Lost Prince von Ireilas (Krieg auf Aira) ================================================================================ Kapitel 9: 4. Die Insel ----------------------- Im Schutz der Dunkelheit schlichen zwei umhüllte Gestalten aus dem Hinterausgang der Handelsstadt Comerence. Es dauerte nicht lange und die zwei Gesuchten konnten sich auf der freien Steppe Desterals wieder finden; die Nacht war seit einigen Stunden hereingebrochen, doch an eine Pause dachten sie nicht. Zumindest Lyze – er war sich sicher, dass die dämonischen Krieger schon bald das Haus von Tracys Geschwistern erreichen werden – und wenn es so weit war, würde Tarrence nicht zögern und den Beiden nachhetzen. Tatsächlich stand die schwere Holztüre des Hauses offen, dazwischen zwei große, muskulöse Gestalten – sie sahen wie dämonische Türsteher aus. Tarrence ging um die Feldbetten im Erdgeschoss umher und dachte sich, das etwas nicht stimmen konnte; die zwei Tiermenschen standen aufgestellt daneben und ließen den Ritter nicht aus den Augen. „Wofür sind die?”, mit ruhiger Stimme meinend, deutete er auf die drei Betten. „D-die sind für unsere Soldaten…” „Ja!”, Ricci trat vor, „Oto ist Arzt und hilft den Verwundeten, die ihr verstümmelt!” „Ricci…!”, Oto stieß ihm flüsternd gegen die Schulter. „Soldaten also…?”, er ging noch einmal durch die Runde, „Und wieso nur drei Betten?” „An manchen Tagen gibt es zum Glück weniger Verwundete. Drei stehen immer für Notfälle zur Verfügung!”, stolz auf seine Notlüge, stemmte Ricci die Hände in die Hüfte. Tarrence blieb vor den Brüdern stehen. „Ihr kommt doch aus Palooza… ist es friedlich dort?” Während Oto ein leises „Noch…” von sich gab, stampfte Ricci auf: „Ich wüsste nicht, was das euch angehen würde!” „Habt ihr Geschwister? Eine große Schwester vielleicht…?” Plötzlich stockend, trat der Fledermausjunge zurück, schüttelte den Kopf. Als ob Tarrence Gedanken lesen könnte, schmunzelte er finster und drehte sich zu zwei seiner Männer: „Durchsucht den Dachboden.” „Nein!”, piepste Oto auf und hielt sich anschließend, leicht rot, seinen Mund zu. „Wenn ihr nichts versteckt, habt ihr auch nichts zu befürchten.”, der Ritter trat vor den sowieso schon eingeschüchterten Oto und schaute ihn direkt in die Augen. „Wisst ihr was? Comerence ist eine wichtige Stadt. Wenn wir das gefunden haben, wonach wir suchen, lassen wir euch alle in Ruhe. Ist doch ein feiner Handel, meint ihr nicht…?” Währenddessen, knapp drei Stunden von Comerence entfernt, mühten sich die zwei Flüchtlinge durch einen seichten Sumpf. Immer wieder blieb Lyze stehen, da er auf Siri warten musste, der langsam die Puste ausging. Kurz achtete sie nicht auf den Weg – da stolperte sie über eine Wurzel, die im Wasser herausragte. Kurz bevor Siri in den nassen Dreck fallen konnte, fing sie der Halbengel auf. Als die junge Frau wieder auf ihren Beinen stand, räusperte sie sich schnell. „Da- danke…” Lyze nickte darauf, drehte sich nun eilig wieder um und wartete weiter durchs Wasser. „Lyze…”, Siri seufzte, „Bitte, lass uns eine Pause machen… ich kann wirklich nicht mehr.” „Das geht nicht… wenn wir jetzt stehen bleiben, holen uns die Dämonen ein.” „Meinst du wirklich, die sind so schnell? Ich meine, sie-“ „Ja, ich bin mir sicher.“ „Aber Lyze! Ich- aber-“, sie schwang die Arme in die Luft, „Bei Desteral, kannst du stur sein!“ „Ich bin stur, wenn ich es sein muss. Nun quengle nicht rum – achte lieber darauf, wo du hin steigst.“ „Ich quengle aber ni-!” – Lyze überhörend, stolperte das Mädchen abermals vorwärts und flog dieses Mal in den Dreck; sie fing ihren Sturz zum Glück gerade noch mit den Händen ab. „Ah, verflucht…!“ „Was ist?”, nun blieb Lyze stehen und sah zu ihr zurück. „M-mein Kleid ist wieder schmutzig…” Tief seufzend griff sich der Halbengel auf den Kopf, bevor er sie auf die Beine zurückdrängte. „Dann fall nicht so oft auf die Nase.” Wieder Siri ignorierend, ging er weiter – gleich war das Ende des Sumpfes erreicht. „Als ob ich etwas dafür könnte! Lyze!“, sie blieb einen Moment stehen, ehe sie ihm wieder nachlief: „Hey, hörst du mir überhaupt zu!? Ah, ich dreh noch durch!“ Endlich konnte Lyze einen kleinen Hügel hinauf steigen, ehe er hinab sah, auf die andere Seite. Dann drehte er sich leicht um, winkte Siri zu sich. „Schau doch.” Flüche vor sich her murmelnd, stampfte die junge Frau zu ihm und schaute auf das Tal hinab: Wasser. So viel, dass es über den Horizont hinausragte. Davor war ein kleiner Hafen zu sehen; er hatte eine kleine Hütte und ein paar Ankerplätze, an denen so einiges an Schiffe standen: große, prächtige Fähren, stattliche Holzschiffe, kleine Handels- und Segelboote. „Wir haben es geschafft.”, gab Lyze erschöpft, aber erleichtert von sich. Inzwischen, in der Handelsstadt Comerence, saß Ritter Tarrence in der Küche der zwei Tiermenschen und nippte gemütlich an seinem Tee. Ihm gegenüber saßen Ricci und Oto, die von seinem Handeln nicht sehr begeistert waren. Der Fledermausjunge gab sogar ein trockenes „Den bezahlen Sie auch, oder?” von sich. Kaum hatte Tarrence einen bösen Blick zu ihm geworfen, hörte man plötzlich Geräusche auf den Stufen. Einer der großen Dämonen hatte Tracy am Arm gepackt und schliff sie die Treppe hinunter. „Lass mich los!”, sie wehrte sich heftig und biss dem muskulösen Kerl in den Arm. Dies kaum spürend, schliff er sie weiter, bis in die Küche. „Tracy!”, ihre Brüder sprangen gleichzeitig auf, als sie sahen, dass sie gefunden wurde. „Dieses Katzenmädchen versteckte sich oben in einer kleinen Truhe.”, gab der Dämon von sich, „He Meister… die hat mich ja gebissen!” Den letzten verblödeten Satz hatte Tarrence ignoriert. Er stellte sanft seinen Tee ab, stand langsam auf und ging zu Tracy rüber – er war ganze zwei Köpfe größer als sie – und musterte sie kurz von allen Seiten. Als er dann wieder vor ihr stand, holte er plötzlich mit der flachen Hand aus und schlug ihr ins Gesicht. „Ah-!”, Tracy drehte den Kopf zur Seite – es sträubte sich das Fell auf ihrem Katzenschwanz, während Ricci schreiend herbeigelaufen kam: „Aufhören!!” Da kam der zweite Dämon herbei, stellte sich zwischen den Jungen und dessen Schwester. „Also…”, Tarrence beugte sich herab und sah der Katzenfrau in die ängstlichen Augen. „Wo befinden sich deine zwei Freunde?” „Oh, bin ich müde…“, Siri gähnte herzhaft. Die zwei Flüchtlinge saßen in einem kleinen Ruderboot – während die junge Frau sich über ihre Müdigkeit Gedanken machte, saß Lyze ihr gegenüber und übernahm das Rudern. Beiden wäre ein ordentliches Schiff zur Überquerung der kurzen Strecke des Meeres lieber gewesen; doch dadurch, dass Lyze nur mehr drei Nima besaß, hatten sie Glück gehabt, überhaupt ein Boot mieten zu können. „Wie weit ist es denn noch?“ „Wenn man Riccis Worten Glauben schenkt… nicht mehr weit. Bleib auf jeden Fall wach, Siri.“ „Denkst du denn, ich kann so dicht am Salzwasser schlafen…?“, sie sah ins pechschwarze Meer, auf dem sich Nebelfelder drehten. „Irgendwie ist das unheimlich.“ Lyze musste schmunzeln. „Die Sonne ist auch noch nicht aufgegangen. Wir waren ziemlich schnell unterwegs; jetzt müssen wir uns nicht mehr beeilen.“ Bei seinen Worten musste die junge Frau seufzen. Sie legte ihren Kopf in den rechten Arm, ehe sie wieder ins Meer starrte. „Ich verstehe sowieso nicht, wieso du nicht einfach deine Flügel ausbreitest und drüber fliegst.“ „Überlege doch, Siri. Zum einen verspüre ich immer noch Schmerzen, zum anderen könnte ich dich nicht mitnehmen. Und dich alleine über das Meer rudern lassen? Nein, das ist sicher keine gute Idee…“ „Heißt das, du tust das wegen mir?“, sie sah zu Lyze auf, „Das ist aber nett… ich würde mich fürchten, alleine zu rudern… gut, das tue ich sogar jetzt, ich meine-“, kurz blinzelte sie abermals ins Wasser, „Da unten ist sicher irgendetwas Unheimliches…“ Ihre Aussage brachte den Halbengel zum Lächeln. Egal ob es nun mit Siris Meinung übereinstimmte oder nicht, es lag etwas Faules in der Luft. Wolken zogen sich zu einem Sturm zusammen, doch dies beunruhigte den Halbengel zu diesem Zeitpunkt nicht im Geringsten. Im Haus der zwei Tiermenschbrüder war Tracy auf einem Küchenstuhl angebunden. Ihre Backe war vom vorherigen Schlag noch ganz rot; und ihre Beine zitterten leicht vor Angst. Die zwei Brüder wurden in einem der obigen Zimmer gesperrt und von einem der Krieger bewacht, damit sie das Verhör nicht störten. Tarrence kam endlich herbei, er hatte seine Teetasse säuberlich in die Abwasch gestellt. Jetzt ging er, wie bei jedem Verhör, einmal um den Stuhl herum, bis er wieder vor ihm stand. „Nun, Mädchen…”, er beugte sich herab, „Tracy war dein Name? Du musst nicht antworten, aber nicke, wenn dein Name stimmt.” Wütend, mit leichten Tränen in den Augen, drehte sie sich von seinem Gesicht weg. „Hör mal…”, er sprach ganz ruhig, „Du musst nicht wieder ins Gefängnis… wenn du mir dafür verratest, wo sich Siri und der Engel aufhalten.” „Halb.”, reagierte Tracy, leise. „Wie bitte?” „Halbengel. Du Idiot. Und ich werde meine Freunde niemals verraten.”, sie sah ihm hasserfüllt ins Gesicht, „Niemals, hörst du?!” „Das ist aber schade.”, der Ritter schmunzelte, „Dann müssen wir dich wohl oder übel mitnehmen; deine Geschwister leider auch – ich bezweifle aber, dass sie im selben Gefängnis landen und- oh! Richtig, unsere andere Festung liegt ja mitten in Azamuth… wie dumm.” „Nein! Das würdest du nicht tun!” „Ach wirklich?”, er stand auf, „Welchen Grund hätte ich, euch Tiermenschenpack nicht voneinander zu trennen. Keinen?” Da stampfte Tracy mit den Füßen, wenn sie nicht angebunden wäre, wäre die dem Ritter ins Gesicht gesprungen. „Du Monster!!” „Das sagen sie irgendwie alle…”, einen kurzen Moment wurde Tarrence nachdenklich, bevor er sich wieder der Katzenfrau zuwandte: „Verrate mir nur, in welche Richtung die Zwei geflohen sind. Dann lasse ich euch frei – und der Schlag von vorhin bleibt der Einzige. Was sagst du?” Tief stöhnend ließ Tracy den Kopf hängen, es schien so, als würden sie ihre Kräfte verlassen. Sie dachte nach. Entweder sie verriet ihre Freunde – und sie hatte sich geschworen, niemals einem Freund so etwas anzutun – oder sie beschützte ihre Familie. Wenn Tarrence wusste, in welche Richtung Lyze und Siri geflohen waren, würde es sicher ein paar Tage dauern, bis er sie gefunden hätte; und bis dahin würden die zwei schon längst wieder weg sein. „Überlege gut.”, noch einmal umkreiste Tarrence den Stuhl, mit völliger Gelassenheit. „Ach, und noch etwas: Versuche nicht mich anzulügen. In binnen von einem Tag wären wir wieder hier; und du und deine Geschwister Geschichte.” „Also gut…”, sie schluchzte leise, „Sie sind zur nördlichen Grenze Desterals aufgebrochen…” „Was denn… zum nördlichen Meer?”, plötzlich schien Tarrence entsetzt, „Wollen sie es auch überqueren?” „Teilweise… wieso-”, das Mädchen sah auf, „Wieso ist das wichtig?” „Das Wasser dort ist verflucht. Schon seit einigen Monaten.”, nachdem sich der Ritter einen Stuhl genommen hatte, setzte er sich nachdenklich neben die junge Frau, die nun wirklich verwirrt schaute. „Wenn die Wellen sie nicht umbringen, dann der Wassergott in diesem Gebiet…” „Lyze! Lyze, was hat das zu bedeuten!?“, Siri, die immer wieder zum tobenden Unwetter der dunklen Wolken aufsah, geriet langsam in Panik. Auch dem Halbengel wurde nun klar, das etwas nicht stimmen konnte. Die Windböen peitschten um das Boot her, während die wilden, schwarzen Wellen aussahen, als würden sie versuchen, nach den beiden zu greifen. Kurz passte Lyze nicht auf, da entriss ihm eine Welle das linke Paddel. „Verdammt-“, er versuchte es noch zu greifen, da verschwand es in den Tiefen des dunklen Wassers. „Was machen wir denn jetzt?! Wir werden ke- ah!“, schnell kugelte Siri sich zusammen, als eine hohe Welle das Boot erfasste und fast umdrehte. „Was ist hier überhaupt los!?“ „Ich weiß es nicht…“, Lyze hielt sich an den Rändern fest, nachdem das zweite Paddel im Meer verschwand. „Aber wenn wir nichts unternehmen, gehen wir unter-“ „Ah, was du nicht sagst! Und was bitteschön sollen wir tun?!“ „Ich habe eine Idee, bin mir aber nicht sicher, ob es-“, wieder überschwemmte eine Welle das Boot. „Tu es, Lyze! Egal was es ist, tu irgendetwas!“ „Na schön…“, entschlossen von seinem Versuch, das Boot zu retten, stand der Halbengel im stark schaukelndem Boot auf. „Ich werde mit Magie eine Schutzhülle um das Boot formen; das ist mein erster Versuch darin. Siri, halte dich lieber irgendwo fest!“ „Okay!“, Siri klammerte sich an den Bootsrand, „Viel Glück!“ Nun lag alles an Lyze. Wenn er es nicht schaffen würde, die Wellen vom Boot fern zu halten, würde es samt den beiden Flüchtlingen in den tiefen des schwarzen Meeres verschwinden. Trotz des starken Geschaukels hob er beide Arme und schloss die Augen. Im nächsten Moment erschienen seine Flügel, ehe ein mystischer Wind um ihn herum wehte. Er konzentrierte sich weiter, versuchte sich bildhaft diese Schutzhülle vorzustellen. Gerade, als sich diese Hülle ausbreitete und Siri ein wenig Hoffnung gab, geriet das Vorhaben außer Kontrolle. Lyze verlor die Konzentration, als die ausbreitende Schutzhülle unerwartet zurückschlug und wie ein Blitz in seinen Körper fuhr. Man hörte ihn leicht aufschreien, als er sich, von hellem Licht umschlungen, krümmte und zusammenbrach. „Lyze-!“, schnell ließ Siri vom Rand ab und machte einen Schritt zu ihm – kurz bevor sie den Halbengel erreichte, überschwemmten zwei riesige Wellen das zerbrechliche Holzboot und zerdrückten es unter ihrer Masse. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)