Lost Prince von Ireilas (Krieg auf Aira) ================================================================================ Kapitel 24: Wie aus Freundschaft Feindschaft wurde -------------------------------------------------- „So ein unhöflicher Kauz!“, Siri und Lyze halfen dem Arcaner auf die Beine, „Hoffentlich kommt der nicht zurück!“ „Das… wird er nicht…“, Avrial keuchte, griff sich auf seine schmerzende Wunde an der Brust, „Ihm ist vorerst die Lust auf einen Kampf auf Leben und Tod vergangen.“ Verständlich drückte Lyze ihm seinen Hut in die Hand, fand es aber trotzdem seltsam, dass Furah einfach geflüchtet war. „Er war doch klar im Vorteil. Warum hat er gestoppt, als Siri eingriff?“ „…Vielleicht greift er einfach nicht an, wenn ne Frau vor ihm steht…“, so das Mädchen, mit trockener Miene. „Nein, das ist es nicht. Für normal macht er keine Unterschiede.“, der Arcaner überlegte, „Es schien, als würde er dich kennen…“, und setzte seinen Hut auf. „Meinst du…?“ „Gut möglich-“, so Lyze, „-du könntest dich, selbst wenn du ihn kennst, nicht an ihn erinnern…“, dann schmunzelte er: „Aber vielleicht hat er dich auch einfach nur lieb gewonnnen.“ Siri rempelte ihn vom Weg. „Ach, sei doch still. Der hat mir gerade noch gefehlt-“ Über den kleinen Streit der zwei war Avrial sichtlich amüsiert und lächelte, so als hätte er den Kampf von vorhin schon beinahe vergessen. Die drei Reisenden setzten ihren Weg in die große Stadt fort, es sollte nicht mehr lange dauern, dann würde die Straße enden und eine hohe Mauer beginnen. Vorerst aber hielten sie zu Mittag, am Wegesrand bei einer Picknickbank an, um zu essen. Auch diese Sitzgelegenheit war ein sicheres Zeichen von Zivilisation. Wieder genoss Siri nicht ihr Mittagessen, sondern beschwerte sich lieber über das Sandwich. Sie hatte bereits gestern Sandwich. Und heute Früh. Da legte ihr der Magier die Hand auf die Schulter und versprach ihr, in Destercity eine Speise, ganz nach ihrem Wunsch, zu spendieren – ebenso dem Halbengel, dem das wiederholte Sandwich-essen allerdings keine Sorgen bereitete. Zurück auf dem Weg begegneten ihnen wieder Passanten. Diesmal waren es drei alte Männer, die beim Vorbeigehen irgendetwas über Dämonen diskutierten. Man konnte nur die Satzfetzen „Abgrenzung vor der Außenwelt” und „Familien haben Angst einen Fuß aus der Stadt zu setzen” verstehen. Dann schwieg die kleine Reisegruppe eine Zeit lang. Siri ging nur das Essen durch den Kopf, Avrial überlegte sich, doch besser einen Arzt in der Stadt aufzusuchen und Lyzes Gedanken beschäftigten sich mit Furah. Die beiden Magier kannten sich. Sie bekriegten sich. Beide hatten einen bestimmten Blick, der sie verband. Beide hatten… „Avrial?” Der Arcaner drehte sich während des Gehens zu Lyze. „Sag, was versteckst du eigentlich unter deinen Haaren…?” Fragend blieb der Magier stehen. „Wie meinst du das?” „Dein Auge.”, Lyze deutete auf das rechte, „Warum versteckst du es. Ich will wissen, wieso ebenfalls Furah sein linkes Auge versteckt.” „Weil… nun…”, Avrial tat sich sichtlich schwer zu sprechen. Da kam Siri hinzu, stellte sich dazwischen: „Lyze… ich bin auch neugierig, aber findest du nicht, dass die Frage ein wenig zu sehr in Avrials Privatsphäre eindringt?” „Das… spielt doch keine Rolle mehr.”, der Magier schaute lächelnd, aber traurig auf, „Ihr habt bereits so vieles gesehen… den Kampf, den Fluch, meinen Erzfeind…”, er strich sich die Haare vor dem rechten Auge weg, „…Es wird Zeit, dass ihr alles erfährt.” „Du-”, ungläubig schlug Siri die Hände vor das Gesicht, „Du bist blind!” In Avrials grauem Auge spiegelte sich nichts außer der Leere… „Und trotzdem kannst du so hervorragend zielen…”, Lyze lächelte, „Jetzt weiß ich wieder, warum ich dich als Lehrmeister wollte!” „Hä? Was?”, nur mehr fragend schaute die junge Frau zwischen den beiden her. „Avrial kam sowohl als Bodyguard, als auch als Lehrmeister mit uns.” „Ah…”, Siri seufzte tief und trocken: „Na das erfahre ich aber auch früh…” Weiter entfernt stand der Magier, er war bereits vorgegangen: „Was ist nun?” „Wie ‚was ist nun’?”, die zwei liefen ihm nach. „Wollt ihr nun meine Vergangenheit hören, oder nicht…?” „Es regnete. Es goss aus Strömen, als ich zum ersten Mal mein neues Zuhause betrat. An mein altes kann ich mich nicht richtig erinnern… Ich war fünf. Die Kinder um mich herum waren streng, wie meine Erzieher. Es kam nicht selten vor, da diente ich als Ventil der älteren Kinder. Wieso das ganze? Weil ich Arcaner war – in einem Kinderheim für Menschen. Zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass ich nicht alleine war. Es gab da jemanden, der seitdem er ein Baby war, im Heim lebte. Furah Saci. Am dritten Tag, ich saß nach einen weiterem Attentat der älteren Kinder unter einem Baum im Hof, da legte dieses gleichaltrige Kind seine Hand auf meine Schulter. „Warum bist du so traurig?”, fragte er. Er verstand damals gut, wie ich mich fühlte. Allerdings gab es einen entscheidenden Unterschied: er war seit Anbeginn in diesem Heim, weshalb ihm so gut wie jeder kannte und niemand verachtete. Seit diesem Zeitpunkt an folgte ich ihm auf Schritt und Tritt, er beschützte mich nämlich, sollte mir wieder ein Älterer zu nahe treten. Die Zeit verging und wir wurden Freunde, gute Freunde. Gemeinsam büchsten wir schon mal aus dem Heim aus, nur um mit Fröschen des Teiches in der Nähe spielen zu können. Wir bekamen Ärger, doch das störte uns nie. Wir trieben gerne Schabernack und erschreckten die Kinder aus dem Heim.”, er lachte, „Einmal haben wir einer Erzieherin Mistkäfer im Bett versteckt. Es waren fröhliche Jahre und unsere Freundschaft glich langsam einer Bruderschaft. Aber… Acht Jahre nach meiner Ankunft entdeckten wir zum ersten Mal unsere Magie. In der Pubertät entscheidet sich für einen Arcaner sein zukünftiger Weg, so heißt es. Unsere Streiche gingen wie gewohnt weiter, nur dass immer öfter Magie im Spiel war. Anfangs flogen nur Schulbücher und Schreibmaterialien durch die Zimmer. Dann verschoben sich die Betten auf wundersamer Weise. Doch es gibt immer einen Punkt, wo Harmlosigkeit aufhört und der Ernst beginnt. Ich war dabei, fühlte mich aber äußerst unwohl, als wir bei einem Ausflug des Heimes Steine eines Berges in Bewegung setzten und somit Leben in Gefahr brachten. Wir unterschieden uns langsam immer mehr von einander. Was Furah Spaß machte, löste in mir einen inneren Kampf der Entscheidung aus. Eines Tages hatte er einen Plan entwickelt, um ein Buch über Magielehre aus der Bibliothek zu stehlen. Obwohl es uns beiden sicher in der Entwicklung geholfen hätte, so entschied ich mich dagegen. Anfangs akzeptierte Furah meine Meinung; er schlich alleine in die Bibliothek und konnte mir am nächsten Morgen tatsächlich ein Buch vorlegen. Er war stolz auf seine Beute, doch als ich es mir näher ansah, schüttelte ich den Kopf. „Bringe es zurück, wo du es her hast, ehe es jemand vermisst.” „Wieso?”, war seine Frage. „Weil das ein Lehrbuch für dunkle Magie ist.” „Ich weiß.”, dabei lächelte er glücklich. „Aber wenn du es für besser haltest-”, antwortete er, „Dann bringe ich es zurück.” Ich war erleichtert über seine Entscheidung. Schon am darauf folgenden Tag ging der Alltag normal weiter… scheinbar. Ich kann es nicht erklären, aber ich fühlte, dass etwas nicht stimmte. Es schien mir, als wäre das gesamte Heim von einer düsteren Stimmung, oder auch Aura umgeben. Natürlich brauchte ich nicht lange, um den Grund herauszufinden. Furah hatte das Lehrbuch nicht zurückgebracht. Anfangs erzählte er mir, er würde von ihm angezogen werden… vielleicht war es zu verlockend für ihn, einen Blick hinein zu werfen. Vielleicht fehlte ihm aber auch einfach jemand, der ihn daran hinderte… denn Eltern, Verwandte, oder Erzieher, die sich drum scherten, gab es nicht – es gab nur uns. Und ich war zu unerfahren, um die Gefahr hinter der dunklen Magie zu erkennen: Einmal in seinen Fängen, entkommt man ihr nie wieder. Furah hatte damit seinen Weg gewählt. Ich wollte ihn daran hindern, diese Magie einzusetzen, doch die dunkle Gabe hatte ihn mir ganz entrissen. Unkontrolliert begann er Flüche auszusprechen, übte sie heimlich an verborgenen Orten. Als ich seinen Unterschlupf fand, war es bereits zu spät. Zu diesem Zeitpunkt war er schon gar nicht mehr er selbst. Was zuerst fröhlich und frech wirkte, war nun gefährlich und zerstörerisch. Er wandte sich gegen mich. Versuchte sogar, mich aus dem Weg zu räumen. Es mag unsinnig klingen, doch in diesem Moment spürte ich, was wohl in den Wurzeln eines jeden Arcaners verankert liegt: ich musste der dunklen Magie ein Ende setzen. Am letzten Tag im Heim begannen wir zu kämpfen. Furah wollte mich tot sehen und ich ihn. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, dass dieses Schauspiel vor einem Menschenheim Aufsehen erregte. Die Erzieher riefen die Gesetzeshüter Desterals herbei, doch sie trafen zu spät ein. Denn in der Hitze des Gefechtes sprachen wir Magie aus, die für uns Knaben noch viel zu früh war – wir verletzten dabei nicht unser Gegenüber, sondern verloren jeweils unser halbes Augenlicht. Trotz der Schmerzen, die wir empfanden, sowohl körperlich als auch seelisch, verschwand Furah, ohne sich jemals wieder beim Heim blicken zu lassen, in den Weiten Desterals. Noch am selben Tag wurde ich zum Gehen gezwungen. So zog ich los, verletzt, auf der Suche nach einem Neuanfang – und traf zwei Jahre später in Ikana ein.” Mit Interesse, aber auch Mitleid, lauschten Lyze und Siri der Geschichte. Den beiden war nun so einiges klar geworden. Kurz schwiegen sie, ehe der Halbengel zu Avrial aufsah: „Er hat also praktisch dein Leben ruiniert… das ist der Grund, weshalb ihr euch streitet?” Er nickte. „Ja aber…”, begann Siri, „Ihr wart einst mal beste Freunde und trotzdem wollt ihr euch umbringen? Wieso?” „Weil er die dunkle Magie ausübt.” „Nur deswegen?” „Er ist viel zu gefährlich für die Welt, Siri. Du hast gesehen, zu was er im Stande ist. Einen Arcaner wie ihn darf und soll es nicht geben.” „Sagt wer?” „Jeder!”, Avrial war lauter geworden, worauf hin Siri den Kopf einzog. „Tut mir Leid…”, meinte er anschließend. „Nun… das ist jetzt nicht mehr so wichtig.” „Wieso denn das nun wieder?” „Weil vor euch, liebe Freunde, Destercity liegt.”, dabei hob er die rechte Hand und präsentierte die gigantische, weiße Mauer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)