Der Malar von TilyaDraug (Die Jagd nach der Kreatur der Untiefen) ================================================================================ Kapitel 17: Greyan - Tag 13 --------------------------- Unsanft wurde Vilthon am frühen Morgen von mir geweckt, indem ich ihn aufgeregt an den Ohren zupfte. „Was ist los, Kleines, ist es nicht noch etwas früh zum Aufstehen?“ Der Alwe zog sich unmotiviert die Decke bis über die Nasenspitze. Mirlien rappelte sich vom unbequemen Nachtlager hoch, brachte sich in eine mehr oder weniger senkrechte Position und blinzelte aufmerksam auf uns hinunter. Sogar er sah nach dieser Tortur von einer Nacht reichlich zerknittert aus. „Ich hab heute etwas geträumt, Leute!“ berichtete ich mit funkelnden Augen. Interessiert lupfte sich Vilthons Augenbraue in die Höhe. Ich grinste. „Es war fürchterlich, Vilthon, einfach fürchterlich! Ich habe von dem Zimmer geträumt, das du damals in deinem Haus für mich hergerichtet hast. Mein Bett stand direkt vor mir, so weich und gemütlich. Und auf der seidigen Spinnwolldecke prangte ein riesiger Berg… Nolmengrieß!“ „Wirklich entsetzlich.“ bestätigte Mirlien aufrichtig betroffen. Die Nüchternheit, mit der er sein Beileid formulierte brachte selbst den Morgenmuffel Vilthon zum Lachen. Da nun an Schlaf nicht mehr zu denken war, beschlossen wir frühzeitig aufzubrechen. Gegen Mittag ließen wir das Höhlengebiet hinter uns. Kleine Herden zutraulicher Bergbeutler kreuzten unseren beschwerlichen Weg. Doch trotz der unbarmherzigen Steigung und unserer schmerzenden Glieder waren wir drei Wanderer frohen Mutes und bester Laune. Bald würden wir das Bergdorf erreicht haben und uns an der Gastfreundschaft der kauzigen Einwohner erfreuen dürfen. Die Leute vom Berg waren berüchtigt für ihr unterkühltes Auftreten, aber ebenso geschätzt als manierliche, fleißige und disziplinierte Personen. Es hätte wohl niemanden verwundert, zu erfahren, dass vor allem viele Alwen im Gebirge anzutreffen waren. So erwartete uns am späten Nachmittag ein fantastischer, geradezu utopischer Anblick, als wir eine letzte, fordernde Anhöhe erklommen hatten und sich der weite, sternenklare Bergsee vor uns auftat. Rings um ihn schmückten liebevoll verzierte Fachwerkhäuschen das liebliche Ufer, um die Gebäude selbst flatterten bunte, lärmende Papageien in den ebenso bunten, herrlich angelegten Gärten herum. Schillernde Kolibris und Schmetterlinge bestäubten farbenfrohen Hummeln gleich die duftenden Blüten. Auf dem dekorativen Eingangstor ärgerte ein neugieriger Lemur ein entnervtes Chamäleon, was die Idylle dieses traumhaften Ortes ein wenig störte. „Ist es nicht fantastisch?“ fragte Vilthon uns mit einem seligen Lächeln auf den Lippen. „Schau dich nur gut um Tilya! Meine Familie und die Familie deiner Mutter stammen aus diesem Bergdorf. Hast du keine Lust, dich nach der lieben Verwandtschaft zu erkundigen?“ Ach du Schreck! Vilthon hatte ja Recht! Meine Mutter war damals, als sie als sehr junges Mädchen ihre Ausbildung gerade abgeschlossen hatte, alleine mit dem größten Teil Vilthons Familie und einigen anderen heilkundigen Bergalwen durch das Gebirge gezogen, um dann flussabwärts in die Zaronnenauen zu ziehen und ihr Wissen mit in die Ebenen zu bringen. Meine alwischen Verwandten bekam ich sehr selten zu Gesicht und hatte kaum einen Bezug zu ihnen. Ich wusste nur, dass mein Großvater ein begnadeter Erfinder gewesen war, dass mein Onkel für alwische Verhältnisse ein ziemlicher Querkopf sein musste, und dass der weibliche Teil der Familie einen ausgeprägten Sinn für Humor hatte, was ebenfalls nicht sehr typisch für das alwische Geschlecht war. Trotzdem hatte ich keine Lust, meiner Sippschaft zu begegnen und ihnen Rede und Antwort stehen zu müssen. „Hast du denn keine Lust, deine Familie zu besuchen?“ lenkte ich deshalb boshaft grinsend ab. Vilthon verzog die Mundwinkel. Seine Verwandtschaft nämlich lebte geradezu das Klischee der alwischen Archetypen aus. Unterkühlt, stolz, ästhetisch und trotzdem mit einem anbetungswürdigen Charme gesegnet, den sie spielen lassen konnten, wenn sie es denn mal wollten. Das kam allerdings sehr selten vor. Vilthon legte seine Stirn in Falten. „Nun ja, wenn wir schon mal hier sind, könnten wir mal kurz bei meinem Bruder Elmeth hereinschneien. Den habe ich schon sehr lange nicht mehr gesehen.“ Ich war überrascht. Ich hätte nicht erwartet, dass Vilthon tatsächlich auf meinen Vorschlag eingehen würde. Andererseits war ich sehr gespannt auf diesen Elmeth. Vilthon hatte kaum jemals von ihm gesprochen. Wir folgten Vilthon über einige Felder in satten Farben, die wie in die Landschaft hinein gemalt anmuteten, als wir ihm dann tatsächlich begegneten. Elmeth schlug gerade den Xeraat mit seiner Sense, als Vilthon ihn erkannte und nach seinem Namen rief. Langsam wandte sich der Alwe zu uns um, und als ich sein Gesicht erblickte, war mir, als stünde mir ein zweiter Vilthon gegenüber, so ähnlich sahen sich die Brüder. „Darf ich vorstellen, mein böser Zwillingsbruder…“ witzelte mein bester Freund, als wir uns seinem Ebenbild näherten. Ich war überwältigt. Vilthon hatte mir nie etwas von einem Zwillingsbruder erzählt. Als ich Elmeth etwas näher kennen lernte, verstand ich allerdings auch, warum. Diesen Alwen hätte man überall als einen waschechten Bewohner des Gebirges erkannt. Schief sah er an mir herab, nahm meine Federn wahr, meine Echsenhautzeichnungen, meine Herrenkleidung und rümpfte hoheitsvoll die Nase. Mirlien starrte er einige Sekunden an, als wäre er eine blaue Piragie. Auffallend kühl begrüßten sich die Brüder dann mit einem Händedruck, wir wurden einander kurz vorgestellt, von Elmeth zu sich nach Hause eingeladen, und es dauerte nicht lange, bis dieser mit Vilthon bei Tisch einen handfesten Streit vom Zaun brach. Unangenehm berührt schlürften Mirlien und ich unseren Tee, während Elmeth unablässig an unserem bedauernswerten Freund herumnörgelte. Irgendwann gab Vilthon überdrüssig seine fruchtlosen Bemühungen, sich gegen seinen Bruder zu verteidigen, auf, und bald darauf verstummte auch der gelangweilte Elmeth. Das einzige Geräusch, das man nun in Elmeths Hütte hören konnte, war das Knirschen meiner Zähne auf den steinharten Keksen, die der Junggeselle selbst gebacken hatte. Ganz fantastisch, so also stellten sich alwische Zwillinge anscheinend ein unerwartetes Wiedersehen nach Jahren vor. Sonderlich viel zu sagen hatten sie sich anscheinend nicht mehr, nachdem Elmeth seinen angestauten Frust an Vilthon ausgelassen hatte. Plötzlich fiel mir auf, wie überaus interessiert der schöne Alwe nun unseren eingeschüchterten Mirlien musterte. Genau genommen verschlag er ihn sogar mit seinen lüsternen Blicken. Sein strenger, stolzer, ja fast hochmütiger Gesichtsausdruck hellte sich zusehends auf und er verlangte mehr von unserem ungewöhnlichen Freund zu erfahren. Nun, was sollte man schon groß über Mirlien erzählen? Ihn musste man eben erleben! Interessiert stolzierte Vilthons Bruder um seinen Gast herum, legte ihm dann vertraulich seine Hand auf den Arm und nahm sie auch nicht mehr von ihm herunter. Elmeth schien äußerst angetan von unserem Freund, was ich zunächst belustigt registrierte, aber als der Alwe irgendwann fast schon auf Mirliens Schoß saß, fiel dem schamesroten Vilthon leider wieder ein, wie eilig wir es doch hatten, zu Greyan zu kommen. „Ein seltsamer Kauz ist das, dieser Greyan!“ warnte uns Elmeth noch, bevor er sich von uns verabschiedete. Während er seinen eigenen Zwilling mit einem raschen Schulterklopfen abfertigte, nahm er Mirlien recht innig in den Arm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Mirlien schaute darauf etwas ängstlich drein und nickte verunsichert. Als ich Elmeth die Hand zum Abschied reichen wollte, schaute er pikiert auf mich herunter, wobei sein angewiderter Blick meinem Oberarm galt, auf der sich nicht zu übersehen meine Echsenhaut abzeichnete. „Das ist nicht ansteckend!“ erklärte ich dem Schönling zur Entwarnung. Du meine Güte, kein Wunder, dass es Vilthon peinlich gewesen war, ihn mit uns bekannt zu machen! Elmeth gab ein ergebenes Winseln von sich und schüttelte mir gezwungenermaßen die Hand. Nun gut, er bemühte sich jetzt wenigstens, sympathisch zu erscheinen, dachte ich mir. Was sollte es, er war nun einmal der Zwillingsbruder meines besten Freundes, den ich liebte, als wäre er ein Teil von mir. „Wenn ihr nur diesen schnuckeligen Mirlien mitbringt, seid ihr gerngesehene Gäste in meiner Hütte, hörst du, Drachenmädchen?“ zeigte sich Elmeth sogar letztendlich versöhnlich. „Wird sich sicher einrichten lassen!“ erwiderte ich vergnügt. „Aber lasse dir bis dahin bitte ein besseres Rezept für diese Kekse geben!“ Elmeth presste leicht beleidigt die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und zog die Braue hoch, wie Vilthon es so oft tat. „Wie hast du es nur so lange mit so einer verwöhnten, undankbaren Göre ausgehalten?“ wollte er von seinem Bruder wissen. Dabei grinste er ziemlich seltsam, so dass ich nicht deuten konnte, ob er das jetzt scherzhaft oder ernst gemeint hatte. Vilthon lächelte von einem Spitzohr zum anderen und schlang seinen linken Arm um meine Schultern, seinen rechten um Mirliens Hüfte. „Mein Geheimnis, Bruderherz!“ Der Weg zu Greyan hielt für uns noch die eine oder andere Gefahr bereit. Wir verließen das Bergdorf und folgten dem steinigen Pfad, der uns im Zickzack zwischen den Gipfeln entlang führte. Ein leichtes Beben löste einen kleinen Steinschlag aus, der nicht weiter dramatisch gewesen wäre, hätte er nicht eine Horde Riesenwollspinnen aufgescheucht, die uns in ihrer Panik fast zu Tode getrampelt hätten. Wir wandelten an schwindelerregenden Schluchten und Hängen vorbei, bis wir in solche Höhen vordrangen, dass ich bald schon das erste bisschen Schnee von den Felsen klauben konnte, um Vilthon damit zu bewerfen. Obwohl es langsam recht kühl hier oben wurde, war die Gefahr, sich einen Sonnenbrand zu holen, nicht von der Hand zu weisen, und so zogen wir uns lieber langärmlige Pullover über die Hemden. „Wir sind gleich da!“ keuchte Vilthon, und deutete auf eine hohe Felswand, die einen großen Spalt in ihrer Mitte aufwies. „Was? Hier wohnt Greyan?“ fragte ich perplex. Ich wusste zwar, dass er wie ein Einsiedler lebte, aber hier, in einem riesigen, kargen Steinhaufen konnte man doch wohl nicht wohnen? „Nein, natürlich nicht hier, du naiver Frostfrosch!“ schalt mich Vilthon ungeduldig. „Wir werden jetzt die Abkürzung durch die Höhlen nehmen. Oder willst du lieber durch die dünne, eisige Luft dieses Gipfels kraxeln?“ „Und was ist mit den Riesenschlangen? Brüten die hier nicht?“ fragte ich ängstlich. „Nicht hier oben, Kleines!“ beruhigte mich Vilthon. „Hier ist es auch den Schlangen zu kalt. Aber vielleicht begegnen wir einem Kronennebeldrachen!“ Kronennebeldrachen? Mein Herz machte einen aufgeregten Satz nach vorn. Du meine Güte, natürlich! Hier im Gebirge könnte ich tatsächlich endlich welche zu Gesicht bekommen! Jauchzend folgte ich Vilthon und Mirlien durch den Felsspalt hindurch in das weit verzweigte Höhlenlabyrinth. Zum Glück hatte Vilthon Karte und Kompass parat und Mirlien entzündete mit unseren Funkensteinen die neue Öllampe um seinem Freund zu leuchten. „Lauf nicht ohne uns in der Gegend herum Tilya!“ mahnte mich Vilthon, als ich mich etwas von meinen Freunden entfernte. „Verliekenaugen hin oder her, hier ist es einfach zu gefährlich, um alleine auf Entdeckungstour zu gehen!“ Enttäuscht schnaufend kehrte ich um und folgte meinen beiden Gefährten artig durch die Dunkelheit. Im flackernden Schein der Öllampe sah ich auf unserem Weg gigantische Kristalle in der Schwärze des Berginneren funkeln. Aber einen Kronennebeldrachen sah ich hier leider nicht. Es war lausig kalt hier drin, und deshalb war ich froh, als sich irgendwann die Finsternis teilte und uns der Höhlenausgang mit Tageslicht und duftender, warmer Luft erwartete. Auf dieser Seite des Berges zeigte sich das Klima wieder milder. Grün bewachsene Pflanzen säumten den schmalen Pfad hangabwärts, dem wir jetzt folgten. Über eine lange Hängebrücke mussten wir noch einen dicht bewaldeten Abgrund überwinden. Durch das Rauschen des Windes hörte ich den breiten Bach tief unter uns dahin plätschern, als wir sie überquerten. „Wie weit ist es noch?“ schrie ich Vilthon vor mir zu. „Wir sind gleich da, direkt hinter der Anhöhe müssten wir die Alm sehen können! Zum Dorf im kleinen Tal müssen wir ja nicht gar mehr runter steigen, Tilya!“ brüllte Vilthon zurück. „Dann ist ja gut!“ Und tatsächlich, hinter der Steigung erstreckte sich die herrlich grüne Alm vor unseren Augen! Zahme Bergbeutler begrüßten uns, als wir schnellen Schrittes zwischen den Windwerken hindurch auf eine einsame Hütte zwischen mir fremdartig erscheinenden Nadelbäumen zusteuerten. Unglaublich! Wir hatten es geschafft! Strahlend blickte ich mich zu meinen Freunden um. Auf Mirliens Gesicht las ich eine tiefe Zufriedenheit. Vilthon hingegen sah einfach nur abgekämpft aus. Inzwischen fing es an zu dämmern. Einige Sekunden standen wir unschlüssig vor dem dunklen Holzhaus, dann fasste sich Vilthon ein Herz und klopfte kräftig gegen die schwere Tür. Ich spitzte die Ohren und vernahm einige Augenblicke später leichtfüßige Schritte, die sich uns vom Inneren des Hauses näherten. Dann wurde uns die Tür geöffnet. Ich hielt den Atem an. Das war also Greyan. Mein Herz klopfte schneller, als mich der schwarzhäutige Alverliek einige endlose Sekunden wortlos anstarrte. Sein Haar war weiß wie Schnee, die scharfen Augen blitzen über der Adlernase gleich mandelförmigen Aquamarinen. Irgendwie kam er mir vertraut vor, als er mich etwas geringschätzig betrachtete und den Mund zu etwas verzog, was entfernt einem Lächeln ähnelte. „Guten Abend, Drachenmädchen.“ raunte er mir dann zu, mit einer Stimme, so dunkel und seidig, wie ich sie noch nie zuvor gehört hatte. Ein wohliger Schauer überlief meinen Nacken. Ich machte den Mund auf, um den Gruß zu erwidern, aber es kam nur ein erbärmliches, unartikuliertes Krächzen heraus. „Ihr habt euch ja ganz schön Zeit gelassen, hierher zu finden.“ bemerkte Greyan spöttisch, trat dann auf Mirlien zu und begrüßte ihn mit einem kräftigen Händedruck. Dabei betrachtete er unseren Freund mit unverhohlener Neugier. Zum Glück nicht mit derselben Intensität, wie es Elmeth vor einigen Stunden getan hatte. Dann baute sich Greyan vor dem jüngeren Vilthon auf. Der Alwe war einen halben Kopf größer als der dunkelhäutige Alverliek. Einige Sekunden lang starrten sich die beiden Männer nur grimmig in die Augen. Dann sah ich, wie ganz langsam ein Lächeln Greyans Lippen umspielte und seine strahlend weißen Zähne entblößte. Nicht nur sein Mund lachte, sondern auch seine Augen taten es. Dieses Lächeln sollte ich nur sehr selten zu Gesicht bekommen, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Jedenfalls begann nun auch Vilthon zu schmunzeln, und das Eis war gebrochen. Zu meiner Überraschung holte der Alverliek plötzlich aus, und klopfte meinem besten Freund so herzlich, aber dabei auch so grob auf den Rücken, dass der Alwe einen Schritt nach vorne stolperte und seinem ehemaligen Mitlehrling mehr oder weniger freiwillig in die Arme fiel. Von irgendwoher kam mir diese Szene bekannt vor. Aber wie auch immer… So eine schöne Begrüßung hätte ich mir auch gut bei Vilthon und Elmeth vorstellen können. Irgendwie beneidete ich Vilthon um diesen seltsamen Moment. Aber schon nach einigen Sekunden war dieser Augenblick vorüber und Greyan wirkte wieder wie das Abbild eines alverliekischen Eisklotzes auf mich, als der er sich noch entpuppen sollte. Reserviert, aber höflich gewährte er uns Einlass in sein großes, dunkles, rustikales Holzhaus mit den schweren, alten Möbeln und der kargen Beleuchtung. Greyan zeigte sich recht unpersönlich, dabei jedoch im Laufe des Abends gesprächiger, als man vermuten konnte. Es lag auf der Hand, dass dieser Mann selten Besuch empfing und auch ansonsten kein sonderlich großes Bedürfnis verspürte, sich mitzuteilen. Doch schließlich eröffnete Vilthon ihm nun den eigentlichen Grund unseres Besuches. Meinen Malaren. Und seine Flucht. Greyans Interesse wurde sichtbar geweckt, seine Augen funkelten aufmerksam wie die eines Raubvogels. Während er uns eine deftige Suppe auftischte, forderte er genaueste Informationen über mich, meine Träume, den Verlust meines Totems, das Verhalten meines Malars, die Nacht seines Entkommens, und über das, was wir danach beobachten konnten. Vilthon und ich mussten akribisch genau alle Details schildern. Mir war das sehr unangenehm. Unvorstellbar unangenehm. Doch der unnachgiebige Greyan ließ nicht locker. Er entlockte mir so manches, was selbst Vilthon an diesem Abend zum ersten Mal von mir hörte. Besonders schien ihn das Geheimnis um Mirlien zu fesseln, auch, wenn er es nicht mit meinem Malar in einen Zusammenhang zu bringen wusste. Auch die neuen Erkenntnisse über die Fuchsfrau und den Malarensohn Thyllos faszinierten ihn. Bis in die Nacht hinein schilderten wir ihm alles, was wir bis jetzt in Erfahrung gebracht hatten. Dann entließ uns Greyan gnädig in den Schlafraum, den er im Obergeschoß für uns hergerichtet hatte. Morgen würden wir weiter über die Angelegenheit diskutieren. Völlig übermüdet torkelte ich an diesem unerbittlichen Alverlieken vorbei. Dabei streifte ich unabsichtlich seinen Arm mit meinem. Die Berührung ging mir durch Mark und Bein. Sie brannte unterschwellig, wie unzählige, winzige, eisige Nadelstiche. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber ich fühlte dabei ein seltsames Knistern zwischen uns. Greyan musste es auch gespürt haben, denn er wandte sich mit einer ruckartigen Bewegung zu mir um und sah mir direkt in die Augen. Vilthon, Hilfe! „Also tatsächlich…“ murmelte er dann und ließ seinen linken Mundwinkel belustigt zucken. „Herzlichen Glückwunsch zu deinem Talent, Drachenmädchen. Angenehme Nachtruhe!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)