Der Malar von TilyaDraug (Die Jagd nach der Kreatur der Untiefen) ================================================================================ Kapitel 11: Das Lied - Tag 7 ---------------------------- Am nächsten Morgen wachte ich schon frühzeitig auf, fühlte mich aber dabei ziemlich unausgeruht. Als ich den Waschraum aufsuchen wollte, fand ich die Tür versperrt, doch Mirlien kam recht bald frisch geduscht heraus und machte mir Platz. „Auch schon länger auf, Mirlien? Hast du wenigstens gut geschlafen?“ Mein Freund nickte schief. Eine halbe Stunde später hingen wir gemeinsam die trockene Wäsche auf dem Balkon ab, wobei wir uns flüsternd miteinander unterhielten. „Ich hasse diesen Thyllos. Weißt du vielleicht, was Vilthon an dem Typen so sympathisch findet, Mirlien?“ „Ich wüsste nicht, was man an ihm unsympathisch finden sollte.“ „Eine andere Antwort hätte ich von dir auch gar nicht erwartet, mein Freund. Du bist einfach zu gut für diese Welt.“ seufzte ich resigniert. Mirlien zuckte hilflos lächelnd mit den Schultern. „Warum bist du ihm gegenüber überhaupt so abgeneigt, Tilya? Ich versuche, dich zu verstehen, aber es fällt mir sehr schwer.“ „Dieser Thyllos schafft es irgendwie, die Leute um seinen Finger zu wickeln. Aber es ist nicht sein verliekischer Charme, der ihn so gut bei Mann und Frau ankommen lässt. Er ist anders, aber nicht auf so eine bezaubernde Weise, wie du es bist. Irgendeinen faulen Trick hat er auf Lager, aber ich komme nicht darauf, was es ist. Er macht mir damit Angst, ich weiß nur noch nicht, warum. Und an irgendwen erinnert er mich. Und es geht mir verdammt schlecht dabei, Mirlien. Außerdem finde ich den Kerl total undurchsichtig. Mein Gefühl sagt mir, dass man sich vor ihm in Acht nehmen sollte.“ Meine Hände begannen schon wieder vor Aufregung zu zittern und Mirlien nahm sie sacht in die seinen. Wie immer war seine Haut ungesund kalt. „Du verkühlst dich noch, Mirlien! Hättest du mir bloß nicht mit der Wäsche geholfen! Hoffentlich wirst du uns nicht doch noch krank, mein Guter.“ bangte ich und wollte ihn gerade durch die Balkontüre zurück in den Flur drängen. Doch plötzlich erklang ein helles Pfeifen unter dem Balkon. Wir schauten hinunter und entdeckten einen kleinen, schwarzlockigen Jungen, der mit großen, ernsten Augen zu uns aufsah. „Guten morgen, junger Mann!“ grüßte Mirlien lächelnd den alverliekischen Knaben, der vielleicht gerade drei Sommer zählte. Mir schoss auf einmal die Vorstellung durch den Kopf, was für einen tollen Vater ein Mann wie Mirlien abgeben würde. Der Junge scharrte verlegen mit den Füßen. „Guten Morgen, zusammen. Darf ich einmal allein mit ihrer Tochter sprechen, bitte?“ piepste das entzückende Kind schüchtern. Mein Blick flog zu Mirlien und wir beide strahlten uns an. „Wenn du möchtest, kannst du ruhig frei reden, Kleiner! Vor meinem Freund hier habe ich keine Geheimnisse.“ rief ich freundlich und legte demonstrativ einen Arm um Mirlien, dem das sichtlich wohl tat, denn seine stolz glänzenden Augen ließen mir nun das Blut in den Kopf schießen und mir wurde sehr warm ums Herz. „Ach so. Na gut, wenn du meinst.“ willigte der kleine Alverliek altklug ein und senkte seine Stimme. „Also, dann. Heute Nacht hat mich nämlich ein schwarzes Wolkenmonster besucht.“ Meine Mundwinkel rutschten nach unten. „Geht es dir und deiner Familie gut?“ fragte ich den kleinen Jungen sofort. „Ja, ja.“ beruhigte das Kind mich ungeduldig. „Keine Angst, es war eigentlich ein ganz nettes Wolkenmonster. Ich bin aufgewacht, und es war da, es flog beim Fenster auf und ab. Es hat gefragt, warum es nicht hinein kann. Wieso, du bist doch schon hier im Zimmer, habe ich gesagt, und das Monster hat ganz lustig gelacht. Aber dann ist es auf einmal böse geworden und hat über dich geschimpft, Drachenmädchen. Da hatte ich dann doch ein wenig Angst.“ „Über mich geschimpft?“ wiederholte ich ungläubig. Der Junge nickte heftig mit dem Kopf. „Ja, ganz leise hat es geschimpft. Verfluchtes Drachenmädchen, hat es sogar dabei einmal geflüstert. Mami hat mir aber nicht geglaubt, als ich sie wach gemacht hab. Die sagt, ich habe zu viel Fantasie und ich soll die Fensterläden schließen. Sagt nicht meiner Mami, dass ich verflucht gesagt habe, ja?“ „Nein, nein!“ versprach ich hastig. „Hat das Monster noch was gesagt?“ „Habe ich nicht verstanden. Nur, dass du Schuld bist an Allem. Du bist doch das Drachenmädchen, und ich dachte mir, ich warne dich davor, dass das Monster sauer auf dich ist.“ „Danke Junge, das hast du gut gemacht. Und was ist dann passiert?“ fragte ich atemlos. „Dann ist das Wolkenmonster durch das Fenster geflogen und sah plötzlich aus wie ein haariger Mann, der schnell wegrennt. Aber das war ganz, ganz gruselig! Da habe ich mich dann auch sehr doll gefürchtet, denn ich dachte ja die ganze Zeit, er wäre bloß eine sprechende Wolke. Aber in Wirklichkeit war er ein verwandeltes Monster.“ flüsterte das Kind verschwörerisch. Ich raufte mir die Federn. Da hatten wir wohl alle noch einmal Glück gehabt, wie es aussah. Der Kleine war ja noch verhältnismäßig glimpflich mit dem Schrecken davongekommen. Nur gut, dass die unheimlichen Märchen der Eltern und die alwischen und verliekischen Urängste vor Malaren stets eine gesunde Furcht vor diesen Wesen auslösten, denn wenn man schon als Kind Sympathie für so einen Malar zu hegen beginnen würde, konnte man sich leicht an meinem erschreckendem Beispiel ableiten, wohin das führen konnte. „Hast du eigentlich schon dein Totem gefunden, Junge?“ fragte ich dann den Knaben neugierig. Der Kleine verneinte beschämt. Ich erfasste sogleich die Zusammenhänge. „Dein Glück, sonst hätte dich das Wolkenmonster gestern bestimmt ein bisschen geärgert!“ erklärte ich dem Kind lächelnd. Doch im Inneren schäumte ich vor Wut. Jetzt versuchte dieses Mistvieh es also auch schon bei den ganz Kleinen, die vielleicht noch nie zuvor einen Malar gesehen hatten. Hatte er vor, sich ein neues Bündnis mit einem unbedarften Kind zu erzwingen? Nun, das schien wohl nicht zu funktionieren, Pech für das Monstrum! Der kleine Alverliek rannte, nachdem er sich verabschiedet hatte, zurück zu seinem Elternhaus. Irgendwann, dachte ich, wenn er mal älter war, und schon längst ein Totem und ein Talent besaß und sein eigener Malar ihm zur lästigen Gewohnheit geworden war, würde er sich vielleicht an diese Nacht erinnern und sich fragen, ob ihm seine kindliche Fantasie damals wirklich nur einen Streich gespielt hatte. Ich war froh, dass Mirlien in diesem Moment bei mir war und ich mich einen Augenblick lang an seiner Schulter von dem Schrecken erholen konnte. Als wir mit dem Korb trockener Wäsche vom Balkon in den Flur stiegen, sahen wir die junge Dame, die Thyllos diese Nacht Gesellschaft geleistet hatte, ziemlich verwirrt und mit verstörtem Gesichtsausdruck aus seinem Zimmer hasten und die Treppen hinunter rennen. Der dumpfe Knall der zuschlagenden Eingangstür des Gästehauses verriet, dass sie wohl nicht gedachte, gemeinsam mit uns vier Besuchern zu frühstücken. Vilthon kam aus dem Bad. Mit seinem nassen, schulterlangen feinen Haar sah er sehr jung aus, doch tiefe Augenringe zeugten von einem sehr unerholsamen Schlaf. Ich warf einen hasserfüllten Blick auf Thyllos, der sich nun räkelnd an den Türrahmen seines Zimmers lehnte. „Guten Morgen, Kollegen.“ schleimte er. „Guten Morgen, Tilya.“ Der Verliek präsentierte seine spitzen Fangzähne unter einem breiten, schäbigen Grinsen. „Ich hoffe, ihr hattet auch eine so angenehme Nacht wie ich.“ feixte er. Ich hätte ihm am liebsten meinen Pantoffel ins Gesicht gepfeffert, aber diesen brutalen Anblick wollte ich meinem geliebten Mirlien ersparen. Außerdem fürchtete ich Vilthons Standpauke. Also riss ich mich zusammen und antwortete stattdessen ruhig. „Nun ja, Thyllos, ich will mir ja gar nicht genauer vorstellen, was du da mit diesem bedauernswerten Ding getrieben hast… Aber was es auch war - es war eindeutig zu laut!“ „Tilya, wo bleiben deine Manieren?“ rief der peinlich berührte Vilthon, dem sofort die Wangen zu glühen begannen. „Was denn? Er hat uns alle drei auf irgendeine Art und Weise wach gehalten! Und diesem armen Mädchen scheint es ebenfalls nicht gut zu gehen, sonst hätte sie es doch sicherlich vorgezogen, mit ihrem Wohltäter zu frühstücken, anstatt wie von dem Querkenkneifer gebissen aus dem Haus zu stürmen!“ schimpfte ich erbost. „Aber Tilya, das ist Privatsache und geht uns überhaupt nichts an.“ knurrte Vilthon eindringlich zwischen zusammengepressten Zähnen, entschuldigend in Thyllos Richtung lächelnd. Ich fauchte ärgerlich und begann wütend, die Wäsche zusammenzufalten und die Rucksäcke zwischen den Zimmern auf dem Flur zu packen. Ich hatte wegen diesem flegelhaften Ignoranten ziemlich schlecht geschlafen, und nun nahmen meine beiden Freunde ihn auch noch in Schutz. Und ich hatte einmal gedacht, Myroon wäre das Dreisteste, was die Insel zu bieten hatte. Von wegen! Dieser Typ übertraf wahrscheinlich sogar noch die Menschen in sämtlichen schlechten Eigenschaften. So benahm sich doch kein Verliek! Eine Schande für sein Volk war er! Mies gelaunt riss ich die Gurte der Taschen stramm und verknotete sie sorgsam, vielleicht ein wenig zu fest. Tränen der hilflosen Wut stiegen mir unaufhaltsam in die Augen, als sich Thyllos im Flur absichtlich dicht an mir vorbei in den Waschraum drängte. Der Verliek war, wie ich leider schon in Erfahrung bringen musste, knapp einen Kopf länger als ich, also kleiner als jeder meine beiden Freunde, doch in seiner Bedrohlichkeit kam er mir immer noch viel größer als Vilthon und Mirlien vor. Nun stieg mir der Geruch nach körperlicher Aktivität in die Nase, sein sehr maskuliner Duft und gleichzeitig ein Hauch von …regennasser Wollspinne. Ich sog scharf die Luft ein und drehte mich mit klopfendem Herzen nach dem Verlieken um, der gerade beschwingt pfeifend die Tür des Bades öffnete. Thyllos, der dies zu spüren schien, wandte sich langsam um, und fragte mich dann zu allem Überfluss mit unerträglich samtiger Stimme, ob ich ihm nicht in den Waschraum folgen und ihm Gesellschaft leisten möge. Dabei funkelte er mich aus seinen stechenden Bernsteinaugen provokant an. Leider war ich momentan zu schockiert, um mit einer entsprechend ätzenden Antwort dieses Angebot abzulehnen, sondern schüttelte nur panisch den Kopf und rannte die Treppen hinunter in den Speiseraum, wo sich Mirlien und Vilthon angeregt miteinander unterhielten, während sie auf mich warteten. „Na, Liebes, hast du dich wieder eingekriegt?“ fragte Vilthon forsch, als ich mich ihm mit wackeligen Knien gegenübersetzte. „Mirlien, Vilthon! Thyllos stinkt nach Malar!“ platze ich unvermittelt heraus. Vilthon schielte vielsagend zu Mirlien, der aber mit dieser Information nicht viel anzufangen wusste. „Versteht ihr denn nicht? Bestimmt macht er gemeinsame Sache mit dem Monster. Vielleicht ist er ja sogar selbst niemand anderes als mein Malar persönlich, der durch seinem Staub die Gestalt eines Mannes angenommen hat, um uns zu täuschen. Deswegen war er mir auch bestimmt von Anfang an so unangenehm. Wir sollten uns nicht auf ihn einlassen!“ flüsterte ich verschwörerisch. Vilthon stützte seinen Kopf in die Hände. „Liebes, du solltest dich einmal reden hören. Diese ganze Geschichte um den Malar nimmt dich viel zu sehr mit. Alles, was dich verunsichert, bringst du auf Biegen und Brechen irgendwie mit diesem Wesen in Verbindung, merkst du das nicht? Du musst das Alles etwas lockerer angehen, sonst wirst du noch einmal die Leute mit deinen unüberlegten Worten und deinen aus der Luft gegriffenen Verdächtigungen sehr verletzen, glaube mir bitte.“ „Vilthon, ich weiß, was ich wahrnehme. Wir müssen ihn im Auge behalten! Du darfst ihm nicht so schnell vertrauen, wie wir es bei Mirlien tun konnten, das wäre in diesem Fall ein großer Fehler!“ versuchte ich meinen Freund zu überzeugen. Doch ich stieß bei ihm auf taube Spitzohren. „Ich möchte mir bitte mein eigenes Bild von Thyllos machen, Liebes. Es ist verständlich, dass du vorsichtig geworden bist und uns vor allen Gefahren, die von dem Malar ausgehen, schützen möchtest, aber ich habe gar keine Bedenken, was diesen Verlieken angeht. Auch deine Einwürfe veranlassen mich immer noch nicht, ihm zu misstrauen, dafür gibt es schlicht und einfach noch keinen festen Grund. Und jetzt guck nicht mehr so böse und nimm dir schon mal ein Brötchen.“ Mirlien räusperte sich. „Tilya, möchtest du Vilthon nicht vielleicht von der Geschichte des jungen Alverlieken erzählen?“ „Ach, ja.“ besann ich mich. „Das habe ich in der Aufregung ganz vergessen. Erzähl du, Mirlien, ich bin noch zu zappelig vor Ärger, um mich jetzt an alle Einzelheiten zu erinnern.“ grummelte ich und spießte grausam ein Xeraatbrötchen mit meinem Messer auf. Zu meiner Überraschung schilderte Mirlien nun seine Ausführung akribisch detailliert und gab das Gespräch im exakten Wortlaut wieder. Ich konnte nun nur noch über sein exzellentes Gedächtnis und seine hervorragende Auffassungsgabe staunen, und vergaß darüber sogar meine verzweifelte Wut auf Thyllos, der sogar beim pingeligen Vilthon mit seiner Masche durchzukommen wusste. Vilthon, der von alledem nichts ahnte, lauschte Mirliens Worten aufmerksam, dann atmete er einmal tief durch und begann gewohnheitsmäßig zu analysieren. „Ich bin erst mal ziemlich erleichtert, dass der Malar bei Kleinkindern auf Granit beißt. Also kann er nur in Träume einbrechen, die bereits unter einem Bündnis stehen. Das heißt, er kann nicht einfach in den Untiefen wildern. Und dann muss er es erst noch einmal schaffen, den innewohnenden Malar und das Totem seines Opfers zu besiegen. Ich glaube, Freunde, dass die ganze Sache gar nicht mal so schlimm ist, wie sie scheint.“ In diesem Augenblick hörten wir Thyllos mit schweren Schritten die Stufen hinuntersteigen. Ich begann sogleich, intensiv die Luftlöcher in meinem aufgeschnittenen Xeraatbrötchen zu studieren. „Ihr habt mit dem Frühstück auf mich gewartet, meine Freunde? Wie liebenswürdig!“ stellte der Rotschopf erfreut fest und setzte sich neben mich, die ich auf einmal gar keinen Appetit mehr verspürte. „Was ist los, Süße? Warum schaust du so finster aus der Wäsche? Schlimme Träume gehabt?“ gurrte Thyllos und lehnte sich doch tatsächlich so weit zu mir herüber, dass seine kurzen, rotgoldenen Bartstoppeln schon an meiner Wange kratzten. Mein brennender Blick bohrte sich vorwurfsvoll in Vilthons und Mirliens Augen, aber keinem von beiden schien Thyllos widerliches Verhalten einen Einspruch wert zu sein. Frustriert knallte ich mein angebissenes Brötchen auf den Teller, rannte die Treppen hoch, schnappte mir den Rucksack und verließ wutschnaubend das Gästehaus. „Ich warte draußen auf euch beide, mir ist plötzlich so schlecht geworden!“ verkündete ich betont kühl. Draußen lehnte ich mich entnervt an die Backsteinmauer des Gebäudes. Das durfte doch alles nicht wahr sein! Dem gutgläubigen und weltfremden Mirlien hätte ich ja ohnehin nicht zugetraut, dass er das Schlechte in irgendwelchen Leuten erkannte, doch zumindest von Vilthon hätte ich eine gewisse Personenkenntnis erwartet. Wie konnte er nur so blind sein? Oder war vielleicht doch nur ich selbst diejenige Person, mit der etwas ganz und gar nicht stimmte? Mirlien war mir gefolgt. „Geht es dir tatsächlich nicht gut, oder wolltest du einfach nicht länger bei Thyllos sitzen bleiben, da du seine Anwesenheit nur schwer erträgst?“ fragte er mich direkt. Ich antwortete wahrheitsgemäß. Mirlien konnte ich wahrscheinlich sowieso nichts vormachen. Er legte seinen Arm um mich. „Fühl dich nicht von Vilthon im Stich gelassen, Tilya. Er würde niemals an dir zweifeln und er wird zu dir halten, wenn es darauf ankommt.“ „Dann ist es vielleicht schon zu spät, Mirlien. Ich habe das Gefühl, dass dieser Thyllos etwas Mieses im Schilde führt.“ jammerte ich, die ich mich von meinem besten Freund unverstanden fühlte. „Du hast Angst vor Thyllos, das erkennt Vilthon. Aber er ist viel zu fair und gerecht um eine Person zu verurteilen, deren Schuld nicht eindeutig bewiesen ist.“ versuchte Mirlien das Verhalten seines geschätzten Freundes zu erklären. Ich sah ihn mit glänzenden Augen an. „Du hast ein Herz, reiner als Kristall, Mirlien. Daran sollte ich mir ein Beispiel nehmen. Ich hoffe nur inständig, dass ich es sein werde, die sich in Thyllos geirrt hat.“ Vilthon kam aus dem Gästehaus und gesellte sich zu uns. Er gab mir einen Kuss auf die Wange. „Geht es dir besser, Liebes? Ich kann nicht am Frühstückstisch sitzen, wenn ich weiß, dass du dich nicht wohl fühlst.“ Ich umarmte den Alwen stürmisch. „Ich hab dich lieb, Vilthon, auch, wenn du Torfkopf dich von diesem Thyllos einwickeln lässt.“ „Ich hole unsere Rucksäcke.“ sprach Mirlien zufrieden lächelnd und ließ uns beiden versöhnten Spitzohren kurz allein. „Ich habe dich auch lieb, Tilya.“ flüsterte Vilthon. „Deshalb habe ich Thyllos nun doch nicht angeboten, sich uns anzuschließen. Wenn er dir so sehr zuwider ist, will ich dir seine ständige Gegenwart nicht zumuten, obwohl ich deinen Widerwillen gegen ihn nicht im Geringsten nachempfinden kann. Er ist ein ganz toller Kerl, mit einer ordentlichen Portion Lebenserfahrung. Du hättest ihn besser kennen lernen sollen.“ „Lieber nicht.“ brummte ich abwehrend. „Sieh mal, der hier ist ein wirklich toller Kerl!“ rief ich dann, und deutete strahlend auf Mirlien, der mittlerweile die Taschen der Männer aus dem Gästehaus geholt hatte. „Ein ganz unvergleichlicher, einzigartiger, wunderbarer Kerl!“ schwärmte ich weiter und fiel nun auch ihm um den Hals. Mirlien schwankte ein wenig unter der Last der Taschen und meiner impulsiver Umarmung, und Vilthon nahm ihm schmunzelnd seinen Rucksack ab. Er freute sich sichtlich, dass auch eine introvertierte, misstrauische Person wie ich sich so schnell für Mirlien erwärmen konnte. Aber war dies denn wirklich noch verwunderlich? Durfte es überhaupt jemanden geben, der sich Mirliens Wesen entziehen konnte? Auch ein so überzeugender, witziger, kompetenter Mann wie Thyllos hätte es niemals mit Mirliens Sensibilität, seinem Einfühlungsvermögen und seiner rücksichtsvollen, zuvorkommenden und liebevollen Art aufnehmen können. Wir drei machten uns in aller Eintracht auf den Weg, und Mirlien zeigte sich sichtlich zufrieden und erleichtert. Als er uns wieder einmal darum bat, ihm weitere Einzelheiten über Kultur und Gesellschaft der Alwen und Verlieken nahe zu bringen, nahm ich dies zum Anlass, um ihm einige volkstümliche Melodien zu trällern, die ich damals bei Myroon erlernt hatte. Ich sang ihm die Lieder von verliekischen Jagden, bot alwische Seefahrerweisen dar, erzählte schaurige Kindermärchen von Malaren in Reimen, und diskutierte mit Vilthon über die verschiedenen kleinen Bräuche und Sitten des Totemkultes, die von Dorf zu Dorf unterschiedlich intensiv praktiziert wurden. Mirlien lauschte so aufmerksam wie er es immer tat, wenn er etwas Neues lernte. Nur bei der Schilderung der verliekischen Jagden erstarb sein Lächeln kurz. „Jede Nacht jagen die Verlieken, nur um der alten Tradition willen?“ fragte er etwas traurig. Ich zuckte entschuldigend mit den Achseln. „Um ehrlich zu sein, ja. Die ersten Verlieken dieser Erde waren regelrechte Raubtiere, die sich ursprünglich ausschließlich von Fleisch ernährt haben sollen.“ erklärte ich. „Im Laufe der Jahrtausende hat sich das zum Glück geändert. Nur noch diese nächtlichen Jagden, in denen in den Wäldern wilde Zaronnen oder Betoolenspringböcke erlegt werden, zeugen von der Wildheit der Urverlieken. Und wer weiß, vielleicht wird auch dieser Brauch in einiger Zeit aufgegeben werden.“ „Und die Malare, gab es die auch schon immer?“ fragte Mirlien interessiert, „Nach den ältesten Überlieferungen waren Alwen und Totemtiere schon seit der Entwicklung der Schriftzeichen ein Begriff. Viele noch heute bestehende Relikte zeugen von diesem alten Wissen. Nur die Erkenntnis und effektive Nutzung der Begabungen reicht erst wenige Jahrhunderte zurück.“ erklärte Vilthon seinem Freund. „Faszinierend.“ flüsterte Mirlien beeindruckt. Ein Karren mit Textilwaren, gezogen von einem prächtigen Paar Reitechsen, rollte über die Hauptstraße von hinten auf uns drei Wanderer zu. „Wollt ihr aufspringen? Ich fahre ins Salamanderdorf!“ schrie uns die dunkelhäutige Verliekin, die den Wagen lenkte, zu. Wir ließen uns nicht zweimal bitten, und hüpften dankbar in die weiche Fracht. „Das sind aber große Reitechsen!“ staunte ich über die Tiere, deren Schulterhöhe meine eigene Körpergröße überragte. „Tja, Süße, die kommen ja auch von den Vulkaninseln des Donnerlands. Groß wie Laufechsen sind sie.“ verkündete die Verliekin stolz, während die Felder an uns vorüberrauschten. „Mein Vater hat sie damals von einer seiner Reisen mitgebracht. Aber sie sind störrischer als die Echsen vom Festland. Wenn du sie nicht selbst aufgezogen hast, gehorchen sie dir auch nicht.“ erklärte sie. Vilthon schmunzelte und warf einen Blick auf mich. „Dieses Problem kenne ich.“ flachste er. Mirlien schien diese liebevolle Anspielung auf meine Eigenwilligkeit nicht verstanden zu haben. Gut gelaunt puffte ich meine beiden Freunde in die Seite. Ich freute mich, durch die Fahrt einen großen Abstand von Thyllos zu gewinnen. ______________________________________________________________________________ Gegen Mittag erreichten wir das Salamanderdorf, wo uns eine herrliche Kürbissuppe im Gästehaus erwartete. Die dunkelhäutige Verliekin, die sich Gyselle nannte, speiste mit uns. Als wir alle miteinander am Tisch saßen und über Reitechsen plauderten, stellte sich heraus, dass die burschikose Frau gleich, nachdem sie einen Teil der mitgeführten Stoffe im Lager des Salamanderdorfes abgeladen haben würde, die restliche Ware in ihre Heimat, das schöne Hafendorf zu transportieren gedachte. „Auch wir wandern Richtung Norden weiter.“ stellte Mirlien sachlich fest. Die Frau beugte sich zu Mirlien hinüber und betörte ihn mit ihren irreführend hellen Augen. „Also, ich hätte nichts dagegen, wenn ihr mir noch etwas Gesellschaft auf meinem Weg leisten würdet. Ihr seid eine wirklich niedliche Bande.“ „Das ist sehr freundliche Geste von Ihnen.“ bedankte sich Mirlien höflich, und die Verliekin kicherte wie ein kleines Mädchen. Vilthon und ich zwinkerten einander zu. Unser ungewollt charmanter Freund schien nicht zu ahnen, welche herzerfrischende Wirkung er auf die Damenwelt auszuüben vermochte. Der Karren rollte über weite Ebenen und Weiden, durch Wälder, und an zahlreichen Feldern vorbei, bis die Hauptstraße einen Bogen beschrieb und uns wieder einmal entlang der Küste führte. Ich grinste triumphierend. Thyllos würde uns nun kaum noch einholen können. Der Abend war noch jung, als wir das wunderschöne Hafendorf am Meer erreichten. „Unsere letzte Station an der Küste.“ meinte Vilthon mit einem prüfenden Blick auf die Karte. „Genieße noch einmal diesen Anblick, Tilya!“ Auch ohne diese Aufforderung hätte ich die herrliche Aussicht mit meinen Augen verschlungen. Staunend betrachtete ich die vielen bunten Schiffchen, die am Hafen an lagen und munter auf den glitzernden Wellen schaukelten. Meeresvögel schwebten kreischend durch die Lüfte und hofften auf eine milde Gabe der Angler. Die letzen Fischer kehrten in ihren Booten von ihren Jagdausflügen auf dem offenen Meer zurück und wurden erwartungsvoll von ihren Familien empfangen. Gyselle hielt an einem gemauerten Wall und befestigte ihren Karren an einigen Ketten, damit er nicht die Steigung hinab rollen konnte. Dann machte sie die beiden Reitechsen von ihrem Geschirr los, die sofort mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit die Straße hinunter ins Dorfinnere sprinteten. „Die laufen jetzt zu meinen Brüdern!“ erklärte uns Gyselle. „Wenn die Jungs ihr dumpfes Gebrüll hören, wissen sie, dass ihr Schwesterchen bei den Lagern auf sie wartet. Die starken Kerle sollen mir gefälligst dabei helfen, die schweren Stoffrollen einzuräumen, für so was hat man ja schließlich ältere Geschwister!“ Schelmisch zwinkerte sie uns zu, worauf wir sofort hilfsbereit anboten, der freundlichen Verliekin zur Hand zu gehen. Die winkte aber dankend ab. „Lieb von euch, aber meine beiden Brüder werden jeden Augenblick auf den Echsen angeritten kommen. Das wäre ja auch noch schöner, wenn wir unsere Gäste hier arbeiten lassen würden! Ab mit euch zum Gemeindeplatz, da wird gleich frischer Fisch aufgetischt! Vielleicht sieht man sich noch nachher!“ lachte die hübsche Frau. Ich bedauerte dies. Wenn die Brüder dieser Verliekin nur entfernt so attraktiv wie ihre Schwester waren, was ich doch stark vermutete, hätte ich lieber gänzlich auf das Abendbrot verzichtet, anstatt mir diesen optischen Leckerbissen entgehen zu lassen. Gyselle verabschiedete sich herzlich von uns dreien, besonders aber von Mirlien, den sie besonders innig umarmte und wohl am liebsten gar nicht mehr los gelassen hätte. ____________________________________________________________________________ Wir schlenderten gemütlich über die Piere, und beobachteten dabei, wie die Fischer ihre Netze säuberten, ihre Schiffchen warteten und wie der Fang sortiert und in das Dorf verfrachtet wurde, als Mirlien mich sanft an stupste. „Seht mal, ihr beiden! Ist das nicht Thyllos da hinten?“ „Nein, Mirlien! Nicht schon wieder!“ Meine Blicke flogen entsetzt in die Richtung, in die mein Freund wies. Weiter hinten turnte tatsächlich ein rothaariger Mann, behände wie ein Berglemur auf einem Steg herum. Er hatte uns den Rücken zu gedreht, doch ich konnte erkennen, dass er eine Klampfe in den Händen hielt, von der gelegentlich einige Klänge durch das Rauschen der Wellen drangen und mit dem Wind zu uns getragen wurden. „Das kann doch gar nicht sein! Wie sollte er uns so schnell eingeholt haben! Er kann doch nicht fliegen!“ hauchte ich verzweifelt. Um die verhasste Person scharten sich einige Leute, vor allem Kinder und junge Frauen fanden sich um Thyllos herum ein und schienen ihm andächtig zu lauschen. „Was macht er da eigentlich?“ überlegte Vilthon. „Sicher führt er etwas vor, sowie Myroon es im Hügeldorf immer zu tun pflegt. Kommt mit, das müssen wir uns ansehen!“ Begeistert zog der Alwe Mirlien und mich an den Armen hinter ihm her. Ich sträubte mich vehement. „Nein! Bitte, Vilthon!“ „Jetzt hab dich nicht so, Liebes! Wir werden ihm wohl zwangsläufig früher oder später im Gästehaus begegnen! Komm schon, tu es Mirlien zu Liebe! Schau doch nur, so etwas kann wirklich sehr interessant werden!“ „Davor habe ich ja so große Angst!“ jammerte ich unwillig. Vilthon hatte Mirlien und mich in die Gruppe der Schaulustigen geschleift. Damit auch ich recht klein geratenes Ding etwas von dem Spektakel, dass Thyllos veranstaltete, mitbekam, schubste der Alwe mich kurzerhand durch die Menge hindurch nach vorne. Fast wäre ich vor die Füße des ganz in grau gekleideten Verlieken gestolpert, so sehr erschrak ich in dem Moment, als ich in sein Antlitz sah. Bleich geschminkt war sein Gesicht, mit Kohlruß hatte er die Augen akzentuiert, so dass sie noch stechender, noch gieriger blickten als sonst. Über den Lippen hatte er eine schwarze, blitzförmige Musterung aufgetragen, so dass der Eindruck großer, scharfer Reißzähne erweckt wurde. Sein scharlachrotes Haar leuchtete in diesem Kontrast wie gerinnendes Blut. Die Ähnlichkeit, die dieser Verliek nun mit einem Malar aufwies, war erschreckend, und auch seinen verwirrenden Geruch konnte ich nun wahrnehmen, so nah, wie ich nun vor ihm stand. Sein Instrument beherrschte er nicht besonders gut, aber die Leute, die ihm lauschten, fesselte er mit seinen Worten, seinem Anblick, seiner Stimme. Gebannt hingen sie an seinen Lippen, blickten zu ihm hoch, als wären sie ihm hörig. Unablässig zupfte Thyllos seine Klampfe und sprach in seinem Singsang weiter, die Stimme tief und rau, aber melodisch. Ich zwang mich, ruhig zu bleiben. Das gelang mir auch, bis ich zu erkennen glaubte, wovon der Verliek eigentlich sang. „Das rote Tier, es hungert sehr, das Mädchen setzt sich nicht zur Wehr, die Angst vor ihm, die nährt in nicht, es schwächt der Blick in ihr Gesicht. Was Staub erschafft, sie lachen lässt, das Tier, es hält sein Mädchen fest. Sein Griff, so hart, er schmerzt sie beide. Das Tier, dem Mädchen rückt zu Leibe. Wahrhaftig sieht sie sein Gesicht, das Totem tot, es hilft ihr nicht. Das Tier ist frei, es sät die Frucht, Menschenträume, seine-„ „Halt deine elende Klappe, verdammt noch mal!“ brüllte ich, die ich mich endlich aus meinem lähmenden Entsetzen reißen konnte, sprang an Thyllos hoch und riss ihn mit ungeahnter Kraft zu Boden. Irgendwo über uns hörte man das hysterische Kreischen von Kwantsch. Die Klampfe fiel unter einem sterbenden Klang ihrer Saiten auf den Kiesweg, auf dem wir beiden ungleichen Kontrahenten jetzt lagen. Ich saß mit wutverzerrtem Gesicht auf Thyllos, der unter seiner Maskerade so entspannt grinste, als spiele er mit einem kleinen Schnabelgecko. Meine zitternden Hände krallen sich in den grauen Hemdkragen meines Widersachers. „Was erzählst du den Leuten da, du Mistkerl? Was machst du überhaupt hier?“ schrie ich wutentbrannt. „Hallo, meine Süße, wie schön dich zu sehen.“ antwortete der Verliek mit spöttischen Grinsen und winkte seinen beunruhigten Zuschauern, die von meinem Angriff zutiefst empört zu sein schienen, entwarnend zu. „Keine Sorge, liebe Leute! Eigentlich ist die Kleine ganz anschmiegsam, aber was erzähle ich euch…Frauen eben…“ Der lachende Thyllos fing erst meine rechte, dann meine linke Faust ab, mit denen ich ihn zu traktieren gedachte. „Denk nach, Schätzchen, ob du jetzt nicht lieber nett zu mir sein solltest.“ raunte er mir leise zu. Die Schaulustigen, die sich um uns beiden Kampfhähne gedrängt hatten, begannen zu tuscheln. Ich überlegte kurz. Dieser Bastard hatte Recht. Wenn den Leuten auffiel, wie empfindlich gerade ich, die Jägerin des berüchtigten Tieres, auf Thyllos Lied reagierte, würde es nicht mehr lange dauern, bis man sich eins und eins zusammenzählen konnte. Außerdem benahm ich mich gerade nicht viel besser als ein Mensch. Mirlien und Vilthon versuchten sich anscheinend gerade durch die Menge hindurch zu kämpfen, ich hörte die besorgte Stimme des Alwen durch die vielen anderen Stimmen tönen, sah Mirliens große Augen, die bestürzt auf mir ruhten. Ich begann, mich vor ihm zu schämen. „Um auf deine Frage zu antworten, was ich hier treibe, kann ich dir antworten, dass ich den Leuten bloß ein unterhaltsames Liedchen vortrage, ich erzähle eine spannende, neue Geschichte in der allgemeinen Sprache. Was ist schon dabei?“ zirpte Thyllos mir süßlich entgegen. Ich knirschte mit den Zähnen. „Und wie ich so schnell hierher gelangt bin, willst du wissen? Nun, Kleine, Reitechsen sind, wie der Name schon sagt, zum Reiten geeignet. Und wenn man keinen lästigen Karren hinter sich herziehen muss, und statt die verschlungene Hauptstraße zu benutzen, die Abkürzungen querfeldein verfolgt, dann-„ „Woher…? Aha! Du hast uns also nachspioniert!“ unterbrach ich ihn hitzig. „Aber, aber, Tilya! Was für ein böses Wort.“ schnurrte der Verliek und zog meine Fäuste, die er noch immer in seinen Pranken hielt, ruckartig nach oben über seinen Kopf, so dass ich meinen Halt verlor und mich auf ihm lang machen musste. Wie erniedrigend! Hilflos auf meinem Erzfeind zappelnd hörte ich einige Leute lachen, die meisten jedoch begannen den Schauplatz desinteressiert zu verlassen. Wütend riss ich ihre Hände aus der Umklammerung des Verlieken und rappelte mich zornig hoch. Endlich gaben die Zuschauer Vilthon und Mirlien den Weg frei. Ungeduldig wischte ich mir die fettige, weiße Schminke von Stirn, Mund und Nase. Nur Mirlien hatte es dieser Thyllos zu verdanken, dass ich ihm jetzt nicht kurzerhand den Hals umgedrehte. Eine hübsche Alverliekin mit weißblondem, feinen Haar und hellblauen Augen drängte sich zwischen meine beiden Freunde hindurch, ergriff flink meine Hand, und zog mich von Thyllos weg. „Zhannya, meine liebe Freundin! Lange ist es her…“ tönte Thyllos vertraulich, als er die junge Frau erblickte, die etwa in meinem Alter sein musste und auch eben so klein geraten war wie ich, jedoch auffallend schlank und grazil wirkte. „Wir sind keine Freunde, du falscher Fuchs!“ knurrte das Mädchen, das Zhannya hieß abfällig, und bedeutete uns drei Gefährten, mit ihr zu kommen. Mirlien nahm mich bei meinem freien Arm und erkundigte sich besorgt, ob denn alles mit mir in Ordnung sei. Ich nickte abwesend. Vilthon lief an Zhannyas Seite und redete wild auf mich ein. „Tilya, was ist nur wieder in dich gefahren? Der arme Mann hat doch gar nichts getan, außer irgendein harmloses Lied zu singen, und du fällst über ihn her? Was sollen denn nun die Leute von uns denken, wir sind in diesem Dorf zu Gast!“ „Irgendein harmloses Lied?“ schnaubte ich, und schnappte nach Luft. Doch noch bevor ich dem Alwen etwas entgegensetzen konnte, ergriff Zhannya das Wort. „Vilthon, deine Freundin ist nicht im Unrecht, was ihr Misstrauen gegen Thyllos angeht. Ich weiß zwar nicht, warum sie so wütend auf ihn ist, aber sie wird ihre Gründe haben! Thyllos ist keineswegs so harmlos, wie er scheint. Leider fallen die Leute reihenweise auf ihn herein, aber er ist eine äußerst zwielichtige Gestalt, die mit Vorsicht zu genießen ist.“ „Vilthon…, du…Ihr kennt euch?“ fragte ich verwirrt. „Erst seit eben!“ erklärte Zhannya. „Ich breche morgen früh mit meinen Kumpeln zu unserer nächsten Seereise auf und wollte noch mal nach dem Zustand unseres Schiffes schauen. Und was sehe ich da am Hafen? Meinen ehemaligen Gefährten Thyllos und das Drachenmädchen, von dem in jedem Dorf im allgemeinen Schreiben an der Tafel zu lesen ist. Natürlich wollte ich sofort dazwischen gehen, aber die ganzen Leute um euch herum standen im Weg. Und dann ist mir Vilthon auf den Fuß getreten. So haben wir Bekanntschaft geschlossen.“ „Thyllos war dein Gefährte?“ fragte ich argwöhnisch nach. „Ja, wir waren vor einigen Jahren zusammen mit ihm auf der See, auf einer Reise zum Kontinent. Aber im Gegensatz zu meinen Freunden habe ich mich nicht von ihm um den Finger wickeln lassen. Ich habe sein wahres Gesicht erkannt, leider zu spät. Der Typ benimmt sich wie ein Mensch, aber wenn man seine Vergangenheit kennt, verwundert das kaum noch!“ „Du warst bei den Menschen? Was hast du dort gesehen? Wie sind sie so?“ wollte Vilthon wissen. „Vilthon, ich möchte jetzt lieber mehr über deinen ach ja so verehrten Thyllos erfahren! Du hast doch gehört, ich lag richtig mit meiner Einschätzung, also lenk nicht vom Thema ab!“ brauste ich auf. Zhannya sah Vilthon tief in die Augen. „Lass dich nicht von dem überzeugen, was Thyllos zu sein vorgaukelt. Ich weiß nicht, wie dieser raffinierte Betrüger es anstellt, aber er kann allen Leuten einen guten Eindruck von sich vermitteln, sie manipulieren, und hinterrücks zieht er sie dann alle heimtückisch über den Tisch. Und die Gelackmeierten bewundern ihn auch noch und danken ihm auf Knien für seine edelmütigen Taten. Ich will jetzt nicht näher darauf eingehen, was er auf dem Kontinent alles verbrochen hat, aber er hat unsere Forschungen behindert, er hat uns bestohlen, verraten und verkauft, das kann ich euch schon mal erzählen! Und unter den Menschen hat er noch viel rücksichtsloser gewütet. Ich mag dieses seltsame Volk nicht besonders, aber wie Thyllos sich bei ihnen benommen hat, schadet dem guten Ruf unserer Inselgemeinschaft. Pass bloß auf deine beiden Freunde auf, Vilthon! Mit Thyllos ist nicht zu spaßen.“ Vilthons Wangen hatten sich gerötet, und er nickte stumm. Seine Augen glänzten. Ich glaubte diesen Blick aus alten Zeiten zu kennen, als Calissa noch bei ihm war. Ich hoffte nur, Vilthon hatte trotzdem verstanden, was Zhannya ihm sagen wollte. Zwar war ich etwas eifersüchtig darauf, dass er Zhannyas Meinung widerspruchslos respektierte und sie, im Gegensatz zu meinen Ansichten, nicht hartnäckig in Frage stellte, doch ich war auch froh, dass das fremde Mädchen als erste Person meine Auffassung teilte und meinen Freund damit zu überzeugen schien. „Wie hast du sein Spiel durchschaut, Zhannya?“ fragte ich sie interessiert. „Komplizierte Sache. Schwer zu erklären. Ich muss gestehen, dass auch ich Thyllos zunächst aus der Hand gefressen habe. Aber als dieser Typ dann zudringlich wurde, hat mich irgendetwas in meinem Inneren geweckt, und ich habe erkannt, dass ich mich zu ihm nicht in der Weise verhalte, wie es eigentlich typisch für mich ist. Ich habe instinktiv mein Talent zu Hilfe genommen, und ein Fingerschnipsen später löschte eine kalte Woge, die rein zufällig über das Deck peitschte, seine Glut. Zwar waren wir danach beide bis auf die Knochen durchnässt, aber seitdem hat er mir nie wieder etwas vorgemacht und ich konnte hinter seine aalglatte Fassade blicken. Leider hat mir keiner meiner Freunde Glauben geschenkt.“ Ich lauschte Zhannya gebannt und erkannte endlich auch erste Anzeichen von Zweifel auf Vilthons Gesicht. Ich hoffte inständig, sie galten nicht Zhannyas Schilderung, sondern seiner eigenen Einschätzung des ungeliebten Verlieken. „Und von welcher Vergangenheit war die Rede, der Thyllos sein schlechtes Benehmen zu verdanken hat?“ wollte der Alwe wissen. „Ihr habt doch sicher schon einmal von der Geschichte der Verliekin gehört, die hier vor über dreißig Jahren bei der Geburt ihres Sohnes verstorben ist. Ihr wisst schon, die schöne Fuchsfrau, die in ihren Wehen verlauten ließ, ihr Malar sei bereits vor Monaten aus ihren Träumen entkommen, kurz nachdem er ihr Totemtier, einen Fuchs mit dem Flammentalent gefressen hatte. Immer noch wird hier, in ihrem Heimatdorf viel über sie gesprochen.“ Vilthon nickte in plötzlicher Erkenntnis. „Ja, ein Bekannter von mir hat mir mal davon geschrieben!“ „Als Thyllos sich wieder einmal völlig betrunken hat, hat er mir einige seltsame Dinge erzählt.“ fuhr Zhannya fort. „Alles was ich verstanden habe, war, dass diese Fuchsfrau Thyllos Mutter gewesen sein muss. Damit nicht genug, sein Vater soll angeblich niemand anderes als der Malar gewesen sein, der sich aus den Träumen der Fuchsfrau befreit haben soll.“ Ich schauderte bei dieser Vorstellung und klammerte mich fester an Mirliens Arm. „Das klingt aber mehr als unglaublich.“ ließ sich Vilthons Stimme vernehmen. „Nun ja, Thyllos war ziemlich alkoholisiert und sehr anlehnungsbedürftig, als er mir das erzählt hat. Untypisch für ihn, so viel Schwäche zu zeigen. Erst hielt ich es für eines seiner Spiele. Ich kann die Geschichte ja eigentlich auch kaum glauben, aber dies würde wenigstens erklären, warum er so anders ist als die Insulaner. So skrupellos und egoistisch kann doch kein Verliek sein.“ meinte Zhannya mit finsterem Blick. „Und was hast du mit Thyllos und deinen Freunden auf dem Kontinent gesucht?“ fragte Vilthon, brennend vor Neugier. Ich rollte mit den Augen. War es momentan nicht wesentlich entscheidender, mehr über Thyllos wahre Natur zu erfahren? „Wir versuchen, mehr über die Fortschritte der menschlichen Kultur zu erfahren, die uns in unserem Exil entgehen. Selbstverständlich haben wir nicht vor, all ihre destruktiven Erfindungen auf der Insel anzuwenden, denn wir beobachten auch die langfristigen Folgeschäden in der Natur und innerhalb der sozialen Gemeinschaften, die die Technisierung mit sich bringt. In Menschenhänden verwandeln sich die harmlosesten Dinge in verheerende Waffen, wie wir erkannt haben. Doch einige Entwicklungen können uns Insulaner im guten Sinne fördern und unterstützen. Unsere kleine Organisation, die es schon fast so lange gibt, wie die gemischte alwisch-verliekische Gemeinschaft, arbeitet sehr subtil. Hier und da finden auf dieser Instrumente Verwendung, die von Menschenhand gefertigt wurden, und niemand ahnt dies. Wir haben sie für die Insulaner übers Meer gebracht, zu ihrer Bequemlichkeit, zur Erweiterung ihres Horizontes. Auch menschliches Wissen, Konzepte, Erkenntnisse und Ideen bringen wir gelegentlich vom Kontinent mit, von denen die Insel lernen, und sie unter Einhaltung ihrer Prinzipien umsetzen kann. Vor jeder Einführung prüfen wir jede neue Errungenschaft auf mögliche Risiken für unsere Heimat. Beispielsweise wäre es töricht, Pflanzen und Tiere aus dem Kontinent zu verschiffen, da wir niemals abschätzen können, welche Folgen das für unsere heimischen Arten haben könnte.“ schilderte Zhannya zögerlich die Intention ihrer Bande. Wir hörten fasziniert zu. „Ein kühnes Unterfangen.“ flüsterte Vilthon beeindruckt. Ich nickte andächtig. „Ja, manchmal wird es ziemlich gefährlich unter den Menschen.“ gab das Mädchen zu. „Aber wir finden es wichtig, über die Menschen auf dem Laufenden zu bleiben. Wir dokumentieren jede unserer Reisen, vielleicht hilft es uns irgendwann, in hoffentlich recht ferner Zukunft, die Menschen doch noch zu verstehen. Die Insulaner, die von unserer Organisation wissen, befürworten sie nicht immer. Sie finden es verwerflich, punktuell von den Produkten zu profitieren, die auf dem entbehrungsreichen Weg der Menschheit entstanden, den wir niemals gegangen sind. Auf einem Weg voller widernatürlicher Gewalt und ideellem Verlust, den sie selbst gewählt haben. Wir können uns bereichern, weil sie untergehen. Doch vor Allem haben viele Insulaner davor Angst, dass wir die menschliche Mentalität mit ihren Produkten auf die Insel zu bringen. Aber das ist grober Unfug. Alwen, Verlieken und auch wir Alverlieken sind keine Menschen, und wir werden auch niemals wie Menschen denken und leben. Pah! Ein Volk, das sich und die Welt, auf der es lebt, zugrunde richtet.“ Die letzten Worte spie Zhannya regelrecht aus, und ich spürte die tiefe Verachtung, die die Blonde für die Menschen hegte. Vilthon hatte die ganze Zeit mit offenem Mund ihren Worten gelauscht, doch nun hatten wir vier den überfüllten Gemeindeplatz erreicht, und so verlegte Zhannya das Gesprächsthema auf eine andere Ebene und fing an, einen vertraulichen Plausch mit dem Alwen zu führen. Mit gemischten Gefühlen sah ich meinen Freund regelrecht aufblühen, er lachte und scherzte mit Zhannya, der der Schalk im Nacken zu sitzen schien, und genoss sichtlich ihre Aufmerksamkeit. Ihre Familie lebte, wie sie erzählte, im Pfahldorf, und sie sei schon seit einigen Tagen hier im Hafendorf eingetroffen, um ja nicht die Abfahrt des Schiffes zu verpassen, mit denen sie und ihre Freunde morgen früh in See stechen würden. Bis dahin nächtigte sie im hiesigen Gästehaus. Vilthon und Zhannya setzten sich zum Essen an einen Tisch, und ich bedeutete Mirlien, der die ganze Zeit stumm und bescheiden neben Vilthon, Zhannya und mir hergelaufen war, sich mit mir an einen abgelegenen Platz zu begeben, damit sich Vilthon ungestört mit der jungen Frau unterhalten konnte. Sie schienen beide sehr voneinander angetan zu sein, und ich gönnte meinem besten Freund ein wenig weibliche Zuwendung, auch wenn die sich momentan nur in Zhannyas groben Neckereien äußerte. „Wir sehen uns heute Abend im Gästehaus!“ schrie ich ihnen über die Köpfe der Dorfbewohner hinweg zu, dann schnappte ich mir Mirlien, bevor er sich von irgendwelchen begeisterten Damen entführen lassen konnte und wir beiden ließen uns an einem Tisch nieder, an dem einige bärtige, ältere Verlieken schon die Gräten aus den duftenden Fischen entfernten. „Was Zhannya über die Menschen erzählt hat, hat mich gleichzeitig fasziniert und erschüttert.“ raunte Mirlien mir zu, während ich hungrig den Fisch verschlang, ohne richtig zu kauen. „Ich würde gerne einmal den Kontinent besichtigen, auf dem sie leben. Ich möchte so gern ihr Wesen begreifen lernen.“ flüsterte er. Mampfend versprach ich meinem Freund mit vollem Mund, aber in aller Aufrichtigkeit, zusammen mit ihm und vielleicht auch mit Vilthon zum Kontinent zu segeln, sobald wir das Problem mit meinem Malar in den Griff bekommen hatten. Ich schickte Kwantsch noch mit einem kurzen Brief ins Hügeldorf, dann suchten wir beiden das Gästehaus heim. Dem Schicksal sei dank gab es keine Anzeichen dafür, dass Thyllos ebenfalls hier zu übernachten gedachte. Mirlien setzte sich noch eine Weile zu mir ans Bett, und wir unterhielten uns angeregt über die Ereignisse des Tages. Eigentlich redete hauptsächlich ich, und mein Freund schenkte mir geduldig sein Gehör. Mirliens stumme Anteilnahme an meinen Gedanken und Ängsten, die ich ihm anvertraute, entlastete mich ungemein von meinen aufgestauten Emotionen und ich konnte die Ereignisse in einer unerwartet entspannten Perspektive für mich reflektieren. Erst sehr spät in der Nacht hörte ich, wie Vilthon und Zhannya im Gästehaus einkehrten und sich auffällig lange an ihren Zimmertüren verabschiedeten. Ein tiefer Seufzer entwich meiner Kehle, dann kuschelte ich mich tief in die Kissen des Gästebetts und schlief wieder ein. _____________________________________________________________________________ Ich wachte auf, als Mirlien mich sanft schüttelte. Es war noch stockdunkel. „Tilya, wach auf, Zhannya hat den Malaren gesehen!“ flüsterte Mirlien mir leise ins Ohr. Sofort war ich hellwach. „Was? Wann?“ „Sie hat vor einigen Augenblicken laut geschrien. Es wundert mich, dass du es überhören konntest. Vilthon ist schon bei ihr und redet ihr gut zu.“ erklärte Mirlien leise. „Er konnte noch sehen, wie er aus Zhannyas Fenster entflohen ist, aber er will ihr nun einreden, dass sie nur einen schlechten Traum hatte!“ „Klar, ich verstehe!“ murmelte ich, während ich auf nackten Füßen Mirlien in Zhannyas Schlafraum folgte. Dort fanden wir ein völlig aufgelöstes Mädchen vor, das Vilthon eng umschlungen hielt, und sanft in seinen Armen wiegte. „Alles in Ordnung mit dir?“ erkundigte ich mich besorgt. „Zhannya hatte einen entsetzlichen Alptraum!“ kam Vilthon der jungen Frau zuvor, doch die selbstbewusste Zhannya ließ sich trotz ihrer Erschütterung nicht das Wort aus dem Mund nehmen. „Ich bin mir gar nicht mal so sicher, ob das wirklich ein Traum war, Leute! Zwischen den Alpträumen war ich einen kurzen Moment wach, und habe im Halbschlaf die Visage eines unbekannten Malaren direkt über mir gesehen. Als ich weitergeträumt habe, stand dieser Malar plötzlich hinter meinem und wollte ihn davon überzeugen, mich und mein Totem anzugreifen. Mein Malar war dann wie ausgewechselt, er hat sich sofort auf den Fremdling gestürzt. Das Totem hat ihm geholfen, und heftige Stürme auf den anderen Malaren gelenkt, bis er sich in rotem Rauch verflüchtigt hat. Mein Malar sah danach ziemlich abgekämpft aus und hat sich zu mir hin geschleppt. Ich habe früher sehr unter ihm gelitten und musste wegen ihm viel zu lange nach meinem Talent suchen. Doch in diesem Augenblick war er sehr sanft und ruhig. Auch mein Totem war völlig entspannt. Der Malar hat mich gebeten, zu erwachen, und ich bin darauf tatsächlich aufgewacht.“ Zhannya lief während ihrer Schilderungen unruhig im Zimmer auf und ab, wobei sie wild mit ihren schmalen Händen gestikulierte. „Nein, meine Liebe, du bist erst aufgewacht, als ich in dein Zimmer gekommen bin, und dich geweckt habe. Du hast im Schlaf um Hilfe gerufen.“ griff Vilthon ein. „Quatsch, ich war wach, und der fremde Malar hat ist neben dem Bett aus einer roten Wolke entstiegen. Er hat nichts gemacht, er hat nur da gestanden und hat zur Tür gestarrt. Er hat sich erst wieder aufgelöst, als du diesen Raum betreten hast! Du musst ihn noch gesehen haben, Vilthon, du hast doch frische Glühbeeren dabei gehabt!“ widersprach ihm die schlanke Alverliekin erregt. „Auch das musst du geträumt haben, Zhannya!“ versuchte der Alwe sie zu überzeugen. „Vielleicht ist das Tier, das ihr sucht, der Malar der Fuchsfrau! Vielleicht ist er es ja gewesen, den ich gesehen habe!“ spann Zhannya weiter. Vilthon nahm das aufgewühlte Mädchen bei den hektisch herumfuchtelnden Händen und führte sie zurück in ihr Bett. Liebevoll deckte er sie zu und strich ihr über die Wange. Diese Geste versetzte mir einen kleinen Stich, obwohl die enge, fast familiäre Beziehung zwischen meinem besten Freund und mir eine ganz andere war, als die romantische, die sich nun zwischen ihm und Zhannya zu entwickeln begann. Ich lächelte verwirrt über meine eigenen, seltsamen Gedanken und schämte mich ein wenig dafür. „Zhannya, du hast die Augen erst aufgemacht, als ich bei dir am Bett stand.“ begann Vilthon vorsichtig. „Und niemand sonst war in diesem Zimmer. Du musst in deiner Aufregung einiges durcheinander gebracht haben. Wenn du aber möchtest, werde ich die ganze Nacht an deinem Bett bleiben und auf dich acht geben.“ Ich hielt dies für einen geeigneten Moment, die beiden allein zu lassen, und zerrte Mirlien am Ärmel aus dem Zimmer hinaus. Auf dem Flur beugte sich Mirlien zu mir hinunter und flüsterte mir ins Ohr. „Ich bedauere Vilthon. Er hat dieses Mädchen gern, aber muss sie belügen, um sie und alle anderen zu schützen. Das muss schwer für ihn sein.“ „Nicht nur bei Leuten, die man sehr gern hat, ist das anstrengend, Mirlien. Ich bin froh, dass ihr dieses Geheimnis mit mir teilt.“ antwortete ich dem Freund. „Aber wenigstens haben wir gerade gelernt, dass auch Malare von Alverlieken treu, standhaft und weitsichtig sein können. Gute Nacht, Mirlien. Ich habe dich sehr lieb.“ Mit einem Kuss auf sein Kinn verabschiedete ich mich zum zweiten Male in dieser Nacht von ihm, und hoffte, in dieser Nacht noch einmal Schlaf finden zu können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)