Apple Core von Törtchen ================================================================================ Kapitel 1: Die Makostadt ------------------------ 1. "...die Treppe runter zu fallen ist keine große Kunst. Aber eine Treppe hoch zu fallen, das mach' erst einmal nach!" (Angeal Hewley, 17-Jähriger Junge aus Banora) „...um das Ende der Reise in meiner Erlösung zu finden. Und deinem ewigen Schlaf.“ Ja, im wahrsten Sinne des Wortes. Beinahe wäre er beim Abendessen in der gut besuchten Mensa am Tisch eingeschlafen, so eine Müdigkeit quälte ihn den ganzen lieben Tag schon. Vor ihm lagen die rohen Möhren und Tomaten und der eiweißreiche Kräuterquark auf dem Tisch. Der heiße Tee dampfte in den Tassen der niederen Soldaten die müde und antriebslos die Mensa besuchten um ihren Magen zu füllen. Lediglich in der hinteren Ecke schienen die Soldaten dritten Ranges durchaus in relativ feierlicher Stimmung zu sein und mit sichtbar gutem Gemüt ihre Freude über einen weiteren, positiven Erfolg innerhalb ihrer Karriere zu zeigen. Aber so ausgepowert und ausgelaugt hatte man die anderen Mitglieder von Soldat selten erlebt. Vielleicht lag es an den letzten Tagen in denen sich einige auf die kommende Prüfung vorbereiten mussten um einen Aufstieg der SOLDIER-Klasse zu schaffen. Tagelang nur Stress. Die angehenden Rang-1 Soldaten hatten in letzter Zeit nämlich das herrliche Vergnügen sich pausenlos auf Missionen herum treiben zu dürfen unter Aufsicht der Mentoren um dabei ihre Körper zu stählen, ihre mentalen Qualitäten zu intensivieren und ihr Allgemeinwissen aufzustocken. Es war ermüdend um es kurz zu sagen. Auch für Menschen wie die Soldaten dieser Einheit. Immerhin...waren sie ja auch nur Menschen. Zumindest fast, wenn man mal absah von den Fertigkeiten und Ansichten eines ausgebildeten Soldats erster Klasse. Denn ein Soldat unterschied sich in einem wichtigen Punkt von der übrigen Menschheit; Soldaten waren nämlich perfekt. „Mein ewiger Schlaf? Im Moment wünsche ich mir nichts sehnlicheres als das...“ So sah es aus. Keine Kohlenhydrate am Abend, dafür aber hingen ihm die ewigen Zitate des LOVELESS-Gedichtes in seinem guten Gehör. Melodisch klang sein Freund wenn er von LOVELESS sprach, ja fast wie ein Rhapsode, der durch das antike Griechenland reist und auf Festen und feierlichen Anlässen epische Dichtungen vorsingt. Angeal und Sephiroth hatten sich schon mal seit langem überlegt ihrem Freund eine waschechte Phorminx zum Geburtstag zu schenken, aber sie wussten nicht wie Genesis diesen Gag eventuell aufnimmt und bevor er etwas falsch versteht, sollte er lieber nicht wissen, dass sich so manche Freunde über ihn und sein LOVELESS lustig machten. Mittlerweile hatte Angeal sich daran gewöhnt, dass Genesis an manchen Tagen nichts besseres zu tun hatte, als diese mehr oder weniger tiefgründigen Worte von sich zu geben. So wie auch jetzt beim Abendessen in der Kantine des Shin-Ra-Gebäudes um kurz nach zwanzig Uhr. Der Tee kühlte langsam ab. „Fühlst du dich ganz toll damit?“ Angeal sah seinen Kindheitsfreund mit einem leichten Lächeln an und deutete dann auf dessen Buch was er im Stuhl zurück gelehnt vor sich hielt und schon die ganze Zeit total begeistert las, es ja regelrecht schon umschwärmte. „Soll das eine Fangfrage sein, Angeal?“ Mit einem lautlosen Seufzen legte er das Buch beiseite und widmete sich seinem heißen Tee bevor er zur Tür schaute, die sich gerade öffnete. Reflexartig fing er an den Tee zu schlürfen worauf er von Angeal leicht am Arm angestoßen wurde. Leise sog Genesis zischend die Luft ein und fluchte dann lautlos nachdem sich der scharfe Schmerz an seinen Lippen ausbreitete. Es tat immerhin weh sich am heißen Tee zu verbrennen und er hatte ein großes Talent dafür sich in so kleine, dämliche Unfälle zu verwickeln auch wenn es diesmal aufgrund anderer Beteiligten zu einem Missgeschick kam. Innerlich in Gedanken dankte er Angeal herzlich für die eventuelle Brandblase an seiner Oberlippe. Augenblicklich stellten sich die Unterhaltungen der Männer ein als ein gepflegter, blonder Jüngling im edlen, aber nicht zu hochgestochenen Anzug die Kantine betrat und der Runde ein kühles Lächeln schenkte. Er hielt ein paar Unterlagen im Arm und suchte die auszubildenden Jungsoldaten dritten Ranges ab die an einem der hinteren Tische saßen und nun langsam zur Ruhe kamen. Friedlich und gelassen ließ er seinen Blick über die vielen Soldaten gleiten und sah ohne ein Wort zu Genesis hinüber, der soeben geräuschvoll von der harten Möhre biss, jedoch sofort mit dem Kauen unterbrach bis Direktor Lazard sich schließlich in der unheimlichen Stille zu den Jungsoldaten begab und dann die Papiere aus einem Ordner an die jungen Krieger austeilte. Er war ein sehr netter und durchaus kompetenter Verwalter der SOLDIER-Einheit und natürlich der Vorgesetzte aller auszubildenden Soldaten innerhalb der 'Shin-Ra Electric Power Company' oder kurz Shin-Ra Inc. SOLDIER, eine perfekt ausgebildete Elite-Kampftruppe innerhalb des Shin-Ra-Konzerns und ausgerechnet er war der Direktor dieses Zweiges. Nicht das er es bereute dafür Verantwortung zu übernehmen und die SOLDIER-Kompanie zu verwalten, ganz im Gegenteil. Er war kompetent, ruhig, freundlich und er führte einen gewaltigen Scharfsinn für Gerechtigkeit innerhalb des Shin-Ra-Verbands im Bezug auf die Stadt und die Bürgerschaft. Direktor Lazard Deusericus war ein richtiges Arbeitstier, aber ansonsten mal davon abgesehen wirklich okay. „Liebe Mitglieder von SOLDIER, es war natürlich nicht meine Absicht euren wohlverdienten Abend zu stören. Ich wollte mich nur in aller Ruhe und in gemütlicher Runde für eure hervorragenden Leistungen bedanken die ihr in der letzten Zeit erbracht habt. Im Namen Shin-Ras spreche ich hiermit meinen herzlichen Dank aus und erhoffe, dass all diejenigen, die weiterhin daran arbeiten aufzusteigen um es zu einem einzigartigen Kämpfer zu schaffen, retrospektiv und unaufhörlich ihrem Traum nachstreben. Wie ihr wisst fällt die diesjährige Prüfung für die Soldaten 2ter und 3ter Klasse auf den 50. Geburtstag des Präsidenten. Im Anschluss daran werdet ihr freiwillig an der großen Feier teilnehmen dürfen. Bis dahin möchte ich, dass ihr weiterhin bereit seit, Shin-Ra zu dienen und dabei auch an das Wohl der Bevölkerung denkt, insbesondere das junge Volk unterhalb der Platte. Aber...das nur am Rande. Ihr bekommt von mir morgen früh ausführlichere Informationen. Die Rang 2 Soldaten Angeal Hewley und Genesis Rhapsodos mögen sich außerdem für die Infiltration von Sektor 4 vorbereiten. Nähere Einzelheiten behalte ich mir für morgen vor.“ Wie nett. Aber so war er schon immer. Das Beste und Spannendste hatte er sich immer bis zum Schluss aufgehoben...und Lazard war immer für eine Überraschung gut. Angeal musterte den Direktor unauffällig während Genesis neben ihm saß und die Arme vor die Brust verschränkte. Er war bloß glücklich wenn er auch morgen den Helden spielen konnte. Vielleicht war es diesmal eine Aufgabe, dessen Bezeichnung 'Mission' auch gerecht wurde denn die Aufforderung stetig als angehender Rang 1. Soldat Mako-Quellen zu suchen und im Matsch zu spielen hielt er beinahe für eine Beleidigung seiner Würde. Dabei versicherte Lazard ihm schon oft, dass er früher oder später noch auf seine Kosten kommen würde, nur bisher hatte Genesis nichts davon in Erfahrung bringen dürfen. „Ich erwarte einige von euch morgen früh in aller Frische wieder im Besprechungsraum. Gehabt euch wohl.“ Die Stille hielt weiterhin an bis einschließlich ein paar applaudierende Zwischenrufe einiger junger Rekruten der SOLDIER-Klasse, die noch nicht so ganz wussten, was sie mit dem Wort 'Disziplin' anfangen sollten. Angeal verbot sich ein breites Grinsen als er die 15-jährigen Halbstarken beobachtete wie sie Direktor Lazard einen pfeifenden Applaus schenkten. Nur wussten alle, dass der Direktor das ausnahmsweise mal nicht so ganz ernst nahm wenn er einen guten Tag hatte. Schließlich sah Genesis dann auch von seinem Teller auf als Lazard wieder zur Tür ging und sich dezent verabschiedete bevor er den Raum verließ um ebenfalls den Feierabend ein zu läuten. Angeal seufzte einmal resigniert und leerte seine Tasse Tee bevor er sich müde und in Gedanken versunken seine frischen Kratzer am Unterarm ansah. Morgen war also wieder eine Mission zu bewältigen. Mittlerweile war ihm deutlich aufgefallen, dass Direktor Lazard die angehenden Elitesoldaten besonders ergreifend unter Druck setzte. Angeal wusste, dass er heute nach einigen nicht so erholsamen Nächten endlich mal ausschlafen musste. Der Stress setzte ihm zu, genau wie Genesis, der sich jedoch so sehr nicht davon ermüden ließ. Aber wie oft hatte Angeal ihn morgens anrufen müssen da er fast die Arbeit verschlafen hätte oder zu spät zu den Konferenzen kam. Angeal war sehr pflichtbewusst und ihm war klar, dass er als Soldat die Ehre bewahren musste, die ihm sein ganzes Leben lang schon begleitet hatte. Er war fleißig, aufrichtig und entschlossen und ließ keine Lehrstunde aus weil er all das sehr schätzte, was er hatte im Gegensatz zu Genesis, der sich trotz der einen oder anderen Schlamperei noch immer mit ein paar guten Sprüchen raus schlagen konnte. Aber die beiden kannten sich seit ihrer Kindheit und sie liebten und unterstützten sich wie Brüder. Eigentlich. „Ich geh ins Bett.“ Angeal erhob sich und schritt langsam in Richtung Tür um dort auf Genesis zu warten der sich neben ihn gesellte. Gerade gesprächig war Angeal ja nicht heute, aber das lag garantiert daran, dass er noch vor ein paar Stunden barbarisch gedrillt wurde. Er verabscheute theoretischen Unterricht, vor allem Materiawissenschaften und heute morgen musste er großartig sein Köpfchen anstrengen. Allerdings fiel ihm das Meiste ziemlich leicht und darum beneidete Genesis ihn irgendwo. Er bat Angeal schon oft ihm ein Stückchen von seinem Eifer abzugeben aber sein Freund war sehr geizig, so blieb Genesis nichts anderes übrig, als selbst Fleiß zu erbringen wenn er ein Soldat erster Klasse werden wollte wie...Sephiroth. Er hatte ja seit ewigen Zeiten darauf hin gefiebert so zu werden wie Sephiroth und das er es fast geschafft hat zur richtigen Eliteeinheit zu gehören, bewies ihm doch, dass er fleißig war und es zu etwas Großem gebracht hatte in seinem Leben. Nur noch ein paar Tage, ein paar wenige Tage... Ungeduldig wartete Angeal das der Fahrstuhl sich endlich öffnete. Seitdem das Shin-Ra-Gebäude immer voller wurde und immer mehr Arbeitsplätze dort geschaffen wurden, lief richtig Dauerstress durch die gesamte Atmosphäre. Natürlich war das Unternehmen von Shin-Ra auf ihre Mitarbeiter angewiesen. Das gesamte Gebäude umfasste 70 Stockwerke die alle in unterschiedliche Bereiche eingeteilt wurden. Ein Teil übernahm ein riesiges Shopping-Center mit Kunstwerken und Besuchergalerie, ein Teil gehörte der Forschungsabteilung und Waffenentwicklung, Trainingsraum, SOLDIER-Quartiere, dem Materialabor und den Mitgliedern von SOLDIER sowie die Abteilung des Präsidenten mitsamt Konferenzsaal, Lazarett und Kantine für Shin-Ra-Mitarbeiter und Elitekämpfer. Es war einfach ein unheimlich großes, kompliziertes und durch ein beinahe unschlagbares Sicherheitssystem hoch bewachtes Gebäude mit Regierungssitz, das die Macht des Präsidenten sowohl von innen, als auch von außen schlichtweg demonstrieren sollte. Oberhalb der 60. Etage wurde eine Schlüsselkarte benötigt um Türen und Fahrstühle zu öffnen und in diesen und höheren Stockwerken arbeitete die Shin-Ra Inc. weiterhin an ihren Plänen den Wohlstand der Stadt zu erhalten und diese weiter zu vergrößern. Die Energieversorgung war perfekt und Midgar konnte aufwachsen. Denn die Metropole steckt schon längst nicht mehr in den Kinderschuhen. Angeal wartete eine Minute, zwei Minuten, drei Minuten bis er entschloss den Fahrstuhl einfach dort zu belassen wo er war und das Treppenhaus zu nutzen. Genesis folgte ihm wie ein treues Hündchen und blieb stehen als Angeal den Arm vor ihm ausstreckte. „Wer als erster oben ist, eins, zwei...drei!“ Angeal machte selten solche Faxen wie ein Wettrennen im Treppenhaus und wer zuerst oben die Quartiere erreicht hat. Genesis kam sich gerade ein bisschen bescheuert vor, aber er lief ihm schnurstracks nach und hatte Schwierigkeiten damit Angeal einzuholen. „Hey! Eben wolltest du noch schlafen bis in die Ewigkeit!“, rief der Rothaarige neckend durch das große Treppenhaus und hastete seinem besten Freund hinterher in den nächsten Stock. Er wollte eigentlich unbedingt so schnell wie möglich ebenfalls seine Uniform loswerden, endlich duschen und einfach nur ins Bett fallen. Anders als Genesis war Angeal eine friedliche Schlafmütze, denn wenn der erstmal schlief, bekam den nicht einmal das Gebrüll eines ausgewachsenen Behemots wach. Genesis lächelte bei dem Gedanken und sprang auf dem letzten Treppenabsatz nach vorn um Angeal an der Hüfte fest zu halten bevor dieser stolperte und die Stufe nach oben flog. Mit einem ziemlich dumpfen Aufprall klatschte er nach vorn auf Stufe und Boden des Stockwerkes der SOLDIER-Quartiere. Sein Schienbein schmerzte, doch er konnte sich noch rechtzeitig mit den Armen abfangen um so einen Aufschlag mit der Stirn zu verhindern. Eher geschockt lachend drehte er sich langsam um trat Genesis sanft von sich bevor er ihm einen zarten Schlag an den Hinterkopf verpasste. „...Trottel.“ „Du bist die Treppe hoch geflogen!“, rief Genesis begeistert und amüsiert und half seinem Freund auf die Beine. Mal so ein kleiner, dummer Spaß nebenbei tat wirklich richtig gut, denn seitdem sie SOLDIER beigetreten waren, hatten sie kaum eine Gelegenheit sich wie kleine Bengel zu benehmen obwohl es ihnen irgendwie im Blut lag. Dabei waren sie richtig freche Racker früher. Immer was ausgeheckt, die Erdbeeren vom Nachbarfeld geklaut, Kartoffeln roh gemampft, Regenwürmer seziert, der Grundschullehrerin besonders auf die Nerven gefallen und einmal hatte Genesis sich mit zehn Jahren im Stacheldraht verfangen weil er auf auf einen Apfelbaum geklettert war. Die Plantage war leider Gottes von einem Stachelzaun umgeben was dann für ihn zum Verhängnis wurde. Dafür hatte Angeal gleich immer los geweint als kleines Kind wenn ein lautes, grollendes und stürmisches Gewitter über das Dorf herzog oder wenn er sich die Haut seiner nackten Arme und Beine im Sommer an Brennnesseln reizte wenn sie durch die Felder gelaufen sind bis er die Pflanzen im späteren Alter ganz interessant fand und anfing, sich für Botanik zu interessieren. Einmal als SOLDIER soviel Unsinn machen wie damals, das wollte Angeal schon immer mal wieder und diese Situation, wie das Wettrennen in Treppenhäusern war etwas, das ihn immer wieder an die eigene Kindheit erinnerte die er zusammen mit Genesis verbracht hatte. Angeal blieb im Flur stehen und grüßte kurz nebenbei mit erhobener Hand die jungen Rekruten die gerade durch die Korridore an ihm und Genesis vorbei schlenderten auf dem Weg zu ihrem Quartier. Der kleine Schwarzhaarige mit der Stachelmähne gefiel ihm. Ein junger Soldat 3. Klasse , vielleicht gerade mal 14 oder 15. Angeal hatte ihn öfters schon mal beobachtet. Er kämpft so unglaublich ungeschickt, hat null Ausdauer dafür aber ein ziemlich optimistisches Mundwerk. Angeal glaubte zwar nicht daran, dass der Kleine mit solchen Eigenschaften besonders schnell aufstieg und ein waschechter Rang 1. SOLDIER wird, aber irgendwie hatte er im Gefühl, dass man aus ihm was Brauchbares machen könnte. Als die drei jungen Soldaten hinter der Ecke verschwanden und es wieder ruhig wurde, hörte er Genesis ausgiebig gähnen. „Wir sehen uns morgen früh dann, ja? Schlaf schön.“ Der Rothaarige nickte nur und lächelte schwach, legte eine Hand auf Angeals Schulter und griff einmal kurz hinein bevor er sich umdrehte und einfach ging. „Und ist der Morgen auch ohne Hoffnung, nichts wird meine Rückkehr aufhalten...“, erwiderte er einfach nur kraftlos und hob verabschiedend die Hand. „Klingt ja sehr optimistisch, du Spinner. Dann muss ich mir keine Sorgen machen das du verschläfst?“, fragte der Schwarzhaarige frech nach und verschränkte die Arme vor der Brust. Genesis blieb stehen und drehte sich um, lächelte leicht bei dem prüfenden Blick seines besten Freundes. Angeal legte den Kopf leicht schief und erwiderte das Lächeln. „Ich verschlafe schon nicht. Das letzte Mal war es wirklich nur ein Versehen. Schlaf schön, Angeal. Bis morgen.“, antwortete Genesis und strich seinen Pony zur Seite bevor er sich wieder umdrehte. Am Ende des Korridors öffnete er die Tür mit einer Schlüsselkarte und trat hinein. Die Nachtquartiere waren nicht groß und von Luxus konnte man schon gar nicht sprechen auch wenn die Soldaten darin wohnen durften während ihrer Ausbildung. Mehr als ein Schlafzimmer mit Balkon und ein Bad stand ihnen nicht zur Verfügung, aber es reichte wenn man mal Gedanken sammeln musste für sich allein. Genesis war jemand der sich an nicht so stressigen Tagen mit Lektüren und dicken Wälzern zurückzog und meistens in Anwesenheit von Angeal sich gerne in die Bücher vertiefte. LOVELESS, das Gedicht eines unbekannten Autors hatte es Genesis besonders angetan. Er fand es in der Bibliothek seiner Eltern und war seitdem begeistert wie eh und je davon. Er konnte es nicht unterlassen ständig die Schönheit dieser Worte zitieren die im LOVELESS standen. Ja, dieses Gedicht, welches um drei Helden und einer Göttin handelte, hatte ihn im wahrsten Sinne des Wortes vollkommen verführt... Vorsichtig schloss er die Tür hinter sich und zog sich noch im Gehen aus um die SOLDIER-Uniform auf einem Stuhl abzulegen. Er konnte es kaum erwarten zum 1. Klasse SOLDIER gekrönt zu werden. Genesis wusste, dass er gut genug war um seinem Freund Sephiroth, der im Übrigen ein Jahr zuvor die abschließende Mission bestand und ein SOLDIER 1. Klasse wurde, das Wasser zu reichen. Genesis wollte einmal so viel Aufmerksamkeit bekommen wie Sephiroth, als Held angesehen werden auch wenn Angeal der Meinung war, dass man mehr als ein guter Kämpfer sein muss um ein Held zu werden. Irgendwie hatte Genesis da teilweise utopische Vorstellungen wie er um jeden Preis genau so erfolgreich werden könnte wie Sephiroth. Und dieses Jahr war es endlich soweit seinem Traum als Held näher zu kommen und dazu galt es erst einmal ein SOLDIER 1. Klasse zu werden auch wenn Genesis jetzt schon ziemlich viel Aufmerksamkeit seitens des Direktors, der Mentoren und überhaupt ganz Shin-Ra bekam. Direktor Lazard machte schon mal solche Andeutungen das Genesis und Angeal unter Begleitung von Sephiroth die letzte Prüfungsmission bestehen sollen. Das war auch zu erwarten, schließlich übernahm Sephiroth die Aufgabe zu gern um seinen beiden Freunden zum Erfolg eines erstklassigen Elitesoldaten zu verhelfen. Genesis freute sich darauf endlich sein Können richtig zu beweisen um zu zeigen, das er einfach das Potenzial hatte ein Elitekämpfer zu werden. Er konnte es schaffen, nein, er musste es schaffen...er wollte um jeden Preis ein Held sein. Ein Held wie Sephiroth. Vor dem Bett zog er seine Stiefel von den Füßen und stellte sie beiseite damit sie nicht als Stolperfalle dienten. Mit einem Glas Wasser und der LOVELESS-Lektüre, die unter anderem verschiedene Interpretationsmöglichkeiten und Informationen über das Bühnenstück enthielt, trat er raus auf den kleinen Balkon und sah hinunter auf die Metropole. Das Shin-Ra-Hauptquartier befand sich in einer unglaublichen Höhe wovon man die ganze Stadt gut überblicken konnte. Für Genesis, der eigentlich aufgezogen wurde wie ein reicher Stadtmensch, war diese Metropole trotz ihres schönen Lichtspiels der einem Sternenhimmel glich, nicht einmal annähernd sympathisch. Angeal und er wuchsen in einem kleinen Dorf namens Banora auf, weit, weit weg von Midgar, am anderen Ende der Welt auf einem ganz anderen Kontinent. Der einzige Unterschied war der, dass Genesis durchaus reiche Eltern hatte und im Gegensatz zu Angeal, dessen Familie in Armut lebte, war er unter den besten Bedingungen aufgewachsen. Banora, eine harmlose Kleinstadt auf dem südlichen Kontinent von Mideel, die von Shin-Ra unterstützt wurde und ihre Publicity erlangte, dank der Obstwirtschaft die sie führte. In Banora wuchs eine Sorte Äpfel, die sonst nirgendwo anders auf der Welt zu finden war. Nur in Banora war der Boden gut genug, diese gesunden und schmackhaften Äpfel das ganze Jahr über gedeihen zu lassen. Sie wuchsen zu jeder Jahreszeit und wurden daher auch scherzhaft 'Dummapfel' genannt. Genesis' Eltern besaßen ein großes Grundstück und ihnen gehörte auch diese berühmte Apfelplantage mit dem besonders nährstoffreichen Boden. Die Äpfel, bekannt unter dem Namen 'Weißbanora', waren ziemlich gesund und wurden teuer in andere Länder exportiert was den Eltern des Rothaarigen unglaublich viel Geld einbrachte. Wer viel Geld hatte, besaß auch automatisch viel Macht und seine Eltern nutzen dies auch schamlos aus. Nach der Schule sollte Genesis Gentechnologie studieren an der Seite des berühmten Wissenschaftlers und Gentechnologe Hollander, der noch bis vor kurzem in der Forschungsabteilung arbeitete und seitens von Shin-Ra gekündigt wurde. Genesis jedoch hatte eigene Pläne für seine Zukunft, wollte weder ein Studium antreten um zukünftig in Shin-Ras Büros zu hocken und mit Genen von Mensch und Tier zu spielen, noch wollte er überhaupt gezielt für Shin-Ra arbeiten; er wollte lediglich ein Held werden und sah es als beste Gelegenheit und Möglichkeit seinem Ziel näher zu kommen, in dem er SOLDIER beitrat. Seinen Eltern war das alles andere als recht, denn sie fanden es einfach unmöglich, das Genesis im Militär lernte zu kämpfen und zu morden wie eine heroische Kriegsmaschine wo er doch eigentlich ein sehr netter Junge war wenn man mal von seinen Streichen als Kind absah. Aber...letztendlich konnte man ihm seinen Traum auch nicht einfach ausreden oder anderweitig auslöschen. Er war ein sehr entschlossener junger Mann und mit seinen 22 Jahren durchaus selbstständig genug, allein entscheiden zu können, was er tat und was er sein ließ. Er trug diesen Traum seit jeher Zeit im Herzen auch wenn Angeal meinte, dass Genesis' Traum auf ewig unerfüllt bleiben wird. Genesis überblickte noch immer weiterhin verträumt die Stadt während ein kühler Luftzug sein rotbraunes Haar durchzog und die vereinzelten Strähnen wirr durcheinander wehte. Trotz Angeals und seinen finanziellen Verhältnissen damals wurden sie trotzdem beste Freunde und er war glücklich darüber, dass sie bis heute erhalten blieb. Ihre außergewöhnlich dicke Freundschaft war ein wichtiger Bestandteil seines Lebens. Was es auch war und wo er Probleme hatte; Genesis konnte Angeal alles anvertrauen und umgekehrt war es genau so. Sie brauchten das Vertrauen des anderen gegenseitig. Vorsichtig lehnte Genesis sich über das Balkongeländer und stellte das Glas neben sich ab bevor er sich den Einband der LOVELESS-Lektüre ansah. Sanft strich er mit seinem Daumen über diesen und fühlte die Eingravur des Titels. Er fragte sich schon die ganze Zeit wer derjenige war, der dieses unglaublich schöne Gedicht geschrieben hatte. Offiziell hieß es der Autor sei nicht bekannt. Genesis glaubte fest und ohne Zweifel daran, dass jemand der so ein wunderschönes Gedicht geschrieben hat, selbst wunderschön sein musste. Zu gern würde er diesen Autor einfach treffen und ihn fragen was ihn dazu bewogen hatte, das Gedicht zu schreiben und was ihn inspirierte und was seine Art von Interpretation wäre und, und, und...aber der Autor war unbekannt. Es lagen auch keinerlei Daten vor, die angeben konnten, wann das Gedicht entstand oder woher es stammte...ob der Autor einfach nur anonym bleiben wollte? Genesis war sich nicht sicher, aber er hielt dieses epische Stück nun in seinen Händen und trug es fast immer bei sich. Die vielen Interpretationsmöglichkeiten fand er unheimlich interessant und es reizte ihn, das Gedicht selbst zu interpretieren und es anderen vorzutragen. LOVELESS... Seine aufmerksamen, himmelblauen, träumerischen Augen glitten über den Horizont der Metropole. Von hier aus konnte man vier Mako-Reaktoren erkennen, die unübersehbar die Stadt umkreisten um sie mit Energie zu versorgen die sie aus den Ressourcen der Erde gewannen. Smaragdgrünes Licht stieg aus den Reaktoren in den schwarzen Nachthimmel auf und wurde von der Dunkelheit förmlich aufgesaugt... Morgen früh musste er mit Angeal zum Reaktor in Sektor 4. Eine Mission in einem Reaktor. Genesis fragte sich die ganze Zeit warum sie ausgerechnet dort spielen müssen. So etwas ist eigentlich nicht typisch für Lazard, aber er wird schon seine Gründe haben weswegen er zwei Mitglieder von SOLDIER dort hin scheuchen sollte. Genesis drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken an das Balkongeländer. Langsam fing er auch an zu frieren in dem kühlen Wind deswegen ging er zurück und schloss die Tür. Auf dem Bett legte er sich zurück gegen das Kopfkissen und schaute gen Decke bevor er mit einer Hand nach oben an das Regal griff und das Licht ausschaltete. Er dachte an Angeal. Und an Sephiroth. Und an den 50. Geburtstag von Präsident Shinra. Und...manchmal dachte er auch noch immer an seine Heimat Banora. Das warme, kleine Dorf mit dem idyllischen Klima und den blauen Dummäpfeln, die zu jeder Jahreszeit wuchsen. Er konnte den süßlichen Duft der Apfelblüten riechen wenn er als Kind mit Angeal auf einen der Bäume geklettert war um die dicksten Früchte zu pflücken und wie er dann hinunter gefallen war. Mit einem Unterarmbruch blieb er bitterlich weinend sitzen bis Angeal ihn mit zu seiner Mutter nahm. Es waren Schmerzen, so unglaubliche Schmerzen und Genesis spürte noch immer das Durchbrechen des Knochens wenn er daran zurück dachte. Gillian Hewley, Angeals Mutter, brachte Genesis unverzüglich zu dem einzigen Mediziner in dem Dorf... Banora...Banora war kein normales Dorf, so idyllisch es auch aussah. Irgendwas störte Genesis schon seit langem und das waren nicht seine Eltern, die dort in einer großen Villa wohnten und ihn sowieso so gut es ging ignorierten. Es war etwas anderes. Vielleicht sollte er Angeal mal darauf ansprechen ob es ihm auch so gehen würde, wenn er an Banora zurück dachte. Oder...vielleicht wurde Genesis auch einfach schon paranoid seitdem er SOLDIER beigetreten war. Er drehte sich mit einem Seufzen um, zog die Decke über sich und schloss dann unverzüglich die Augen um ein zu schlafen und genug Kraft für den folgenden Tag zu sammeln. Vielleicht träumte er wenigstens positiv von seiner Heimat oder von den leckeren Dummäpfeln, die er damals als Racker an die Chocobos im Stall verfütterte anstatt sie selbst zu essen... Midgar fiel nun langsam ebenfalls in einen Dämmerzustand und wurde ruhiger auch wenn die Mako-Reaktoren auch die Nacht durch Ressourcen aus dem Planeten pumpten um sie in Energie zu verwerten. Zwei junge Erwachsene in mysteriösen, hellen Verkleidungen sprangen soeben vom Zug der in Sektor 5 eintraf. Zu der Uhrzeit waren die Straßen schon wie ausgestorben und vollkommen ruhig. Nur durch die Nachtzüge ließen manchmal den Verkehr noch aufleben wenn die schrägsten Gestalten aus den Bahnen stiegen. So wie die beiden weiß gekleideten Personen, die gerade vom Nachtzug sprangen und den Bahnhof von Sektor 5 verließen. Das zweite Mal an diesem Abend sah die Frau zum Shin-Ra-Hauptquartier auf und folgte dann ihrem Partner wieder durch die leere Gasse und die Treppe hinunter... Von Bahnhof in Sektor 5 aus führte ihr Weg runter in die Slums. Trostlos und dunkel war es hier, die Luft roch nach Abgasen und Metall. Das war typisch für die Slums. Jeder Schrott wurde hier hinunter geworfen und kontaminierten das gesamte Land. Die zerstörte Kirche war eines der noch großartig stehenden Gebäude. Eine Kirche in den Slums von Sektor 5 war der Treffpunkt vieler Kinder die in der Umgebung nach Schrott suchten, den sie verkaufen konnten. Schließlich wussten sich die armen Leute hier unten nicht anders zu helfen. Es war wirklich ein Unterschied wie Tag und Nacht. Die Slums waren verdreckt und dunkel da die obere Platte den Himmel verdeckte. Für viele Leute war es einfach ein Alptraum aber dennoch hatten sie nicht das Bedürfnis weg zu ziehen. Nein, sie liebten ihr Land auch irgendwo egal wie schmutzig es war und wie viel Schrott von Tag zu Tag hier herunter geworfen wurde...es war ihnen egal. Vollkommen egal. Der Mann nahm die Frau an die Hand und führte sie in eine enge, dunkle Gasse durch einen ziemlich schmalen Weg in eine Sackgasse. Zumindest sah es wirklich aus wie eine Sackgasse zwischen all dem Metallschrott und Ruinen damaliger Wohnhäuser. Sie sah ihrem Partner skeptisch nach als dieser sie weiter zu einer Treppe zog die den Weg in einen unteren, versteckten Keller offenbarte. Erst nachdem sie die Dunkelheit betreten hatten, stolperte das Mädchen über einen stabilen Draht auf ihre Knie und blieb erschöpft sitzen. Dieser Schrei in ihren Ohren tat so unglaublich weh. Sie hörte es nur sehr selten im Kopf, meistens auch unbewusst, aber er tat weh und ihr Herz zog sich dabei zusammen. Es war ein Schmerzensschrei, unausstehlich quälend wie ein kleines Kind welches unter permanenten Zahnschmerzen litt. Und während sich die Karies des Kindes immer tiefer bis zur Zahnwurzel fraß, so wurden auch die Schmerzen größer... „Alles in Ordnung?“, fragte der Mann mit seiner tiefen Stimme und half der Frau ein wenig unsanft auf die Beine. Grob zog er an ihrem Arm bis sie wieder von selbst stand. Eine Hand hatte sich an ihren Kopf gelegt und ihre verängstigten Augen konnte man nun im Kerzenlicht erkennen welches durch den kühlen Raum flackerte. „...es tut ihm weh.“, antwortete sie atemlos und seufzte danach leise. „Und du meinst, hier ist es sicher?“ „Aber natürlich. Hier ist es weitaus sicherer als in Sektor 6 wenn man an diesen schäbigen Zuhälter Corneo denkt. Oder vertraust du mir etwa nicht?“ Die junge Frau schüttelte nur den Kopf und stellte sich an das trübe Kellerfenster bevor sie den Blick sinken lies. Wenn er es sagte, dann hatte er recht. Wenn er sie in Sicherheit brachte, dann tat er das auch. Ja, sie konnte ihm vertrauen, sie hatte es ihr Leben lang getan, solange sie denken kann. Und dennoch hatte sie etwas Angst, wenn er ging und sie allein in den Slums zurück ließ. „Ich muss langsam los. Der Morgen wird bald anbrechen und bis dahin sollte ich wieder dort sein. Versprich mir bis dahin keine unnötigen Schwierigkeiten zu machen.“ „Was ist mit den Turks?!“ Leicht panisch sah sie bei der Frage auf in die Augen ihres Partners der sich soeben wieder zur Tür gedreht hatte um den Raum zu verlassen. Er wandte sich um und verschränkte die Arme vor der Brust. „Die Turks? Was soll mit ihnen sein? Sie denken du bist tot. Sie haben keinen Grund mehr dir nach zu laufen. Mach dir keine Sorgen.“ Mit der Antwort gab sich die junge Frau vorerst zufrieden, sah wieder seufzend zu Boden und nickte dann entschlossen. Ja, sie musste ihm Vertrauen entgegen bringen, schließlich war es ihre einzige Chance nicht auffällig zu werden. Und solange niemand anderes ihren Namen kannte, war es in Ordnung und sie musste sich keine Sorge machen. „Okay...ich vertraue dir. Dann...sehen wir uns morgen Abend wieder?“ Der Angesprochene nickte nur zustimmend bevor er den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss. Jetzt war sie allein, ganz allein. Und sie fühlte sich automatisch schwächer wenn sie daran dachte, dass sie jederzeit jemand finden könnte. Shin-Ra, die Turks...das saß ihr alles im Nacken und dennoch kam ihr nicht in den Sinn diese Stadt zu verlassen. Sie musste sich Shin-Ra sowieso später stellen, egal wie gefährlich es für sie war. Sie lebte ohnehin ständig in Gefahr und Aber letztendlich kam sie dann doch zur Ruhe und versuchte wenigstens ein bisschen zu ruhen bis sie irgendwann wieder nach Hause kam. Sie mochte diese Stadt nicht. Es war ermüdend sich in Midgar aufzuhalten. Je länger sie an dieses traurige Erscheinungsbild dieser Metropole dachte, desto glücklicher war sie als dann endlich irgendwann der Morgen wieder anbrechen würde und einige wenige Sonnenstrahlen die Slums erhellte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)