Lost Prince von Ireilas (Krieg auf Aira) ================================================================================ Kapitel 8: Eine ruhige Minute ----------------------------- „Ricci, Oto, ihr seid es!“, Tracy drückte die beiden Jungs fest an sich, „Ihr seid es, ihr seid wirklich hier! Ich habe euch gefunden!“ „Nein Tracy-“, die zwei umarmten zurück, was ein ziemlich witziges Bild ergab. „Wir haben dich gefunden!“ Ihre Kameraden standen neben ihnen und beobachteten das Spektakel. Während Siris Augen sich leicht mit Tränen füllten, hatte Lyze die Arme verschränkt und schüttelte lächelnd den Kopf: er hätte nicht gedacht, bereits so kurz nach dem Ausbruch der Festung auf Geschwister aus Tracys Familie zu stoßen – und Tiermenschen waren in Desteral wirklich nicht häufig anzutreffen. „Lyze, Siri!“, Tracy wischte sich eine Freudenträne weg und trat zu ihren Mitreisenden, dabei hatte sie einen Arm auf den Rücken des kleineren Jungen gelegt. „Darf ich euch zwei meiner Brüder vorstellen? Das hier ist Ricci.“, dabei trat der Kleinere vor. „Er ist ein Fledermaus-Animo und Bastler; er geht momentan in eine Lehre. Und das hier ist Oto, er ist ein Panda-Animo!“, bei der Ansage seiner Schwester verbeugte er sich, „Er will einmal ein guter Arzt werden und ist gerade in Ausbildung.“ Da trat Siri vor und schüttelte ihnen die Hand. „Freut mich, euch kennen zu lernen! Ich bin Siri und das hier ist Lyze. Nett habt ihr es hier; etwas lebhaft, aber ganz gemütlich.“ „Oh, wir wohnen nicht hier.“, so Ricci, „Ich bin mit meinem Meister in Comerence, um ein paar Teile einzukaufen; für normal bin ich in Destercity zu finden. Oto ist auch eher auf freiwilliger Basis hier. Er versorgt die verwundeten und tapferen Männer, die vom Krieg aus hierher finden.“, da legte der Fledermausjunge eine Hand auf Tracys Schulter. „Es ist so schön dich wieder zu sehen! Wollt ihr nicht ein wenig bei uns bleiben? Ihr habt sicher einiges zu erzählen!“ Während Lyze eher skeptisch schaute – er hatte Angst, zu lange an einem Ort zu verweilen – nickte Siri darauf heftig: „Ja ja ja! Wir bleiben gerne über Nacht!“ Die junge Frau dachte dabei daran, dass Lyze sein letztes Geld für die Kleidung ausgegeben hatte; so hatten sie nun wenigstens eine Unterkunft. Auch den Nachmittag verbrachte die Gruppe gemeinsam mit Tracys Geschwistern. Sie redeten von alten Zeiten, damals, als die Katzenfrau mit ihrer Familie auf der Heimatinsel Palooza lebte. Es war ein altmodischer Ort, mit nur wenig Technik, aber durch die vielen Herrscher und Traditionen wundervoll. Seit dem Krieg waren Paloozas Reiche ein wenig im Streit. Während die einen meinten, sie müssten zum stärkeren Land halten – in diesem Fall Azamuth – meinten die anderen, Desteral helfen zu müssen. Da Desteral unmittelbar ihr Nachbar war und doch einige Beziehungen zwischen ihnen liefen, war es für diese Herrscher klar, wem sie helfen müssten. Wieder andere Reiche behaupteten, es sei das Beste, sich aus der Sache gänzlich herauszuhalten; wie nun die Zukunft aussehen wird, war den Geschwistern unklar. Tracy konnte durch ihre zwei Brüder in Erfahrung bringen, dass sich fast ihre ganze Familie in Desteral verstreut hatte. Auch wenn es naiv war, glaubte Ricci fest daran, dass, wenn der Krieg vorbei geht, sich die Familie auf Palooza wieder vereint. Tracy konnte ihm nicht ganz Recht geben – doch war der Gedanke daran schön. Als die Sonne langsam hinter der Mauer Comerences verschwand, gingen die Drei zu Tracys Brüdern; sie hatten für die paar Tage ein eigenes Haus gemietet und genug Feldbetten für verwundete Soldaten bei sich. Zwar mussten alle in einem Raum schlafen – Ricci und Oto hatten einen eigenen im 2. Stock – doch wenigstens gab es heute Abend keine Verletzten, zwischen denen sie schlafen mussten. Lyze saß auf seinem Feldbett und beobachtete Siri und Tracy, wie sie „typisch weiblich“ über alles Mögliche quatschen. Nach ein paar Minuten kam Ricci hinzu, setzte sich neben ihm aufs Bett. „Na, Flattermann?“, schmunzelte er. „Flattermann..?“ „Ja!“, er lachte, „Siri hat mir erzählt, dass du Flügel hast –“, da flappte Ricci mit seinen Fledermausflügeln am Rücken, „Wir sind Kumpel, wenn’s darum geht. Aber im Gegensatz zu mir kannst du sicher fliegen, was?“ „Du nicht..?“ „Neiiin… aber ich versuche etwas zu erfinden, dass mir beim Fliegen hilft. Darum bin ich bei meinen Meister auch in die Lehre gegangen.“ „Ach so.“, Lyze klopfte ihm auf die Schulter, „Dann viel Erfolg!“ „Danke!“ Währenddessen wechselten die zwei Mädels ihr Gespräch: „Deine Brüder sind unglaublich nett.“, so Siri. Die Katzenfrau kicherte darauf leicht verlegen, „Danke! Na ja, Oto ist sehr schüchtern, wie du vielleicht schon gemerkt hast; er meidet euch zwar nicht, redet aber auch nicht viel… hm, ich frage mich, wo er sich gerade herum treibt.“ „Ach, das macht doch nichts! Ich bin schon für die Unterkunft dankbar.“ „Nun ja, wer weiß.“, Tracy stupste sie, „Vielleicht hast du auch wunderbare Geschwister, weißt es aber nur nicht!“ „Ja, kann sein.“, durch den Satz wurde Siri nachdenklich; sie schaute auf den Boden und spielte mit ihren Fingern. „Ich wüsste zu gern, ob da draußen jemand auf mich wartet… ob ich Geschwister habe, Freunde, Familie, tatsächlich einen festen Freund… und ob es ihnen gut geht.“ Die Katzenfrau hörte ihr aufmerksam zu und hatte die Ohren traurig angelegt, als Siri seufzte. „Weißt du, Tracy… wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, mich schneller erinnern zu können. Hinweise würden mir schon reichen – einfach irgendetwas! Hm, da fällt mir ein… eine Landkarte mit eingezeichneten Dörfern habt ihr nicht zufällig bei euch, oder?“ „Nein, leider nicht…“, Tracy fing an zu überlegen. Nicht nur Lyze hatte ein Ziel vor Augen, sondern ja auch Siri – und Hinweise… tatsächlich verstummte Tracy mit einem Mal völlig und sah über ihren eigenen Einfall überrascht auf. „Siri, das ist es!“, nun mit festem Glauben aufgesprungen, rüttelte sie an ihr. „Was? Was ist was??“ Auch Ricci und Lyze schauten, in ihrem Gespräch unterbrochen, zu der aufgesprungenen Katzenfrau. „Ricci!“, meinte sie schnell, „Hast du ein Buch unserer Märchengeschichten da?“ „Wa- was?“, blinzelnd wurde sie von ihm angeschaut, dann stand er auf und durchwühlte seinen Reisekoffer. „Ja, klar habe ich es da… aber was hat das mit Siri zu tun?“ „Das würde ich auch gerne wissen…“, Lyze kam zum Feldbett der Mädchen rüber, als Ricci das Märchenbuch abstaubte und herbei brachte. Tracy nahm es ihm aus der Hand und durchblätterte Seite für Seite. Neugierig rutschen und schoben sich die Drei näher an sie heran und warteten auf eine Antwort. Nach einem „Verflixt, wo ist es denn?!“ fand Tracy schließlich die gesuchte Seite und zeigte sie stolz den Freunden und ihrem Bruder. „Der Drache der Güte...?“, Ricci zog eine Augenbraue hoch, als er das vergilbte Bild des silbernen Drachen sah. Durch die Runde wandernd, wurde das Buch von allen begutachtet, während Tracy sprach: „Ganz genau. Der Drache der Güte. Er kann dir bei der Suche nach deinen Erinnerungen helfen, Siri! Und Ricci – du weißt, dass viele Märchen aus Palooza nicht einfach an den Haaren herbeigezogen sind – vieles ist tatsächlich passiert!“ „Ja, aber…“, Ricci versuchte die Situation zu erklären, „Selbst wenn es diesen Drachen gäbe, wäre er an die 500 Jahre alt. Das ist unrealistisch, so alt wird nicht einmal ein Drache!“ „…Vielleicht doch…“ Lyze schaute auf, zu Ricci, „Wo lebt angeblich dieser Drache?“ „Hm? Warum willst du das wissen?“ „Kann er uns dabei helfen, Siris Erinnerungen zurück zu bringen?“ „Vielleicht.“ „Dann tun wir es.“ Wirklich überrascht wendete Siri ihre Augen vom Buch ab und schaute auf, zu Lyze. „Wow, was ist denn mit dir los?“ „Na ja…“, ein wenig beschämt kratzte er sich am Kopf, „Um ehrlich zu sein, uns fehlt ein Ziel – und das wäre doch eines, oder?“ Trocken schaute Siri zurück: „Hm. Nach deiner Schwester Aira suchen, wäre auch keine schlechte Idee, finde ich.“ „Natürlich – aber in ihrem Fall haben wir keinen Anhaltspunkt, verstehst du? Auf der Reise zum Drachen und zurück finden wir vielleicht eine Spur, doch bis dahin sollten wir uns auf deine Erinnerungen konzentrieren.“ „Ok Leute, ich habs.“, meinte Ricci, „Der Drache der Güte lebt, laut dem Buch, an der nördlichen Grenze Desterals; da, wo das Meer anfängt, gibt es eine Klippeninsel, die aus einer riesigen Höhle besteht – da drin lebt er… angeblich.“ „Na wunderbar, das ist doch was!“, das erste Mal seit einem Tag schien Lyze wieder neuen Mut gefasst zu haben, „So weit ist das nicht. Einen halben Tag Fußmarsch und dann eine kleine Seefahrt.” „Cool, gute Berechnung.“, stellte Ricci fest, „Woher weißt du das?“ „Ich war lange in Desteral unterwegs, wie ich bereits den Mädchen erklärte.“ Plötzlich stieß jemand die Holztür auf, unterbrach somit das Gespräch. Oto trat ein, ganz aufgeregt und außer Atem. „Schnell! Ihr müsst gehen!“, er zog an Siris Arm, „Ihr habt keine Zeit, beeilt euch!“ „Was ist denn los, Oto? Was hast du?“, Tracy kam zu ihm und versuchte ihn zu beruhigen. Ihm entfleuchten schnell die Worte „Soldaten aus Azamuth!“, schon sprangen alle wie von Insekten gebissen auf. „Bist du dir sicher?“, so Ricci, „Mach unseren Gästen keine Angst, vielleicht sind die Krieger nur auf der Suche nach einer Bleibe?“ „Nein, Ricci! Ich bin mir seeeehr sicher – es sei denn, dieser Ritter Tarrence, von dem ihr erzählt habt, hat einen Zwilling!“ Stöhnend ließ sich Siri daraufhin auf ihr Feldbett zurückfallen. „Ach na toll...“ Ihnen war klar, dass sie nicht einfach bleiben konnten. Tarrence wird jedes Haus durchsuchen lassen, bis sie etwas gefunden haben. So erhob sich Lyze, trat zur Tür und meinte: „Kommt. Tracy, Siri; wir können nicht bis morgen warten.“ Siri nickte schließlich und kam zur Tür. Doch Tracy brachte ihnen zwei dunkelbraune Mäntel, mit Kapuzen. „...Die werdet ihr brauchen...“, sagte sie dabei leise. „Ja- aber... kommst du nicht mit?“ sowohl Lyze, als auch Siri waren überrascht. Sie schüttelte traurig lächelnd den Kopf, ehe sie ihren Arm um Riccis Schultern legte. „Nein… ich weiß, ich habe versprochen, euch bei der Suche zu helfen… aber ich bin da, wo ich hin gehöre. Oto und ich werden Ricci nach Destercity begleiten.“, sie schmunzelte, „Keine bange wegen den Soldaten, mir passiert nichts. Ich verstecke mich oben am Dachboden, außerdem suchen sie nicht direkt nach mir... bitte seid nicht böse...“ „Ist schon ok-“, Siri zog sich den Mantel über und setzte sich die Kapuze auf, genau wie Lyze. „Pass aber auf dich auf, versprochen?“ „Versprochen!“, nickte die Katzenfrau, bevor Ricci weiter sprach: „Im Schutz der Dunkelheit kommt ihr leichter aus Comerence. Zwar haben Dämonen gute Nachtaugen, doch Unbewegtes nehmen die im Finstern genauso schlecht wahr, wie wir. Schleicht um unser Haus herum; hinten gibt es eine dunkle Gasse, ohne Lichter. Wenn ihr die durchquert, müsst ihr nur noch durch den versteckten Hinterausgang und ihr seid draußen!“ „Ist gut... vielen Dank!“, gab Siri, die neuen Mut gefasst hatte, von sich. Dann drehten die Zwei um, bereit zum Flüchten. „Lyze?“, hörte er leise, und so schaute er noch einmal zurück – da fiel ihm Tracy in die Arme, drückte ihn fest. „Passt auf euch auf, ja? Und kommt uns mal besuchen!“ Lyze lächelte schließlich, bevor er seine Hand auf ihren Kopf legte. „Das werden wir. Ich verspreche es dir.“ Nun musste Tracy loslassen. Noch einmal winkend verließen die Zwei das Haus und verschwanden um die Ecke, in der sicheren Dunkelheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)