Lost Prince von Ireilas (Krieg auf Aira) ================================================================================ Kapitel 7: Ankunft ------------------ Unruhig drehte sich Siri im Schlaf umher. Es regnete und donnerte draußen, außerdem trug der Höhlenboden nicht gerade zum Komfort bei. Lyze und Tracy konnten fast nicht schlafen. Ihnen ging der heutige Tag viel zu sehr durch den Kopf; umso erstaunlicher war es, dass Siri einen lebhaften Traum hatte. Es war die erste Nacht gewesen, seitdem das Mädchen ihre Erinnerungen verloren hatte und endlich schlafen konnte. Vielleicht erschien ihr genau aus diesem Grund diese seltsame Umgebung vor den Augen... Sie drehte sich um, da anfangs nichts zu erkennen war. Der Boden war weich und fühlte sich an wie Gras; Siri wusste das, da sie keine Schuhe trug. Sie schloss die Augen und atmete tief ein. Wenn sie sich konzentrierte, hörte sie leisen Vogelgesang und das sanfte Plätschern eines Brunnens. Gleich darauf öffnete sie ihre Augen wieder und sah in der verschwommenen Umgebung umher. Es war tatsächlich ein Steinbrunnen zu sehen, in der Mitte eines Gartens. Ihre Sicht reichte nicht besonders weit, so orientierte sie sich am Brunnen, auf den sie nun zuging. Als Siri blinzelte, bemerkte sie, dass jemand neben ihm stand. Wieder ging die junge Frau näher heran, konnte aber im Gegensatz zum Brunnen die Person nicht erkennen; stattdessen sah sie einen schwarzen Umriss. Allein ihr Gefühl sagte ihr, dass die Gestalt vor ihr männlich war. „Es ist schön, dich endlich zu sehen...“, tatsächlich sprach eine sanfte Männerstimme zu ihr. Siri schluckte, ehe sie begann zu fragen: „Kann es sein... dass wir uns kennen?“ „Selbstverständlich...“ „Und wer bist du?“ „Du weißt, wer ich bin.“ „Nein... nein, ich kann mich nicht erinnern!“ „Ganz ruhig... du kannst, wenn du es nur willst.“ „Aber ich will doch! Ich will mich erinnern können! Es geht aber nicht…!“ „Siri-“, die Gestalt streckte die Hand nach ihr aus, ehe sie die junge Frau an der Wange berührte. „Hab keine Angst. Eines Tages wirst du es können, ich verspreche es dir.“ „Ich habe keine Angst.“, bei seiner Berührung fühlte sich Siri sogar wohl, „Aber ich will mich erinnern können. An alles.“ „Nun, dann werde ich dir helfen, wo ich nur kann.“, nun streckte er sich, ehe Siri einen sanften Kuss verspürte. In dem Moment sah sie eine Illusion vor sich: da war ein Dorf, nahe eines Strandes. Ein langer Weg führte einen Berg hinauf, bis an ein großes, verfallenes Schloss. Unter den Toren stand ein großer Mann, mit weinrotem Zylinder. Siri sah ganz genau, dass er in seiner Hand eine Kette, mit einem türkis leuchtenden Stein hielt. Gerade drehte sich dieser zu ihr um, da verschwand die Illusion und die verschwommene Person vor ihr löste sich von den Lippen. „Suche den Ort auf, Siri... dort wirst du die Hilfe finden, die du brauchst. Der türkise Stein wird dich auf deiner Suche beschützen...“, langsam nahm er die Hand von ihrer Wange. Siri spürte in dem Moment, dass die Person hoffnungsvoll lächelte. „Viel Glück...“ „Siri-“, leise flüsternd rüttelte Tracy an ihr, ehe Lyze hinzukam. „Siri, wach auf, wir müssen weiter.“ Endlich öffnete sie murmelnd die Augen, als sie ihre Freunde erblickte und sich das Gesicht rieb. „Deinen Schlaf möchte ich haben.“, seufzte Lyze, „Komm, wir müssen weiter. Die Dämonen sind zwei Mal an unserem Versteck vorbei geritten...“ „Wie lange habe ich denn geschlafen...?“ Da nahm Tracy sie an den Händen und zog sie hoch. „Das waren in etwa vier Stunden.“ „Ich hatte einen total komischen Traum... da war ein Garten und eine Person, die ich einfach nicht erkennen konnte.“ „Das kommt bestimmt, weil du dich nicht erinnern kannst.“, Lyze saß in der Hocke, nahe dem Höhleneingang und suchte die Dämonen, „Das geht dir wahrscheinlich durch den Kopf...“ „Nein- nein, da ist noch mehr!“, sie ging mit Tracy zu ihm rüber, „Die Gestalt gab mir eine Vision! Ich sah ein altes Schloss und eine Kette mit einem türkisen Stein!“ „Wirklich...?“ „Ja! Der Stein soll mich beschützen, meint er.“ „Das klingt toll; wäre durchaus nützlich.“ „Und ich glaube, der Kerl ist mein fester Freund!“ Nun sahen beide überrascht zu ihr. Siri klang verrückt – so verrückt, dass der Traum schon wieder glaubhaft wirkte. „Wie seltsam...“, Lyze sah noch einmal nach draußen, „Lass uns später genauer darüber reden – wenn wir nicht bald verschwinden, haben wir keinen Grund mehr, uns darüber Gedanken zu machen.“ „Ist gut.“ „Tracy... kannst du etwas hören?“ „Nein, die Luft ist rein – beeilen wir uns!“, sogleich schlichen die drei im Gänsemarsch nach draußen. Die Sonne war gerade dabei, aufzugehen und warf den Flüchtlingen einen langen Schatten. Siri folgte Lyze, während Tracy ihre Hand hielt. Sie schlichen die Felswand der Höhle entlang, bis sie eine geeignete Stelle zum Klettern fanden. Gerade stiegen sie hinauf, da rutschte Tracy durch das nasse Gras aus – Siri hielt ihre Hand fest, wodurch sie nicht hinab fiel, jedoch machte sie dabei ein leises Piepsgeräusch, ehe sie sich den Mund zuhielt. Dann wackelten ihre Katzenohren: „Lyze!“, rief sie im Flüsterton nach vorne, „Ich höre Pferdehufe – sie sind direkt dort oben und kommen auf uns zu!“ „An die Wand – schnell!“, auf Lyzes Befehl hin, pressten sich die jungen Frauen so eng es ging an die Felswand. Schon einen Moment später war das Pferdegetrampel lauter zu hören, ehe es verstummte. Die drei wussten genau, dass jemand oben stand und nach unten späte – wenn es nicht sogar Ritter Tarrence selbst war. Dadurch, dass die Flüchtlinge dicht an der Wand standen, blieben sie jedoch unentdeckt. Sie hörten noch ein „Hüja!“, ehe das Pferdegetrampel wieder verschwand. „Das war knapp...“, Siri fiel vor Erleichterung regelrecht in sich zusammen. „Ich kenne eine Abkürzung nach Comerence.“, Lyze klettere weiter, „Kommt schon – und versucht, keine Geräusche zu machen...“ Oben angekommen, waren sie nur mehr kurz der Gefahr ausgesetzt, leicht entdeckt zu werden. Lyze schien diesen Wald schon einmal besucht zu haben – er schob zwischen zwei alten Bäumen das Gestrüpp zur Seite, ehe eine weitere Höhle zum Vorschein kam. Siri wollte schon fragen, inwiefern eine Höhle denn eine Abkürzung sei, da drängte Tracy sie nach vorne: mehrere Pferdehufe waren zu hören. Erst drinnen verstanden die jungen Frauen, was Lyze meinte. Im Gegensatz zum engen Versteck von vorhin war diese Höhle tief, sehr tief. In ihr lief seitlich ein unterirdischer Fluss entlang, dem die drei folgen konnten – bis sie nach einer Weile des Gehens das Ende erreichten. Siri war erstaunt, als sie die Oberfläche betrat, sich die grelle Sonne aus dem Gesicht hielt und über eine weite, vertrocknete Steppe blickte. „Es ist nicht mehr weit.“, der Halbengel deutete den steilen Berg hinter sich hinauf, „Der Wald liegt hinter uns und unsere Verfolger werden Stunden brauchen, um den Berg zu umgehen.“ „Toll Lyze! Wie hast du das nur herausgefunden?“, wollte Tracy wissen. Er musste sich räuspern, ehe er sprechen konnte. „Ich habe euch doch erzählt, dass ich jahrelang in Desteral unterwegs war… damit meine ich so gut wie überall, im Norden, Osten und Westen.“ „Oh… das hat etwas… Nützliches an sich.“, so Siri. „Allerdings, ja.“, Lyze ging vor und wank nach den beiden. „Los geht’s, kommt.“ Eine ganze Weile gingen die Flüchtlinge eine lange Landstraße entlang. Es gab weder Bäume, noch Schatten. Mit der Zeit spürten die drei ihren aufkommenden Durst, wobei Lyze wieder zur Beruhigung erwähnte, dass es bis Comerence nicht mehr weit sei. Zur Ablenkung sprach er Siri auf ihren merkwürdigen Traum von heute morgen an. Sie hatte selbst darüber nachgedacht und sich entschlossen, in der Stadt nach einer Karte zu suchen; eventuell ist darauf ein ähnliches Dorf, nahe eines Strandes verzeichnet – denn irgend eine Bedeutung musste die Version haben, da war sie sicher. Zu guter letzt wollte Tracy noch wissen, wieso denn ausgerechnet eine Handelstadt wie Comerence vor den Dämonen sicher sein sollte. Lyze erklärte ihr hierbei, dass die Stadt nahe zur Grenze von Azamuth lag und die bisher einzige war, die begonnen hatte, seltene Waren aus Desteral an das dämonische Nachbarland zu verkaufen. Dadurch lag es auf der Hand, dass sie diese Stadt als letzte terrorisieren würden. Kaum hatten die zwei ihr Gespräch zu Ende geführt, da deutete Siri begeistert gen Horizont: „Da ist es, schaut!“, tatsächlich waren die Mauern von Comerence zu sehen. Unter dem Bogen angekommen, durchschritten die Drei das große Tor; Siri ging mit hoch gerichtetem Kopf in die Stadt und konnte nur ein „Woow…“ von sich geben. Darauf hin schmunzelte Lyze, meinte: „Wenn dich Comerence schon beeindruckt, musst du erstmal Destercity, die Hauptstadt Desterals sehen.“ „Ja, die ist hochmodern!“, Tracy sah dabei hinter Lyze hervor. „Hochmodern?“, kurz blickte Siri umher, „Ihr meint mit richtiger Technologie und so? Warum gibt es die nicht auch hier zu sehen?“, sie deutete auf die altmodischen Pferdekarren, auf dessen Ladeflächen so einiges an Handelsmaterial gepackt war. Der Hauptlatz, auf dem sie jetzt standen, beinhaltete einen kleinen Springbrunnen in der Mitte, der Boden war gepflastert und die Häuser und dessen Fassaden wie in unserem 18. Jahrhundert. „Die gibt es…“, meinte Lyze, „Jedoch können sich kleinere Dörfer außerhalb Destercity solch eine gewaltige Technologie nicht leisten – noch nicht.“ Während sich Tracy von der Gruppe entfernte und begeistert zu einem Hutladen lief, kam Siri zum Halbengel rüber: „Solch eine gewaltige? Was haben die denn, was sooo viel kostet?“ „Etwas, das sich Energie nennt – Elektrizität, gewonnen aus einem ganz bestimmten Kristall. Dadurch gibt es so allerlei Dinge… gesehen habe ich bisher nur Straßenlaternen, die mit Elektrizität beleuchtet wurden… aber ich war damals auch nur kurz in Destercity, auf der Durchreise.“ „Ach so…“ „Hey Leute!“, Tracy deutete auf einen Stand, der Kleidung verkaufte, „Kommt mal her, hier gibt es für uns alle etwas!“ Über den Fund der Katzenfrau waren alle begeistert. Lyze war froh, endlich sein zerschlissenes Gewand loszuwerden; ebenso seine Gefährtinnen, die sich neue, kurze Kleider heraussuchten. Siri ihres war bläulich, mit weißen Streifen; Tracy hatte sich eines in olivgrün ausgesucht. Als Lyze dem Verkäufer sein neues, weißes Hemd hinlegte, sah Siri ihn mit einer trockenen Mimik an. „Das sieht ja genauso aus wie dein altes… man, bist du fad.“ „Darum geht es nicht.“, er gab dem Verkäufer ein paar Münzen, „Die sind gut, reißfest und leistbar.“, dann deutete der Halbengel auf die beiden Kleider, „Könnt ihr sie selbst bezahlen?“ „Nein…“, Tracy schüttelte den Kopf, „Mir wurde im Gefängnis alles weggenommen. Entschuldige, Lyze…“ „Äh-“, begann Siri, die nach ihren Nacken fasste, „Mir tut es auch Leid, aber ich weiß nicht einmal, mit was hier bezahlt wird.“ Ihre Mitreisenden sahen sie dabei an, als ob die junge Frau scherzen würde. „Nein- nein, ich meine es ernst! Wie heißt Desterals Währung!?“ „Ach, Siri…“, Lyze schüttelte den Kopf, bevor er anfing sie aufzuklären: „Das Geld in Desteral nennt man „Nima“. Das Hemd hier zum Beispiel kostet 4 Nima. Wenn du in einem recht guten Gasthof übernachtest, kostet das 10 Nima; und solltest du nach einer ordentlichen Waffe oder einem Musikinstrument suchen, kosten die meistens 60 Nima aufwärts. So – jetzt weißt du auch über den Wert bescheid.“ „Ah gut, danke…“, sie schaute zu ihrem Kleid, „…Ich kann es auch gerne zurückhängen; wenn dein Geld nicht reicht, versteht sich…“ „Nun gib es mir schon her.“, Lyze griff nach ihrem und nach Tracys Kleid, „Ein wenig Geld habe ich zum Glück noch aufgespart.“ Er drückte dem Verkäufer 15 Nima in die Hand und bekam drei zurück. „Hm, das ist nicht mehr viel.“ „Was? Hattest du nur 15 Nima bei dir?!“, so Siri, die ihm über die Schulter sah. „Ja. Die Armee des Lichts bezahlt eben nicht sehr gut. Bei den Engeln hat alles einen etwas anderen Wert…“ Da seufzte Tracy, ehe sie nach ihrem neuen Kleid griff. „Ich bin dir ja dankbar… aber jetzt haben wir nicht genug Geld für eine Bleibe. Das reicht mit Glück für eine Mahlzeit…“ „Ich weiß. Aber wir sind Flüchtlinge; mit so wenig Geld müssen wir im Moment leben.“ Gerade als die drei anfingen zu überlegen, schauten zwei Gestalten, die gerade am durchforsten des Nachbarstandes waren, zu den drei frisch in Comerence Eingetroffenen auf. Der Kleinere der beiden nahm seine Kapuze ab, ehe er mit offenem Mund in Richtung der Katzenfrau starrte. „…Tracy?“ Als sie ihren Namen hörte, drehten sich erst ihre Ohren, ehe sie durch die bekannte Stimme zu dem jungen Mann aufschaute. „Ricci…“, sie sah ungläubig auch den zweiten an, „Oto? Seid ihr es wirklich?!“ Als sie ihr Glück kaum fassen konnte, ging Tracy zuerst auf sie zu, ehe sie begann zu laufen. Lyze und Siri blickten erst in dem Moment hinüber, als sie ihren beiden verloren geglaubten Brüdern in die Arme fiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)