Bikou-no-Jutsu von Rabenkralle (Die Kunst der Beschattung) ================================================================================ Kapitel 28: Gewohnheiten ------------------------ Kapitel 28: Gewohnheiten Genma kauerte im Gras und lugte über den Rand des Vorsprunges hinunter ins Tal. In weiter Entfernung brannte ein kleines Lagerfeuer und er konnte eine unbestimmte Anzahl schwarzer Gestalten erkennen. Ein Feuer auf fremden Boden … Im Grunde war das sehr leichtsinnig. Ein guter Ninja würde nur im äußersten Notfall eines zünden … Er konnte sich nicht so recht einen Reim darauf machen. Vielleicht hatte sich der Anbu geirrt und die Leute kamen gar nicht aus Kirigakure und waren stattdessen harmlose Zivilisten … Genma schüttelte den Kopf. Unmöglich, dass sich ein Anbu-Mitglied so irren würde … Nur was zum Teufel führten sie im Schilde? Was trieb so eine Gruppe hier an der Grenze von Nami-no-Kuni? Irgendwie würde er das herausfinden. Und er wusste auch schon ungefähr, wie er das anstellen sollte … Noch war es zu früh für so eine Aktion, doch er würde die erste Gelegenheit nutzen, die sich ihm bieten würde … Als Shikamaru aufwachte, glaubte er fast, er würde ersticken. Dann stellte er jedoch fest, dass das kein Attentat auf ihn war, sondern bloß Temaris Unterarm, der unglücklicherweise auf seinen Hals drückte. Vorsichtig nahm er ihn und platzierte ihn woanders, ohne sie zu wecken. Tse, was wäre das für eine Schlagzeile gewesen … Ob schon einmal eine Frau ihren Mann unabsichtlich im Schlaf erstickt hatte? Wenn ja, konnte das Zusammenleben wohl ziemlich gefährlich sein … Trotzdem war es sehr unwahrscheinlich, auf diese Weise das Zeitliche zu segnen. Und falls das doch passierte, war es einfach nur Pech. Sei es also drum. Zu wach, um noch weiterzuschlafen, starrte er an die Decke und dachte an seine Erkenntnis von letzter Nacht. Kurz fragte er sich, ob er sich nicht doch geirrt hatte, verwarf den Gedanken allerdings genauso schnell wieder. So etwas konnte man sich überhaupt nicht einbilden. Schon gar nicht, wenn sie so dicht bei ihm lag und es sich so verdammt gut anfühlte … Tja … Und was sollte er nun tun? Abwarten oder gleich mit der Tür ins Haus fallen? Mit Letzterem würde er sich bloß lächerlich machen. Außerdem war das auch nicht seine Art. Ja, abwarten war definitiv besser. Schließlich wusste er auch nicht, ob er seine Meinung in ein paar Tagen nicht wieder änderte – Was totaler Blödsinn war, da Gefühle nicht von jetzt auf gleich verpufften … Da hatte er sich mal wieder in eine ganz tolle Lage gebracht – Mit dem Unterschied, dass er es sich dieses Mal nicht bewusst ausgesucht hatte. Er seufzte. So blöd der Spruch auch war, aber das Leben war tatsächlich kein Ponyhof. Doch das wusste er ohnehin schon seit langem. Sein Empfinden hatte lediglich noch eine weitere Facette hinzugefügt. Das spielte jetzt auch keine Rolle mehr. „Was gibt’s so früh am Morgen denn schon zu seufzen?“ Temari riss ihn aus seinen Überlegungen. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie wach geworden war … „Nichts weiter. Das Leben ist bloß anstrengend“, entgegnete Shikamaru. „Also find ich momentan ja gar nicht.“ Sie lachte. Ein wohliges Gefühl breitete sich in ihm auf. Er hörte gerne ihr Lachen. Aber das war ja nicht das erste Mal, dass er das feststellen musste … „Wie hast du geschlafen?“ Temari streckte sich. „Fast noch besser als gestern. Und was macht dein Nacken?“ „Nicht viel. Der ist wieder der Alte.“ „Und du wolltest erst nicht, dass ich ihn dir massiere … Da kannst du mal sehen!“ „Nächstes Mal hör ich wohl lieber gleich auf dich.“ Er grinste. „Eine weise Entscheidung“, meinte sie lächelnd. Kotetsu saß auf seinem Zimmer. Nachdenklich starrte er vor sich hin. Es bereitete ihm wirklich Sorgen, was Genma ihm gestern Abend erzählt hatte. Am liebsten hätte er seine momentane Aufgabe geschmissen und ihm bei seinem Vorhaben zur Seite gestanden. Obwohl Genma einer der fähigsten Ninja von Konoha war, befand Kotetsu die Entscheidung von Tsunade als doch ziemlich leichtsinnig. Ganz ohne Unterstützung sollte er die Kiri-Nin ausspionieren … Wenn das mal gut ging … Er blickte auf die Uhr. Es wurde wie jeden Morgen wieder einmal Zeit, seine Maskerade aufzusetzen. Irgendwie war er schon ein wenig gespannt darauf, ob sich die beiden heute erneut die Mühe machen würden, ihn zu beschatten … Kurzerhand verwandelte er sich mit Henge in die Figur, die er hier spielte und ging dann nach unten, um zu frühstücken. „Starten wir heute noch mal so eine Spionage-Aktion?“, fragte Temari Shikamaru leise, während sie den Mann, der ein paar Reihen weiter vorne saß, beobachtete. „Nur, wenn du Lust dazu hast.“ „Das war wohl ein klares Nein.“ Sie wandte ihren Blick ab und biss in ihr Frühstücksbrötchen. Auch sie konnte Besseres mit dem Tag anfangen als das, was gestern abgelaufen war. Reine Zeitverschwendung, sich mit dem Typ zu befassen … Shikamaru musterte in der Zwischenzeit einen Zettel und hielt ihn anschließend Temari unter die Nase. „Ich glaub, das ist was für dich.“ Sie nahm ihn entgegen und überflog ihn rasch. „Vor Veranstaltungen kann man sich hier wohl nicht mehr retten“, meinte sie. „Aber dann müssen wir uns heute Abend wenigstens nicht langweilen …“ „Gibt sogar ’ne Verlosung.“ „Bei so was hab ich nie Glück. Ich hab noch nicht einmal etwas gewonnen.“ „Na ja, vielleicht wird es heute mal was.“ „Darauf würde ich nicht wetten.“ Sie grinste. Es dauerte nicht lange und sie hatten aufgegessen. „Und jetzt?“ Fragend blickte Temari ihn an. Shikamaru zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Schlag du was vor.“ „Ganz schön öde, wenn man auf Dauer nichts zu tun hat …“ Sie musste seufzen. „Na, lass uns rausgehen. Das ist immer noch besser, als im Zimmer rumzugammeln.“ Wie schon so oft legten sie sich auf die Wiese vor dem Gasthaus. Shikamaru folgte seinem liebsten Hobby – dem Wolkenbeobachten – und Temari guckte ein wenig umher. Ihr Blick blieb schließlich auf vier spielenden Kindern haften, die ganz in der Nähe herumtollten. Ja, die hatten sicher ein unbekümmertes Leben und trotzdem etwas zu tun … Letztendlich zog die kleine Gruppe in Richtung Wald davon und es wurde wieder deutlich ruhiger. Nun beobachtete Temari ein paar der Angestellten, die bereits damit anfingen, den Eingang und den Hof für den Abend zu schmücken. Nach einer Weile konnte sie sich auch ein ungefähres Bild machen, wie es später aussehen würde, doch nach ihrem Geschmack war das mit den ganzen Lampions und der Blumengirlande eindeutig zu spießig. Aber vielleicht würde das Licht doch etwas hermachen, wenn es dunkel wurde. Als es langsam auf den Mittag zuging, tauchten sechs merkwürdig angezogene Leute auf. Anhand der Klamotten konnte Temari erkennen, dass es sich wohl um Enka-Sänger und Musiker handelte. Gut, dass sie ihre Erwartungen an die Veranstaltung nicht zu hoch angesetzt hatte. Enka war nämlich so gar nicht ihr Fall … Sie schaute zu Shikamaru herüber. Er schlief tatsächlich wieder einmal … Manchmal beneidete sie ihn um seine Sorglosigkeit, die er an ruhigen Tagen wie diesen hatte. Sie konnte nicht so einfach abschalten … Plötzlich musste sie an den Traum von vorletzter Nacht denken. Inzwischen beeindruckte er sie kein Stück mehr, da die genauen Bilder daran zum Glück so gut wie verblasst waren. Trotzdem war da immer noch ein mulmiges Gefühl, das sie zu allem Überfluss gerade etwas emotional herunterzog. Der Gedanke, dass Shikamaru etwas zustoßen und sie nicht eingreifen konnte, hinterließ jedes Mal einen bitteren Nachgeschmack. Aber so musste es ja nicht kommen. Die wenigsten Träume wurden schließlich wahr und sie hoffte, dass auch dieser auf ewig unerfüllt bleiben würde. Dennoch fragte sie sich, warum sie so einen großen Wert auf sein Überleben legte. Er war der einzige Mensch außerhalb ihrer Familie, bei dem ihr das seltsamerweise nicht egal war. Okay, es gab noch ein paar andere Leute aus Konoha, die ihr nicht gleichgültig waren. Aber ob sie für sie ohne zu zögern ihr Leben geben würde? Das war mehr als fraglich. Eigentlich war sie sich ziemlich sicher, dass sie diese Frage mit einem Nein beantworten würde. Allerdings wusste sie auch nicht, wie sie im Ernstfall handeln würde … So grausam und gleichmütig wie noch vor einigen Jahren war sie nun längst nicht mehr. Das ging auch nicht, wenn man dabei war, freundschaftliche Bindungen zu anderen Menschen aufzubauen. Und die zu Shikamaru war mit Abstand die Stärkste. Doch das war wohl nicht allzu verwunderlich, wenn sie mit ihm am meisten zu tun hatte und sie dann sogar zusammen auf Mission geschickt wurden. Im Gegensatz zum Anfang störte sie das inzwischen keineswegs mehr. Was vor kurzem noch undenkbar gewesen war, war nun eine Selbstverständlichkeit. Und das zugegebenermaßen eine der angenehmen Sorte … Allein die Tatsache, dass sie in Konoha wieder alleine in ihrer Wohnung leben würde, kam ihr absurd, ja nahezu undenkbar vor. Vielleicht sollte sie ihn fragen, ob er bei ihr einziehen würde … Sie lachte leise auf. Nein, das ging doch nicht … Oder sie trafen sich heimlich zum Schlafen … Aber das war wohl noch bescheuerter und er würde sie dann ganz für verrückt erklären. Die Vorstellung war trotzdem irgendwie amüsant. Schade nur, dass es dazu nicht kommen würde. Da konnte sie bloß auf einen weiteren, gemeinsamen Urlaub hoffen, in dem die Einzelzimmer ebenfalls ausgebucht waren. Wahrscheinlich passierte das aber nie wieder … Das Aufwachen morgens neben ihm würde sie die ersten Tage bestimmt vermissen … Mit einem Mal fühlte Temari sich ertappt. An was dachte sie hier denn die ganze Zeit? War das alles nicht völlig schwachsinnig? Sie musste lächeln. Wohl nicht in Anbetracht der Tatsache, dass der Mensch ein Gewohnheitstier war … Zu dumm, dass sie sich gerade an Shikamaru gewöhnt hatte. Obwohl … Nein, so schlimm war das gar nicht. Das Ganze war höchstens ein bisschen unerwartet. Aber wer rechnete auch schon mit so etwas? Da er sich plötzlich im Schlaf regte, sah sie rasch woanders hin. Auf peinliche Fragen, warum sie ihn denn anstarrte, verzichte sie lieber von vornherein freiwillig. Sie drehte sich auf den Rücken und ihr Blick fixierte sich auf eine kleine Wolke. Langsam verstand sie, was Shikamaru an dieser Beschäftigung fand. So konnte man fabelhaft seine Sorgen für einen Moment vergessen … Trotzdem gut, dass sie davon momentan keine hatte. Alles war wunderbar unkompliziert wie noch nie in ihrem Leben. Ginge es nach ihr, konnte es gerne so bleiben. Na ja, fast. Die Langeweile konnte ruhig weniger werden … Temari vernahm ein lautes Gähnen. Sie sah zu Shikamaru herüber. „Mittagsschlaf beendet?“, fragte sie grinsend. Er kratzte sich am Kopf. „So in etwa.“ Temari musste lachen. Es war doch immer wieder komisch, ihn so zu sehen … Noch so eine Sache, die sie nach der Mission wohl vermissen würde. „Warum lachst du?“ „Ach, nichts weiter. Deine Gesellschaft wird nur von Tag zu Tag toller.“ Sie lächelte ihn an. Shikamaru spürte ein leichtes, angenehmes Kribbeln in sich aufsteigen. Ja, dasselbe hätte er ihr auch sagen können. Aber dazu kam er schon noch. Irgendwann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)