The Longest Journey - Beyond the Veil von abgemeldet (Das Ende einer langen Reise steht bevor) ================================================================================ 0. Fatalisima ------------- Disclaimer: ‚The Longest Journey’ und ‚Dreamfall’ sind Markennamen, und alles, was dahinter steht, gehört Ragnar Tørnquist, Didrik Tollefsen und den anderen Mitarbeitern von Funcom Interactive. Diese Geschichte ist nur mein eigenes Geflecht aus wilden Theorien und Interpretationen, die versuchen sollen, Licht in die dunklen Stellen von Dreamfall zu bringen, und eine Handlung zu gestalten, wie sie vielleicht möglich sein könnte als einer der vielen Fäden, die hinter dem Schleier zusammenlaufen. --- The Longest Journey --- Beyond the Veil nach einem Computerspiel von Ragnar Tornquist und Didrik Tollefsen Buch und Regie: Fermin_Tenava Leitende Rektorin: Dea ex Machina In den Hauptrollen: April Ryan Zoe Castillo Kian Alvane Krähe Das Dreamnet sowie weitere menschliche und unmenschliche Charaktere ~~~~~ { P r o l o g } ~~~~~ Aus den Schriften des Gleichgewichts: Dort, wo im Anfang und im Ende die Vereinigung liegt, wo zwei verschiedene Wirklichkeiten Seite an Seite bestehen und einander nur im Traum begegnen… dort liegen Licht und Schatten, Magie und Technik, Ordnung und Chaos, und warten darauf, die Zeiten wieder gemeinsam zu überdauern im ewigen Wechsel… in Wachsen und Vergehen, im Leben und im Tod. Das Eine, was alles andere zusammenführt - der Tod. --------------------------------------------------------------------------------- Irgendwo, in einer anderen Welt… Irgendwann, während der Ära des Dreizehnten Hüters des Gleichgewicht… Ein gigantischer Wald, hoch gewachsen und im silbrigen Licht stehend, von Schatten durchwoben, treibt über den Westlichen Ozean. Ohne festen Boden unter seinen Wurzeln schwebt er über den Wellen, wandert mit unbekanntem Ziel durch die Welt und ist doch stetiger Anlaufpunkt für jene Suchenden, denen es erlaubt ist, seinen derzeitigen Aufenthaltsort zu kennen. Doch das ist nur Wenigen vergönnt, denn das dunkle Volk herrscht über diesen Wald: eine Rasse von Geistern und Seefahrern, die augenscheinlich nur aus einem blauschwarzen Kapuzengewand bestehen. Ein Volk wie sie wird man in unserer Welt vergeblich suchen. Sie vertrauen kaum einem Sterblichen, und für gewöhnlich verweigern sie Fremden den Zugang zu ihrer Heimat, denn hier liegt das, was sie geschworen haben zu beschützen, jener Ort, der ihren einzigen Lebenssinn beherbergt: Die Große Bibliothek, ein Hort des Wissens, wie es ihn in Arcadia kein zweites Mal gibt. Für die meisten Menschen existiert sie nur als Gerücht, doch die Überlieferung kündet von Leuten, die dort gewesen sind, um hier Wellen für die Zukunft zu schlagen. Denn für das Dunkle Volk ist das Leben wie eines ihrer Schiffe – man fährt alleine über das weite Meer, durchkreuzt Nebel und Untiefen, die nie aufzuhören scheinen, und trifft nur selten auf festes Land, wo es sicheren Grund zu fassen gibt. Doch bei alledem verursacht das Schiff auch Wellen, die den Wogen des Meeres zuwider laufen und Einfluss auf die Wellen anderer Schiffe haben, so dass die Ströme eines Lebens immer weiter getragen werden und irgendwann, in ferner Zukunft, an die Küsten eines unbekannten Landes schlagen. Zwischen den Wurzeln der Bäume, im Geflecht ihrer tiefsten Äste und Zweige, liegt ein solches Schiff vor Anker. Für unsere Verhältnisse sieht es eher aus wie ein verlassener Bienenstock: es ist aus steinernen Ranken geformt, mit dünnen Membranen in den Fensterhöhlen und Leuchtfeuern vorne am Bug, und weder Segel noch Ruder treiben es voran – dennoch fährt es schneller als die meisten Schiffe der Menschen. Und das muss es auch sein, denn von dieser Schnelligkeit ist das Dunkle Volk abhängig. Rastlos - fast ruhelos, könnte man meinen, wenn sie sich nicht gelegentlich in großen Schlafsälen zusammenfänden - suchen sie überall in der Welt nach dem Wissen der verschiedenen Völker, zusammengefasst in Form von Büchern, Schriftrollen, Steinplatten, gravierten Kristallen… Sie jagen nach jedem Wort, das jemals geschrieben wurde, ganz gleich wozu, und tragen es in ihre Bibliothek, um es dort zu verwahren, zu stapeln und zu ordnen. Sie werden weder lesen noch eigene Dinge ergänzen. Niemand weiß, warum sie dies tun, und sie selbst geben dieses Geheimnis unter keinen Umständen preis, denn es ist den Angehörigen ihres Volkes vorbehalten, und man wird keinen unter ihnen finden, der es nicht treu behütet. Ihr Leben hängt davon ab… Eine drückende Stille erfüllt diese Stadt. Sie ist generell kein Ort vieler Worte oder großen Geplauders: das Dunkle Volk geht zügig und leise seiner Arbeit nach, wenn es nicht gerade ruht, und jeder seiner Angehörigen teilt seine Erinnerungen und Gedanken stillschweigend mit denen der anderen. Lange Erzählungen sind weder notwendig noch erwünscht. Das Schattenschiff von vorhin wird gerade bereit gemacht, zu seiner nächsten Fahrt auszulaufen. Tonlos gleiten die schwarzen Kapuzengewänder wie Geister über den Ankerplatz und transportieren Tauschobjekte in die Laderäume, die sie für ihre Mission benötigen. Plötzlich zerreißt ein angstvoller Schrei die unwirkliche Stille dieses Ortes: eine helle Frauenstimme, die dem einzigen fremden Wesen gehört, dass diesen Ort dauerhaft sein Zuhause nennen kann. Der Schrei ist nur kurz zu hören und wird beinahe sofort wieder verschluckt. Einer nach dem anderen wenden sich die in Finsternis gehüllten Gesichter der Kapuzengestalten dem Ursprung des Geschreis zu - einem riesigen, alten Baum, unter dessen Wurzeln ihre Bibliothek liegt. Sie lauschen. Es zeigt sich keine Reaktion in der gestaltlosen Leere unter dem Umhang, doch einen Moment lang liegt tatsächlich eine gewisse Anspannung in der Luft. Einige der dunklen Seefahrer erzittern leicht, wollen sich nur eine Minute losreißen vom Zwang des gemeinsamen Denkens, und ihr unerwartet individueller Drang geht wie eine Welle auf ihre Gefährten über. Doch dann verlöscht auf einmal jeder Gedanke. Ein donnernder Ruf dringt in ihren Geist ein und füllt ihn in Sekundenschnelle ganz aus. Die Dunkle Flamme… sie ruft zum Aufbruch! Der Tag ist nahe… der große Tag… Gerade jetzt! Aufregung erfasst die wogenden Kapuzengewänder - ein Gefühl, dass ihnen normalerweise fremd ist… so fremd wie jede Art von Empfindung, ganz gleich ob Hunger oder Müdigkeit des Leibes… Oberhalb des kleinen Hafens, auf dem höchsten Punkt einer breiten Wurzel, die ihn begrenzt, erscheint flatternd ein kleine Gestalt - ein blauschwarz gefiederter Vogel. Keuchend lässt er sich auf der rauen Rinde nieder und schaut sich mehrere Mal hektisch um. Das Dunkle Volk schenkt seiner Ankunft keine Beachtung, ist zu sehr gefangen in seinem kollektiven Gefühlsumschwung. Erneut schwingt sich der Vogel in die Lüfte, nur um ein paar Meter weiter am unteren Ende der Wurzel zu landen. Das Dunkle Volk nimmt ihn immer noch nicht zur Kenntnis. „…rd!“ krächzt er, aufgeregt mit dem Kopf wippend. Keine Reaktion… Vielleicht war die erste Nachricht nicht deutlich genug, denkt der Vogel. „S…rde …rm…rdt!” schreit er noch einmal nachdrücklich. „D…ße Dr…che!“ Noch immer kein rückwirkender Effekt. Der Vogel kratzt sich verwirrt im Gefieder. Er mag es überhaupt nicht, unbeachtet zu bleiben. „H…bt …r …s …enn …cht …rt?“ Offensichtlich nicht, denn das Dunkle Volk rührt sich nach wie vor nicht vom Fleck. Erst als er vor sich hin murmelt: „S…d d… …le t...b?“, erkennt der kleine Vogel, dass kein einziges Wort seinen Schnabel verlassen hat. Normalerweise ist dies für einen Vogel kein Problem, aber dieses eine Exemplar kann sprechen, seit es denken kann, und das kann es schon sehr, sehr lange – so lange, dass es andere Formen der Kommunikation schlichtweg vergessen hat. Doch selbst, wenn es anders wäre – das Dunkle Volk nimmt im Moment keinerlei Notiz von ihm. Sein Geist scheint in weite Ferne gerückt. Alle lauschen nur noch auf den einsamen Ruf in der Unendlichkeit, versinken in ihm, lassen sich von ihm davontragen bis an die Grenzen der bekannten Welt. Alles, was die die triste Wirklichkeit betrifft, blenden sie vollständig aus. Ohne auf das protestierende, aber tonlose Krächzen des Vogels zu hören, wenden sie sich ab und schweben an Bord ihres Schiffes. Und plötzlich, auf ein geheimes Kommando hin, kehrt in die nebelige Enklave eine ungeheure Geschäftigkeit ein. Überall geschieht dasselbe: die Schattenführer holen ihre Mannschaften zusammen, die von selbst aus ihrer gemeinschaftlichen Ruhe erwachen und hinaus zum Dock strömen. Kein einziges Wort wird gewechselt, als sie sich auf ihre Schiffe begeben und den ungeheuerlichen Geschehnissen der letzten Minute den Rücken kehren. Ungerührt schweben sie am Körper einer jungen, weißhaarigen Frau vorbei, die in der Ecke eines Lesesaales liegt, die Augäpfel ins Weiße verdreht, tot wie ein Stein. Ebenso unerschütterlich ziehen sie an den in Fels gehauenen Regalen vorbei, wo im Schatten einer Nische ein graubärtiger Mann mittleren Alters lauert und lächelt. Sie sehen es zwar, wissen auch, was es damit auf sich hat, aber sie ignorieren alles. Schon bald sind sie an Bord ihrer Schiffe und nehmen Kurs auf ein unbekanntes Ziel. Währenddessen bleibt der Vogel, verblüfft und beeindruckt über so viel Kaltblütigkeit, auf der Wurzel des Baumes sitzen und schaut den davonziehenden Schattenschiffen hinterher, wie sie in den Nebel eintauchen und damit verschwinden… Er weiß nicht recht, was er tun soll, hat keine Ahnung, was nun aus ihm werden wird, weiß sich nicht zu helfen… Zu gern würde er von seinem reichhaltigen Wortschatz dolmarischer Schimpfwörter Gebrauch machen, doch ist alles, was seinem Schnabel zu entweichen vermag, ein kurzes, herzhaftes: „Sch…ße!“ Dann tut er das für ihn Naheliegendste: er breitet seine Flügel aus und erhebt sich in die Lüfte. Er weiß nicht, wohin, und auch nicht warum. Das sind ziemlich gute Voraussetzungen für ein Abenteuer… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)