Ein Lächeln von dir... von Ito-chan ================================================================================ Kapitel 1: Ein Lächeln von dir... --------------------------------- Sonnenstrahlen brachen sich im Fenster und tauchten den dunklen Fußboden in ein Lichtspiel, dass ich im Moment als ziemlich störend empfand. Warum das so war, wusste ich nicht, aber vielleicht lag es daran, dass ich verflixt einsam war. Ich lebte hier nun schon seit geschlagenen zwei Jahren alleine. So lange wusste ich, dass ich homosexuell war und solange hatte ich keinen Kontakt mehr zu meinem Vater oder meiner Mutter gehabt. Er wollte, dass ich heiratete und Kinder bekomme, ich wollte das nicht oder eher, konnte es nicht. Seitdem lebe ich in einer zwei Zimmerwohnung, mit einem mausgrauen Teppichboden und wenig eleganten Möbeln. Ich mag weder den Teppich, noch meine Möbel, aber ich wollte mir nie neue zulegen, geschweige denn, dass ich den Teppich austauschen wollte. Ich hatte dazu einfach keinen Grund. Mir fehlte frischer Wind in meinem Leben. Mir fehlte eine feste Beziehung, jemand mit dem ich mehr haben konnte und wollte, als nur eine Affäre, dann würde ich vielleicht auch mein Leben entmotten. Ich hatte mich schon viel zu lange nicht mehr als einen beziehungsfähigen Menschen betrachtet, dennoch wollte ich eine Beziehung. Etwas Echtes, etwas Wahres, etwas, dass mehr war, als diese verfluchten One Night Stands aus der Schwulenbar. Ich hatte so lange niemanden mehr ehrlich angelächelt. Wer war es gewesen, den ich das letzte Mal ehrlich und warmherzig angeschaut hatte, dem ich aus den Tiefen meines Herzens ein Lächeln hatte zukommen lassen? Ich erinnere mich kaum an ihn. Ich weiß nur, dass er mir sehr sympathisch war mit seinen kurzen, verwuschelten schwarzen Haaren und den warmen blauen Augen, die so gar nicht zu den Haaren zu passen schienen und dennoch so wunderschön auf mich wirkten. Ihn hatte ich angelächelt, wie ich so selten jemanden anlächelte, aber er war sehr schnell wieder gegangen. Er hatte einen Freund und war nicht interessiert. Glich es nicht Ironie des Schicksals, dass ich ausgerechnet einen solchen Mann nicht haben konnte? Ich seufzte und griff nach meiner Zigarettenschachtel. Auch etwas, das ich mir sehr dringend abgewöhnen wollte und es immer noch nicht getan hatte, einfach weil ich mit dem Rauchen meine Einsamkeit kompensierte. Der Tag war schon langweilig genug, beschloss ich gegen Abend, stellte mich unter die Dusche und machte mich zurecht. Ein weiterer One Night Stand würde wohl nicht schaden, solange ich den Richtigen suchte. Ich betrat also meine Stammbar und sah ziemlich direkt, dass heute weniger los war als sonst. In einem der anderen Clubs war wahrscheinlich irgendeine besondere Veranstaltung, aber ich saß lieber bei Will, dem Barkeeper und ließ mir von ihm mein Bier, meinen Whiskey oder Wodkatonic hinstellen, anstatt von jemandem, der keine Ahnung hatte, wie ich meine Getränke für gewöhnlich nahm. „Hi J, wie geht’s dir?“, begrüßte mich Will auch direkt. J, so nannten mich die meisten Menschen. Kaum jemand interessierte sich dafür, dass ich Jonathan hieß und immer so gerufen worden war. Ihnen war es wohl zu lang und ich hatte mich an J, gewöhnt. Ich mochte es sogar irgendwie. „Hey Will, muss ja. Und bei dir? Wie läuft die Beziehung?“, ich lachte halbherzig und ließ mich auf dem Barhocker nieder. „Ach muss ja ne wahr? Ich erober mir wohl heute wieder wen anderes, Art ist abgehauen, der wollte doch glatt 'ne Familie!“ Wir lachten, ob dieser Tatsache. Will sah wirklich nicht schlecht aus. Auch ich hatte schon ein paar Mal das Privileg genossen mich von ihm verwöhnen lassen zu dürfen, aber Will wollte nichts Festes und wenn es einfach nur darum ging irgendwen aufzureißen, dann war uns egal, wer der andere war, Hauptsache guter, schneller, unkomplizierter Sex. Wobei ich mich nach mehr als dieser Sache sehnte. Ich wollte so viel mehr und vielleicht war deswegen mein Lachen so halbherzig an diesem Abend, als ich mit Will über Arts waghalsige Idee von einem glücklichen Leben mit einem Kind oder einem Hund in einem Stadthäuschen lästerte. Ich verstand diesen Wunsch zu gut. Ich wollte eigentlich nicht mehr und nicht weniger, als ein Stadthäuschen, einen Hund und den passenden Mann dazu... Das konnte doch nicht so schwer sein oder? Ich verließ erst in den frühen Morgenstunden die Bar. Der Wind blies mir ins Gesicht und ich sah die ersten Sonnenstrahlen über der Stadt. Es war angenehm so. Ich hatte die ganze Nacht an der Bar gesessen und weder Will noch ich hatten Lust gehabt, etwas Anderes zu tun, als zu reden. Jetzt war es halb sieben am Morgen und ich fühlte mich noch mehr als nur fit. Ich wusste nun wirklich nicht warum, aber es war einfach so, also entschloss ich mich noch zu einem kleinen Spaziergang durch den Park, ehe ich nach Hause ging. Ich glaubte nicht an das Schicksal, habe es noch nie wirklich getan, aber dieser Morgen lehrte mich, dass nicht alles, dass ich nicht glauben wollte, mich verschonte. Mein Weg führte auch an dem weitläufigen Seeufer des Parks vorbei, wo ich sonst sehr selten oder eher gar nicht vorbei ging, doch heute reizte mich ein kleiner Schmetterling dazu ihm zu folgen und als er verschwand, war ich schon am Wasser, wo am Wegrand links von mir hochgewachsene, kräftige Eichen standen unter denen Vergissmeinnicht und einige Gänseblümchen gerade anfingen zu blühen. Ich fand den Anblick atemberaubend, vor allem nach dieser langen Nacht faszinierte mich die Ruhe sehr und ich entschloss mich am See entlang zu gehen, der rechts von mir lag. Direkt am Wasser standen einige Bänke, doch ich hatte nicht die Absicht Enten oder Schwäne zu füttern, weswegen ich diese nicht beachtete. Ich war eine ganze Weile gegangen, bis ich das nächste Mal meinen Blick nach rechts wandte. Jemand schniefte verhalten und ich blickte mich um. Kein kleines Kind, dass seine Mutter verloren hatte und auch keine weinende Frau, hier war niemand außer mir, außer... mein Blick glitt nach rechts und ich sah einen Jungen zusammengesunken auf der nahestehenden Bank hocken. Eigentlich wollte ich weiter gehen, doch ich entschied mich dazu rüber zu gehen. Damit fing alles an, denke ich. Langsam legte ich dem Jungen eine Hand auf den Rücken. „Hey Kleiner, was hast du denn?“, fragte ich leise, fast schon besorgt. Er blickte auf und ich sah in tiefblaue, wenngleich verweinte, Augen und bemerkte die schwarzen zerzausten Haare. Das war er! Mich traf es wie der Schlag! Der Kerl, der mich vor drei oder waren es vier Wochen, in Wills Bar hatte abblitzen lassen, saß jetzt hier und flennte. „Ich...“, er schüttelte den Kopf und blickte mich fest an, „Ach, lass mich...“ Ich lachte leicht und reichte ihm ein Papiertaschentuch. Ein Päckchen befand sich immer in meiner Jackentasche. „Wisch dir wenigstens die Tränen ab Kleiner, sonst hält dich jeder für eine Schwuchtel.“ Der saß. „Lass doch den Scheiß du homophobes Arsch!“, wetterte er und sprang auf. Sofort griff ich nach seinem Handgelenk und zog ihn zurück auf die Bank. „Du hast wohl vergessen, wo du mir schon einmal begegnet bist Kleiner! Schimpf einen Homo nicht Homophob! Das schließt sich aus!“, schimpfte ich. „Magst du mir jetzt sagen, was du hast?“ Seine großen, blauen Kulleraugen blickten mich verstört an und dann wurde mir etwas bewusst: Er war am Ende und ihm ging es mindestens so schlecht wie mir! „Ich... mein Freund hat mich rausgeworfen. Ich soll bis Morgen meine Sachen holen, aber... ich weiß nicht, wo ich hin soll... Ich kann doch nicht nach Hause. Da wollen sie mich doch nicht mehr...“, kam es schließlich flüsternd. „Hast du schon gefrühstückt?“, fragte ich ruhig und bedacht. Ich wollte ihn nicht verschrecken. Er schüttelte den Kopf: „Nein, ich hatte nicht einmal Abendessen...“ „Hast du hier draußen etwa geschlafen?“, brachte ich entsetzt hervor. Es war zwar Frühling und jetzt für sieben Uhr am Morgen schon recht warm, aber nachts wurde es zumeist ungemütlich kalt. „Ich wusste nicht, wo ich sonst schlafen sollte“, gab er zitternd zur Antwort. Erst jetzt wurde mir seine erbärmliche Erscheinung bewusst. Er trug zerrissene Jeans und ein verwaschenes T-Shirt, seine Turnschuhe waren ausgetreten und seine Haare nur verwuschelt, weil er sie nicht gekämmt hatte. Zu seinen Füßen stand ein dreckiger Rucksack und ich seufzte. „Wo hast du deine Sachen wirklich? Du hast sie doch sicher schon längst bei deinem Freund abgeholt.“ Meine Stimme war noch immer ruhig. Er blickte auf seine Schuhspitzen und murmelte: „Woher weißt du das?“ „Man sieht es dir an...“ Ich legte ihm meinen Arm um die schmalen Schultern und merkte, dass er ganz durchgefroren war. Also zog ich kurzerhand meinen Sommerparker aus und legte ihm diesen um die Schultern. „Schlüpf rein und steh auf, wir holen deine Sachen. Du kannst eine Weile bei mir bleiben.“ Ich lächelte ihn aufmunternd an und es war ehrlich gemeint, so ehrlich, wie er mich an dem Abend angelächelt hatte, als wir uns zum ersten Mal begegneten. Doch er blickte mich nur verwirrt an und stand dann auf, um mich zu einem Versteck im Gebüsch zu führen, wo zwei Reisetaschen standen, die mit Kleidern und Büchern gefüllt waren. „Mehr habe ich nicht“, flüsterte er und ich nickte. „Ich trage das und du folgst mir, ja?“ Dieses Mal nickte er und es war mir Recht. In meiner Wohnung blickte er sich unsicher um und man sah ihm an, dass er sich nicht sonderlich wohl fühlte, bei einem Fremden unter zu kommen. „Komm rein, aber zieh die Schuhe aus Kleiner.“ Er tat, was ich gesagt hatte und sah mir dabei zu, wie ich seine Taschen im Wohnzimmer abstellte und dann das Zimmer verließ. Er folgte mir, wie ein Hündchen und so, waren wir beide schnell gemeinsam im Bad. Ich ließ ein Schaumbad ein und lächelte ihn aufmunternd an, als ich den Hahn schloss. „Wasch dich, wärm dich auf. Handtücher leg ich dir jetzt hin. Fühl dich wie zu Hause. Ich mach derweil Frühstück. Lass dir ruhig Zeit, dass Essen rennt uns nicht davon und nachher sortieren wir in deiner Tasche die Dreckwäsche aus und ich steck es in die Maschine ja?“ Er schaute betreten zu Boden, als ich zu Ende gesprochen hatte. „Was ist?“, wollte ich wissen. „Ich hab nichts Sauberes mehr zum Anziehen“, gab er zu und ich wuschelte ihm durch die Haare. „Dann pack ich deine Wäsche aus und steck sie sofort in die Waschmaschine Kleiner.“ „Tut mir Leid wegen den Umständen“, flüsterte er. „Ach was, das ist doch nicht schlimm. Du brauchst Hilfe und die bekommst du. Mehr ist das nicht“, erklärte ich, doch von ihm kam keine Gefühlsregung irgendeiner Art. Ich fragte mich, ob er noch einmal so würde Lächeln können, wie in der Bar vor einigen Wochen, als ich ihm Handtücher hinlegte und ihn alleine ließ. Seine Reisetaschen waren verschlissen, ja abgegriffen und von der Lagerung im Busch verflixt schmutzig, aber ich wollte nicht auch noch die Taschen sauber machen, sondern erstmal den Inhalt in die Maschine stecken. Also sortierte ich die Bücher auf den Küchentisch und die Wäsche landeten in drei Stapeln auf dem Fußboden. Der Kleine hatte nicht gelogen. Kein einziges sauberes Kleidungsstück. Manches stank erbärmlich und mehr als fünf Euro fand ich nicht in seinen Hosen- und Hemdtaschen. Auch die legte ich auf den Tisch. Das musste sein letztes Geld sein. Wovon lebte er, wie hieß er und warum hatte er nicht bei irgendeinem Freund übernachtet? Ich seufzte und stellte die erste Maschine an, was den Haufen vor mir nicht erheblich kleiner werden ließ. Er hatte mindestens Kleidung für drei Wochen hier liegen und das waren bestimmt vier oder fünf Maschinen Wäsche, aber es störte mich wenig, denn es war, um ihn zu helfen. Vielleicht hatte ihn jemand geschickt, um mich aus meiner Lethargie zu befreien und vielleicht sollte ich ihn glücklich machen... Eine halbe Stunde später stand der Junge etwas verschüchtert und nur mit einem Handtuch bekleidet in der Küchentür. „Sind vielleicht schon Sachen von mir fertig, ich...“ Er schaute an sich hinunter und ich lachte leise. „Komm mit, ich geb dir was von mir. Bis wir den Berg da bewältigt haben und er trocken ist dauert das eine Weile.“ Er schaute verlegen und wurde rot. „Entschuldigung...“, flüsterte er gleich. Er war so viel weniger cool als noch vor vier Wochen. „Ach was, komm einfach. Es macht mir nichts aus.“ Also führte ich ihn in mein Schlafzimmer, den letzten Raum der Wohnung, den er noch nicht kannte. Küche und Bad waren ja Standard in jeder Wohnung, weswegen sie nicht als gesonderte Zimmer zählten, daher gab es in meiner Wohnung nur Wohn-und Schlafzimmer. Der Kleine schaute sehr erstaunt, als er im Schlafzimmer stand. „WOW, das ist super schön hier“, lobte er meinen Geschmack und ich konnte es ihm nicht verdenken. Das Bett war 1,80 m breit und es passten bequem zwei Personen rein, der Kleiderschrank war ziemlich groß und ich hatte Wert darauf gelegt, dass alles schlicht, praktisch und dennoch hübsch war. Wenngleich ich die Wohnzimmereinrichtung hasste, liebte ich mein Schlafzimmer. Meine Oase der Entspannung. „Wenn es dir nichts ausmacht, bekommst du die zweite Hälfte vom Bett. Ist ja eigentlich für zwei Leute gedacht“, damit ging ich zum Schrank und öffnete ihn. Die Tatsache, dass ich mindestens fünfzehn Zentimeter größer war als er machte es mir nicht sonderlich einfach, aber schließlich fand ich eine etwas kürzere Jeans, die ich im Sommer ab und an als Dreiviertelhose trug und reichte sie ihm, mitsamt einer Short von mir. Er schaute etwas verwundert, streifte aber, als ich mich den T-Shirts zuwandte dennoch die Shorts und die Hosen über, jedenfalls hörte ich es rascheln und er seufzte leise. Es war ihm zu groß, dachte ich, jedenfalls in dem Moment. Als ich mich umdrehte und ihm das Shirt reichen wollte, traf mich fast der Schlag. Er hatte nur das Handtuch fallen lassen und stand nun nackt neben dem aufgedeckten Bett. „Was soll das“, wollte ich irritiert wissen. „Das willst du doch für deine Freundlichkeit oder?“, fragte er mich und errötete. Man sah ihm die Angst, dass seine Vermutung stimmen könnte förmlich an. Bei vielen hätte ich es einfach getan, aber bei ihm konnte ich es nicht. Die Angst in den großen blauen Kulleraugen wollte ich nicht sehen und ich wollte seine Situation nicht ausnutzen. Ich wollte es nicht, es kam mir so falsch vor. Deswegen ging ich zu ihm und seufzte leise. „Du musst das nicht tun. Komm, zieh dich an und wir frühstücken. Ich tue das hier nicht, weil ich Sex von dir will. Du bist niedlich und alles, aber... wieso sollte ich deine Situation ausnutzen? Viele täten das, aber ich kann und ich will es nicht, dafür scheinst du zu viel erlebt zu haben.“ Er schaute mich ungläubig an und drückte sich auf einmal in meine Arme. „Danke...“ Es war nur ein Flüstern und dennoch so bedeutsam. Dann spürte ich das Zittern, das ihn durchfuhr und das verzweifelte Aufschluchzen folgte sofort. „Ich... das hat noch nie einer für mich gemacht...“, weinte er. Langsam setzte ich mich mit ihm hin, hielt ihn im Arm ließ in weinen und dann erzählte er mir, einem vollkommen Fremden, was geschehen war, bevor er auf mich getroffen war. „Michael und ich, wir waren immer ein Team. Ich meine, wir waren sechs Jahre zusammen, solange weiß ich, dass ich was von Männern will und dass Frauen lahm sind... und dann... irgendwann hat er das Angebot bekommen, dass er mich für eine Nacht einem anderen überlässt... 10000 Euro... Scheiße, er hat es getan und ich...“, er wurde geschüttelt von einem Weinkrampf und ich strich ihm beruhigend über Kopf und Schultern, seine Nacktheit nicht beachtend. „Michael wollte es und ich hab es getan. Ich bin so dumm gewesen... Er hat damit Geld gemacht und vor vier Wochen... da hab ich nen Kerl in einer Bar abblitzen lassen... ich dachte mir, dass er zu gut für so eine Aktion wäre und na ja... ich hab ihn vor den Kopf gestoßen... Michael war sauer und als ich meinte, dass ich aussteigen will, hat er erst ein paar Tage Ruhe gegeben und dann... er hat gefordert, dass ich weitermache, aber... ich wollte nicht... da hat er mich rausgeworfen... Alles was ich noch habe passt in zwei Reisetaschen und jetzt... bist du so nett zu mir, das ist so... viel und... das bin ich nicht wert...“ Er weinte immer noch schrecklich und ich beruhigte ihn. „Hör mal, du bist das wert. Jemand, der dich so behandelt, der ist es nicht wert... Du musst das nicht mehr tun. Wenn du mit wem schlafen willst, dann ab jetzt nur noch aus freien Stücken, wenn du es willst und wenn du soweit bist und nicht für Kohle okay?“ Ich sprach beruhigend auf ihn ein und er wurde wirklich langsam still und das Weinen hörte auf. Eine Weile später blickten mich seine blauen Augen unsicher und müde an: „Wie heißt du eigentlich?“ „Jonathan, aber alle nennen mich J, such es dir aus... und du... wie heißt du eigentlich?“ Ich lächelte aufmunternd. „Jonathan... gefällt mir... ich sag einfach das ja? Ich heiße Kai...entschuldige, ich hab...“ „Jetzt hör aber auf dich zu entschuldigen!“, ich lachte. „Kai...“, ich ließ mir den Namen auf der Zunge zergehen. „Passt zu dir.“ „Warum das?“, wieder sah er mich verwundert an, als würde ich ihm etwas ganz Neues zeigen. „Kai bedeutet Ozean und deine Augen sind meerblau... Es passt...“ Ich lächelte. „Oh... wirklich?“, fragte er, aber meine Antwort wurde durch ein Magenknurren seinerseits unterbrochen. „Ich hab schon gedeckt und ich glaube dein Magen verlangt nach Fütterung. Zieh dich an und komm dann einfach durch ins Wohnzimmer. Einfach immer dem Geruch nach Tee nach. Den hol ich jetzt aus der Küche.“ Ich lächelte, wuschelte ihm durch das halbnasse Haar und stand auf, um ihn dann alleine zu lassen. „Jonathan?“, kam es jedoch nochmal zaghaft von ihm, als ich in der Tür stand. Ich drehte mich um und sah in sein Gesicht, dass noch immer sehr unsicher war und auf dem kein Lächeln zu sehen war, dennoch strahlte er Erleichterung aus. „Danke Jonathan. Das bedeutet mir viel, dass du das hier für mich tust... Niemand war je so freundlich zu mir, wie du.“ Ich nickte und verließ den Raum, um ihm Tee einzuschenken... ~*~ Es waren nun mehr als drei Monate vergangen und ich hatte mich an Kais Anwesenheit mehr als gewöhnt. Er kochte, machte den Haushalt und war wunderbar zu mir, während ich eigentlich kaum etwas für ihn tat, außer ihm ein Dach über den Kopf zu bieten. Ich sehnte mich nach nichts mehr, als ihn glücklich zu sehen, als ihn Lächeln zu sehen, wie an diesem Abend. Von Tag zu Tag gewann ich ihn lieber und immer mehr und mehr zogen mich seine Augen in ihren Bann. Ich liebte ihn so sehr, dass ich nicht anders konnte, als ihn immer wieder anzusehen. Mein Herz schmerzte manchmal vor lauter Glück, nur weil er in meiner Nähe war... Vor einigen Wochen hatte ich ihn nur einen Schlüsselanhänger in Schmetterlingsform hingehalten und er hatte ganz unschuldig gefragt, wofür der sei. Erst dann hatte ich ihm den Wohnungs-und Haustürschlüssel überreicht und er war ganz platt gewesen, weil das bedeutete, dass er ohne mich die Wohnung verlassen und betreten konnte. Er bedankte und entschuldigte sich noch immer für jede Kleinigkeit und dennoch hatte ich manchmal das Gefühl, dass er gerne mehr zeigen würde, als er tat. Vor allem, wenn wir abends bei einem Glas Wein vor dem Fernseher saßen, bemerkte ich die Sehnsucht nach etwas in seinen Augen. Sehnte er sich genauso sehr nach etwas, wie ich mich nach seinem Lächeln sehnte? Das konnte ich in irgendeiner Form nicht glauben und andererseits, wollte ich es gerne in Erfahrung bringen. Kai kam hier wunderbar zurecht, mochte sogar Will und gab ihm ordentlich kontra, wenngleich Kai nie Alkohol trank, wenn wir in der Bar waren und lieber bei seinem Soda oder seiner Cola blieb. Es war einfacher für ihn sagte er, aber ich vermutete, er tat das absichtlich, um niemanden auf falsche Gedanken zu bringen. Solche Bars waren sein Arbeitsplatz gewesen. Kein Wunder also, dass es ihm nicht besonders ging, wenn er dort war. ~*~ Dann kam der Tag, den ich niemals vergessen würde können. Kai und ich lebten seit fünf Monaten zusammen und hatten eine oder zwei Flaschen Wein geleert. Wir waren beide ziemlich beschwipst und er schaute mich mit glasigen Augen an. „Jonathan... lass uns ins Bett gehen.“ Ich nickte und wir waren recht schnell in den warmen Daunen versunken. Ich weiß nicht warum, aber als er einen Annäherungsversuch machte und mir sehr eindeutige Signale sendete ging ich darauf ein, nicht ahnend, was am nächsten Morgen auf mich zukommen würde... Ich erwachte, weil Kai schrie. Schreie in unserer Wohnung und dann so nahe... Ich machte die Augen auf und da saß er, eng an die Lehne des Bettes gedrückt, sein Kissen umklammert, als wolle er sich selbst beschützen oder eher bedecken. Bedecken?! „Verdammt...“, entwich es mir. „Was hast du... gemacht?“, kam es schluchzend von ihm. „Ich habe dir vertraut und du hast... ich war betrunken verdammt...“ Energisch setzte ich mich auf. „Verflucht das ist einfach passiert! Ich war doch auch betrunken. Du kannst mir vertrauen... wirklich... Komm her...“, sanft streckte ich die Hand aus, wollte ihn beschützend in meine Arme ziehen, aber er zitterte, wollte nicht, wehrte ab. Schlussendlich kroch ich zu ihm hinüber und zog ihn in meine Arme. „Wovor hast du eigentlich Angst Kai? Glaubst du, ich lasse dich alleine nach dem hier?“, flüsterte ich und wiegte ihn sanft vor und zurück. „Glaubst du ich lasse dich jemals wieder alleine?“ Er nickte. „Alle lassen mich alleine, jeder, egal, was ich tue. Immer ende ich einsam, sobald... SOWAS passiert!“ Er schluchzte wieder. „Kai... glaubst du das ich so bin, wie alle?! Wenn ich so wäre, hätte ich dich dann nicht, als du vor fünf Monaten nackt neben meinem Bett gestanden hast genommen? Das wäre doch viel leichter gewesen, viel einfacher für mich... Ich hätte gehabt, was ich gewollt hätte, wenn ich so einer wäre, aber... das bin ich nicht... Ich will mehr als das... Verflucht! Vertrau mir einfach...“, brach es aus mir heraus. Kai blickte auf, seine meerblauen Augen richteten sich auf mich und trafen meinen Blick. „Wie denn Jonathan, wenn ich nicht einmal eine Garantie habe, dass es mit uns etwas wird? Wie denn, wenn ich nicht weiß, was du für mich empfindest und ob du mich genauso ausnutzt wie Michael?! Wie denn, wenn ich nicht einmal weiß, ob du mich so sehr liebst, wie ich dich?!“, flüsterte er verzweifelt. „Kai... du Dummkopf...“, entwich es mir. „Was?!“, kam es gepresst, denn er hatte den Kopf in seinem Kissen vergraben. „Es gibt keine Garantie im Leben, aber dass ich dich nicht so behandle, wie Michael, das solltest du schon kapiert haben und... Kai... schau mich an... bitte...“, flüsterte ich. Langsam, ja zögernd, sah er auf. „Ja?“ „Ich liebe dich Kai, von ganzem Herzen...“ Es war wie ein Windhauch, der sich über sein Gesicht legte, als er auf einmal strahlend lächelte. „Ich liebe dich auch!“, mit diesen Worten drückte er sich mit enger in die Arme und ich wusste nicht genau warum, aber ich wusste, dass dieses Lächeln mein Schicksal war und mein Leben verändern würde, als ich ihn küsste und ihn noch dichter an mich zog. Mit diesem Lächeln hatte ich ihn kennen gelernt und dieses Lächeln zauberte er nur noch für mich hervor, wenn wir einander unsere Liebe schworen oder aber wenn er mir ohne Worte seine Gefühle mitteilen wollte. Niemand strahlte so wie er! Wirklich niemand! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)