Lost von --Ricardus-- (Vom Himmel, durch die Welt, zur Hölle) ================================================================================ Kapitel 10: 11 -------------- Susanna Hayden war zum Kotzen zumute. Als ihr Bewusstsein langsam wieder in sie zurück sickerte, war ihr so übel, dass ihr auch gut jemand mit aller Kraft in die Magengegend getreten haben könnte. Es hätte sich nicht anders angefühlt. Die gefährliche Kombination aus Sonnenstich, Wasser- und Schlafmangel machte Anstalten erneut die Macht über sie zu übernehmen, doch Susanna würde das unter keinen Umständen zulassen. Ihre neuerliche Panik, nie wieder aufzuwachen, wenn sie jetzt ein weiteres Mal abklappte, trieb sie dazu sich zur Seite zu drehen, um durch etwas Bewegung mehr Kontrolle über sich selbst zu gewinnen. Doch anstatt harter, stabiler Erde, befand sich in der Richtung, in die sie sich drehte, nichts, und Susanna stürzte zu Tode erschreckt einen halben Meter nach unten auf den wirklichen Boden der Tatsachen. Schnelle Schritte näherten sich und zwei Paar Hände ergriffen sie behutsam an den Oberarmen und hoben ihren entkräfteten Körper zurück auf die Bettkante, von der sie gerade gestürzt war. „Alles in Ordnung, Miss?“, fragte ein grauhaariger Mann, dessen Ausdruck in den Augen nicht einmal annährend seinem wirklichen Alter entsprach. Wahrscheinlich stand vor ihr gerade dieser Bernard und neben ihm die schwarze Frau, die gerade einem Golden Retriever das Fell kraulte. „Nein.“, sagte Susanna frei heraus, „Schon seit einer ganzen Weile nicht mehr.“ Bernard blickte einsichtig nach unten. Tiefe Falten lagen auf seiner Stirn und unter seinen Augen. Seine Stimme trug viel Wärme und Freundlichkeit in sich, aber auch Schalk. Er lachte leise und gab zu: „Entschuldigung, eigentlich war mir das klar, aber Sie wissen ja: Der Anstand … und die Macht der Gewohnheit.“ „Ja, ja, Bernard. Ich dachte wir hätten alle Gewohnheiten zwangsläufig abgelegt seit wir auf der Insel sind. Kein Fernseher, kein Golf, kein Whiskey.“, sagte die alte Dame schmunzelnd. „Sehr nett von dir, Rose.“, erwiderte er mit einem gekränkten Gesichtsausdruck, dem man aber keine Ernsthaftigkeit zukommen lassen konnte. „Was machen sie hier auf dieser Insel? Wohnen sie hier?“ Susanna setzte sich aufrecht hin und begutachtete die neuen Verbände. Die alte Frau, die Rose hieß, reichte ihr eine kleine Schale mit heißem Tee. „Es ist besser bei Hitze etwas Warmes zu trinken als etwas Kaltes, auch wenn es schwer zu glauben ist.“ Dann fuhr sie nach einer kleinen Pause fort: „Wir kamen mit einem Flugzeug hierher. Es stürzte ab, genau über dieser Insel. Wir und noch viele andere Überlebende haben Monate damit zugebracht zu überleben, bis wir nacheinander die Hoffnung auf Rettung auf gegeben haben. Mein Mann und ich leben hier jetzt schon seit fast vier Jahren allein und genießen unsere Situation bereits mehr, als dass wir sie bedauern.“ „Und die anderen Leute aus dem Flugzeug?“, Susanna verschluckte sich beinahe an einem herum schwimmenden Teeblättchen und versuchte verhalten zu husten. Sie war aufgeregt und eigentlich wollte sie den Tee gar nicht, aber zurückweisen konnte sie ihn auch nicht. „Nun ja.“ Rose setzte sich auf etwas, das aussah wie ein selbst gezimmerter Hocker. „Die meisten sind tot. Wo alle anderen sind, wissen wir selbst nicht so genau. Wir vermuten sie sind verstreut auf der Insel unterwegs und versuchen weiter zu überleben“ „Oder sie haben doch einen Weg von hier weg gefunden.“, ergänzte Bernard, um auch diese Möglichkeit anzusprechen. „Aber warum haben sie euch nie gefunden? Wissen sie nicht, wo ihr seid? Ist die Insel denn wirklich so groß?“ Susanna hatte Mühe die restlichen tausend Fragen zurück zu halten. Roses Lippen kräuselten sich. Ein unangenehmes Kapitel war auf geschlagen worden. Es fiel ihr sichtlich schwer darauf zu antworten, aber als sie es trotzdem tat, umspielte ein wehleidiges Lächeln ihren schmalen Mund. „Nein, ich denke sie haben nie wirklich nach uns gesucht, Kleines.“ „Und“, Susanna schluckte, „woran sind die Anderen gestorben?“ „Sie sind auf viele Arten von uns gegangen, aber niemals natürlich. Durch wilde Tiere, merkwürdige Krankheiten, Unfälle wie Ertrinken oder Stürze und durch die Waffen anderer Menschen.“ „Heißt das, ihr seid hier nicht allein?“ „Nein, noch nie gewesen und die Chancen, dass wir es irgendwann sein werden, stehen schlecht.“, sagte Rose. „Wir können dir nur raten, wenn du auf einen von ihnen triffst, egal wie freundlich, Vertrauens erweckend und hilfsbereit er auch erscheinen mag, merk dir eine Sache: Glaube ihm kein Wort, gehe keine Kompromisse ein und, um Himmels Willen, mach dass du ihn so schnell wie möglich los wirst.“ Susanna saß kerzengerade auf der hölzernen Bettkante, blickte mit zitternder Unterlippe in die Gesichter ihres Gegenübers und dachte darüber nach, ob den Beiden klar war, dass sie auch ebenso gut über sich selbst reden konnten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)