann bitte. Ich geh jetzt und verpasse ihm jetzt endlich mal einen Tritt in den...« Er stoppte überrascht, als er eine warme Hand auf seinem Arm spürte. Ihm begegneten ein Paar brauner Augen, die ihn ruhig anblickten. »Ich werde das machen«, erklärte Yuna leise, »Leormon und ich haben schon darüber geredet. Wir kennen Ishida-san nicht so gut wie ihr und deshalb...deshalb glaube ich, dass er mir zuhören wird.« »Bist du dir da sicher, Yuna-chan?«, fragte Gabumon. Das Mädchen nickte ohne den Blickkontakt zu Taichi abzubrechen: »Ich bin mir noch nie sicherer gewesen.« Der Weg zum Tor verlief schweigend. Sie waren zu erschöpft. Zu zweifelnd. Zu nachdenklich. Es war kein Trauermarsch, sondern eher wie eine Stille der Besinnung. Nicht einmal Daisuke wagte es zu mosern, als Takeru Kari auffing, als sie fast über einen Stein gestolpert wäre. Beide wurden rot und gingen dann weiter nebeneinander her, als wäre nichts gewesen. Taichi konnte nicht aufhören über Yunas letzte Worte nachzudenken. Sie hallten durch seinen Kopf, als würde jemand ständig einen Repeat- Knopf drücken. Sie lief direkt vor ihm, zusammen mit Daisuke und schien sich in Gedanken mit Leormon zu verständigen. Es war erstaunlich, dass sie sich schon ohne Worte verstehen konnten. Er und Agumon hatten fast zwei Jahre dafür gebraucht. Er musste daran denken wie sehr sich das junge Mädchen verändert hatte. Er wusste, dass das nichts Neues war. Sie alle hatten sich verändert, nachdem sie in der Digiwelt gewesen waren. Doch bei ihr war ihm aufgefallen, dass sie nicht nur mutiger und redseliger geworden war, sondern auch gleichzeitig unglücklicher. Und das gefiel ihm gar nicht. Das Lächeln, was sie im Moment hatte, wirkte überschattet und unecht und das bereitete ihm wirklich Kopfzerbrechen. Er schien sich im Moment wirklich viel mehr Sorgen um sie zu machen, als um die Gefahr, die möglicherweise vor ihnen lag. Es war nicht so, dass er Daisuke nicht mochte, aber es störte ihn doch schon ein wenig, dass die beiden so eng nebeneinander herliefen. Sie schienen sich auch erstaunlich gut zu verstehen. Das war ihm schleierhaft, wo sie doch so unterschiedlich waren. »Willst du ewig so vor dich hinstarren oder kommst du jetzt?«, unterbrach Soras Stimme seine Gedanken. Verwirrt blickte er sich um und stellte überrascht fest, dass sie schon längst am Tor angelangt waren. Nur noch Sora, Biyomon, Agumon, Ken, Iori, Patamon und er waren übrig. Die anderen waren schon gegangen. Taichi seufzte und schritt dann ebenfalls durch das große Tor. »Man, warum habt ihr denn so lange gebraucht?«, Koshiro raufte sich jetzt schon mindestens zum dritten Mal die Haare seit sie in seinem Zimmer gelandet waren. »Entschuldigung, aber irgendetwas scheint in der Digiwelt völlig schief zu laufen«, erklärte Takeru ihm und zuckte mit den Schultern. »Eure Eltern haben schon Telefonterror bei mir gemacht. Besonders deine«, er deutete mit dem Finger auf Ken, »sie hatten Angst, dass du schon wieder abgehauen bist.« Ken machte ein schuldiges Gesicht und wechselte einen schnellen, besorgten Blick mit Wormmon: »Dann werde ich so schnell wie möglich nach Hause gehen.« »Ja, ich geh mit dir. Meine Eltern machen sich sicher auch Sorgen«, murmelte Iori. Koshiro nickte und Daisuke verabschiedete sich schnell von seinem besten Freund mit einem Handschlag. »Auf Wiedersehen!«, meinten die anderen im Chor und die beiden Jungen machten sich auf den Weg nach Hause. »Und was machen wir beide jetzt?«, Mimi legte Sora einen Arm über die Schulter. Diese runzelte die Stirn und wirkte auf einmal sehr nervös: »Eigentlich habe ich heute ein Tennismatch. Tut mir leid, Mimi-chan.« »Ach schon gut«, seufzte die Brünette und grinste, »dann gehen eben Koshiro-chan und ich ein Eis essen.« Der Genannte wäre vor Schreck beinahe vom Stuhl gefallen, als er das hörte. »W-was?«, stammelte er und wurde tomatenrot im Gesicht. »Ach komm schon, Koshiro- chan. Du musst dich auch mal von deinem Computer trennen. Es scheint ja schon fast so, als seid ihr ein Herz und eine Seele«, Mimi verdrehte die Augen und schlang ihre Arme um seinen Hals. Koshiros Gesichtsausdruck war unbeschreiblich. Taichi und Sora lachten sich leise ins Fäusten, während die anderen nur fragend danebenstanden. »Aber Mimi«, jammerte Koshiro, »ich muss doch noch herausfinden, was dieser Herr der Finster-« »Gar nichts musst du«, Mimi riss ihm entschlossen den Laptop aus den Händen, »heute werden wir uns alle einen Tag frei nehmen, dass wird langsam mal Zeit. Wir haben so viel jetzt erlebt, dass uns ein Tag Ruhe mal ganz gut tun wird. Dir auch, mein Lieber.« Die anderen Digiritter hielten die Luft an. Noch nie, nie, nie hatte es jemand gewagt Koshiro von seinem Allerheiligsten zu trennen. Im ersten Moment sah es so aus, als wolle der brünette Junge Mimi den Hals umdrehen, doch dann plötzlich seufzte er ergeben und rieb sich den Hinterkopf: »Also gut. Vielleicht hast du Recht. Ich habe schon lange keinen freien Tag mehr gehabt.« Als er Mimis strahlendes Lächeln sah, lief er wieder rot an und murmelte: »Aber hör auf mich Koshiro- chan zu nennen. Wir sind beide im gleichen Alter.« »Ich finde das auch eine gute Idee sich mal eine Pause zu gönnen «, meinte Hikari, »habt ihr nicht vielleicht Lust morgen für einen Tag ans Meer zu fahren? Ich meine, wir alle gemeinsam mit den Digimon. Wir können uns etwas erholen und gleichzeitig die Gelegenheit nutzen, um Yuna-chan und Leormon etwas besser kennenzulernen.« »Oh ja, ans Meer!«, riefen Agumon und Patamon freudig. Leormon sah fragend zu Yuna empor: »Yuna, was ist das Meer?« »Das Meer ist ganz viel Wasser, aber man kann es nicht trinken«, erklärte Palmon aufgeregt, »es gibt auch einen Sandstrand und man kann dort Ballspielen.« Leormons Augen begannen zu leuchten: »Yuna, Yuna, fahren wir auch ans Meer?« »Ich weiß nicht«, meinte Yuna zögerlich und blickte Hikari fragend an, »was ist, wenn jemand die Digimon am Strand sieht?« »Keine Angst«, lächelte Hikari, »Kens Eltern haben ein Strandhaus mit Privatstrand. Wir waren schon einmal dort. Ich bin sicher, dass wir das mit den Digimon wiederholen können.« »Ja, ich erinnere mich daran«, meinte Taichi, »du bist dort letztes Jahr mit Takeru-kun und den anderen gewesen.« »Das ist doch perfekt!«, jubelte Mimi, »Jyou hat dieses Jahr den Führerschein gemacht. Bestimmt kann er sich ein Auto leihen. Dann steht diesem Urlaub ja nichts mehr im Weg!« »Halt, halt«, mischte sich Koushiro ein, »erstmal müsst ihr Ken und Joyu fragen, ob das überhaupt in Ordnung geht. Ich werde den beiden gleich Mal eine E-Mail schreiben.« »Gut, dann rufe ich nachher noch Daisuke-kun an«, meinte Hikari. »Lass mich das machen«, meinte Yolei und wurde rot als alle sie überrascht ansahen. Es war allen bekannt, dass Yolei und Daisukes Kommunikation meistens in einem Streit endete. »Äh…ich meine ja nur. Also, du willst doch nicht immer seine blöden Anmachsprüche hören, oder?« Hikari nickte. »Also gut«, Taichi klatschte in die Hände, »wir telefonieren alle heute Abend nochmal, um noch weitere Planungen vorzunehmen.« Alle waren mit dieser Idee zufrieden. Allerdings hatte sich bei Yuna bereits eine neuere Idee eingeschlichen. Sie wusste nicht, ob es den anderen gefallen würde. Allerdings ließ sie dieser Gedanke nicht mehr los. Am späten Nachmittag bekam sie einen Anruf von Mimi, die ihr mitteilte, dass sie sich am nächsten Morgen an ihrer Schule treffen wollten. Sie würden dann eine Nacht im Strandhaus der verbringen. Jyou hatte bereits erklärt zu fahren und sich dafür einen Kleinbus gemietet. Iori durfte leider nicht mitkommen, aber alle anderen Eltern erlaubten es. Auch Yunas Eltern freuten sich darüber, dass ihre Tochter endlich mal etwas mit Freunden unternahm. Yuna selbst jedoch hatte vorher noch etwas anderes zu erledigen. Es gab etwas, das ihr seit ihrer letzten Reise in die Digiwelt nicht mehr aus dem Kopf ging. »Wohin gehst du?«, fragte Leormon erstaunt als sie ihre Jacke überstreifte. Es hatte bis eben auf Yunas Bett gelegen und sich an einer Tüte Kartoffelchips erfreut. Jetzt blickte es seine Partnerin mit großen Augen an. Yuna strich ihm sanft über den Kopf: »Leider passt du mit deiner Größe nicht mehr in meinen Rucksack, ansonsten hätte ich dich mitgenommen. Ich möchte nochmal mit Ishida-san sprechen. Ich weiß, dass wir das zusammen machen wolltest, aber du versteht doch, dass es zu gefährlich für dich ist, oder?« Leormon verzog beleidigt das Gesicht, aber es musste einsehen, dass Yuna Recht hatte. Also versprach es in Yunas Zimmer zu bleiben und sich wieder Mal als Plüschtier zu tarnen, wenn ihre Eltern ins Zimmer kommen sollten. Es war bereits dunkel als Yuna beim Proberaum von Yamatos Band ankam. Takeru hatte ihr den Weg beschrieben. Er war der einzige Digiritter, den sie über ihr Vorhaben eingeweiht hatte. Sie hielt es für besser den anderen erstmal nichts davon zu erzählen und vor allem nicht Taichi. Sie hatte ihnen zwar versprochen, dass sie mit Yamato nochmal reden wollte, aber sie wollte ihn zusätzlich dazu bringen mit an den Strand zu kommen. Wenn das nicht funktionierte, wollte sie den anderen die Enttäuschung ersparen. Sie wusste, dass sich andernfalls besonders Sora Hoffnungen gemacht hätte. Sie war sehr nervös als sie die alte Lagerhalle betrat. Bisher hatte sie Yamato erst einmal getroffen und sie hatte noch keine Ahnung, wie sie das Gespräch beginnen sollte. Hatte sie sich vielleicht doch überschätzt? »Hey Kleine, Fremde haben hier keinen Zutritt«, ein älterer Junge, der gerade dabei war ein Mikrofon anzuschließen, blickte sie verärgert an. „Entschuldigung“, sie verbeugte sich höflich, »ich bin auf der Suche nach Ishida-san.« Der Junge seufzte genervt: »Hey, Autogramme gibt es nach der Show. Also warte genauso wie alle anderen Fans!« »Ähm nein, i-ich…«, stammelte sie und hob abwehrend die Hände. Der Junge sprang von der Bühne und beugte sich bedrohlich über sie: »Sie zu das du verschwindest, kapiert?« Mutlos ließ sie die Schultern hängen. Sie öffnete den Mund um noch etwas zu erwidern, aber ihr fiel nichts ein, was sie sonst noch erwidern könnte. Der Junge hatte Recht; sie hatte hier eigentlich nichts zu suchen. Außerdem war sie nicht selbstbewusst genug, um ihre Meinung gegenüber älteren Personen zu vertreten. Gerade wollte sie wieder gehen als Yamato durch einen Hintereingang die Halle betrat. Überrascht blickte er Yuna an: »Du bist doch…«, er sprach seinen Satz nicht aus als er den fragenden Blick seines Bandkollegen bemerkte. Schnell räusperte er sich: »Äh, willst du kurz mit nach hinten kommen? Ich glaube, Kai braucht hier noch einen Moment, um alles zu installieren.« »Du kennst sie?«, fragte Kai überrascht. »Sozusagen«, meinte Yamato ausweichend und bedeutete Yuna ihm schnell zu folgen, bevor sein Bandkollege ihnen noch weitere Fragen stellen konnte. Sie war verwundert, dass Yamato sie im Gegensatz zu Kai nicht auch sofort davonschickte. Laut Soras und Taichis Schilderungen hatte sie das Gefühl gehabt Ishida Yamato sei ein kalte und abweisenden Junge. Aber dem schien anscheinend nicht so zu sein. Im Gegenteil, denn er wirkte freundlich und zuvorkommend. Im hinteren Bereich der Halle, hatte die Band sich einen Raum mit Sofas und Sesseln eingerichtet. Wahrscheinlich, um dort nach Proben oder Konzerten zu verweilen. Er deutete ihr sich auf einen Sessel zu setzte »Du bist Hayashi, oder?«, er reichte ihr eine Flasche Wasser, aber sie lehnte dankend ab. »Genau, ich bin Hayashi Yuna und seit kurzem ebenfalls ein Digiritter«, sie verbeugte sich höflich. Er tat es ihr gleich: »Ja, ich habe von dir gehört. Ich bin Ishida Yamato, aber das weißt du ja sicherlich schon.« Sie nickte. »Und du bist nicht nur hier, um dich vorzustellen, oder?« Sie schüttelte den Kopf. Er seufzte und kratzte sich genervt am Hinterkopf: »Also, wer hat dich geschickt? Sora, Taichi oder mein Bruder?« »Niemand. Ich bin hier aus eigenem Antrieb«, antwortete sie und blickte ihm fest in die Augen, »ich weiß, dass ich noch nicht lange ein Digiritter bin. Ich weiß auch nicht, ob ich das Recht habe mich in eure Angelegenheiten einzumischen. Und doch kann ich es nicht zusehen, wenn andere leiden. Es ist das erste Mal, dass ich so etwas wie Freunde habe, deshalb ist das noch alles sehr neu für mich. Ich möchte ihnen helfen, aber ich und mein Digimon sind noch zu schwach, um mit den anderen zu kämpfen. Deshalb bleibt mir nur diese Möglichkeit, um einen Beitrag zu leisten. Ich weiß, wie sehr sie dich vermissen. Und sie brauchen dich. Wir brauchen dich. Alleine können wir es nicht schaffen. Nur, wenn wir alle zusammenhalten und uns vertragen, können wir die bösen Mächte besiegen.« Yamato schwieg einen Moment. Er hatte sie weder unterbrochen, noch so getan als würde er das alles nicht hören wollen. In ihrem Inneren begann sich ein Fünkchen Hoffnung zu regen. »Ich habe von diesem Herrscher der Finsternis gehört«, meinte er nachdenklich und senkte den Blick, »und doch kann ich dir nicht helfen. Meine Musik ist mir wichtig und Taichi und die anderen sind stark genug ohne mich. Also tut es mir leid, dass du umsonst hierhergekommen bist.« Enttäuscht ließ Yuna die Schultern hängen. Was hatte sie auch erwartet? Er hörte nicht mal auf seinen besten Freund und seine Freundin, was konnte da ein fremdes Mädchen schon ausrichten? Aber warum wollte er nicht mehr kämpfen? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er seinen Digimonpartner nicht vermisste. Sie war gerade mal einige Minuten von Leormon getrennt und vermisste ihren Digimonfreund schon. Was hielt ihn zurück Gabumon zumindest zu treffen? »Du solltest jetzt lieber nach Hause gehen«, Yamato wandte sich zum Gehen, »es ist schon spät und außerdem beginnen gleich unsere Proben.« »Du hast Angst«, murmelte sie und er blieb wie angewurzelt stehen. Sie erschrak selbst über ihre harschen Worte. Sie hatte noch nicht mal eine Höflichkeitsformel angewandt. Doch sie hatte nur das ausgesprochen, was sie dachte. Yamato sah sie nicht an, sondern ballte nur seine Hände zu Fäusten: »Du solltest wirklich gehen.« »Du hast Angst«, wiederholte sie nun mit einer kräftigeren Stimme und versenkte ihre Hände in dem Saum ihrer Jacke, »du hast Angst, dass du ihnen nicht helfen kannst. Du hast Angst alle zu enttäuschen.« Yamato antwortete ihr nicht und sah sie auch immer noch nicht an. Doch sie wusste, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. Sie konnte seine Verunsicherung spüren. »Du hast genauso viel Angst wie ich«, sagte sie und sprach das erste Mal wirklich aus, was sie schon lange verspürte, »ich kann das verstehen. Ich habe auch eine Heidenangst. Ich habe Angst zu versagen und nicht stark genug zu sein, während die anderen kämpfen. « Sie konnte es nicht verhindern, dass ihr plötzlich Tränen übers Gesicht liefen. »Du willst ihnen genauso helfen wie ich, aber du weißt nicht wie. Du…du…du hast vor allem auch Angst, dass du Gabumon enttäuscht. Deshalb verkriechst du dich lieber hier und tust so als würde dich das alles nicht beschäftigen. Du willst lieber, dass sie dich hassen, als dass sie dich bemitleiden. Doch das macht alles nur noch schlimmer, weil sie deine Hilfe unbedingt brauchen. U-u-und ich? Ich...ich bin einfach so schwach und für alle nur ein K-Klotz am Bein. Ich kann gar nichts. Ich wollte vor allem mir selbst beweisen, dass ich nicht nutzlos bin, indem ich dich zurückhole. Doch das war ein egoistischer Gedanke. Natürlich brauchen sie dich, aber sie brauchen mi-mich nicht. Das ist die Wahrheit. Ich habe zu große Angst, bin schwach und kann ihnen nicht helfen. Ich habe so verdammte A-Angst, weil ich nicht weiß, was passieren wird! « Sie schluchzte und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Sie schämte sich für ihr eigenes Geständnis. Es war eine dumme Idee gewesen sich in diesen Konflikt einzumischen. Nun meldete sich Yamato das erste Mal wieder zu Wort. »Verdammt!«, fluchte er und ramme seine Faust in die Lehne der Coach. Er zitterte am ganzen Körper und fuhr sich ein paar Mal durch seine Haare: »Verdammt, wie kommt es, dass du auf den ersten Blick so unschuldig wirkst und dann einem plötzlich so verflixt hart die Wahrheit ins Gesicht schlauderst!« Auf seinem Gesicht lag ein verbittertes Grinsen. »Du hast Recht. Ich habe auch Angst. Aber nicht nur um mich. Was wenn bei diesem Kämpfen meinen Freunden etwas zustößt, weil ich einen Fehler mache? Das könnte ich mir nie verzeihen. Aber ich kann auch nicht zusehen, wie sie in den Kampf ohne mich ziehen. Wenn ich dabei wäre, hätte ich wenigstens die Möglichkeit alle zu beschützen.« Er ließ sich aufs Sofa fallen und seufzte tief: »Oh man, wie konnte ich nur so blind sein? Nicht du bist egoistisch, sondern ich. Mach dich selbst nicht so schlecht. Du wirst sicher noch stärker werden, glaub mir. Am Anfang wussten wir alle nicht, was wir taten. Also hör auf zu weinen.« Er legte ihr tröstend die Hand auf den Kopf. Erstaunt blickte sie auf und erkannte ein halbes Lächeln auf seinem Gesicht: »Immerhin hast du es mit deiner Ehrlichkeit geschafft, dass ich meine Meinung geändert habe. Ich bin dabei. Ich werde versuchen meine Angst zu kontrollieren.« Sie zwinkerte ein paar Mal verwirrt und er fuhr sich verlegen durchs Haar: »Na ja, das heißt, wenn die anderen mich noch mit im Team haben wollen und wenn Gabumon mir verzeiht…« Yuna wusste gar nicht, was sie sagen wollte. Sie war immer noch überwältigt von ihren eigenen Gefühlen, aber gleichzeitig kehrte die Hoffnung zurück, dass jetzt alles gut werden würde. »W-wir wollen morgen an den Strand fahren«, stotterte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen, »wir treffen uns morgen an der Schule. Alle sind dabei. Ich bin aber sicher im Bus ist noch ein Platz frei.« »Ich verstehe«, er nickte, »ich werde da sein. Auch wenn ich nicht weiß, wie die anderen reagieren werden. Aber wenn Taichi mich verprügelt, dann ist das alleine deine Schuld.« Er grinste sie breit an. Yuna nickte. Sie konnte immer noch nicht fassen, dass er seine Meinung so schnell geändert hatte. »Ich bin mir sicher, dass die anderen sehr froh darüber sind, dass du mitkommst«, meinte sie und lächelte schwach, »vor allem Gabumon wird aus dem Häuschen sein.« »Das hoffe ich«, Yamato konnte seine Bedenken immer noch nicht ganz verbergen. Er blickte nachdenklich auf dir Uhr: »Aber du solltest wirklich nach Hause gehen. Es ist schon spät.« Yuna nickte und bedankte sich mit einer Verbeugung. Nicht nur für das Wasser, sondern auch für alles andere. Sie war schon fast an der Tür als ihr noch etwas einfiel. Sie drehte sich zu dem älteren Jungen mit ernster Miene nochmal um: »Ishida-san. Falls du immer noch Angst haben solltest, dann vergiss eines nicht: Du bist nicht alleine. Auch wenn es im Moment nicht so aussieht, vertrauen dir alle immer noch sehr. Ich meine, wir sind alle nicht alleine. Ich bin mir sicher, dass alles gut wird, wenn wir zusammen auf einer Seite kämpfen.« Yamato nickte: »Das gleiche gilt aber auch für dich, Hayashi. Du und dein Digimon, ihr seid nicht alleine. Du hast vorhin gesagt, dass du dich mit Freundschaften nicht gut auskennst, aber das bezweifle ich mittlerweile. Auch wenn ich das Wappen der Freundschaft trage, hast du sicherlich im Moment mehr das Recht es zu tragen als ich.« Er lächelte als er ihren verwirrten Gesichtsausdruck sah: »Ich meine, was du dich heute getraut hast, ist der Beweis wahrer Freundschaft. Nicht jeder hätte einen fremden Menschen so konfrontiert wie du es heute getan hast. Das ist einer der Gründe, warum du mich überzeugt hast. Du bist gut darin die Gefühle anderer zu erkennen und die bist ehrlich. Aus dir wird sicherlich noch ein mutiger und guter Digiritter.« Ihre Wange färbten sich rot bei diesem Kompliment. Schnell verabschiedete sie sich mit ein paar hastigen Verbeugungen und stolperte wieder ins Freie. Sie fühlte sich plötzlich zuversichtlicher als jemals zuvor. Auf dem Rückweg nach Hause, hallten immer wieder seine letzten Worte durch ihren Kopf. Yamato hatte Recht. Sei brauchten beide keine Angst zu haben, denn sie hatten Freunde, die zu ihnen hielten. Und diese Freunde wollte sie ebenfalls beschützen. Genauso wie er. Auch wenn das hieß, dass sie sich dafür selbst in Gefahr begeben musste. Es begann sich ein Plan in ihrem Kopf zu formen. Ein Plan, wie vielleicht niemand mehr unter den Machenschaften des Herrschers der Finsternis zu leiden haben würden. Sie hatte schon bei dem Kampf gegen Alietumon daran gedacht. Sie musste unbedingt mit Leormon darüber reden. Sie wusste nicht wie das Digimon auf ihren Plan reagieren würde, aber sie sah keinen anderen Ausweg mehr. Sie hatte sich bereits entschlossen: Sie würde das tun, was sie tun könnte. Sie würde beweisen, dass Yamatos Vertrauen in ihre Fähigkeiten nicht nur eine reine Überschätzung ihres Charakters war. © ぁキ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)