Bloodsplashed Memories von CuthbertAllgood ================================================================================ Kapitel 7: Epiloque. Some kind of peace. ---------------------------------------- Damn. Epilog ist bald länger als der ganze Rest zusammen ... Epiloque. Some kind of peace. „HEINKEL WOLFE!“ Sie hielt inne mit Zählen und kam zu dem Schluss, dass Alexander einen neuen Rekord aufgestellt hatte. 13 Sekunden. Entweder hatte er langsam einen Trick entwickelt, oder aber sie war nachlässig gewesen. Das schlacksige, mittlerweile vierzehnjährige Mädchen seufzte leise, ehe sie sich wieder erhob und die Sonnenbrille zu Recht schob. Dann balanchierte sie so sicher über das niedrige Kapellendach zum Rand, als wären es nicht brüchige Schiefern unter ihr, sondern fester Boden. „Bin ja schon da…“, nuschelte sie. Von ihrem jetzigen Standpunkt aus musste sie auf den hünenhaften Priester hinunter sehen, aber sie hatte auch oft genug zu ihm hinaufzusehen, also sah sie nicht ein, dass sie jetzt herunterkommen sollte. Etwas lauter fuhr sie, in betont bedauerndem Tonfall, sodass selbst ein Vollidiot merken würde, dass sie maßlos übertrieb, fort. „Und ja, es tut mir aufrichtig leid, dass der arme kleine Enrico fast einen Herzinfarkt hatte und es tut mir auch sehr leid, dass ihm die Haut über der Schläfe geplatzt ist und er blutet wie ein abgestochenes Schwein, aber er hat sich nicht an mich heranzuschleichen, sonst könnte es sein, dass er stattdessen irgendwann mal eine Kugel im Kopf hat und sich nicht nur eine Ohrfeige einfängt. Darf ich jetzt gehen?“ So oder so, der blonde Priester musste erst einmal nach Worten suchen, da sie ihm damit den Wind aus den Segeln der Standpauke genommen hatte, die er sich mehr oder weniger zurechtgelegt hatte. Außerdem war er ohnehin nicht der Erziehungstyp. Mit den Kindern war er schon überfordert gewesen. Jetzt, wo sie ins Teenageralter kamen, waren sie eine einzige Katastrophe. „Komm sofort da herunter, junge Dame!“, befahl er stattdessen. Die einzige Antwort bestand aus einem Kopfschütteln. „Zwanzig Liegestütze.“ „Was soll DAS denn bringen? Wir sind hier nicht beim Militär!“ „Ich meinte natürlich vierzig.“ Allerdings hatte er die Erfahrung gemacht, dass er mit den Heranwachsenden auch konsequenter seinen konnte als den Kindern. Natürlich nicht Yumiko, die war nach wie vor sein Engel. Aber er hatte keine Probleme damit, Enrico oder Heinkel irgendwas zu verbieten oder sie zu bestrafen – sobald ihm etwas Passendes einfiel, hieß das. Sie verdrehte die Augen. „Jawohl, Meister…“ Mit dieser Mischung aus Knurren und Nuscheln ließ sich die Blonde halber auf das Dach fallen, um in die erforderliche Position zu gelangen. „KOMMST DU DA ERST RUNTER?!“ „Als ob…“ Noch während sie richtig nach Halt suchte, bröckelte der unter ihr weg und sie lag mit einem Schlag drei Meter weiter unten im Gras, die ersten vertrockneten Blätter des Jahres wirbelten hoch und verfingen sich in ihren Haaren. Aus irgendeinem Grunde kam ihr das verflucht bekannt vor. „Hast du dir was getan?“ „Als ob ich es schaffen würde, mir was zu brechen…“ In der Tat wäre dies ein Kunststück, das sie bisher noch nicht zustande gebracht hatte. Nicht, dass sie das störte. Sie konnte auch gerne darauf verzichten. Aus der Lage heraus stemmte sie sich halbwegs hoch und begann entnervt mit den Liegestützen, die ihrer Meinung nach nichts als reine Schikane waren. Es war ja nicht so, dass sie nicht schon lange ausgebildet wurden – und sie kannte das verdammte Training, bei leichten Einsätzen waren sie sogar schon mitgekommen – hatten beim letzten sogar weitgehenst Handlungsfreiheit gehabt – und wenn sie dabei eines gelernt hatte, dann war das ganz sicher, dass sich kein Ketzer und kein Monster dadurch beeindrucken ließ, ob man Liegestütze konnte oder nicht. Dennoch kam kein weiterer Laut des Protestes über ihre Lippen. Irgendwann hatte sie innerlich resigniert und Alexanders Autorität mehr oder weniger akzeptiert – auch wenn sie freilich keine Gelegenheit ausließ, ihre Grenzen auszutesten – aber sie wusste ziemlich genau, wie weit sie bei ihm gehen durfte. Bei Enrico war das eine ganz andere Sache. Seit sich herauszukristallisieren begann, dass er früher oder später die Organisation übernehmen würde, wurde aus ihm… ja, was eigentlich? Er war nicht mehr der Junge, den sie kennengelernt hatte, als Yumiko sie damals hergezerrt hatte. Damals hatte sie ihn zwar gehasst, was auf Gegenseitigkeit beruhte, aber es war eine Art Hass-Liebe gewesen. Eigentlich war sie sogar ganz gut mit ihm klar gekommen, wenn er nicht grade wieder ihren Engel geärgert hatte. Aber jetzt… „Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?“ „Bitte?“ Sie hob den Blick. Dabei bemerkte sie erst einmal, dass sie das Zählen ganz vergessen hatte. Wundervoll. „Du bist fertig“, stellte er fest und schüttelte leicht den Kopf, während sie aufstand. „Und wenn du mir schon nicht zuhörst, hör wenigstens ihr zu.“ Noch bevor er geendet hatte, sprang eine Woge aus blauem Kleid und schwarzen Haaren hinter ihm vor und ihr um den Hals. Einen Augenblick später fragte sie sich irritiert, wofür sie grade aufgestanden war, wenn sie schon wieder auf dem Boden lag. „Mhgrawda!“, brachte sie beim Versuch, Luft zu holen, heraus. „Verzeihung.“ Yumiko ließ die Blonde wieder los und sprang auf die Beine, ehe sie der anderen dabei half. Dann zog sie diese auch prompt hinter sich her, ohne ein Wort des Erklärens. Das war bei weitem nicht das erste Mal, und so wunderte sich das Blondchen auch nicht darüber, sondern fügte sich in ihr Schicksal. Nach einer Weile begann die muntere Schwarzhaarige vor sich hin zu plappern. Es fiel Heinkel immer sehr leicht, ihr zuzuhören, da sie sich nicht mit der Frage beschäftigen musste, was davon wichtig war und was nicht. Sie speicherte einfach jedes Wort aus Yumikos Mund als überaus wichtige Information ab, und wenn es nur darum ging, dass eine Blume blühte. Wo auch immer Yumi hinwollte, sie hatte beschlossen, über den Kirchhof zu gehen, und wenn der Blick der anderen mal nicht auf eben jener lag, wanderte er über Grabsteine und Kreuze. Was sie dazu veranlasste, mit einem Schlag stehen zu bleiben. Das wiederrum erwieß sich als leicht schmerzhafter Einfall, da Yumiko noch einen Moment weiterzog. „Was ist?“ „Stehen die da schon lange da?“ Mit diesen Worten zeigte sie auf eine kleine Gruppe Kreuze unter einer Trauerweide. „Ja, glaub schon. Bestimmt schon zehn Jahre oder so. Alex kümmert sich darum. Warum?“ „Sind mir nie vorher aufgefallen.“ Sanft löste sie sich aus dem Griff der Freundin und ging auf die Totenmale zu. Was ihren Blick – und nun ihre Schritte – darauf zu gelenkt hatte, wusste sie nicht, aber sie wollte das herausfinden. Die Jugendliche schob ein paar Äste an die Seite, sodass sie die Namen lesen konnte. Ein paar Blätter segelten zu Boden, als diese Hand zu zittern begann. „Heinkel? Alles in Ordnung?“ „Si…Sicher. Ich dachte nur, dass mir die Namen… bekannt vorkommen.“ Sie nickte, biss sich kurz auf die Lippe und drehte sich dann so abrupt um, dass ihr einer der Äste gegens Gesicht peitschte. Es waren drei Kreuze. Nicht zwei. Drei. Und das war vielleicht gar nicht so falsch, wie es auf den ersten Blick scheinen mochte. Sie würde sich wohl nachher mal bei Alexander bedanken müssen. Kirchhof = altertümliches Wort für einen Friedhof in der Nähe einer Kirche Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)