Lost Prince von Ireilas (Krieg auf Aira) ================================================================================ Kapitel 34: 1. Bonus-Geschichte, Teil 3: Im Unterbewusstsein ------------------------------------------------------------ Den Rest der relativ kurzen Reise hatten Lyze, die hübsche Siri und ihre Tochter Erde ihre Ruhe vor den weißen Dämonen der Lüfte. Es war richtig entspannend, in einer grünen Gegend umherzustreifen, nicht einmal die vorbeiziehenden Wolken vermiesten die Stimmung. Lyze war sich indes bewusst geworden, dass er mit Sicherheit träumen müsste. Nicht zuletzt wurde sein Entschluss bestärkt, als eine überaus große Wanne mitten im Grünen stand und darin ein grauschwarzer Gorilla mit einer Quietsche-Ente badete… von all den Ereignissen und Verdrehungen, die er in seiner kurzen Zeit an diesem Ort erlebt hatte, würde dies die Merkwürdigste bleiben. Kurz darauf kamen die drei bei einem hübschen Landhaus an, mit weißem Gartenzaun, süßen Apfelbäumchen und lieblicher Terrasse mit Vogelhäuschen – und hier sollte wirklich der Avrial leben? Siri klopfte an die weißgestrichene Holztür und hoffte auf eine Antwort: „Hallo-o!“ Als zuerst gar nichts zu hören war, folgte darauf ein leises „Komme schon!“ aus dem Inneren, bis die Tür aufgesperrt und einen Spalt geöffnet wurde: „Ja?“ Lyze trat vor, um mit dem Grundstücksbesitzer zu reden. „Wohnt hier Avrial?“ „Er steht vor dir. Kann ich dir helfen?“ „Nun. Ja…“, Lyze wartete, bis der Magier die Tür ganz geöffnet hatte – Avrial sah genauso aus wie in seiner Welt, „Ich komme aus Desteral… und finde nicht mehr den Weg zurück… können Sie mir helfen?“ „Na Junge, das ist aber nun wirklich nicht schwer – du musst nur aufwachen.“ „Aufwachen…“, der Halbengel seufzte, „Das ist auch einfach gesagt; wenn ich nur wüsste, wie.“ Avrial brachte den drei Reisenden ein freundliches Lächeln entgegen, ehe er ins Haus deutete: „Kommt doch herein, ich mache uns einen Tee.“ So betraten sie das Haus des Magiers. Was Lyze auf dem ersten Blick auffiel: eine wunderschöne, helle Inneneinrichtung – also genau das Gegenteil von Schloss Ikana – und dass keine Kinder durch den Flur liefen, war die zweite Entdeckung. Kein einziges der angeblichen elf. „Kann ich Ihnen eine Frage stellen?“, Lyze blieb höflich; in dieser Welt kannte man ihn schließlich nicht. Er nahm im Wohnzimmer auf einer Couch neben Siri Platz und wartete, bis der Magier ihm gegenüber nickte. „…Wo sind Ihre Kinder?“ „Draußen.“, war die knappe Antwort, anschließend schenkte Avrial den Tee ein. „Und Ihre Frau?“ „Auch draußen.“ „Ja aber, will sie uns denn nicht begrüßen?“ Der Magier stellte Lyze die volle Tasse sanft auf eine Kante des Kaffeetisches, ehe er sich der nächsten widmete. „Was nicht existiert, kann auch nicht begrüßen, nicht wahr?“ Vorsichtig nahm der Gast die heiße Tasse, trank aber noch nichts. Er war zu beschäftigt damit, über Avrials Gegenfrage nachzudenken. „Aber, die zwei hier neben mir sagten, Ihr habt eine Frau-“ „Die habe ich auch.“ „Und Kinder?“ „Natürlich – ziemliche Rebellen, die Kleinen.“ Nun wirklich mehr als neugierig stellte der Halbengel die Tasse zurück auf den Unterteller am Tisch, ehe er sich zu Avrial vorbeugte: „…wo ist Ihre Familie wirklich…?“ In aller Ruhe machte der Magier währenddessen den ersten Schluck von seiner Tasse, bevor er auf Lyzes Frage reagierte und sich ebenfalls leicht vorbeugte. „Sag du es mir.“ „Das-“, der Gast war aufgestanden, „…macht doch überhaupt keinen Sinn!“ „Mr. Lyze, beruhige dich!“, Siri zog ihm am Ärmel, damit er sich wieder setzte, „Der Zauberer weiß, was er tut, vertraue ihm!“ Mehr als nur angespannt starrte er den überaus zufrieden lächelnden Magier an, der schon wieder an seiner Tasse nippte. Dann sah er zu Siri und Erde – und setzte sich schließlich wieder mit einem Seufzer. „Ich will nicht lange um den heißen Brei reden.“, meinte Avrial, ehe er aufsah, „Hast du dich nie gefragt, wieso diese Welt so ist, wie sie ist?“ „…Ich habe mich gefragt, ob ich träume und wieso ich hier bin.“ „Aber du hast dich nicht nach der Welt erkundigt!“ „Ja, mag sein…“, Lyze verlor langsam die Geduld, „Können Sie mir jetzt sagen, wie ich heimkomme, oder nicht?“ „Das tat ich bereits.“ „Aber ‚aufwachen’ hilft mir nicht viel, wenn ich nicht weiß, wie!“ Avrial musste schmunzeln. Er schüttelte nur den Kopf über Lyzes Engstirnigkeit und so stand er von der Couch auf und bat ihn mit einem „Komm mit.“ wieder aus dem Haus. Draußen angekommen – Siri und Erde sind ihnen in den Garten gefolgt – deutete der Magier in die Ferne. Um sich herum. Überall hin. „…Du musst dir die Frage selbst stellen. Beantworten kannst sie nur du.“ „…Meinen Sie… was ist diese Welt…?“ Avrial nickte zufrieden. Er ging ein paar Schritte abwärts, um den Halbengel in Ruhe nachdenken zu lassen. Die Berge. Das Gras. Die Bäume, die Wolken, der Himmel, der Zaun, das Haus, das Puppenhaus von vorhin, die Schlucht, …die Personen. Da ging Lyze endlich ein Licht auf: Jetzt, wo ihm plötzlich alles so klar und einfach schien, konnte er nur mehr seine Hand auf die Stirn schlagen. „Die Engel! Sie sind in dieser Welt Dämonen, weil…“ „Weil?“, hakte Avrial nach. „…Weil sie für mich nicht mehr als dies sind…“ „Du kannst sie nicht leiden.“ „Ja…“ „Dann müsstest du dich eigentlich auch zur Hälfte selbst hassen.“ „Nein.“ „Wieso?“ „Ich mochte meine Mutter.“ „Vielleicht hast du dich darum bei deiner Ankunft nicht verändert.“ „Sie sind nicht Avrial.“, Lyze sah zu ihm auf, „Ich kann deine Frau und Kinder nicht sehen, weil ich nicht weiß, wie sie aussehen, aber das ist nur die halbe Wahrheit.“ Avrial lächelte den Halbengel einfach nur gespannt an und wartete auf den entscheidenden Satz, den er sprach, nachdem er sich vor ihn gestellt hatte: „Du bist ich.“ „Ach, wirklich?“, der Magier musste lachen. „Warum sonst solltest du besser Bescheid wissen, als alle anderen hier? Warum lebst du nicht im Schloss von Ikana? Ich werde es dir sagen: weil das mein inneres Haus ist.“ Lyze sah rüber zu seiner Schwester, die von der hübschen Siri an den Händen gehalten wurde und lachte. „Erde, oder Aira, ist in dieser Welt Siris Tochter, da wir in Wirklichkeit gemeinsam in einem Haus leben und zu einer Familie zusammenwachsen… das ist mir jetzt klar.“ Dazwischen sah lachend Siri auf, wobei der Halbengel kurz überlegen musste. „Und Siri…“ „Das sind große Erkenntnisse.“, Avrial stellte sich neben ihn, „Ein Traum ist ein Traum. Du musst auf die Details achten, um zu erfahren, was in deinem Kopf vorgeht.“, dann schloss er kurz die Augen, „Deine Reise ist hier zu ende.“ Der Halbengel sah fragend zu ihm rüber: „Wieso?“, anschließend kam Siri zu ihm gelaufen. „Lyze!“ „Lyze? Hast du dir das ‚Mr.’ abgewöhnt…?“ „Lyze!“, die junge Frau rief abermals, bevor sie begann an ihm zu rütteln: „Lyze, wach auf!“ „Wa-was soll das!? Hör auf!“ „Wach schon auf, du Schlafmütze!“ Plötzlich verwischte die Gegend um ihn, alles und jeder verschwand in der Weite des schwarzen Nichts. Als Lyze seine Augen kurz schloss, fühlte er sich schwer. Er schien nicht mehr zu stehen, sondern zu liegen; er spürte den Boden auf seinen Rücken und hörte nebenbei noch immer Siris Ruf. Als er seine Augen schließlich wieder öffnete, war ein bekanntes Gesicht über ihn gebeugt: „Lyze! Hach, na endlich.“, Siri stemmte die Hände in die Hüfte, obwohl sie neben ihm im Gras saß. „Genug geschlafen, die Pause ist doch schon lange vorbei. Wenn du nicht bald aufstehst, wird Aira mehr Früchte verputzt, als gesammelt haben!“ „Pause…?“, Lyze rieb sich das Gesicht und setzte sich langsam auf, „Ich wollte doch den Korb zum Sammeln holen…“ Schmunzelnd zog Siri eine Braue hoch. Der Korb lag schon lange, mit Früchten aufgefüllt, neben Lyze. Sie hob ihn hoch und wedelte damit vor ihm herum: „Wir haben alle drei Körbe gemeinsam in der früh geholt… hast du das etwa vergessen? Langsam machst du mir Sorgen.“ „Ich… ähm…“ „Lyze!“, Aira kam, mit dem Mund voll mit Früchten, herbei gelaufen und beugte sich über ihn. „Ist alles in Ordnung bei euch?“ „Ja…“, ihr Bruder lächelte, „Mir ist nur klar geworden… dass wir jetzt eine Familie sind.“ Beide Mädels um ihn begannen bei seinen Worten gleichzeitig zu lachen, ehe Siri antwortete: „Das sind wir doch schon lange. Ist dir das nie aufgefallen? …Was immer du geträumt hast, es muss verwirrend gewesen sein!“ „Es war ganz seltsam!“, begann Lyze zu erzählen, „Aira war da, sie war deine Tochter und hieß Erde!“ „Erde?“ „Ja! Und du warst auch da, nur viel hübscher!“ „Viel Hübscher??“, Siri hob wortlos den Korb und entleerte die Früchte über Lyzes Kopf. „Wa- was hab ich denn- ?“, er kriegte keine Antwort: Siri war im nächsten Moment davon gestampft. „Ach, Lyze.“, Aira half ihn auf die Beine, „Lass uns die Früchte einsammeln – es dämmert schon, und ich will noch Abendessen!“ „Aira… du hast doch die ganze Zeit gegessen!“ Die Beiden lachten gemeinsam, ehe sie begannen die Früchte um sie herum zurück in den Korb zu tragen. Lyze überlegte dabei noch ein Weilchen, wieso Siri plötzlich so wütend geworden sein könnte. Noch ehe er zu einer Lösung kam, standen alle drei voll beladene Körbe bei einander, um ins Haus getragen zu werden. Dass sein Haushalt zuwachs bekam, lag nun schon fast ein halbes Jahr zurück – und obwohl alle Drei in Lyzes Haus wohnten, fiel ihm als letzter auf, wie nah sie sich alle wirklich standen. An jenem Tag, an dem Prinz Vilior den Thron vom Schattenreich, dem Land Azamuth bestieg, konnte Siri weder in ihre Heimat zurück, noch bei Avrial im Schloss wohnen, da er sich heimlich verdrückt hatte – sie war praktisch gezwungen, bei Lyze einzuziehen. Erst jetzt dämmerte es langsam, dass der Arcaner vielleicht mit Absicht verschwunden war. Fest steht, Lyze würde ihn beim nächsten Treffen des Magie-Trainings danach fragen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)