Lost Prince von Ireilas (Krieg auf Aira) ================================================================================ Kapitel 33: 1. Bonus-Geschichte, Teil 2: „Nur“ ein Traum -------------------------------------------------------- „Was soll denn das? Ich bin kein Dämon, kommt heraus, dann beweise ich es euch!“, Lyze, der immer noch am Dach des lebensgroßen Puppenhauses stand, rief mit lauter Stimme hinab ins Stroh, in der Hoffnung die zwei verschreckten Mädchen kämen wieder hinaus. Doch es drang von ihrer Seite kein Sterbenswörtchen durch, es war sprichwörtlich mucksmäuschenstill. Der Halbengel stampfte mit dem Fuß: „Hallo? Ich weiß das ihr mich hören könnt, ich habe das Dach an das Haus geklebt und weiß darum auch, dass es nicht sehr dicht und stabil-“ plötzlich krachte es, als sein Fuß durch das Strohdach durchbrach und nun feststeckte. Erst als er seine Lage begriffen hatte, beendete er seinen Satz mit einem „-ist.“ Noch immer erhielt er keine Antwort, nicht einmal jetzt, wo die Zwei sicher seinen Fuß an der Decke sehen konnten. Lyze fasste sich ans Knie, stützte sich mit dem anderen Bein fest ab und zog einmal kräftig an dem feststeckenden Fuß, bis er schließlich draußen war – dabei aber sein Stiefel nicht mitkam. Kurz überrascht blickte Lyze hinab durch das Loch, wo man noch seinen Stiefel am Boden neben dem Holztisch landen sehen konnte. Er beugte sich schließlich hinab und streckte halb seinen Kopf durch das Loch, sah ins innere des Hauses: „Hallo?“ „Verschwinde!“, erklang es vom alten Sofa, hinter dem Siri mit Erde kauerte. „Das ist doch lächerlich.“, Lyze seufzte, „Ihr habt mit mir sogar gesprochen; sehe ich etwa gefährlich aus…?“ „Das tun Dämonen nie!“ „…Wenn ich eurer Logik folge, dann sind in diesem ‚Land’ also… die Engel gefährliche Dämonen und die Dämonen wären dann… harmlose Engel? Wobei Engel wirklich grausam sein können…“, während Lyze hin und her überlegte, sah Erde hinter dem Sofa auf, hinüber zu dem Stiefel. „Ah – ja, den brauche ich.“, bei seinem Satz zog das Mädchen wieder den Kopf ein. Lyze verschränkte die Arme: „Also entweder schießt mir jemand meinen Stiefel hinauf, oder ich muss zu euch hinab.“ „Nein!“, Siri sprang schnell auf und kam hervor. Ihr war es wesentlich lieber, Lyze nicht mehr in ihre Nähe zu haben. So griff sie nach dem Schuh und schoss ihn zu ihm hinauf – auch, wenn sie genau auf das Loch gezielt hatte, so machte der Stiefel einen Bogen und durchbrach ein weiteres Mal das Dach, diesmal von Innen. Der Halbengel hatte seinen Stiefel gerade wieder, da konnte man Siri über das Missgeschick fluchen hören. „Danke.“, richtete er noch das Wort nach unten, dann zog er sich seinen Schuh wieder an. Kurz trat Stille in die Gegend, Siri stand noch immer an ihrem Platz und schaute nach oben – sie schien sich dieses Mal nicht verstecken zu wollen. „Tja…“, begann Lyze mit leichter Stimme, „Es tut mir leid, aber ich kann euch noch nicht verlassen…“, er stützte die Hände auf den Knien ab, als er zu der fragend dreinblickenden Siri hinab sah, „Erst muss ich wissen, in welche Richtung ich gehen muss, um aus diesem seltsamen Ort zu kommen.“ „Du kannst sie verstecken.“, begann Siri plötzlich. Höchst überrascht und zugleich verwirrt über diese eigenartige Antwort, brachte Lyze ihr nur ein „Was?“ entgegen. Sie deutete auf ihn. „Deine Flügel, warum kannst du sie verstecken?“ „Verstecken?“ „Dämonen können ihre Flügel nicht verbergen!“ „Achso!“, Lyze musste lachen, ehe er ihr eine Antwort gab: „Ich bin ein Halbenge- äh, Halbdämon, darum kann ich die Dinger verschwinden lassen.“, er zuckte mit den Schultern, „Es ist praktisch, wenn man in einer großen Menge von Leuten geht, braucht man nicht so viel Platz.“ „So…?“, Siri zog eine Braue nach oben, „Du bist aber ein ulkiges Wesen.“ Daraufhin konnte Lyze nur lachen, immerhin war sie es, die weitaus ulkiger schien als er selbst. Flügelschläge waren zu hören. Wie aus dem Nichts tauchten sie auf, zuerst leise, dann immer lauter. Während Lyze fragend umher suchte, war dies für die beiden Ortschaftsbewohner bereits die Warnung auf das drohende Unglück von Oben. Panisch liefen sie unten im Haus umher, versperrten Türen und Fenster mit ihren wenigen Möbeln. „Sind das die ‚Dämonen’?“, Lyzes Frage wurde einfach mit einem sarkastischen „Nöö.“ von Siris Seite beantwortet. Das junge Mädchen, Erde, hatte keinen besonders großen Mut und begann zu schluchzen. „Wir sind verloren!“, meinte sie, „Es sind zu viele, sie werden unser Haus niederbrennen! Der Fremde ist schuld, er hat sie hergeführt!“ Der Halbengel saß noch immer am Dach und beobachtete das Geschehen. Siri schob den schweren Holztisch von der Tür weg, die sie eigentlich absichtlich verbarrikadiert hatte und riss sie auf: „Du hast recht Erde, hier sind wir nicht sicher!“, sie zog das Mädchen am Arm aus dem Haus, „Lauf, wir müssen uns beeilen!“ Lyze sah den Flüchteten nach: „Wartet-“, als sie bereits außer Reichweite waren. Es war längst zu spät, nun steuerten die Dämonen in Weiß nicht mehr auf die Hütte zu, sondern auf die längst entdeckten Bewohner. Lyze stellte es mit Entsetzen fest und versuchte nicht noch mehr Zeit zu verlieren, irgendwie musste er ihnen schließlich helfen! Schnell sprang er vom Dach und breitete noch während er fiel seine Flügel aus, um über den Boden hinweg zu gleiten, direkt auf die zwei Mädchen zu. Gerade als der Erste von drei Dämonen die Flüchtenden von oben überraschen wollte, riss Lyze sie zur Seite, wodurch sie einem verheerenden Speerstoß entgingen. Siri, die aus Reflex Erde umarmte, um sie vor dem Aufprall zu schützen, schaute, nach dem sie im harten Gras gelandet waren, völlig überrascht zu Lyze. Er setzte sich sofort auf und suchte die zwei anderen Dämonen – der dritte kämpfte damit, seinen Speer aus dem Boden zu kriegen. „Schnell, wo sind wir sicher?“, fragte Lyze, der noch immer von Siri angestarrt wurde, „In welche Richtung?“ Kurz schüttelte Siri den Kopf, ehe sie nach rechts deutete und antworten konnte: „Dort entlang!“ „Steht auf!“, er half Erde auf die Beine, dann packte er sie und Siri am Handgelenk und lief mit ihnen los – die Dämonen flogen hinterher. „Warum hilfst du uns!?“, keuchte Siri, während des Laufens. Sie verstand immer noch nicht, dass Lyze keiner von denen war. „Weil…“, begann er, „Weil ihr in meiner Welt-“, ein Dämon hatte den Flüchtenden den Weg abgeschnitten und landete vor ihnen, einen Moment später schwang er auch schon seinen Speer nach den Drei. „Runter!“, sofort nach Lyzes Reaktion zogen alle die Köpfe ein, sodass der Speer durch die Luft schnitt. Lyze riss seine Hand nach vorne, worauf hin der Dämon einen weiten, unkontrollierten Flug in die Steppe genießen durfte. „Und was war das!?“ Der Halbengel keuchte nur lächelnd, ehe er sich zum Weiterlaufen umdrehte: „Ihr würdet es mir nicht glauben.“ „Was nicht glauben?“, Siri und Erde liefen ihm wieder nach. „Dass ich in meiner Welt einmal pro Woche mit einem Arcaner trainiere.“ „…Was ist ein Arcaner?“ „Vorsicht!“, Lyze hielt die zwei Bewohner zurück, denn auf einmal erstreckte sich eine sehr tiefe Schlucht knapp vor ihren Füßen. „Oh.“, gab Siri von sich, „Hätte ich dich warnen sollen?“ „Ja…“, so die Antwort, „Wäre nett gewesen.“ Erneut waren die Flügelschläge der schnell heranstürmenden weißen Dämonen zu hören, gleich würden sie aufgeholt haben. „Was machen wir jetzt?!“, Erde zupfte an Lyze, blickte verzweifelt hinter sich auf die Schatten am Himmel. „Haltet euch fest!“, Lyze zog die Beiden an sich heran, „Wir werden auf die andere Seite gleiten!“ „Gleiten? Zu dritt?!“, Siri sah panisch zu ihm, „Bist du verrückt? Wir werden abstürzen, wie ein Stein!“ Der Halbengel beantwortete dies mit einem kopfschüttelnden Lächeln – den Spruch hatte er nicht zum ersten Mal von derselben Person gehört. Er zählte nicht bis drei, bis alle bereit zum Springen waren, die Dämonen würden schließlich auch nicht warten. So schubste er, als er sprang, die Beiden von der Klippe und breitete die Flügel aus, während die Mädels zu schreien begannen. Erst jetzt, wo es zu spät war, bemerkte Lyze, dass die andere Seite der Schlucht zu hoch war, um sicher hinüber zu gleiten. Der Flug senkte sich langsam immer mehr und erreichte den kritischen Punkt, mit allen drei gegen die Klippenwand zu knallen. Lyze schlug so fest er konnte mit seinen Flügeln – es war ihm durchaus bewusst, eine gute Landung könnte und kann es auch nicht geben. Doch trotz der Gewissheit ging es, mit zwei Personen Übergewicht, wieder bergauf! Der Halbengel konnte es selbst nicht glauben: er glitt nicht mehr, sondern flog über die Schlucht hinweg! Fasziniert von dieser Tatsache, sah auch Siri hinab, dann zu den Verfolgern im Hintergrund, die langsam immer kleiner statt größer wurden. Vor Freude schwang Erde mit einem „Wohoo!“ die Hände in die Luft und riskierte dabei für einen kurzen Moment fallen gelassen zu werden – Siri drückte ihr mit einem „Halte dich fest.“ die Hände runter. Nach einer Weile des Fluges durch Wolken, über Berge und Seen, deutete Siri nach rechts auf eine freie Stelle: „Dort können wir landen, Mr. Lyze!“ „Ist gut.“, war die Antwort, als der Flug sich wieder senkte, „Aber lass doch das „Mr.“ weg, das klingt albern.“ „…Nö.“ Zurück auf dem Boden lief die im ersten Moment sehr ernst scheinende Erde über die grüne Wiese und freute sich das erste Mal wie ein richtiges Kind über den Flug, Siri sah ihr dabei mit einem Lachen zu und genoss die vorbeiziehenden Windstöße. Lyze hingegen schaute sich im Kreis gehend um und machte sich ein Bild von dieser völlig veränderten Landschaft: kein trockenes Gras mehr, es war kniehoch und grün. Hügel mit vereinzelten Bäumen erstreckten sich über der Fläche, am Horizont konnte man Berge und vorbeiziehende Vögel sehen. Es fühlte sich fast wie Heimat an. Aber nur fast. Dann senkte Lyze überlegend den Kopf, er dachte über den Flug von vorhin nach. Wie kann es sein, dass er plötzlich aufliegen konnte, als wäre er alleine unterwegs? Da überkam ihn ein Gedanke und sah bei seinem festen Entschluss auf: „Es ist ein Traum…“ Im nächsten Moment spürte er ein zusätzliches Gewicht an seinem Rücken: Siri hatte sich überraschender Weise an ihn gehängt. Gerade als er fragend den Kopf in ihre Richtung drehte, schmiegte sie sich in seine Flügel: „Ich wusste gar nicht, dass Dämonenflügel so weich sind!“ „…Da- das…“, begann er, „Es liegt an der Tatsache,…“, nun versuchte er sich zu befreien, „Dass ich nun einmal zur hälfte ein Engel bin.“ Siri ließ ihn in dem Moment los, in dem er sich nach vorne drücken wollte, worauf hin der Halbengel auf die Nase fiel. „Du meinst Halbdämon.“ „…Nein, ich meine nicht Halbdämon!“, er setzte sich seufzend auf und vergrub kurz sein Gesicht in den Händen, nebenbei verschwanden seine Flügel. „Ist doch auch egal… ähm…“ „Ähm?“ „Ihr habt mir noch immer nicht verraten, wie ich nach Hause komme.“ „Oh, das weiß sicher der Zauberer!“, antwortete hastig Erde. „Der Zauberer?“ Siri beugte sich zu ihm hinab: „Ja, er weiß wirklich eine Menge, noch dazu lebt er nicht weit von hier.“ „Lasst mich raten…“, der Halbengel putzte kurz seine Kleidung ab, „Er lebt hoch oben alleine in einem Schloss und betrauert seine verlorene Frau.“ „Nnnnein…“, so Siri, „Er lebt eigentlich nicht weit von hier auf dem Land mit seiner Frau und elf Kindern.“ „E-el…?“, Lyze wollte nicht glauben was er da hörte. „Reden wir vom selben Magier? Ist sein Name Avrial?!“ „Ja!“, Erde lachte, „Woher weißt du das?“ Und wieder vergrub der Halbengel schwer seufzend sein Gesicht in den Händen, ehe er entschieden aufschaute: „Lasst… uns einfach zu ihm gehen.“, denn verstehen würde er diese verdrehte Welt sowieso nie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)