Der Malar von TilyaDraug (Die Jagd nach der Kreatur der Untiefen) ================================================================================ Kapitel 19: Kleine Sterne, ferne Sterne - Tag 15 ------------------------------------------------ Greyan weckte uns in aller Frühe, nein, vielmehr mitten in der Nacht, indem er dreimal brutal gegen die Holztür schlug, hinter der Vilthon, Mirlien und ich friedlich auf unseren gemütlichen Lagern ruhten. Der Alverliek hatte bereits einen Falken mit einer Botschaft zur Hafenstadt geschickt. Am Morgen des neunzehnten Zypressentages sollte man uns ein Boot zum Ende des Nadelwaldflusses schicken, das uns zum Kontinent bringen sollte. Greyan hatte erklärt, dass wir, die wir auf der Jagd nach dem mysteriösen Tier waren, vermuteten, dass dieses zum Kontinent zurückgekehrt war. Und um sicher zu stellen, dass das Tier auch dort bleiben, und nicht ein zweites Mal die Insel heimsuchen würde, wollten wir angeblich dieses Problem diplomatisch mit den Menschen ausdiskutieren. Greyan schien besser damit klar zu kommen, den Leuten Notlügen auftischen zu müssen, als der Rest unserer illustren Wandergesellschaft. Außerdem hatte er in diesem Schreiben veranlasst, Thyllos, der sich in den naheliegenden Wäldern aufhalten musste, von unserem Vorhaben zu benachrichtigen, und ihn zu bitten, sich uns anzuschließen. Zähneknirschend nahm ich dies hin und hoffte insgeheim, dass diese Nachricht Thyllos nicht erreichen würde. Wenigstens war mir selbst klar, wie kindisch, dumm und egoistisch diese Gedanken waren. Also blieb mir nichts anderes übrig, als die verbleibende Zeit ohne diesen rothaarigen Quälgeist zu genießen. Ich weiß nicht, ob es an seiner Gegenwart lag, aber es wurden auf unserem Gewaltmarsch recht wenige Worte zwischen allen Beteiligten gewechselt. Andererseits könnte der Grund dafür auch in der Tatsache gelegen haben, dass Greyan, der wie selbstverständlich die Gruppe anführte, ein sehr zügiges Tempo an den Tag legte. Zwar verstand er es, uns den beschwerlichen Weg durch das Gebirge ums ein oder andere Mal zu erleichtern, indem er uns durch unbekannte Trampelpfade lotste, aber als wir gegen Mittag endlich eine viel zu kurze Rast einlegten, sanken Vilthon und ich erschöpft Rücken an Rücken auf den steinigen Boden und rangen erst einmal nach Atem. Mirlien musste erst mir, dann unserem alwischen Freund die völlig verkrampften Schultern massieren. Greyan schnalzte spöttisch mit der Zunge. Ich schämte mich vor ihm für uns zwei Waschlappen. Immerhin hatte ich mir eingebildet, dass man eigentlich nicht über unsere sportliche Kondition nörgeln konnte, die wir uns während unserer Reise angeeignet hatten, doch mit Greyans Zähigkeit und Ausdauer konnte nur unser unermüdlicher Mirlien mithalten. Alles Jammern erweichte unseren silbernen Alphawolf Greyan nicht, denn er hatte es sich fest in seinen Dickkopf gesetzt, noch an diesem Tag das Gebirge hinter sich zu lassen. Sehr, sehr spät in der Nacht erreichten wir endlich die rauschenden Fälle am Gebirgsfuß. Mit meinen letzten Kraftreserven half ich meinen Freunden, ein Lager an einem kleinen Felsspalt in der Nähe des Wasserfalles zu errichten. Hunger verspürte ich keinen mehr, ich wollte einfach nur noch liegen, mich nicht mehr bewegen, schlafen. Ermattet bettete ich schließlich meinen Kopf auf Vilthons Bauch und schlief sofort ein. Irgendwann weckte mich sein dezentes Schnarchen, das sich von dem monotonen Rauschen der Fälle abhob. Genervt blinzelte ich mit den Augen und bemerkte, dass die Morgenröte schon im Begriff war, die Schwärze der viel zu kurzen Nacht zu vertreiben. Lustlos starrte ich in den schmalen, glimmenden Streifen Helligkeit, der unerbittlich seinen Kampf über die Dunkelheit bestritt. Mein Blick wanderte zur Seite und erwartete den rührenden und beruhigenden Anblick eines schlummernden Mirliens, der sich gestern an meine Seite gekuschelt hatte. Doch der Platz neben mir was leer und stattdessen erkannte ich die düstere Gestalt von Greyan, nur einen Arm breit von mir entfernt. Das trug nicht wirklich zu meiner Entspannung bei. Mein Herz klopfte verdächtig laut, uns ich befürchtete fast, sein wildes Getrommel würde einen der beiden Spitzohren neben mir wecken. Nun gut, Vilthon schnarchte noch immer, aber die Vorstellung, dass Greyan gleich seine stechenden Augen aufschlagen würde, um mich mit seinen bohrenden Blicken aufzuspießen, trieb mich dazu an, mein Lager zu verlassen. Seine Nähe machte mich einfach viel zu nervös, so ganz ohne einen Mirlien, den man als Schutzwall zweckentfremden konnte. Überhaupt, wo trieb der sich eigentlich schon wieder herum? Er konnte doch auch nicht zu viel mehr Schlaf gekommen sein als ich. Wo nahm dieser Mann nur diese Energie her? Behutsam rappelte ich mich auf und schlich aus dem Zelt. Draußen in der schwindenden Dunkelheit stand er, dicht neben den donnernden Fällen, den Rücken dem Lager zugewandt und blickte zum Himmel empor. Vorsichtig näherte ich mich ihm. Ich wollte ihn nicht erschrecken. Aber Mirlien wusste schon, dass ich da war, obwohl ich mich doch noch gar nicht in seinem Blickfeld befand. Er streckte den Arm nach hinten aus, direkt in meine Richtung, ohne sich umzuwenden, ohne etwas zu sagen. Ich ergriff seine kalte Hand und er zog mich sanft an seine Seite. Gemeinsam betrachteten wir die schwach glimmenden Sterne, deren Schönheit sich nun der des anbrechenden Tages beugte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)