One litre of Tears von Ikeuchi_Aya (~100 fanfiction challenge~) ================================================================================ 010. Years ---------- 010. Years Die Balance nicht mehr halten können, keine Distanz abschätzen können, nicht mehr richtig gehen können, nicht mehr richtig sprechen können... Jede einzige Verschlechterung ihres Zustandes war voraussagbar gewesen. Seit Aya damals mit fünfzehn Jahren die Diagnose „spinozerebelläre Ataxie“ gestellt bekommen hatte, hatte sich die Krankheit schleichend und langsam hingezogen. Zunächst schien es, als könnte man den auftretenden Symptomen mit physiotherapeutischen Übungen und Medikamenten entgegenwirken und eindemmen, allerdings wurde Ayas Familie bald darauf eines Besseren belehrt. Der erste Krankenhausaufenthalt in den Sommerferien im ersten Jahr an der Highschool hatte nicht der letzte sein sollen. Es hatten weitere folge müssen und auch wenn sich sowohl die Mediziner als auch natürlich Aya größte Mühe gaben, konnte man keinerlei Verbesserungen verzeichnen. Im Gegenteil... Dr. Mizuno kannte Ayas Krankheitsverlauf besser als jeder andere, und dessen statistische Kurve zeigte in den vergangenen Jahren einen stetigen Abstieg ihrer Gesundheit. Letzten Endes hatte sich Aya nach all den Jahren dazu entschlossen, endgültig im Krankenhaus zu bleiben. Es war keine leichte Entscheidung gewesen, immerhin war dies ein weiterer Einschnitt in ihrem ohnehin schon von Ärzten bestimmten Leben, aber gleichzeitig war es auch genau das, was sie wollte: Wenn sich ihre Fähigkeiten so zurückbilden wollten, dann hatte sie hier die besten Möglichkeiten mit den verschiedenen Behandlungen dagegen anzukämpfen und einen halbwegs stabilen körperlichen Zustand zu gewinnen. Noch dazu war es eine untragbare Situation für ihre Familie, wie sie selbst fand. Aya wollte nicht, dass sich ihre Eltern bis zu dem Lebensende ihrer Tochter so abschufteten. Ebenso wollte sie, dass ihre Geschwister Ako, Hiroki und Rika darunter litten. Sie sollten eine unbeschwerte Kindheit und Jugend erleben dürfen! Sie alle hatten schon so viel für Aya getan, auf so vieles verzichtet... Sie konnte und wollte nicht verlangen, dass dies so weiterging. Vielleicht konnte sie nicht mehr das tun, was einem gesunden Menschen möglich war, aber zumindest würde sie ihnen auf diese Art und Weise ein Stück zeigen können, wie ernst es ihr war, etwas zu verändern? Und... es war auch nicht so, als müsste sie die gesamte Zeit über alleine verbringen: Regelmäßig wurde sie von ihrer Familie besucht und ebenso regelmäßig auch von Dr. Mizuno und den ihr zugeteilten Schwestern, welche sich neben ihrer Arbeit wirklich für Aya interessierten. Und dann war da noch... Asou-kun. Es hatte eine Weile gebraucht, bis sie sich schließlich getraut hatte, ihm wieder gegenüberzustehen. Vom Dach des Krankenhauses hatte Aya ihn das ein oder andere Mal beobachten können, wie er mit den Medizinkommilitonen zu einen der Hörsäle ging oder den Campus des Jounan Universitätskrankenhauses verließ. Allein die Tatsache, ihn mit den anderen lachen zu sehen, machte sie wirklich glücklich. Doch dass sie schließlich auch einander wieder begegneten... erfüllte Aya mit einem Gefühl, dass sie nicht beschreiben vermochte. Erleichterung, Freude, Glück... Da gab es vieles. Letzten Endes... wollte sie sich auch für ihn weiter anstrengen. Er hatte so viel für sie getan, hatte sie immer unterstützt und ihr beigestanden... Auch um ihn ihre Dankbarkeit zu zeigen, und dass seine Bemühungen nicht umsonst gewesen waren, wollte sie nun mehr hier ihr Bestes geben. Dennoch... manchmal, wenn Aya ihre Tagebucheinträge schrieb, kamen die Erinnerungen daran auf, wie sie vor einiger Zeit gelebt hatte. Dann musste sie der Versuchung widerstehen eines ihrer alten Notizbücher zu nehmen und sich dieses durchzulesen. Es wäre nicht gut gewesen. Sie hatte gelernt, im Hier und Jetzt zu leben, gelernt, das wertzuschätzen, was sie jetzt hatte. Es hatte lange gebraucht, bis sie sich überhaupt von dem Gedanken hatte loslösen können, ihrem Schicksal zu entfliehen und sich diesem stattdessen zu stellen. Nun mehr, wo sie dazu bereit war... wäre es ein Schritt zurück, diese alte Zeiten wieder aufleben zu lassen. Die Gegenwart schritt unaufhörlich voran und gerade an ihren Geschwistern konnte sie dies eindeutig sehen: Ako hatte es geschafft, an der Higashikou angenommen zu werden, während Hiroki nun mehr die Mittelschule besuchte, welche auch die seiner beiden älteren Schwestern gewesen ist. Und Rika... sah man es allein schon auf Grund ihrer Größe an, und dass sie ein wenig der kleinkindlichen Züge verlor. Es machte Aya glücklich zu sehen, dass sie alle gesund und munter leben konnte. Wirklich mehr als nur glücklich. Sicherlich konnte man sagen, dass es traurig war, wie sich ihr Leben gewandelt hatte. Traurig, weil sie mitten ihrer beginnenden Jugendzeit dazu gezwungen worden ist, anders als die anderen zu leben. Traurig, weil sie nun mehr nur noch einen kleinen Teil von dem konnte, was sie zuvor berherrscht hatte. Aber... die vergangene Zeit hatte nicht nur Schlechtes mit sich gebracht. Zu sehen, wie ihre Geschwister mitheranwuchsen, zu sehen wie es ihren alten Freunden ging, all diese Dinge... waren dies keine guten Begebenheiten im Leben? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)