Lost Prince von Ireilas (Krieg auf Aira) ================================================================================ Kapitel 11: Maskenball ---------------------- Eifrig wurde den ganzen Tag an den Vorbereitungen für den Maskenball gearbeitet. Er hatte in Ikana schon vor langer Zeit Tradition gefunden; jetzt, wo die Insel von der Außenwelt abgeschnitten ist, verstärkte sich die Unternehmungslust der vornehmen Bewohner nur noch mehr. Wenn man den Leuten Glauben schenkte, vergaßen sie durch den Ball einmal im Monat ihre Sorgen. Es war kurz nach sechs, als die Dämmerung hereinbrach und die ersten Gäste den Saal betraten. Es war ein großes Gebäude, nahe dem Rathaus des Bürgermeisters, in dem sich die Bewohner versammelten. Auch die zwei Herren, die Siri am Strand gefunden hatten, kamen zusammen mit ihr und in Begleitung ihrer Frauen pünktlich vor dem großen Festsaal an. Sie gingen voraus, während Siri mit hoch aufgerichtetem Kopf das prunkvolle Gebäude ansah. Ihre Gedanken drehten sich um Lyze. Zu gerne wüsste sie, ob er wie sie irgendwo gestrandet war und es ihm gut ginge. „Fräulein Siri?“, einer der zwei bekannten Männer kam zurück und winkte nach ihr. „Kommt Ihr?“ „Oh- j-ja, ich komme schon!“, sie zog sich ihr enges Kleid ein Stück hoch, ehe sie dem Mann nachlief. Ob sie den Maskenball überhaupt genießen konnte? Jedenfalls nicht, wenn sich ihre Gedanken stets um Lyzes Gesundheit drehten. Im Inneren des Gebäudes wurde der jungen Frau klar, dass die Sicht von außen längst nicht alles an Pracht bot: sie ging erst den Flur zum Saal entlang und fand einen unbeschreiblich schön geschmückten Ort vor. Die hellen Wände waren mit roten Vorhängen und kostbaren Bildern dekoriert, an den Säulen und Geländern schlangen sich Gewächse entlang, die mit ihren kräftigen grünen Blättern und zarten roten Blüten hervorstachen. Siri achtete kaum noch auf den Weg des roten Teppichs, den sie ging, da zog sie einer der zwei Männer zur Seite, damit sie nicht in einen anderen Herrn lief. Endlich im großen Festsaal angekommen, glitt ihr Blick an den ebenfalls so schönen Dekorationen wie auf dem Flur vorbei, auf das Buffet an der linken Wand. Bei dem aufgeschnittenen Braten und vielen belegten Brötchen lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Kaum waren die zwei Herren mit ihren Begleiterinnen in ein Gespräch verwickelt, war Siri verschwunden - auf zum Buffet. Der ältere Mann mit seinem Spazierstock blinzelte kurz im Saal umher, bis er die junge Frau wieder entdeckte. Er hob seine Augenbrauen bei dem Anblick, ehe er die Gesprächsrunde verließ, „Entschuldigt mich kurz, die Herren.“, und sich auf den Weg zu Siri machte. „Fräulein Siri, was tut Ihr denn da?“ „Huh?“, sie drehte sich mit vollem Mund zu ihm um, „Was denn? Ich habe Hunger! Es gab ja nichts zum Abendessen!“ „Darum geht es nicht; passt nur bitte auf, dass Ihr Kleid sauber bleibt... Eure Maske, Fräulein Siri.“ „Was ist damit?“ „Wo ist sie? Ihr seid doch auf einem Maskenball, Ihr müsst sie aufsetzen!“ „Ach so!“, schnell die Hände an einer Serviette abgeputzt, griff sie sich in den Ausschnitt und zog eine weißliche Maske, in Form von Schwanenaugen hervor. Während Siri diese um ihre Augen befestigte, ging dem Mann neben ihr stammelnd der Mund auf. „H-habt Ihr die Maske gerade... aus Ihrem...“ „Hm? Ja, ich musste sie doch irgendwo aufbewahren –ihr Männer habt Taschen, was ein Kleid nicht hat.“, sie rückte die Maske auf ihrer Nase zurecht, „Praktisch, ich muss sie gar nicht halten!“ Zur Rettung des tief entsetzten Mannes, kam der zweite herbei. Er legte eine Hand auf seinen Rücken und führte ihn flüsternd von Siri weg. „Alles ist gut, mein Freund, es ist doch nur für heute. Schon morgen wird sie in die Benimmregeln einer Frau eingewiesen.“, er schmunzelte, „Und wer weiß, vielleicht findet heute am Maskenball ein junger Herr Gefallen an ihr? Wenn sie zur Frau genommen wird, geht die Einweihung noch schneller und sie wird zum vollwertigen Bewohner Ikanas.“ Plötzlich tippte Siri den Männern auf die Schulter: „Hey, wann wird denn nun eigentlich getanzt? Ich dachte, das hier wäre ein Masken-'Ball'.“ „Es wird auch getanzt, Fräulein Siri – aber das Fest hat gerade erst begonnen und die Nacht ist noch jung... Warum seht Ihr euch nicht ein wenig um und plaudert mit anderen Gästen?“ „Muss ich?“ „Natürlich nicht. Aber wenn Ihr auf Ikana bleibt, solltet Ihr euch auch andere Freundsch-“ „Ach, lieber nicht. Ich sehe hier kaum jemanden, mit dem ich auf einer Wellenlänge schwimmen könnte...“, sie sah durch den Saal, zu den Musikern auf der anderen Seite. „Aber ich werde mir mal die Instrumente ansehen gehen – der eine da hat so ein winziges Klavier – ich weiß nicht einmal, wie das funktionieren soll!“ „I-in Ordnung, tut das.“ Als Siri in der sich füllenden Menschenmenge verschwand, atmeten die zwei Männer erleichtert aus. Der Abend schritt voran und die junge Frau hatte einiges über Musik gelernt. Ihr gefiel von den klassischen Instrumenten am Besten die Geige; sie klang zart und traurig, konnte aber richtig gespielt hektisch und lebendig sein. Die Musiker mussten schließlich die Plauderei mit ihr einstellen, als der Bürgermeister den Saal betrat, zu der Spielgruppe sah und auf seine Taschenuhr tippte. Es war das Zeichen gewesen, den Auftakt zum Tanzabend einzuleiten und dass die Musiker spielen sollen. So suchte Siri das Weite, als die Gruppe anfing und die Leute zu ihnen sahen. Gerade hatte sie die Mitte des Saals erreicht, da hing ihr eine Haarsträhne ins Gesicht – eine Klammer hatte sich gelöst und die Frisur, an denen die beiden Frauen der zwei Herren gearbeitet hatten, begann zu zerfallen. „Oh nein...“, fragend sah Siri umher und suchte ihre Bekanntschaften – sie eilte schließlich los und hielt sich mit einer Hand die Frisur nach oben. Nicht einmal fünf Schritte später musste sie sich durch die dichten Menschenmassen zwängen. Überall standen die Damen und Herren bei einander, plauderten, tranken ihren Sekt und lachten laut gemeinsam. In diesem Wirrwarr verlor Siri schließlich die Orientierung und drängte sich einfach, so gut es ging, so lange hindurch, bis sie an einer Stelle ankam, an dem sie ein wenig Platz hatte. Als ihr dabei eine Klammer herunter fiel, drehte sie sich hastig um rempelte einem großen vorbeigehenden Mann an die rechte Schulter. Einen vorbeigehenden Mann, mit unglaublich langen, schwarzen Haaren. Als ob diese zu seinem auffälligen Erscheinungsbild nicht schon genug beigetragen hätten, trug er im Gegensatz zu den meisten Männern keinen schwarzen Anzug, sondern einen weinroten Mantel mit gleichfarbigem Zylinder. Siri hatte ihn nur aus dem Augenwinkel gesehen – als sie ihre Klammer vom Boden aufhob und sich abermals umdrehte, war er verschwunden. Noch einen ganzen Moment lang stand sie da und starrte in die Menschenmenge. Ihr ging es nicht um sein merkwürdiges Aussehen; sie hatte das Gefühl, ihn zu kennen. Ob er jemand aus ihrer Vergangenheit war? „Fräulein Siri!“, ihre bekannten Männer standen, in Begleitung der Frauen, hinter ihr und nippten an den Sektgläsern. „Schön Euch zu sehen, habt Ihr euch schon mit jemanden angefreundet?“, der Mann mit Gehstock lächelte dabei. „Ja- äh, nein. Da war so ein ulkiger Mann, der-“, Siri sah die vier fraglich an, dann den Sekt. „...Seid ihr betrunken?“ „Um Himmelswillen, nein!“, zusätzlich zu dem Mann, lachten die Frauen. „Nein, ich sehe schon...“, so Siri, „Nur angeheitert.“ Für sie war es nicht mehr weiter verwunderlich, dass die Bewohner Ikanas einmal im Monat ihre Sorgen vergaßen. Da sah eine der Frauen auf ihre Frisur. „Oh Liebes, was hast du denn angestellt!?“, sie begann an Siris Haaren zu werken, „Lasst mich die Haare richten.“ „Danke...“, sie schaute währenddessen zu den Männern, „Ihr habt nicht zufällig einen sehr großen Mann gesehen? Er hatte schwarze Haare, die fast bis zum Hint- Gesäß reichten und einen weinroten Mantel!“ Die Männer drehten sich zueinander, ehe sie begannen zu prusten. „Lange Haare? Wie unangepasst für einen Herren auf einer Festveranstaltung! Wir versichern Ihnen, so jemanden hätten wir bemerkt, Fräulein Siri!“, sie lachten, „Ihr seid wirklich ein merkwürdiges Weib. Da stellt sich uns die Frage, wer von uns wohl angetrunken ist…?“ Auf die unhöfliche Aussage, verzog sich Siris Miene. „Wisst ihr was?“, sie unterbrach die Frau, die an ihren Haaren arbeitete, „Ich habe euch langsam wirklich satt – nicht einmal betrunken könnt ihr nett sein! Was ist bloß los mit euch? Mit diesem Dorf hier!? Ihr tut so vornehm und glücklich – in Wirklichkeit vertuscht ihr eure Probleme und versteckt euch hinter euren Masken! Wann habt ihr euch jemals als euch selbst ausgegeben!?“ Die Frau, die versuchte, Siris Frisur zu richten, machte ein paar Schritte zurück, zu ihren entsetzten Freunden. Kurz herrschte Stille, ehe alle vier anfingen zu lachen – laut zu lachen. Siri verkrampfte die Hände zu Fäusten; anstatt dass ihre Bekanntschaften sich verteidigten, lachten sie die junge Frau aus. Ihr wurde in diesem Moment klar, dass sie mit den Leuten in Ikana nie gleichgestellt war – und dies wohl auch nie sein wird. So drehte sie sich ruckartig um und lief los, quer durch die Menschenmassen. Überraschte maskierte Gesichter starrten sie dabei an, als auch ihre Frisur endgültig zusammenfiel. Schnell die zwei letzten Klammern aus den brünetten Haaren gezogen, lief sie weiter, einfach weiter. Dieser vornehme Maskenball wurde langsam zu einem Alptraum. Sie stand vor dem großen Tor nach draußen und rüttelte an den Griffen: es war abschlossen, da die Hauptveranstaltung bereits begonnen hatte und die ersten Gäste anfingen zu tanzen. Siri gab auf. Tief atmete sie aus, ehe sie vom Tor weg schlenderte und sich daneben an die Wand lehnte. Mehr außer abwarten, dass die Tanzveranstaltung zu Ende ging und sich die Tore wieder öffneten, konnte sie nicht tun. Wieder kam ihr Lyze in den Sinn – sie dachte sich, es sei von Anfang an eine blöde Idee gewesen, den Männern ins Dorf zu folgen. Siri hätte einfach am Strand bleiben sollen… so hätte sie wenigstens die Möglichkeit gehabt, nach dem Halbengel zu suchen. Doch was ist, wenn er wirklich nicht mehr am Leben war? In Siris Gesicht breitete sich eine unangenehme Erkenntnis aus: war sie denn jetzt für immer auf der Insel gefangen? Zusammen mit diesen Bewohnern!? Sie schlug ihre Hände vor das Gesicht. Im nächsten Moment ging sie abermals los; ein einsamer Ort wäre ihr nun am aller liebsten gewesen – sie schluchzte, ehe sie sich die Augen rieb und dabei einem Mann hineinlief. Dieser legte seine Hände auf ihre Arme. Überrascht von dieser unerwarteten Reaktion, sah die junge Frau den Oberkörper des Mannes, mit dem weinroten Mantel vor sich. Ihre Augen weiteten sich, als ihr Blick nach oben wanderte, in sein Gesicht. Eine schwarze Maske verdeckten die gelblichen Augen, während sich ein zartes Lächeln auf seinen violetten Lippen ausbreitete. Sofort machte Siri einen Satz zurück: „E-entschuldigung! Das war keine Absicht…“ „Man merkt sofort, dass du nicht von hier kommst.“, der Mann sprach mit ruhiger Stimme, „Geht es dir nicht gut? Du wirkst aufgebracht…“ „N-nein, e-es ist nur-“, sie schluckte, „Dieser Ort, Ikana, er- ich will Sie nicht beleidigen, aber-“ „Ich verstehe gut, was du meinst.“, er seufzte, sah kurz zur Menge, „Nun, die Tanzveranstaltung kannst du nicht verlassen. Jedenfalls nicht sofort; und es macht auch keinen höflichen Eindruck, neben dem Eingangstor zu stehen und darauf zu warten, dass dieses wieder geöffnet wird.“ „Ja…“, Siri fasste sich an den Nacken, „Ich weiß nicht, was ich tun soll, außer warten.“ Da streckte ihr der große Mann die Hand entgegen. „Nun, tanzen.“ „M-meinen Sie das ernst?“, sie sah ihn entsetzt an, „Aber ich kann nicht tanzen!“ „Wirklich nicht?“ „Okay, ich habe keine Ahnung-“ „Dann lass es uns herausfinden.“ Einen kurzen Moment sah Siri unsicher auf seine Hand, „Na schön.“, ehe sie diese griff. „Aber ich habe Sie gewarnt.“ Der geheimnisvolle Mann lächelte, zog Siri sanft mit sich und machte sich auf, weiter in die Mitte des Saales. Immer wieder sah die junge Frau dabei zu ihm hinauf; ihr fiel wieder ein, dass sie ihn doch von irgendwoher kannte. „Uhm…“, begann sie schließlich – doch eher Worte kamen, fingen die Musiker ein neues Lied an zu spielen und der Tanz begann. Die zwei bewegten sich mit der Musik, drehten sich um den Partner. „Na also.“, schmunzelte der Mann, „Du kannst tanzen.“ Auch wenn Siri anderer Meinung war – ihr Tanzpartner hatte viel mehr Erfahrung darin – tanzte sie weiter, während sie fragte: „Kann es eigentlich sein, dass wir uns kennen…?“ „Nein…“, er drehte sich, „Das halte ich für unmöglich.“ Siri blieb daraufhin stehen. „Wieso denn?“ „Weil…“, nun blieb auch er stehen und sah leicht zur Seite, „Weil ich Ikana seit 87 Jahren nicht verlassen habe.“ „Eh?“ Irgendwie konnte sie seinen merkwürdigen Worten nicht glauben. Er sah doch wie ein Mann mittleren Alters aus…? Aus heiterem Himmel bebte die Erde. Es fühlte sich an, als ob nicht weit entfernt etwas explodiert wäre – durch den Schock zogen alle im Saal die Köpfe ein, einige Damen schrieen. Bevor jemand wusste, was los war, hämmerte jemand an das Tor, ehe dieses aufgesperrt wurde und ein aufgebrachter Mann herein lief: „Dämonen! Sie verwüsten das Dorf!” „Was?!”, ungläubig sah Siri umher, „Das ist nicht möglich! Das- das kann nicht Ritter Tarrence sein...! Oder-?” „...Sie greifen aus der Luft an. Die Krieger warnten uns vor, dass auch Ikana nicht vor Azamuth sicher ist.”, dies hatte Siris Tanzpartner vollkommen ruhig gesagt, als ob das für ihn nichts Neues wäre. Ehe sie fragend zu dem Mann sehen konnte, war er verschwunden – in der Masse und gleichzeitig im Nichts. „Was – ja aber, wie…?“, sie suchte mit den Augen nach ihm, „Warten Sie-!” Da brach das Dach über dem Saal zusammen – riesige Steine, ein ganzer Hagel prasselte auf die Bewohner Ikanas hinab. Nun gerieten sie in absolute Panik, liefen zum Ausgang und trampelten sich dabei fast gegenseitig nieder. Siri war ebenfalls in der Menge. Allerdings nicht freiwillig – sie wurde mitgeschoben, mitten in den Steinhagel. Geschickt sprang sie den aufschlagenden Steinen aus dem Weg, rettete dabei sogar einer Frau das Leben. All ihre Geschicktheit half jedoch nichts gegen die erdrückende Menschenmasse – sie wurde unter großem Gedränge auf die Seite geschubst, ehe sie rückwärts von einem panischen Mann gegen eine Säule gestoßen wurde – mit dem Kopf voran. Schmerzend musste Siri feststellen, wie ihr die Kraft in den Armen und Beine verloren ging; im nächsten Moment sank sie auf ihre Knie hinab. Ihr Blick wurde unklarer; überall Sternchen, alles drehte sich. Gleich würde sie in Ohnmacht fallen… und dann? Die Menschenmenge löste sich dabei allmählich, als ihre Augen zufielen. Doch eines nahm Siri noch verschwommen wahr: er war wieder da. Der geheimnisvolle Mann, der sich nun vor ihr befand, sich runterbeugte und schaute, welche Verletzungen die junge Frau erlitten hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)