Lost Prince von Ireilas (Krieg auf Aira) ================================================================================ Kapitel 16: 5. Magie mag gelernt sein ------------------------------------- Sanft schloss Siri hinter sich die Tür. Das halbe Schloss war vollkommen verwüstet und glich nun noch mehr einer Ruine, als vor dem ausgebrochenen Fluch. Seufzend stand sie auf dem Gang, hielt sich eine Hand auf die Stirn und blickte auf die zerstörten Gegenstände, die doch eigentlich schon beinahe in ein Museum für Antikes gehört hätten. Neben ihr stand Lyze, der ihren Blick nicht wirklich verstehen konnte – schließlich war er erst vor kurzem gekommen und kannte das ursprüngliche Schloss nicht. „Schläft er jetzt?” „Ja.”, Siri ging den Flur entlang, er folgte ihr. „Seine drei „Angestellten” kümmern sich um ihn und geben Bescheid, wenn er wach ist…”, sie blieb kurz stehen und schaute trocken: „Das hoffe ich zumindest… Ahm – komm, gehen wir ins Wohnzimmer am Ende dieses Flures. Dort wütete Avrial nicht, also ist dort alles noch ganz.”, so ging sie voran, nun mit einem Lächeln auf den Lippen. Die beiden betraten das vornehme Wohnzimmer, das in verblichenem Rot gestaltet war. Lyze konnte noch immer keinen Unterschied zum zerstörten Flur erkennen und blieb vorerst stehen, als sich Siri ins rote Sofa schmiss. Erst jetzt, als der Regen vorbei war und die Sonne nun direkt durch die drei großen Fenster auf Lyze schien, konnte sie diese plötzliche Veränderung in seinem Gesicht erkennen: „Was… was ist denn mit deinem Auge…?” Auf ihre Handdeutung hin, griff er sich auf sein rechtes, gelbes Auge. Da seine natürliche Farbe eigentlich blau war, hätte das Mädchen diesen Unterschied eigentlich schon früher sehen müssen. „Ach das?”, er setzte sich neben sie, „Wenn du dich erinnerst, habe ich versucht das Boot zu beschützen, doch der Zauber ging schief…”, er lächelte, sah dabei aber gen Boden „Scheinbar habe ich mich dabei mehr verletzt, als ich dachte; als ich in der Höhle des Drachen aufwachte und ins spiegelnde Wasser blickte, sah auch ich die Färbung zum ersten Mal.” „Arcanerblut…”, Siri gab es leise murmelnd von sich, sodass Lyze sie nicht richtig verstand: „Was?” „Ach, ist nicht so wichtig. Hat dir der Drache der Güte sagen können, warum sich dein Auge verfärbt hat?” „Nein, er wollte nicht.” „Wie denn das?” „Er meinte, er sei nicht die richtige Kreatur, um mir dabei weiter zu helfen…” „Das ist ja komisch.” Seufzend lehnte Lyze den Kopf nach hinten, „Wem sagst du das.”, dann drehte er ihn zu ihr: „Jetzt bist du dran. Was hast du so erlebt?” Erlebt hatte das Mädchen einiges. So holte sie zuerst aus und überlegte, was nun das Wichtigste sei: „Also… zuerst bin ich im Dorf Ikana gelandet, wo Frauen keine Rechte haben, und dort hab ich erstmals mein „bestes” Benehmen gezeigt, genauso wie am Maskenball, der abends stattfand; die meinten Avrial – den ich übrigens am Ball traf – sei der Herr der Finsternis, aber in Wirklichkeit ist er gar nicht so übel, weil er doch nur seine Frau verloren und nicht umgebracht hat, also hat er mich vor einem Angriff gerettet und in sein Schloss gebracht, wo ich die drei Putzen traf und Avrial schließlich vom Fluch überrumpelt wurde; und dann kamst du und nun sind wir hier!” „Aha…”, Lyze hatte sichtlich nur die Hälfte mitbekommen… „Oh! Und noch was Wichtiges: Avrial ist ein Arcaner!” „Arcaner!?”, bei ihrem Satz sprang der Halbengel urplötzlich auf. Sie verstand seine Reaktion nicht und schaute erstmals schief, bevor er anfing zu erklären: „Siri, Arcaner sind ganz fiese Typen! Die haben Spaß daran, ihre angeborene Magie für den Alltag und gegen andere Leute zu richten! Nicht zuletzt werden sie deshalb als „Dämonenart” bezeichnet, obwohl sie eigentlich mehr einem Menschen gleichen!” „Arcaner sind Dämonen?” „Nein, aber sie sind so falsch wie Dämonen.” „Avrial ist nicht falsch!”, Siri war ebenfalls ruckartig aufgestanden, „Ich weiß nicht, wo in all den Jahren du dich in Desteral herumgetrieben hast, aber nicht jeder Arcaner ist gleich!” „Aber es ist ihnen angeboren!” „Bist du- bist du überhaupt schon jemals einem Arcaner begegnet?” „Ehm…”, er senkte den Kopf, „Nein.” Auf Lyzes voreiligen Schluss konnte Siri nur mehr die Hände in die Hüfte stemmen und den Kopf schütteln. Von ihm hätte sie am wenigsten so eine Reaktion erwartet; noch dazu hatte er doch keinen blassen Schimmer, dass er selber mit einem verwandt sein könnte. „Vorsichtig sein ist gut, aber denkst du nicht, dass all diese Märchen, Sagen und Geschichten unter dem Volk Desterals falsch sein könnten…? Wie der ‚böse’ Wolf auch… und dabei sind Wölfe richtig liebe Tiere, wenn sie nicht kurz vor dem Verhungern sind. Ich glaube… ich glaube, dass selbst Dämonen nicht alle gleich sind.” „In Ordnung.”, Lyze hatte sich wieder gesetzt, „Mag sein, ich bin vielleicht etwas übervorsichtig… aber einem Dämon sollte man nun wirklich nicht blind trauen.” „Das kann ich bestätigen.”, Lyze und Siri schauten gleichzeitig zur Tür, in dessen Schwelle Avrial stand – mit Kleidung. „Avrial!”, das Mädchen lief zu ihm, „Geht es dir besser?” „Ja… es geht wieder. Danke. Ohne euch wäre ich sicher längst vom Fluch verschlungen… nur eine Bitte hätte ich.” „Ja?” „Ich brauche meinen Hut, Siri.” „Oh je, der wird noch oben im kaputten Turm liegen!” „Ach so ist das… wir waren oben im Turm.” Lyze kam hinzu, als Avrial plötzlich überlegend wirkte. Er schien sich gar nicht mehr um seinen Hut zu sorgen. „Stimmt was nicht?”, fragte das Mädchen schließlich. „Nein… es ist nur…” „Hm?” „In dem Turm starb Yne.” „Oh, was!?” „Nein. Nein, das ist gut.”, nun lächelte er, „Ich hatte so ein Gefühl von Schmerz, aber auch Geborgenheit. Der Aufenthalt im Turm hat verhindert, dass ich dich angegriffen habe. Sagt… wie habt ihr es geschafft den Fluch zu brechen? Ich habe nicht mehr damit gerechnet, noch einmal klar denken zu können.” „Oh, ach das… ich habe da oben einen türkisen Stein gefunden…”, nebenbei kramte Siri in ihrer Tasche, bis sie den glühenden Anhänger herauszog und auf der Handfläche zeigte. „Der Drache der Güte sagte mir, ich solle ihn gegen den Fluch richten… weißt du etwas darüber?” Den Blick gen Boden gerichtet und doch lachend, schüttelte Avrial den Kopf, bis er wieder aufschaute und begann zu erklären: „Besser, als du denkst. Das ist ein Aquamarin; jedoch kein gewöhnlicher. Er absorbiert und schützt vor dunkler Magie und Flüchen. Die Legende besagt, dass ein junger Mann vor langer Zeit diesen für seine Verlobte eigenhändig anfertigte. Ich habe ihn bei einem umherziehenden Händler gekauft… aber ich wusste nicht, dass der Stein so mächtig sein kann. Nun, du ahnst es vielleicht schon: der Hut war Ynes Hochzeitsgeschenk an mich. Der Stein war für sie.” „A-ach so ist das!” Kaum war Avrial fertig, legte die junge Frau den Stein in seine Hand, doch er schüttelte abermals den Kopf. Er nahm Siris Hand und gab ihr den Stein zurück: „Er wurde für eine Frau angefertigt, nicht für einen Arcaner wie mich. Ich gebe dir ein Lederband, dann kannst du den Stein um den Hals tragen – er soll dich beschützen. Du wirst ihn mehr brauchen als ich.” Nickend nahm Siri den Aquamarin an sich und lächelte traurig. „Danke.” „Hey…”, da schummelte sich Lyze hinein, „Ich will euch nicht unterbrechen… aber draußen wartet ein sehr alter, müder Drache der Güte, der mit dir sprechen will, Siri.” „Ah.”, Avrial drehte sich zu ihm, „Du musst Lyze Noshyru, der Halbengel sein…”, Lyze schaute etwas skeptisch, als der Magier einmal um ihn herum ging, „Wirklich einzigartig. Du hast Flügel, die du per Lichtmagie erscheinen lassen kannst. Irre ich mich?” „Kann sein… wüsste nicht, was dich das interessieren sollte.” „Oh, mich interessiert so einiges – und Rassenvermischung ist ein Thema davon. Sag, plauderst du wie ein Engel alles aus, oder bist du eher wie ein Mensch orientiert?” „Hey – ich bin kein Versuchsobjekt!”, der Halbengel trat zurück, als ihm Avrial näher kam, „Warum gehst du nicht und spielst mit ein paar Ikana-Bewohnern?!” Da griff Siri ein: „Ach hört doch auf! Avrial, du gehst deinen Hut holen und du Lyze kommst mit mir, zum Drachen!” Gleich darauf verließ sie die Runde, Richtung Ausgang. Während Lyze dem Arcaner wieder einen misstrauischen Blick zuwarf, hatte Avrial nur eines zu sagen: „…Pass auf Siri auf. Und verscherz es dir nicht mit ihr, ich habe das starke Gefühl, dass du noch lange mit ihr reisen wirst.”, er ging ebenfalls, „Bis später, Noshyru.” Draußen, so weit wie man auch nur zum Horizont sehen konnte, sank langsam die Sonne gen Ende des Tages. Der Himmel, an dem nur wenige Wolken hingen, war hell orange gefärbt; alles und jeder warf einen langen Schatten. Hier oben, am höchsten Punkt Ikanas, konnte man einen Sonnenuntergang hervorragend sehen. Vor dem alten Schlosstor hatte sich der Drache der Güte in das nasse Gras gelegt und schaute nun auf, als Lyze mit Siri herauskam. Als die zwei vor ihm standen, hob er seinen schweren Körper und blickte zu den beiden hinab. Siri war wieder aufs Neue von dem alten Drachen beeindruckt; seine trüben Augen verrieten, dass er fast nichts sehen konnte – dennoch schien er sich gut orientieren zu können. „Siri.”, sprach er nun in den Köpfen der beiden, „Ich weiß über alles Bescheid, dein Freund hatte es mir bereits erzählt.”, er hob den Kopf, gen Horizont, „Das, wonach du suchst, findest du am Festland, mittig Desterals… doch ehe ihr beide aufbricht, möchte ich euch um einen Gefallen bitten.” Bei seinen traurigen Worten wagte Siri einen Schritt nach vorne: „J-ja?” Der Drache senkte seinen Blick. „Ich weiß nicht, ob ich euch mit meinem Problem belästigen sollte.” „Das sind wir dir schuldig.”, Siri und der Drache schauten rüber zum leicht lächelnden Lyze, „Sag uns was du brauchst und wir werden es für dich erledigen.” Nun konnte man auch auf dem Gesicht des Drachen ein zartes Lächeln sehen, er sah richtig erleichtert aus. „Gut… so höret meine Worte.”, wieder schaute er zum Ozean, „Der Wassergott in dem Gebiet rund um der Insel Ikana leidet sehr. Wir kennen uns seit geraumer Zeit und als sein Freund fühle ich mich verpflichtet, ihm zu helfen… doch ich bin alt und schwach; und tief tauchen kann ich auch nicht mehr. Darum brauche ich eure Hilfe. Steigt zum Wassergott hinab und erlöst ihn von seiner Qual. Sagt, der Drache der Güte schickt euch, dann wird er euer Leben verschonen.” „Erm… alles gut und schön… aber wie sollen wir ihn erlösen?”, so Siri. „Der Aquamarin…”, Lyze überlegte laut, „Er kann Flüche und Magie absorbieren. Aber kann er auch Schmerz heilen?” „Nein.”, der Drache schüttelte schwer seinen Kopf, „Nicht direkt. Aber bloßes Reden allein wird ihm schon helfen – und Siri, du hast eine Begabung dazu.” „Also soll ich da hinab?”, sie zeigte auf sich selbst, „Und wie? Sehe ich aus, als könnte ich unter Wasser atmen?” Passend zu ihrem Satz öffnete sich das alte Schlosstor, aus dem Avrial trat, der seinen Hut gefunden hatte: „Ach. Das lässt sich schon machen – ich habe da eine Idee.” Hosted by Animexx e.V. 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